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L37152 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Hubert und des Gerhard P, beide in Z, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 20. Juni 1996, Zl. 8 B-BRM-123/2/1996, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadtgemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister, 2. X-Gesellschaft mbH in W, 3. A-Handels-AG in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 15. Dezember 1994 beantragte die mitbeteiligte X-Gesellschaft mbH die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Verbrauchermarktes auf den Grundstücken Nr. 196/1, 189, 191/1 und 192 der KG S.
Mit Eingabe vom 20. Dezember 1994 beantragte die mitbeteiligte A-Handels-AG die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines A-Großhandelsmarktes auf den Grundstücken Nr. 186/1, 188/2, 189, 190, 192 der KG S.
Sämtliche vorgenannten Grundstücke befinden sich im "Bauland-Geschäftsgebiet" mit der Sonderwidmung "EKZ 1".
Der Erstbeschwerdeführer ist Eigentümer des Grundstückes Nr. 225/2 mit dem Haus Z Nr. 10. Die kürzeste Entfernung zwischen dem Grundstück Nr. 192 und dem Grundstück des Erstbeschwerdeführers beträgt ca. 200 m.
Der Zweitbeschwerdeführer ist Eigentümer des Grundstückes Nr. 225/3 mit dem Haus Z Nr. 14. Die kürzeste Entfernung zwischen dem Grundstück Nr. 192 und diesem Grundstück beträgt ca. 180 m. Zwischen den Grundstücken der mitbeteiligten Bauwerber und jenen der Beschwerdeführer liegen mehrere - derzeit offensichtlich unverbaute, landwirtschaftlich genutzte - Grundstücke und eine öffentliche Verkehrsfläche.
Die mündliche Verhandlung über die Baubewilligungsansuchen der mitbeteiligten Bauwerber wurde mit Kundmachung vom 1. Februar 1995 unter Androhung der Rechtsfolgen der §§ 40 ff AVG für den 16. Februar 1995 anberaumt und an der Amtstafel angeschlagen. Die Beschwerdeführer wurden zur mündlichen Verhandlung persönlich nicht geladen und sind auch zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.
Mit Bescheid der Stadtgemeinde S vom 6. März 1995 wurde der mitbeteiligten X-Gesellschaft mbH die beantragte Baubewilligung unter Auflagen erteilt.
Mit Eingabe vom 5. Mai 1995 beantragten die Beschwerdeführer und andere Grundeigentümer die Zuerkennung der Parteistellung in den Verfahren betreffend die Baubewilligungsanträge der mitbeteiligten Bauwerber.
Mit Eingabe vom 16. November 1995 beantragte die mitbeteiligte X-Gesellschaft mbH die "Genehmigung der geänderten Bauführung des mit Bescheid vom 6. März 1995 ... genehmigten Bauvorhabens". Zu der über diesen Antrag mittels Kundmachung vom 27. Dezember 1995 für den 8. Jänner 1996 anberaumten mündlichen Verhandlung wurden die Beschwerdeführer ebenfalls nicht persönlich geladen. Die Kundmachung wurde an der Amtstafel angeschlagen und enthält den Hinweis auf die Rechtsfolgen der §§ 40 ff AVG. Zur mündlichen Verhandlung sind die Beschwerdeführer nicht erschienen.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. März 1995 wurde der mitbeteiligten A-Handels-AG die beantragte Baubewilligung unter Auflagen erteilt. Den Beschwerdeführern wurde der Bescheid nicht zugestellt.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 27. Februar 1996 wurde der mitbeteiligten X-Gesellschaft mbH die beantragte Bewilligung der Änderung der Baubewilligung unter Auflagen erteilt. Den Beschwerdeführern wurde auch dieser Bescheid nicht zugestellt.
Mit einem an die Kärntner Landesregierung, Abt. 8b, gerichteten Schreiben vom 22. Juni 1995 teilte das Baurechtsamt der Stadtgemeinde S unter Bezugnahme auf den Antrag der Grundeigentümer von Z vom 5. Mai 1995 mit, "daß wahrscheinlich eine Parteistellung nicht gegeben ist, zumal die Entfernung zum nächsten Grundeigentümer - gerechnet von der Bauliegenschaft - ca. 100 m beträgt. Die weiteste Entfernung beträgt ca. 300 m".
Mit Bescheiden des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde je vom 25. August 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführer vom 5. Mai 1995 auf Zuerkennung der Parteistellung im baurechtlichen Bewilligungsverfahren der mitbeteiligten Bauwerber "gemäß § 56 AVG 1991 im Zusammenhalt mit § 21 Kärntner Bauordnung" als unbegründet abgewiesen. Im gegenständlichen Fall handle es sich um keine immissionsträchtigen Betriebe, sondern um zwei Handelsbetriebe. Eine Beeinträchtigung sei daher nicht gegeben. Bei einer Entfernung von mindestens 30 m vom Bauplatz und dem Dazwischenliegen eines anderen Grundstückes könne die Parteistellung eines Nachbarn verneint werden, wenn nicht besondere Umstände vorlägen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 15. September 1983, Zl. 83/06/0093).
In der dagegen erhobenen Berufung wiesen die Beschwerdeführer darauf hin, daß eine unzumutbare Lärm-, Schmutz- und Staubbeeinträchtigung sowie Überschwemmungsgefahr gegeben sei und demnach Nachteile für ihr Grundeigentum zu befürchten seien. Darauf hätten sie die Baubehörde erster Instanz hingewiesen.
Mit Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. Dezember 1995 wurde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den vorzitierten Bescheid als unbegründet abgewiesen.
Die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 20. Juni 1996 als unbegründet abgewiesen. Unter Nachbarn im Sinne des § 21 Abs. 1 der Kärntner Bauordnung seien die Eigentümer jener Liegenschaften zu verstehen, die zu der zur Verbauung vorgesehenen Liegenschaft in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, daß durch den Bestand oder die konsensgemäße Benützung des geplanten Bauwerkes mit Einwirkungen auf diese Liegenschaft zu rechnen sei, zu deren Abwehr die Bauordnung eine Handhabe biete. Ein Grundeigentümer sei als Nachbar nicht Partei des Baubewilligungsverfahrens, wenn seine Grundflächen von dem Neubau weit (100 m) entfernt seien (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1994, Zl. 93/05/0301). Zwischen den Grundstücken der Beschwerdeführer und den gegenständlichen Bauvorhaben lägen eine Reihe anderer fremder Grundstücke. Unmittelbar im Süden führe die Bundesstraße B nn0 (D-Bundesstraße) an den hier zu beurteilenden Anlagen vorbei; hiebei handle es sich um eine äußerst stark frequentierte Straße. Die Fahrbewegungen auf dem Kundenparkplatz fielen für die Beschwerdeführer überhaupt nicht ins Gewicht. Mangle es den Beschwerdeführern an der Parteistellung im Baubewilligungsverfahren, fehle ihnen auch das Recht, Einwendungen gegen das Bauvorhaben zu erheben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid ihrem gesamten Vorbringen zufolge in dem Recht auf Zuerkennung der Parteistellung in den gegenständlichen Bauverfahren verletzt. Sie machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Unzuständigkeit geltend. Soweit dies für das gegenständliche Beschwerdeverfahren entscheidungswesentlich ist, tragen die Beschwerdeführer in ihrer Beschwerde vor, für die Frage der Parteistellung sei entscheidend, ob eine Beeinträchtigung der Rechtssphäre der Nachbarn überhaupt möglich sei. Die Frage der tatsächlichen Beeinträchtigung sei Gegenstand der Prüfung des Verfahrens. Die mitbeteiligte A-Handels-AG habe nicht nur die Möglichkeit von Einwirkungen eingestanden, sondern auch die tatsächlich vorhandenen belästigenden Lärm- und Schmutzeinwirkungen zugegeben. Zufolge der besonderen Umstände in der Situierung der vorhandenen Wohnhäuser zum geplanten Bauvorhaben sei die Möglichkeit der tatsächlichen Beeinträchtigung durch Lärm und Schmutz vorhanden. Dies begründe die Parteistellung in den Bauverfahren.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gegenstand des der Beschwerde zugrunde liegenden Verwaltungsverfahrens ist nicht die Erledigung der Anträge der mitbeteiligten Bauwerber um die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung eines Verbrauchermarktes bzw. eines Großhandelsbetriebes, sondern die Feststellung durch die Baubehörde erster Instanz, daß den Beschwerdeführern in diesen Verfahren gemäß § 21 der Kärntner Bauordnung 1992 (BO) keine Parteistellung zukommt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Oktober 1996, Zl. 96/05/0003, gestützt auf die bisherige Rechtsprechung ausgeführt hat, ist förmlich durch Feststellungsbescheid über die Parteistellung einer Person zu entscheiden, wenn diese in einem Verfahren strittig ist. Das Tatbestandsmerkmal der Parteistellung bestimmt sich hiebei nach dem normativen Gehalt der in der Rechtssache anzuwendenden Vorschriften. Hiefür kommen in der Hauptsache Normen des materiellen Verwaltungsrechtes, aber auch Vorschriften des speziellen Verfahrensrechtes in Betracht.
Gemäß § 21 Abs. 1 BO ist im Baubewilligungsverfahren den Eigentümern, jenen Servitutsberechtigten, deren Recht durch das Vorhaben beeinträchtigt werden könnte, und den Anrainern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind Grundeigentümern gleichgestellt.
Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind Anrainer die Eigentümer der im Einflußbereich des Vorhabens liegenden Grundstücke.
Anrainer im Sinne der letztgenannten Gesetzesstelle sind somit nicht nur die Eigentümer jener Grundstücke, die mit dem zu verbauenden Grundstück einen gemeinsamen Rain besitzen, sondern alle Eigentümer der im Einflußbereich des Vorhabens liegenden Grundstücke (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 95/05/0049). Parteistellung kommt daher einem Anrainer gemäß § 21 Abs. 2 BO jedenfalls dann zu, wenn seine Rechte durch das Bauvorhaben berührt werden können (vgl. hiezu den hg. Beschluß vom 10. Oktober 1995, Zl. 94/05/0289). Maßgebend ist allein die Möglichkeit einer Verletzung der den Nachbarn zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechte. Nicht maßgebend ist für die Parteistellung, ob nachteilige Einwirkungen auch tatsächlich eintreten (vgl. hiezu das obzitierte hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1996, Zl. 96/05/0003). Vielmehr dient die Parteistellung gerade der Beteiligung an einem Verfahren, in dem u.a. das Eintreten der Rechtsverletzung geprüft wird (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1986, Zlen. 86/06/0185, 0195, BauSlg. Nr. 835).
Ob die Grundstücke der Beschwerdeführer durch die Bauvorhaben der mitbeteiligten Bauwerber im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung berührt sein können, kann jedoch - entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsansicht - mangels entsprechender Sachverhaltsgrundlagen derzeit nicht beurteilt werden. Die Baubehörden haben die Parteistellung der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Entfernung ihrer Grundstücke zu den zu verbauenden Grundstücken und aufgrund der - durch entsprechende Ermittlungsergebnisse nicht gedeckten - Sachverhaltsannahme, von den zu bewilligenden Bauvorhaben gingen keine die Grundstücke der Beschwerdeführer beeinträchtigenden Emissionen aus, verneint. Dem steht schon die Stellungnahme des Baurechtsamtes der mitbeteiligten Gemeinde vom 22. Juni 1995 entgegen, in welcher die Parteistellung der Beschwerdeführer "wahrscheinlich" als nicht gegeben erachtet wird, ohne hiefür entsprechende Ermittlungsergebnisse ins Treffen zu führen. Schon im Hinblick auf die durch den Lageplan und die Baubeschreibung dokumentierte Bewilligung des Kundenparkplatzes ist davon auszugehen, daß für Anrainer durch die bewilligten Bauvorhaben eine Immissionsbelastung (z.B. durch Lärm) entstehen kann. Ob durch die vorgesehenen Betriebsabläufe in den bewilligten Bauvorhaben im Rahmen ihres Verwendungszweckes weitere, die Anrainer belastende Immissionen entstehen, kann mangels entsprechender sachverständiger Ausführungen derzeit nicht beurteilt werden. Ob die von den bewilligten Bauwerken ausgehenden Immissionen die Grundstücke der Beschwerdeführer derart belasten, daß dadurch subjektiv-öffentliche Rechte der Beschwerdeführer im Sinne der obigen Rechtsprechung beeinträchtigt werden können, läßt sich aufgrund des bisherigen Ermittlungsergebnisses nicht beurteilen. Entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsansicht kann dies auch unter Berücksichtigung des hg. Erkenntnisses vom 28. Juni 1994, Zl. 93/05/0301, schon deshalb nicht ausgeschlossen werden, weil diesem Erkenntnis eine gutächtliche Äußerung eines Sachverständigen vor den Baubehörden zugrunde lag, welche die Abstände und die topographischen Verhältnisse, die Abgase der Fahrzeuge von dem Parkplatz des dort bewilligten Einkaufsmarktes unter Berücksichtigung der Fahrtstrecken berücksichtigt hat. Auch das von der Baubehörde zweiter Instanz zur Grundlage ihrer Entscheidung herangezogene hg. Erkenntnis vom 15. September 1993, Zl. 83/06/0093, BauSlg. Nr. 98, trägt die von der belangten Behörde vertretene Rechtsansicht im vorliegenden Fall nicht, da in diesem Erkenntnis die Parteistellung des Nachbarn deshalb verneint wurde, weil keine besonderen Umstände (etwa Immissionen) vorlagen. Solche Umstände sind jedoch - wie oben bereits dargelegt - im gegenständlichen Beschwerdefall anzunehmen. Für die Frage der Parteistellung der Beschwerdeführer in den hier zu beurteilenden Bauverfahren bedarf es daher entsprechender Erhebungen (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1986, Zlen. 86/06/0185, 0195, BauSlg. Nr. 835). Erst wenn feststeht, ob die Beschwerdeführer durch das Bauvorhaben in ihren Rechten nicht berührt werden können, kann die Frage der Parteistellung in den beiden Bauvorhaben abschließend beurteilt werden.
Abschließend weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, daß entgegen der von den Beschwerdeführern vertretenen Rechtsansicht nur Immissionen zu berücksichtigen sind, die vom Bauvorhaben selbst ausgehen, nicht jedoch solche, welche durch die Bauausführung bedingt sind. Auch kommt dem Anrainer kein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne des § 21 Abs. 5 BO darauf zu, daß durch das Bauvorhaben der Grundwasserhaushalt (Grundwasserspiegel) und die Wasserqualität nicht beeinträchtigt werden (vgl. dazu Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 4. Auflage, Seite 291, und die dort wiedergegebene hg. Judikatur). Die von den Beschwerdeführern unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit vorgetragenen Beschwerdeausführungen im Zusammenhang mit dem laufenden Zusammenlegungsverfahren betreffend die zu bebauenden Grundstücke betrifft keine im Verfahren über die Feststellung der Parteistellung in einem Bauverfahren zu erörternden Rechtsfragen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996050206.X00Im RIS seit
03.05.2001