TE Lvwg Erkenntnis 2021/10/8 VGW-242/070/11971/2021/VOR

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Veröffentlicht am 08.10.2021
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Entscheidungsdatum

08.10.2021

Index

L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Wien

Norm

WMG §10 Abs1
WMG §10 Abs6
WMG §11
WMG §11a

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seine Richterin Mag. Romaniewicz über die Beschwerde der Frau A. B., gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40 - U25 Wiener Jugendunterstützung, Lehrbachgasse, vom 25.02.2021, Zl. SH/2021/...-001, betreffend Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG) iZm der Verordnung der Wiener Landesregierung zum Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG-VO), aus Anlass der Vorstellung der Frau A. B. gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien (Entscheidung einer Landesrechtspflegerin) vom 02.08.2021 zu VGW-242/070//RP01/4396/2021

zu Recht:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40 - U25 Wiener Jugendunterstützung, Lehrbachgasse, vom 25.02.2021, Zl. MA 40 - Jugendunterstützung Lehrbachgasse - SH/2021/...-001, wurde der nunmehrigen Beschwerdeführerin aufgrund ihres Antrages vom 12.11.2020 Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts und der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs für den Zeitraum von 12.11.2020 bis 31.10.2021 zuerkannt. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass das Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass Frau B. laufend erwerbstätig sei und ihr deshalb ein höherer Richtsatz gewährt werden könne. Das Gehalt vom Februar 2021 sei fiktiv auf Basis des vorgelegten Dienstvertrages angerechnet worden, die Beiträge zur Selbstversicherung seien berücksichtigt worden. Im Übrigen hat die belangte Behörde auch Beihilfen zu den Kursnebenkosten des Arbeitsmarktservice (in weiterer Folge „AMS“) in der Höhe von EUR 2,11 täglich für den Zeitraum 08.02.2021 bis 14.05.2021 angerechnet.

Gegen diesen Bescheid hat Frau B. fristgerecht Beschwerde erhoben. Die Beschwerde richtet sich ausschließlich gegen die Anrechnung der Beihilfen zu den Kursnebenkosten von EUR 2,11/täglich. Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass es sich dabei um einen Kostenersatz zur Beseitigung bzw. Verringerung kostenbedingter Hindernisse handle, die im Zusammenhang mit der Teilnahme an einer arbeitsmarktpolitisch sinnvollen Maßnahme entstünden. Ein Kostenersatz – wenn auch ein pauschalierter – erhöhe nicht das Einkommen. Die Anrechnung sei daher nicht richtig. Es werde um eine entsprechende Korrektur des Bescheids ersucht.

Mit Schreiben vom 15.03.2021 wurde der Behördenakt samt Beschwerde dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vorgelegt (eingelangt am 25.3.2021).

Weder die belangte Behörde noch die Beschwerdeführerin beantragten die Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung.

Mit Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wien vom 02.08.2021 zu VGW-242/070//RP01/4396/2021 wies die zuständige Landesrechtspflegerin die Beschwerde mit der Begründung ab, dass die gegenständliche Beihilfe zu den Kursnebenkosten, wie aus § 10 Abs. 6 WMG in der geltenden Fassung hervorgehe, nicht von der Anrechnung ausgenommen sei. Daher würde diese Leistung des AMS zum Einkommen zählen. Die Höhe der Leistung sei von der belangten Behörde im Übrigen richtig berechnet worden.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Vorstellung an die zuständige Richterin des Verwaltungsgerichts Wien.

2. Feststellungen

Für das Verwaltungsgericht steht folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt fest:

Frau A. B., geboren …, österreichische Staatsbürgerin, wohnhaft in Wien, C.-Straße stellte am 12.11.2020 einen Antrag auf Zuerkennung der Leistungen aus der Wiener Mindestsicherung.

Diese ist in Indonesien geboren und seit … 2020 in Österreich hauptgemeldet.

Zusätzlich ist sie seit 14.01.2021 geringfügig bei dem Verein „D.“ beschäftigt und hat seit 01.02.2021 ein Einkommen in der Höhe von EUR 180,- monatlich. Im Zeitraum vom 14.01.2021 bis 31.01.2021 hatte sie ein Einkommen in der Höhe von EUR 192,20.

Vom 08.02.2021 bis 14.05.2021 war Frau B. in einer Schulung des AMS, für die sie eine Beihilfe zu den Kursnebenkosten von täglich EUR 2,11 vom AMS erhielt.

Von 27.07.2021 bis 26.08.2021, vom 28.08.2021 bis 30.08.2021 und 01.09.2021 bis 10.09.2021 erhielt sie ebenfalls eine Beihilfe zu den Kursnebenkosten von täglich EUR 2,11 vom AMS. Die diesbezüglichen Auszahlungen erfolgten am 02.08.2021 in der Höhe von EUR 63,30, am 02.09.2021 in der Höhe von EUR 61,19 und am 04.10.2021 in der Höhe von EUR 21,10.

Bei dieser Beihilfe handelt es sich um eine arbeitsmarktpolitisch berufliche Aus- und Weiterbildungs-, Berufsorientierungs-, Arbeitserprobungs- oder Arbeitstrainingsmaßnahme bzw. Maßnahme der aktiven Arbeitssuche. Gefördert werden Fahrtkosten, allenfalls Nächtigung und Verpflegung.

Folgendes Einkommen hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid angerechnet (auszugsweise Textpassage):

A. B.

Lohn und Gehalt aus unselbständiger Arbeit

€ 180,00 mtl.

01.02.2021

 

Anrechenbare Beihilfen zu den Kursnebenkosten (Pauschalbetrag)

€ 2,11 tgl.

08.02.2021

15.05.2021

Lohn und Gehalt aus unselbständiger Arbeit

€ 192,90 mtl.

14.01.2021

31.01.2021

Überdies hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid Leistungen der Wiener Mindestsicherung für den Zeitraum 12.11.2020 bis 31.10.2021 gewährt. Die Auszahlungen erfolgen immer zu Beginn des Monats.

3. Beweiswürdigung

Die getätigten Feststellungen ergeben sich aus den insoweit unbestritten gebliebenen und unbedenklichen Akteninhalten, und zwar dem Behördenakt und dem Akt des Verwaltungsgerichts Wien zu VGW-242/070//RP01/4396/2021 (Landesrechtspflegerin-Akt; insbesondere dem dort aufliegenden Auszug aus dem AMS-Behördenportal), dem Parteienvorbringen sowie aktuellen Auszügen aus dem AMS-Behördenportal und des Sozialversicherungsträgers.

Die Definition der Beihilfe zu den Kursnebenkosten ergibt sich aus der Bundesrichtlinie für Aus- und Weiterbildungsbeihilfen (BEMO), Stand 1.10.2020, Seite 42.

Zudem konnte die Entscheidung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden, weil einzig nicht übermäßig komplexe Rechtsfragen zu klären waren und der entscheidungserhebliche Sachverhalt unstrittig anhand der Aktenlage und des Parteienvorbringens festgestellt werden konnte. Die Parteien haben im Übrigen auch keine Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung beantragt.

4. Rechtliche Erwägungen

Im Sinne des § 10 Abs. 1 und 6 Wiener Mindestsicherungsgesetz (in weiterer Folge WMG) sind von der Anrechnung als Einkommen auf den Mindeststandard folgende Leistungen ausgenommen:

1. Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 mit Ausnahme von Zuwendungen aus dem Familienhospizkarenz-Härteausgleich, die Kinderabsetzbeträge gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988, der Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 und die familienbezogenen Absetzbeträge gemäß § 33 Abs. 4 EStG 1988,

2. Schmerzensgeld, Entschädigungsleistungen für Opfer, Leistungen des Sozialentschädigungsrechts (Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, Opferfürsorgegesetz, Heeresentschädigungsgesetz, Verbrechensopfergesetz, Impfschadengesetz, Conterganhilfeleistungsgesetz, Heimopferrentengesetz), sofern es sich nicht um eine einkommensabhängige Rentenleistung mit Mindestsicherungscharakter handelt,

3. Pflegegeld nach bundesrechtlichen Vorschriften und andere pflegebezogene Geldleistungen, auch bei Dritten, denen diese Geldleistungen als Entgelt für deren Pflegetätigkeit zufließen, sofern die Pflegetätigkeit durch Ehegatte/Ehegattin und deren Kinder, die Eltern, Großeltern, Adoptiv- und Pflegeeltern, Kinder, Enkelkinder, Stiefkinder, Adoptiv- und Pflegekinder, den/die Lebensgefährten/Lebensgefährtin und dessen/deren Kinder, den/die eingetragene/n Partner/in und dessen/deren Kinder sowie Geschwister, Schwiegereltern und Schwiegerkinder und nicht zu Erwerbszwecken, erfolgt,

4. freiwillige Geldleistungen der freien Wohlfahrtspflege oder Leistungen von Dritten, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden, es sei denn diese Leistungen werden bereits für einen ununterbrochenen Zeitraum von vier Monaten gewährt oder erreichen ein Ausmaß, sodass keine Leistungen nach diesem Gesetz mehr erforderlich wären,

5. Einkünfte, die der Hilfe suchenden Person im Rahmen einer Tagesstruktur oder einer sonstigen therapeutischen Betreuungsmaßnahme als Leistungsanreiz zufließen (therapeutisches Taschengeld), es sei denn, diese überschreiten die Höhe des Taschengeldes gemäß § 17 Abs. 3.

Überdies sind im Sinne des § 11 WMG Sonderzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) aus eigener Erwerbstätigkeit sowie gemäß § 11a WMG Gutschriften aus einer Arbeitnehmerveranlagung bei der Bemessung von Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs von der Anrechnung ausgenommen.

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde die vom AMS ausbezahlten Leistungen, nämlich die Beihilfe zu den Kursnebenkosten, als Einkommen iSd § 10 Abs. 1 WMG gewertet. Die Beschwerde wendet sich nur gegen die Anrechnung der Beihilfe zu den Kursnebenkosten.

Diese Beihilfe zu den Kursnebenkosten ist, wie aus den oben zitierten § 10 Abs. 6 WMG, § 11 WMG und § 11a WMG in der geltenden Fassung hervorgeht, nicht von der Anrechnung ausgenommen.

Insofern die Beschwerdeführerin in ihrem Vorbringen einwendet, bei der gegenständlich vom AMS ausbezahlten Leistung der Beihilfe zu den Kursnebenkosten würde es sich um kein Einkommen im Sinne des WMG handeln, ist ihr zu entgegnen, dass für die Beurteilung, ob ein Einkommen den Anspruch auf Mindestsicherung mindern oder zum Erlöschen bringen kann, von einem umfassenden Einkommensbegriff auszugehen ist, der alle Einkünfte des Hilfe Suchenden umfasst, gleichgültig aus welchem Titel sie ihm zufließen (vgl. zum Beispiel VwGH 14.5.2007, Zl. 2005/10/0187, VwGH 9.9.2009, Zl. 2006/10/0260 unter vielen). Mangels einer rechtlichen Ausnahme betreffend die erwähnte Beihilfe ist diese somit dem Einkommen zuzurechnen, das der Beschwerdeführerin zur Befriedigung ihres Lebensbedarfes zur Verfügung steht.

Im Übrigen hatte der VwGH auch keine Bedenken, dass die Beihilfe zu den Kursnebenkosten als Einkommen anzurechnen ist (VwGH 04.05.2020, Ra 2019/10/0030). Dies ist damit begründbar, dass im Sinne des § 1 Abs. 3 WMG die Zuerkennung von Leistungen der Wiener Mindestsicherung subsidiär ist. Sie erfolgt nur, wenn der Mindestbedarf (insbesondere Sicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs) nicht durch Einsatz eigener Arbeitskraft, eigener Mittel oder Leistungen Dritter gedeckt werden kann. Beihilfen zu Kursnebenkosten des AMS haben aber gerade den Zweck den Lebensunterhalt oder Wohnbedarf während einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme zu sichern.

Dass die Teilnahme an Kursen oder auch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit in aller Regel mit Kosten (Fahrtkosten, Material- und Kleidungskosten, Verpflegungskosten) verbunden sind, ändert zudem nichts an der Anrechenbarkeit des wegen der Teilnahme oder Tätigkeit erzielten Einkommens. Die Behörde hat daher zu Recht die seitens des AMS gewährte Leistung als Einkommen angerechnet.

Die Höhe der Leistung wurde von der belangten Behörde im Übrigen richtig berechnet.

Abschließend weist das Verwaltungsgericht Wien jedoch darauf hin, dass – wie festgestellt – trotz weiterer Bezüge der Beihilfen zu den Kursnebenkosten, die zumindest dem Verwaltungsgericht Wien von der Beschwerdeführerin nicht gemeldet wurden, es diesem nicht möglich war die Höhe der Leistungen der Mindestsicherung zu berichtigen, weil die Leistungen bereits zum Entscheidungszeitpunkt empfangen wurden (siehe § 21 Abs. 2 WMG). Der Behörde steht jedoch nach einer Prüfung der Voraussetzungen die Möglichkeit der Rückforderung iSd § 21 WMG offen.

Aus diesem Grund war die Beschwerde abzuweisen und der bekämpfte Bescheid zu bestätigen.

5. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe dazu insbesondere VwGH-Rechtsprechung zum Einkommensbegriff) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Bedarfsorientierte Mindestsicherung; Anrechnung; Einkommensbegriff; Kursnebenkosten; Beihilfe zu den Kursnebenkosten; AMS

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.242.070.11971.2021.VOR

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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