Entscheidungsdatum
05.10.2020Norm
B-VG Art130 Abs1 Z2Text
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch seinen Richter
HR Dr. Pichler über verbundene vorliegende, als solche bezeichnete, Maßnahmenbeschwerde des A, geboren ***, albanischer Staatsbürger, als Asylwerber im *** in ***, ***, aufhältig, vertreten durch RA B in ***, ***, gerichtet auf die behauptete Verletzung in Rechten nach BVG-RD, Art 5 EMRK, Art 1 Abs 1 und 6 PersFrSchG, Art 13 EMRK und Art 8 leg.cit. durch die behauptete Anwendung von Befehlsgewalt, nach Durchführung der dezidiert begehrten öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 19.08.2020 am Sitz der Bezirkshauptmannschaft Baden, in Abwesenheit des ordnungsgemäß geladenen, unentschuldigt nicht erschienenen Beschwerdeführers, in Anwesenheit seiner Rechtsvertretung, gefasst folgenden
BESCHLUSS
I.
Vorliegende Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 iVm Abs 6 VwGVG idgF iVm § 31 leg. cit. als
u n z u l ä s s i g z u r ü c k g e w i e s e n.
II.
Der Beschwerdeführer A als unterlegene Partei hat der obsiegenden Partei, der Bezirkshauptmannschaft Baden, gemäß § 1 VwG-Aufwand-ersatzverordnung nach Ziffer 3 leg. cit. den Betrag von 57,40 Euro als Ersatz des Vorlageaufwandes, nach Ziffer 4 obzitierter Bestimmung den Betrag von 368,80 Euro als Ersatz des Schriftsatzaufwandes sowie den Ersatz des Verhandlungsaufwandes von 461 Euro binnen der angemessenen Frist von acht Wochen zu bezahlen.
III.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung:
Mit vorliegender Maßnahmenbeschwerde vom 29.04.2020 bekämpft A durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter die gegen seine Person gerichtete Anwendung von Befehlsgewalt, Letztere rechtlich basierend aufgrund einer gesetzwidrigen Verordnung und des Umstandes, dadurch in seinen Persönlichkeitsrechten sowie in seinen Rechten nach der EMRK verletzt worden zu sein.
Inhaltlich wird in vorliegender Beschwerde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer am 26.04.2020 – als er gemeinsam mit einem zweiten Asylwerber die Bundesbetreuungseinrichtung in *** zu verlassen versuchte - er durch Security-Mitarbeiter am Torposten und in weiterer Folge durch intervenierende Polizeibeamte daran gehindert worden sei, da eine „Ausgangssperre“ bestehe, die auf der Rechtsgrundlage nach den zur Vorfallszeit geltenden Bestimmungen nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz beruhe.
Die Polizeibeamten hätten ihr Einschreiten mit dem durch die genannte Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Baden erlassenen Verbot, verweisend auf das COVID-19-Maßnahmengesetz, begründet.
Dadurch sei er durch die Verfassungswidrigkeit des COVID-Maßnahmengesetzes in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt, sei dem internationalen Abkommen über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung gegenständlich zuwider gehandelt worden, die EMRK verletzt und werde daher der Antrag gestellt, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Zuge unmittelbarer Beweisaufnahmen dem Beschwerdevorbringen zu folgen und den Rechtsträger der belangten Behörde in die für das Obsiegen vorgesehenen Kosten zu verfällen, darüber hinaus der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 22 Abs 1 VwGVG gestellt werde.
In Hinblick auf dieses Vorbringen, im Rahmen des erteilten Parteiengehörs, hat nach Vorlage des gesamten Aktes mittels Schriftsatz die belangte Behörde begehrt, dieser Beschwerde jeglichen Erfolg zu versagen, da gegenständlich von keinem behördlichen Akt gesprochen werden könne, welcher als hoheitliches Handeln rechtlich zu qualifizieren sei, keinesfalls von Anwendung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auszugehen wäre.
Sohin hat das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich am 19.08.2020 am Sitz der Bezirkshauptmannschaft Baden eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in der Beweis aufgenommen wurde durch Wertung und Würdigung des gesamten Akteninhaltes, gegenständlicher, einen integrierenden Bestandteil des Aktes bildenden, im Zuge des Verfahrens vorgelegter Urkunden und Lichtbildbeilagen, sowie der in der Verhandlung am 19.08.2020 genommenen Einschau in den USB-Stick am Laptop des Beschwerdeführervertreters im Zuge der Verhandlung, den Ausführungen des Rechtsvertreters, insbesondere weiters durch das Vorbringen der Vertreterin der belangten Behörde und insbesondere den unter Wahrheitspflicht getätigten zeugenschaftlichen Angaben der Polizeibeamten C, D und E, steht sohin folgender Sachverhalt mit der für das Verwaltungsverfahren notwendigen Sicherheit als erwiesen fest:
Am 26.04.2020, gegen 11:20 Uhr, wollten die beiden Asylwerber, der irakische Staatsangehörige F und der albanische Staatsbürger A, die Bundesbetreuungseinrichtung *** in ***, ***, verlassen, um persönliche Besorgungen außerhalb des räumlichen Bereiches der Betreuungseinrichtung zu tätigen.
Im Bereich des Eingangs der Betreuungseinrichtung *** wurden die beiden Asylwerber seitens der Securities darauf hingewiesen, dass ein Verlassen dieses räumlichen Bereiches aufgrund der Geltung einschlägiger gesetzlicher Bestimmungen – COVID-Verordnung – verboten sei.
Schon der Beginn dieses Gespräches wurde einerseits vom Asylwerber F per Handy aufgezeichnet und darüber hinaus von zwei weiblichen Personen außerhalb des Lagerbereiches per Handy gefilmt, überdies in räumlich weiterer Entfernung – seitens einer männlichen Person per Teleobjektiv vom Gehsteig straßenseitig – offenbar eine Aufnahme- und Fotografiertätigkeit zu dem Geschehen durchgeführt.
Die sich räumlich in der Nähe aufhaltenden, im Dienst befindlichen weiblichen Polizeibeamten, es handelte sich um die C und eine Polizeischülerin, erlangten unmittelbar Kenntnis über den Inhalt des Gespräches und des Begehrs der beiden Asylwerber, da sie sich nur wenige – geschätzt 4 bis 5 m – vom Ort des Gespräches entfernt befanden.
Die verbale Kontaktaufnahme zwischen den beiden Asylwerbern, die die Einrichtung verlassen wollten, und den Securities fand in einem Gemisch in englischer und deutscher Sprache statt, wurde von jeder Seite sachlich und ruhig geführt.
Da die Polizeibeamtin C mitbekam, dass der ins Gespräch verwickelte Security auch andere berufliche Aufgaben – insbesondere Regelung des Fahrzeugverkehrs in und aus dem Lager – wahrnehmen musste, hat sie von sich aus selbst das Gespräch mit den männlichen Asylwerbern gesucht, war es keinesfalls ein Einschreiten von Amts wegen, wurde sie auch nicht von der Security zur Unterstützung angefordert.
Das nun folgende Gespräch zwischen C und den beiden nunmehrigen Beschwerdeführern F und A fand in räumlicher Nähe des Schrankens im Eingangsbereich der Erstaufnahmestelle *** statt, nur wenige Meter entfernt davon sich die per Handy filmenden Personen befanden.
Dieses nun folgende Gespräch fand in gesamter Länge ausschließlich in ruhiger, sachlicher, persönlich wertschätzender Atmosphäre statt, war die Kommunikation so, dass auch keinerlei Verständnisschwierigkeiten auftraten, führte das Aufklärungsgespräch mit den beiden Asylwerbern vorerst die Polizeibeamtin C alleine, dergestalt, dass ihrerseits sachlich den Männern die geltende Sach- und Rechtslage dargelegt wurde, die Mitarbeiter der Security zu diesem Zeitpunkt nicht mehr am Gespräch teilnahmen.
Im Zuge dieses Aufklärungsgespräches, dieser ruhigen und sachlichen Diskussion, gab es keinerlei Anzeichen oder gar Akte verbaler Aggression oder emotionaler Aufgewühltheit seitens der beiden Lagerinsassen gegenüber der Polizeibeamtin, wurde in ruhigem Ton seitens C erklärt, dass durch die Ausnahmesituation – Covid bedingt – Jedermann in seinem Leben derzeit eingeschränkt sei.
Dies nahmen die beiden Beschwerdeführer emotionslos, sachlich und korrekt agierend zur Kenntnis, erfolgte nicht einmal ein Insistieren oder Drängen ihrerseits dahingehend, das Lager trotzdem verlassen zu wollen.
Im Zuge dieses Aufklärungsgespräches, die Diskussion dauerte rund eine halbe Stunde, zeigten sich die beiden Asylwerber einsichtig und sind dann von sich aus, ohne dazu aufgefordert worden zu sein, oder ohne dass mit irgendwelchen behördlichen Maßnahmen, allfälliger Anwendung von Befehls- und Zwangsgewalt, gedroht wurde, freiwillig in den räumlichen Innenbereich der Betreuungseinrichtung zurückgegangen.
Im Zuge dieses seitens ihrer Kollegin C geführten Gespräches mit den beiden Männern nahmen die auf routinemäßiger Streifung befindlichen Polizeibeamten D und E am Gespräch teil, dies ohne von C zur Unterstützung herbeigerufen worden zu sein, war alleiniger Grund des Aufsuchens des Ortes des Gespräches für die beiden Polizeibeamten der Umstand, dass sie unmittelbar zufällig wahrgenommen haben, dass diese Szene von außerhalb des Lagerbereiches gefilmt wurde, und sie sich daher ein unmittelbares Bild von der tatsächlichen Situation machen zu wollen, allenfalls um Nachschau zu halten, ob Kollegin C ihre Unterstützung benötigte.
Seitens D wurde vorerst mit den per Handy filmenden, außerhalb des Lagerbereichs befindlichen, weiblichen Personen Kontakt aufgenommen, hinsichtlich der Wahrung der Persönlichkeitsrechte, anschließend er dann persönlich Kontakt mit der Polizeibeamtin suchte, und er gleichfalls aus seiner unmittelbaren Wahrnehmung keinerlei aufgeheizte Gesprächsstimmung oder verbale Aggression seitens der Gesprächsteilnehmer bemerkte.
Er selbst beteiligte sich am Gespräch in einer Art und Weise, wie er auch mit österreichischen Staatsbürgern kommunizieren würde, aufklärend wirkend über die Gesetzeslage betreffend der zu diesem Zeitpunkt in Kraft gewesenen Covid-Verordnungen und den daraus resultierenden Vorschriften und Beschränkungen.
Der gleichfalls anwesende Polizeibeamte E mischte sich in das Gespräch nicht ein.
Das ganze Aufklärungsgespräch verlief während der rund halbstündigen Dauer in einer sachlichen Diskussionsatmosphäre, gab es auch – wie obig festgestellt – keinerlei ernsthafte Versuche seitens der Asylwerber, das Lager gegen den Willen der Security bzw. der mit ihnen aufklärend verbal wirkenden Polizeibeamten verlassen zu wollen, gab es auch seitens der anwesenden Polizeibeamten keinerlei mündlich erteilte Anordnung gegenüber den Asylwerbern, die Diskussion abzubrechen, in das Lager zurückzugehen, gab es auch keinerlei Drohung oder auch nur einen Hinweis auf irgendwelche Konsequenzen bei allfälliger Nichtbefolgung des Ausgangsverbotes.
Auch zu diesem Zeitpunkt des Gespräches war von der räumlich unmittelbar anschließenden Polizeiinspektion *** ein Dienst-KFZ in räumlicher Nähe zum Eingangsbereich der Betreuungseinrichtung abgestellt, um den diensthabenden Polizeibeamten Gelegenheit zu geben, sich niedersetzen zu können, zwei weitere Polizeibeamte, zurechenbar der Polizeiinspektion ***, die im Begriff waren, Essen aus der Betreuungseinrichtung abzuholen, sahen im Vorbeigehen die Gesprächsszene, hielten sich aber nicht damit auf und nahmen in keinster Weise daran teil.
Zu diesen Feststellungen gelangt das erkennende Gericht aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens im Rahmen der Unmittelbarkeit, insbesondere auch der getätigten, unter Wahrheitspflicht abgelegten Aussagen der einvernommenen Polizeibeamten C, D und E, welche Beamte, unter Diensteid stehend, jeder für sich genommen äußerst glaubwürdig, emotionsfrei, logisch nachvollziehbar ihre Angaben tätigten, mit Sicherheit nicht abgesprochen klingend, auch nicht phrasenhaft oder mit vorgefertigten Formulierungen, sie sachlich und emotionslos aus ihrer Sicht den Ablauf des Gespräches mit den beiden Beschwerdeführern schilderten, und diese Angaben auch in Übereinstimmung mit der Ortskenntnis des Gerichtes stehen.
Darüber hinaus haben die einvernommenen Zeugen persönlichkeitsmäßig auf das Gericht einen äußerst positiven, sachkundigen, glaubwürdigen und empathischen Eindruck hinterlassen, gibt es – auch unter Anwendung der der österreichischen Rechtsordnung innewohnenden Beweisgrundsätze – keinerlei Grund, an der Richtigkeit der wiedergegebenen, zeugenschaftlichen Angaben zu zweifeln.
Die Angaben dieser drei Zeugen sind in sich geschlossen, logisch nachvollziehbar und bilden auch unter Anwendung der Denkgrundsätze ein widerspruchsfreies Ganzes, bei Schilderung des Ablaufes des Gespräches bezüglich des Wahrheitsgehaltes dahingehend keinerlei Zweifel an deren Richtigkeit im Gericht verbleiben.
Dass es hier innerhalb der individuell getätigten Angaben gewisse Unschärfen gibt – insbesondere, ob das Gespräch, welches zweifelsfrei im Nahebereich des Eingangstores abgehalten wurde – innerhalb oder außerhalb des Torschrankens stattfand, ist völlig unerheblich und mindert in keinster Weise die Annahme der Richtigkeit der geschilderten verfahrensrelevanten Sachverhaltselemente durch die Zeugen, stellen solche beweismäßig völlig zu vernachlässigende einzelne Unschärfen erst recht die zumutbare Annahme der Richtigkeit des übrigen geschilderten Sachverhaltes dar, legen Zeugnis ab, dass es zu keiner Vorabsprache der Aussage zwischen den als Zeugen einvernommenen Polizeibeamten gekommen ist.
Es ist sohin der obig angeführte Sachverhalt mit der für das Verwaltungsverfahren notwendigen Sicherheit als erwiesen anzusehen, konnte – auch ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung – von weiteren, allfällig auch amtswegigen, Beweisaufnahmen Abstand genommen werden, da diese zu keiner Verbreiterung der entscheidungsrelevanten Grundlage führen konnten.
Die offenbar zur Illustration vorgelegten Lichtbildaufnahmen seitens des Rechtsvertreters können in keinster Weise die Richtigkeit der Angaben der einvernommenen Zeugen erschüttern, da diese Ausdrucke – für gegenständliche Verfahren – rechtlich völlig unerheblich – lediglich – wie behauptet – das Einschreiten von Exekutivbeamten zu einem völlig anderen Tatzeitpunkt gegenüber völlig anderen Asylwerbern außerhalb des räumlichen Bereiches der Betreuungseinrichtung illustrieren soll und – dies auch gar nicht behauptet – ein möglicherweise ident zur Anwendung zu gelangender Grund des Verlassens des Lagers durch Asylwerber diesen Verfahren zu Grunde liegt.
Dahingehend sind diese Lichtbilder als Beweismittel für gegenständliche Entscheidung völlig irrelevant, allenfalls als Erkundungsbeweis zu werten.
Diese Ausführungen und die Beurteilung als Beweismittel trifft auch für den Inhalt des seitens des Gerichtes mit den Parteienvertretern eingesehenen USB-Sticks im Zuge der Verhandlung zu, ist auch durch den Inhalt dieser Filmsequenz – in Übereinstimmung mit den vorgelegten Lichtbildern – nichts Bedeutungs- und Entscheidungsrelevantes für gegenständliche Verfahren aus der Sicht des Rechtsvertreters zu gewinnen.
In wie weit die Dienstanweisung von Polizeibehörden – wie in Schriftform im Akt – betreffend Bestreifung und Stationierung von Polizeibeamten, die Betreuungseinrichtung *** betreffend, für das Verfahren von entscheidender Bedeutung sein können, entzieht sich dem Gericht, erübrigt sich dahingehend näheres Eingehen, dies mangels völliger Irrelevanz.
Dass es sich hier offenbar – in Übereinstimmung mit den Polizeibehörden – auch nach Rechtsmeinung des Gerichtes um eine „geplante Inszenierung“, des Versuches, durch Verlassen der Betreuungseinrichtung behördliches Handeln herauszufordern, handelt, ist logisch und schlüssig evident, wie sonst wäre die akkordierte Vorgangsweise zu erklären, dass der gleichfalls nunmehrige Beschwerdeführer F schon zu Beginn das folgende Gespräch oder die vermeinte Amtshandlung per Handy dokumentieren will und zur gleichen Zeit – dass es sich hiebei um einen bloßen Zufall handelt – das kann kein vernunftbegabter Mensch annehmen – zwei weibliche Personen per Handy aus räumlicher Nähe das Gespräch filmen und darüber hinaus offensichtlich per Teleobjektiv ebenfalls Filmsequenzen oder fotografische Aufnahmen von einer männlichen Person außerhalb der Betreuungseinrichtung von gegenüberliegender Gehsteigseite aus durchgeführt werden, spricht gegen die Annahme der „reinen Zufälligkeit“, genauso wie der Umstand, dass zeitnah ein allerdings inhaltlich sachlich, völliger unrichtiger, mit Schlagworten versehener Artikel in einem in Österreich verbreiteten kleinformatigen Printmedium veröffentlicht wird.
Es war daher obig angeführter Sachverhalt als erwiesen und entscheidungsrelevant folgender rechtlichen Beurteilung zu Grunde zu legen:
I
Vorliegende vermeinte Maßnahmenbeschwerde ist als unzulässig zurückzuweisen.
Vorweg ist festzuhalten, dass der mit der Beschwerde gleichfalls ursprünglich gestellte Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung präjudiziell seitens der Rechtsvertretung zurückgezogen wurde, sich näheres Eingehen dahingehend erübrigt.
II
Auch im Lichte der einen Aktenbestandteil bildenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes – die beschlussmäßige Zurückweisung der Beschwerde als unzulässig, vom 15.05.2020 datierend – ist die sachliche und örtliche Zuständigkeit des LVwG NÖ zu bejahen.
Gegenständliche Maßnahmenbeschwerde erweist sich formaliter als fristgerecht eingebracht.
III
Nichts desto weniger erweist sie sich inhaltlich als rechtlich verfehlt und ist gleichfalls mit Beschluss zurückzuweisen, dazu im Einzelnen in rechtlicher Hinsicht ausgeführt wird:
Die rechtlichen Ausführungen der Beschwerdeführer, das Einschreiten der Polizeibeamten in Form eines Aufklärungsgesprächs würde eine Maßnahme der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt darzustellen, und sei es dadurch zu einer Verletzung ihrer Rechte gekommen, ist unrichtig.
Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt nach der höchstgerichtlichen ständigen Judikatur des VwGH nur dann vor, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen und hiebei physischer Zwang ausgeübt wird, oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwangs bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (vgl. bspw. VwGH v. 29.06.2000, 96/01/0596 uva).
Entscheidend ist dabei, dass es sich hiebei um einen Hoheitsakt einer Verwaltungsbehörde handeln muss, mit dem in die Rechte von individuellen, natürlichen oder juristischen Personen eingegriffen wird, ohne dass ein Bescheid erlassen wird (vgl. Köhler in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 45f zu § 129a B-VG).
Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes muss es sich bei einer bekämpfbaren Maßnahme um die Anwendung physischen Zwangs oder die Erteilung eines Befehls mit unverzüglichem Verfolgungsausspruch handeln (vgl. Eisenberger/Ennöckl/Helm, die Maßnahmenbeschwerde, Seite 40 folgende, weiters VfSlg. 11.935/1988, VwGH 16.04.1999, 96/02/0590 ua).
Voraussetzung für die Maßnahmenqualität eines behördlichen Befehls ist nach der Rechtsprechung ein unmittelbarer Befolgungsausspruch.
Das bedeutet, dass den Betroffenen bei Nichtbefolgung des Befehls unmittelbar, d.h. unverzüglich und ohne weiteres Verfahren, eine physische Sanktion droht (vgl. VfSlg. 10.662/1985 ua).
Sohin ist von einem einer Maßnahmenbeschwerde zugängigen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nur dann zu sprechen, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit – ohne dass ein Bescheid vorgelagert ist – in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen wird (vgl. VwGH v. 26.06.2018, Ra 2018/16/0054 ua).
Liegt ein Befolgungsanspruch aus einer solchen, dem Befehlsadressaten der Nichtbefolgung des Befehls unverzüglich drohenden physischen Sanktion in objektiver Hinsicht nicht vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (vgl. VwGH 29.09.2009, 2008/18/0687 ua).
All diese Voraussetzungen liegen gegenständlich unter Bedachtnahme auf den als erwiesen anzusehenden Sachverhalt nicht vor, keinesfalls mussten die Beschwerdeführer unter Berücksichtigung der individuellen Eckpunkte des Gesprächsablaufes, des Gesprächsinhaltes und des Verhaltens sämtlicher, an diesem Gespräch beteiligten Personen, damit rechnen, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen sei.
Letzteres wäre wohl ausschließlich im Interesse der den Ablauf des Gespräches planender, im Hintergrund agierender Drittpersonen, gelegen, es dazu jedoch in keinster Form mangels des Fehlens des Beharrens in der Person der beiden Asylwerber gekommen ist.
Seitens der Beschwerdeführer wird in den Verfahren nicht einmal behauptet, dass ihnen bei Nichtbefolgung der Aufforderung zum Verbleiben am Gelände der Betreuungsstelle *** eine unverzüglich einsetzende physische Sanktion seitens der Polizeibeamten angedroht wurde, steht diese Feststellung im Einklang mit den getroffenen, der rechtlichen Beurteilung zu unterstellenden, zeugenschaftlichen Angaben der Beamten in Verbindung des Inhaltes der Berichter des Bezirkspolizeikommandos ***, der Meldung der PI *** und des Bundesministeriums für Inneres, Referat ***.
Entgegen den Behauptungen in vorliegender Beschwerde ist es auch in Hinblick auf das Verhalten der Asylwerber gar nicht zu einer allfälligen Aufforderung imperativen Charakters seitens der Polizeibeamten an den jeweiligen Adressaten gekommen.
Es wurde der Zwang nicht nur nicht implizit angedroht, sondern ist es auch aufgrund des Verhaltens, der Sachlichkeit des Gespräches, zu keinen aus objektiver Sicht anzunehmenden Umständen gekommen, denen hinsichtlich des Ersuchens der gesprächsführenden Polizeibeamten eine „Aufforderung“ zu unterstellen ist.
Mit Sicherheit haben beide Beschwerdeführer bei objektiver Betrachtungsweise auch aus ihrer individuellen Sicht bei Beurteilung der Art des Gespräches der geführten Diskussion mit einer vorerst lediglich allein agierenden Polizeibeamtin nicht den Eindruck bekommen, dass selbst bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung – eine solche lag explizit in Hinblick auf die Freiwilligkeit des Agierens der Asylwerber – gar nicht vor –bei Nichtbefolgung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung gerechnet werden musste (vgl. Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, Seite 815, vgl. VwGH 29.09.2009, 2008/18/0687 ua).
Grundsätzlich stellt das Gesetz auf normative Anordnungen ab und sind behördliche Hinweise zu einem bestimmten Verhalten nicht tatbildlich, wenn dem Hinweis nach getaner, erfolgreicher Überzeugungsarbeit seitens der Asylbewerber freiwillig Folge geleistet wurde.
Allein auch die subjektive Annahme einer Gehorsamspflicht ändert nichts am Charakter einer Aufforderung eines freiwilligen Mitwirkens (vgl. VwGH 14.09.2001, 98/02/0136, VfSlg. 13.156/1992, weiters VwGH 29.09.2009, 2008/18/0687 sowie auch nach ständiger Lehre, Raschauer in Verwaltungsrecht Rz 1027 und 1035, in diesem Sinne auch Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz).
Dass seitens der in das Gespräch eingebundenen Polizeibeamten keinerlei Aufforderung imperativen Charakters erteilt wurde, auch keinerlei Hinweise, Gestik, Mimik gesetzt wurden, um den Asylwerbern das Gefühl zu vermitteln, dass sie mit unverzüglich einsetzenden physischen Sanktionen für den Fall der Nichtbeachtung des Verbots des Verlassens der Betreuungsstelle *** rechnen müssten, ergibt sich daraus auch zwingend und schlüssig, dass C unter zwischenzeitig erfolgtem Eintreffen der Polizeibeamten D und E – rund eine halbe Stunde lang Überzeugungsarbeit leistete und diese insofern von Erfolg gekrönt war, als die beiden das Gelände verlassen wollenden Asylwerber von ihrem Vorhaben freiwillig ohne behördlichen Druck Abstand nahmen, dies mit dem bloßen verbalen Hinweis, dass sie sich hiebei wie in einem „Gefängnis“ fühlen würden.
Dass die Lebensumstände in der Betreuungsstelle in *** nicht vergleichbar sind mit Gefängnissen bspw. im Irak, unter bestehenden Diktaturen und des dortigen Fehlens auch elementarer menschenrechtlicher Standards, erschließt sich von selbst, und hat auch nachvollziehbarerweise in dieser Form auch der an der Diskussion teilnehmende Polizeibeamte D dies logisch und nachvollziehbar
sachlich argumentiert.
Sohin ergibt sich unter Betrachtung der Gesamtsituation, dass bei den Beschwerdeführern aus objektiver Sicht auch aus individuellem Blickwinkel bei Nichtbefolgung des Verbots des Verlassens des Geländes der Betreuungsstelle *** keinesfalls mit unverzüglich einsetzenden physischen Sanktionen zu rechnen gewesen wäre, wurden solche weder nicht nur nicht seitens der Polizeibeamten angedroht, noch sind solche Umstände, die den logischen Schluss dahingehend zulassen, aus dem gesamten Akt und nicht ersichtlich.
Es war somit vorliegende Maßnahmenbeschwerde als unzulässig zurückzuweisen, dies mangels des Fehlens der Voraussetzungen der Überprüfung in materiell-rechtlicher Hinsicht, bezogen auf ein behördliches, hoheitliches Handeln.
IV
Aufgrund obig getroffener rechtlicher Erwägungen geht auch die in vorliegenden Maßnahmenbeschwerden behauptete angezogene Verletzung einfach gesetzlicher und verfassungsrechtlich gewährleisteter individueller Rechte, auch nach der MRK, völlig ins Leere, erübrigt sich sohin ein näheres Eingehen darauf und liegen keinerlei Umstände vor, dass das LVwG gegenständlich dahingehend verfassungsrechtliche Bedenken hegt, dies im Lichte der zur Entscheidung anstehenden, vorliegenden, Maßnahmenbeschwerde.
Es ist für das Gericht gegenständlich auch keine Verletzung von Art. 1 B-VG zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung erkennbar, wäre allenfalls die Gesetzmäßigkeit der als Rechtsgrundlage dienenden Covid-Verordnung zum Tatzeitpunkt in dem gesondert zur Entscheidung anstehenden Strafverfahren – anhängig bei der BH Baden – zu relevieren.
V
Die Kosten des Verfahrens resultieren aus obig spruchangeführten gesetzlichen Normen.
VI
Zum Ausschluss der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Zulässigkeit einer Maßnahmenbeschwerde ab, wie beispielshaft in dieser Entscheidung zitiert, noch fehlt es an einer solchen, zur Anwendung zu bringenden, Rechtsprechung und liegen darüber hinaus auch keine sonstigen Hinweise für eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen in diesem Einzelfall vor.
Schlagworte
Maßnahmenbeschwerde; Amtshandlung; Maßnahmenqualität; Befolgungsanspruch;Anmerkung
VfGH 06.10.2021, E 3811/2020-17, E 3845/2020-17, AufhebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.M.11.002.2020Zuletzt aktualisiert am
03.11.2021