Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei M*****, vertreten durch Dr. Werner Borns, Rechtsanwalt in Gänserndorf, gegen die beklagte Partei und den Gegner der gefährdeten Partei Z*****, vertreten durch Dr. Karl Claus und Mag. Dieter Bertold Rechtsanwaltspartnerschaft KG in Mistelbach, wegen Unterhalt, einstweiligen Unterhalt und Prozesskostenvorschuss (§ 382 Abs 1 Z 8 lit a EO), über den Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 22. April 2021, GZ 20 R 23/21d-20, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 2. Dezember 2020, GZ 12 C 278/20b-14, teils abgeändert und teils aufgehoben wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Das Rechtsmittel wird – soweit es sich gegen den Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts richtet – zurückgewiesen.
Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Abweisung des Antrags auf Prozesskostenvorschuss (in Höhe von restlichen 2.000 EUR) richtet, wird ihm Folge gegeben. In diesem Umfang werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die auf den abändernden Teil entfallenden Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
[1] Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist die Frage, ob ein aus dem Titel des einstweiligen Unterhalts beantragter Prozesskostenvorschuss als ehegattenunterhaltsrechtlicher Sonderbedarf vom Unterhaltspflichtigen (unter den weiteren Voraussetzungen) auch dann zu leisten ist, wenn dem unterhaltsberechtigten Ehegatten zuvor bereits die Verfahrenshilfe für das Unterhaltsverfahren bewilligt wurde.
[2] Die Klägerin und gefährdete Partei (in der Folge: Klägerin) und der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei (in der Folge: Beklagter) sind seit 1992 verheiratet. Nach Gewalttätigkeiten des Beklagten brachte die Klägerin am 30. 7. 2019 die Scheidungsklage gegen ihn ein und stellte einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Entsprechend diesem Antrag verbot das Erstgericht dem Beklagten die Rückkehr in die eheliche Wohnung. Das Scheidungsverfahren ist anhängig.
[3] Mit Beschluss vom 23. 12. 2019, GZ 12 Nc 60/19v-4, bewilligte das Erstgericht der (nunmehrigen) Klägerin die zur Durchsetzung ihrer Unterhaltsansprüche gegen ihren Ehemann beantragte Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a, c und f sowie Z 3 ZPO.
[4] Am 10. 2. 2020 brachte die Klägerin (vertreten durch den bestellten Verfahrenshelfer) gegen den Beklagten eine Stufenklage wegen Unterhalts ein. Mit ihrem gleichzeitig erhobenen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung begehrte sie einstweiligen Unterhalt von 419,56 EUR monatlich. Weiters begehrte sie, dem Beklagten die Leistung eines Prozesskostenvorschusses in Höhe von 4.000 EUR als ehegattenunterhaltsrechtlichen Sonderbedarf aufzutragen.
[5] Am 19. 6. 2020 modifizierte die Klägerin ihren Antrag auf einstweiligen Unterhalt dahin, dass sie einstweiligen Unterhalt in Höhe von monatlich 659,80 EUR begehrte.
[6] Die Klägerin brachte – soweit für das Revisionsrekursverfahren wesentlich – vor, der Beklagte sei als gelernter Maurer berufstätig, verschweige aber sein Einkommen. Er leiste seit seinem Auszug aus der ehelichen Wohnung am 17. 7. 2019 keine Unterhaltszahlungen. Sie selbst beziehe lediglich 467,40 EUR monatlich an Notstandshilfe und habe für die ehemalige Ehewohnung (an der sie und der Beklagte je zur Hälfte Miteigentümer sind) Kosten in Höhe von rund 500 EUR monatlich zu tragen. Dass sie derzeit über kein Einkommen verfüge, aus dem sie die Kosten eines Verfahrens zur Durchsetzung ihrer Unterhaltsansprüche tragen könnte, sei schon aus dem Umstand evident, dass ihr die Verfahrenshilfe gewährt worden sei. Aus der Prozessgefahr ergebe sich ein besonderer Unterhaltsbedarf, der aus laufenden Unterhaltsbeträgen nicht abdeckbar wäre. Die Leistung eines Prozesskostenvorschusses von 4.000 EUR sei dem Beklagten jedenfalls zumutbar.
[7] Der Beklagte bestritt und wandte ein, er habe auch nach seinem Auszug aus der Ehewohnung erhebliche Zahlungen (Lebensversicherungsprämie, Kreditraten) erbracht und leiste durch Zurverfügungstellung der Ehewohnung erheblichen Naturalunterhalt. Ein Prozesskostenvorschuss für das Unterhaltsverfahren stehe der Klägerin nicht zu, weil ihr die Verfahrenshilfe bewilligt und ein Rechtsanwalt als Verfahrenshelfer beigegeben worden sei.
[8] Das Erstgericht erließ eine einstweilige Verfügung, mit der der Beklagte schuldig erkannt wurde, der Klägerin ab 10. 2. 2020 bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Ehegattenunterhaltsverfahrens einen vorläufigen monatlichen Unterhalt in der Höhe von 448,40 EUR zu leisten. Weiters erließ das Erstgericht eine einstweilige Verfügung, mit der der Beklagte schuldig erkannt wurde, der Klägerin einen Prozesskostenvorschuss in Höhe von 2.000 EUR zu zahlen. Das darüber hinausgehende Begehren auf Gewährung eines vorläufigen Unterhaltsbetrags in Höhe von 211,30 EUR monatlich und Leistung eines weiteren Prozesskostenvorschusses von 2.000 EUR wurde abgewiesen.
[9] Das Erstgericht legte seiner Entscheidung bisher zugrunde, dass die Klägerin Notstandshilfe beziehe, der Beklagte hingegen nicht unerhebliche monatliche Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Maurer und darüber hinaus aus einem „Miet-Kaufvertrag“ erzielt. Unter Berücksichtigung der auf den Geldunterhaltsanspruch der Klägerin anzurechnenden Naturalleistungen sei dem Beklagten die Zahlung eines vorläufigen monatlichen Unterhalts von 448,50 EUR zumutbar. Ergebe sich aus der Prozessgefahr ein besonderer Unterhaltsbedarf, sei neben den laufenden monatlichen Unterhaltsbeiträgen nach Abwägung der beiderseitigen Interessen zusätzlich ein Prozesskostenvorschuss zuzusprechen. Dem Beklagten sei die Leistung eines Prozesskostenvorschusses in Höhe von 2.000 EUR zumutbar.
[10] Gegen diese Entscheidung erhob nur der Beklagte Rekurs.
[11] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichts über den Prozesskostenvorschuss dahin ab, dass der Antrag auf Prozesskostenvorschuss zur Gänze abgewiesen wurde. Hinsichtlich des vorläufigen Unterhalts und der Kostenentscheidung wurde die Entscheidung aufgehoben und dem Erstgericht insoweit eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Da aufgrund des als bescheinigt angesehenen Sachverhalts eine Überprüfung der Entscheidung des Erstgerichts nicht mit Sicherheit vorgenommen werden könne, sei die Ergänzung des Bescheinigungsverfahrens zu den Einkommensverhältnissen, zur Frage der Tragung der Betriebskosten der Ehewohnung und zum näheren Inhalt des Miet-Kaufvertrags erforderlich. Zum Prozesskostenvorschuss führte das Rekursgericht aus, der Klägerin sei für die Geltendmachung ihrer Unterhaltsansprüche die Verfahrenshilfe im vollen Umfang einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwalts bewilligt worden. Sie habe nicht vorgebracht, dass bereits ein rechtsanwaltlicher Honoraranspruch entstanden sei oder sie zum Antragszeitpunkt oder auch in Zukunft mit sonstigen derartigen Kosten belastet wäre. Da sie ihren Bedarf an Rechtsanwalts- oder sonstigen Verfahrenskosten nicht bescheinigt habe, sei ihr Antrag auf Prozesskostenvorschuss zur Gänze abzuweisen.
[12] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs gegen den abändernden Teil der Entscheidung zulässig sei, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage bestehe, ob sich die Klägerin bei Prüfung ihres Antrags auf Prozesskostenvorschuss auf die vor Antragstellung erfolgte Bewilligung der Verfahrenshilfe verweisen lassen müsse.
[13] Die Klägerin erhob ein als „Revisionsrekurs“ bezeichnetes Rechtsmittel.
1. Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss
Rechtliche Beurteilung
[14] Soweit sich das Rechtsmittel gegen den Aufhebungsbeschluss richtet, ist es jedenfalls unzulässig:
[15] § 527 Abs 2 erster Satz ZPO gilt zufolge §§ 78, 402 Abs 4 EO auch im Verfahren zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (RIS-Justiz RS0002354). Demnach kann die Entscheidung des Rekursgerichts, mit der ein Beschluss erster Instanz aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen wird, nur dann angefochten werden, wenn das Rekursgericht die Zulässigkeit des Rekurses ausgesprochen hat. Da der Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts einen solchen Ausspruch nicht enthält, ist er absolut unanfechtbar; auch ein außerordentliches Rechtsmittel ist ausgeschlossen (Ploier in Höllwerth/Ziehensack, ZPO § 527 Rz 6 mwN).
[16] Der insoweit unzulässige Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen (RS0109580).
2. Revisionsrekurs betreffend den Prozesskostenvorschuss
[17] Soweit sich der Revisionsrekurs gegen den abändernden Teil der Rekursentscheidung (über den Prozesskostenvorschuss) richtet, ist er zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt:
[18] Die Rekurswerberin macht im Wesentlichen geltend, der Unterhaltspflichtige könne nach ständiger Rechtsprechung seine Verpflichtung zur Finanzierung eines Sonderbedarfs für Prozesskosten nicht mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Verfahrenshilfe verweigern. Daraus sei abzuleiten, dass die Verfahrenshilfe der Verpflichtung des Unterhaltspflichtigen zur Leistung eines Prozesskostenvorschusses (als Sonderbedarf) nicht vorgehe. Auch die bereits erfolgte Bewilligung der Verfahrenshilfe könne daher die Auferlegung eines Prozesskostenvorschusses nicht hindern.
[19] Dazu ist auszuführen:
[20] 2.1 Die Deckung „notwendiger“ Prozess- und Anwaltskosten zählt nach ständiger Rechtsprechung zum Unterhalt (RS0005627). Diese Kosten sind daher in der Regel aus dem laufenden Unterhaltsanspruch nach § 94 ABGB zu decken und nicht als gesonderter Vorschuss außerhalb des einstweiligen Unterhalts zuzusprechen (RS0013486).
[21] 2.2 Wenn sich allerdings aus der Prozessgefahr ein besonderer Unterhaltsbedarf ergibt, den der Unterhaltsberechtigte nicht aus den laufenden Unterhaltsbeiträgen decken kann, kann er einen entsprechenden Sonderbedarf in Form eines Prozesskostenvorschusses als einstweiligen Unterhalt gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO geltend machen. Der Unterhaltspflichtige hat solche zusätzliche Zahlungen zu leisten, soweit ihm dies nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zumutbar ist (RS0013486; 5 Ob 189/08t).
[22] 2.3 Ziel des Prozesskostenvorschusses ist ua die Möglichkeit, Streitfragen unter angemessenen Rahmenbedingungen klären zu können. Der unterhaltsberechtigte Ehegatte muss die Möglichkeit haben, dem Standpunkt des Gegners mit einem vergleichbaren juristischen Aufwand entgegenzutreten (3 Ob 201/19h EF-Z 2020/74, 176 [Schumacher] = iFamZ 2020/37, 51 [Deixler-Hübner]).
[23] 2.4 Zum Verhältnis von Prozesskostenvorschuss und Verfahrenshilfe geht die ständige Rechtsprechung dahin, dass der Unterhaltsverpflichtete seine Verpflichtung zur Finanzierung eines Sonderbedarfs an Prozesskosten nicht mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Verfahrenshilfe verweigern kann. Dies wird damit begründet, dass Verfahrenshilfe nur insoweit bewilligt werden kann, als die Verfahrenskosten weder aus eigenem Vermögen noch aus einem (allenfalls erhöhten) Unterhaltsanspruch finanziert werden können. Prozesskosten können einen derartigen Sonderbedarf bilden (9 Ob 121/06v = RS0013486 [T8]; 5 Ob 189/08t = RS0013486 [T10]; E. Kodek in Angst/Oberhammer3 § 382 EO Rz 46; Hopf/Kathrein Eherecht3 § 382 Rz 16; König, Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren5 Rz 4/17).
[24] 2.5 Im vorliegenden Fall wurde die Verfahrenshilfe bereits vor Einbringung der Klage auf Unterhalt rechtskräftig (in vollem Umfang) bewilligt und in deren Rahmen ein Verfahrenshelfer bestellt. Dieser hat zugleich mit der Einbringung der Unterhaltsklage einstweiligen Unterhalt gemäß § 381 Abs 1 Z 8 EO sowie den Zuspruch eines Prozesskostenvorschusses beantragt.
[25] Zu beurteilen ist daher, ob auch in einem derartigen Fall Anspruch auf Prozesskostenvorschuss besteht.
[26] 2.5.1 In der Begründung der Entscheidung 6 Ob 237/03a billigte der Oberste Gerichtshof in Punkt 2. den Rechtsstandpunkt des Rekursgerichts, es fehle an einem besonderen zusätzlichen Unterhaltsbedarf, wenn der für die Unterhaltsberechtigte im Verfahren einschreitende Rechtsanwalt gleichzeitig deren Sachwalter sei und er für den Einsatz seiner beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe keinen Anspruch auf angemessenes Entgelt für die Kosten einer rechtsfreundlichen Vertretung hat (damals § 267 Abs 1 letzter Satz ABGB, nunmehr § 276 Abs 3 Satz 2 ABGB). Seien zumindest derzeit keine Anwaltskosten zu tragen, ergebe sich aus der Prozessgefahr zumindest vorläufig kein besonderer Unterhaltsbedarf, weshalb der hiefür aus dem Titel des einstweiligen Unterhalts begehrte Vorschuss nicht zustehe.
[27] 2.5.2 Die Entscheidung 6 Ob 237/03a stieß insbesondere hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit auf das Verhältnis von Prozesskostenvorschuss und Verfahrenshilfe auf Kritik. Gitschthaler (in Gitschthaler/Höllwerth, Kommentar zum Ehe- und Partnerschaftsrecht [2011] § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO Rz 56) vertritt den Standpunkt, dass primär zu prüfen sei, ob der Unterhaltsberechtigte die Prozesskosten selbst decken könne (und sei es aufgrund seines Anspruchs auf Sonderbedarfsunterhalt). Erst in zweiter Linie sei auf die Verfahrenshilfe abzustellen. Nicht ersichtlich sei, weshalb die Beantwortung der Frage „Prozesskostenvorschuss oder Verfahrenshilfe“ davon abhängig sein soll, ob der Unterhaltsberechtigte zunächst Verfahrenshilfe beantragt habe oder nicht. Verfüge der unterhaltsberechtigte Ehegatte daher bereits über Verfahrenshilfe und liegen die Voraussetzungen für den Zuspruch eines Prozesskostenvorschusses vor, habe der dem Unterhaltsberechtigten beigegebene Verfahrenshilfeanwalt diesen zu beantragen, sodann sei die Verfahrenshilfe zu entziehen.
[28] 2.5.3 Diese Kritik ist gerechtfertigt:
[29] Der Anspruch auf Verfahrenshilfe ist subsidiär. Die Voraussetzungen für ihre Bewilligung sind nicht gegeben, wenn die Kosten, zu deren Deckung die Verfahrenshilfe dient, von einem Dritten zu tragen sind (Weber/Poppenwimmer in Höllwerth/Ziehensack, ZPO § 63 ZPO Rz 2). Bei einkommens- und vermögenslosen Personen sind grundsätzlich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Unterhaltspflichtigen in die Beurteilung einzubeziehen (wovon beispielsweise das AußStrG Verfahren in Abstammungssachen in § 82 Abs 3 und Unterhaltsverfahren minderjähriger Kinder in § 101 Abs 5 ausdrücklich ausnimmt). Ergibt sich unter Heranziehung der materiell-rechtlichen Unterhaltsregeln, dass der Unterhaltspflichtige die Verfahrenskosten der Partei (vorläufig) zu zahlen hat, kommt eine Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht in Betracht (M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3 II/1 § 63 ZPO Rz 7).
[30] Die Verfahrenshilfe bewirkt auch nur eine vorläufige Befreiung von der Kostentragung; sie kann zur Gänze oder zum Teil für erloschen erklärt oder entzogen werden.
[31] Zudem bewirkt die Verfahrenshilfe die vorläufige Befreiung von der Tragung der Prozesskosten ausschließlich gegenüber dem Gericht und erstreckt sich nur auf jene Prozesshandlungen, die durch die begünstigte Partei gesetzt werden. Dem Prozessgegner gegenüber besteht die durch die Verfahrenshilfe gewährte vorläufige Kostenbefreiung jedoch nicht. Bei Prozessverlust hat auch die die Verfahrenshilfe genießende Partei die gegnerischen Kosten zu ersetzen.
[32] 2.5.4 Im Hinblick auf diese gesetzliche Konzeption der Verfahrenshilfe schließt sich der Senat der Ansicht an, dass im Verfahren wegen Ehegattenunterhalt bei Beurteilung der Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Prozesskostenvorschusses im Wege einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Abs 2 Z 8a EO primär zu prüfen ist, ob der Unterhaltsberechtigte die Prozesskosten selbst decken kann – und sei es aufgrund seines Anspruchs auf Sonderbedarfsunterhalt. Für den Anspruch auf Prozesskostenvorschuss ist nicht maßgeblich, ob der Unterhaltsberechtigte zunächst Verfahrenshilfe beantragt und bewilligt erhalten hat oder nicht.
[33] 2.6 Daraus resultiert für den vorliegenden Fall, dass die der Klägerin bewilligte Verfahrenshilfe den beklagten Ehemann nicht von vornherein von seiner Verpflichtung enthebt, einen aus dem Titel des einstweiligen Unterhalts begehrten Prozesskostenvorschuss zu leisten.
[34] 2.7 Die bisherigen Verfahrensergebnisse lassen allerdings noch keine abschließende Beurteilung zu, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Prozesskostenvorschusses in Höhe von 2.000 EUR als Sonderbedarf vorliegen.
[35] 2.8 Im fortzusetzenden Verfahren wird auf Grundlage der Ergebnisse des Bescheinigungsverfahrens in Abwägung der beiderseitigen Interessen zu beurteilen sein, ob und inwieweit die Klägerin die Verfahrenskosten aus eigenen Einkünften einschließlich des monatlichen Unterhalts decken kann, sowie ob und inwieweit dem Beklagten die zusätzliche Leistung eines Prozesskostenzuschusses unter Bedachtnahme auf seine sonstigen Zahlungen und Verpflichtungen zugemutet werden kann. Sollte der Anspruch auf Prozesskostenvorschuss dem Grunde nach zu bejahen sein, wird zu dessen Höhe zu berücksichtigen sein, dass Prozesskostenvorschuss als Sonderbedarf nur für „notwendige“ Verfahrenskosten zusteht (1 Ob 67/05t; 3 Ob 152/16y iFamZ 2016/230, 369 [Deixler-Hübner]).
[36] 2.9 Im Fall der Gewährung des Prozesskostenvorschusses, wird das Prozessgericht erster Instanz von Amts wegen oder auf Antrag die Verfahrenshilfe insoweit für erloschen zu erklären haben, als die Änderung in den Vermögensverhältnissen der Klägerin dies erfordert (§ 68 Abs 1 ZPO).
[37] 3. Insgesamt ist daher das Rechtsmittel, soweit es sich gegen den Aufhebungsbeschluss richtet, als absolut unzulässig zurückzuweisen. Soweit es sich gegen den abändernden Teil der Rekursentscheidung über den Prozesskostenvorschuss richtet, ist ihm im Sinn des Aufhebungsantrags Folge zu geben.
[38] Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
Textnummer
E132997European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0100OB00026.21B.0913.000Im RIS seit
04.11.2021Zuletzt aktualisiert am
21.01.2022