TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/6 W212 1309312-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.05.2021
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Entscheidungsdatum

06.05.2021

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55

Spruch


W212 1309312-3/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Kosovo, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.03.2019, Zahl: 751695700 - 181215948, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.04.2021 zu Recht:

A) I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. wird gemäß den §§ 46, 52 Abs. 4 und Abs. 9, 55 FPG i.d.g.F. und § 9 BFA-VG i.d.g.F. als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. wird insoweit stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbotes auf 6 (sechs) Jahre herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger der Republik Kosovo, reiste im Jahr 2005 im Alter von zwölf Jahren ins österreichische Bundesgebiet ein, wo sich sein Vater aufgrund eines im Jahr 2002 gestellten Asylantrages bereits aufhielt.

Ein durch seinen gesetzlichen Vertreter für den Beschwerdeführer am 12.10.2005 gestellter Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.07.2007 abgewiesen. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 27.05.2011 abgewiesen, es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Republik Kosovo zulässig ist, jedoch seine Ausweisung gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 auf Dauer unzulässig sei.

Am 21.06.2011 wurde dem Beschwerdeführer durch die zuständige Bezirkshauptmannschaft erstmals eine Niederlassungsbewilligung erteilt, welche in der Folge mehrmals verlängert wurde. Zuletzt war der Beschwerdeführer im Besitz einer am 19.06.2017 ausgestellten „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ mit einer Gültigkeitsdauer bis 20.06.2020.

2. Infolge mehrfacher Straffälligkeit des Beschwerdeführers leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ein und gewährte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 07.01.2019 die Möglichkeit zur Einbringung einer Stellungnahme. Zuvor war der Beschwerdeführer bereits mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.04.2016 von der im Fall der neuerlichen Straffälligkeit beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Kenntnis gesetzt worden.

Mit Schreiben vom 17.01.2019 brachte der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers eine schriftliche Stellungnahme ein, in welcher ausgeführt wurde, der Beschwerdeführer befinde sich seit 2005 in Österreich, sei gesund, jedoch drogenabhängig, er habe keinen Schulabschluss im engeren Sinn und keine Berufsausbildung erlangt. Dieser sei mit einer namentlich bezeichneten Frau verlobt, kinderlos und habe Bindungen zu seinen im Bundesgebiet lebenden Eltern und Geschwistern. Zum Zeitpunkt der zuletzt erfolgten Verhängung der Untersuchungshaft sei dieser arbeitslos gewesen und habe im Haushalt seiner Eltern gewohnt, welche ihn finanziell unterstützt hätten. Der Beschwerdeführer spreche sehr gut Deutsch und habe sich einen großen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich aufgebaut, Bindungen zum Kosovo bestünden nicht, er habe jedoch Familienurlaube in diesem Land verbracht. Der Beschwerdeführer habe keine Barmittel und sei nicht versichert.

Mit Schreiben vom 06.02.2019 forderte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer zur Abgabe einer Stellungnahme zu näher angeführten Fragestellungen auf.

Im Rahmen einer Stellungnahme vom 13.02.2019 bestätigte der Beschwerdeführer, kosovarischer Staatsbürger zu sein und führte aus, dass seine (damalige) Lebensgefährtin österreichische Staatsbürgerin sei, wobei bisher getrennte Wohnsitze vorgelegen hätten.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.03.2019 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 4 FPG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in den Kosovo zulässig ist (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von neun Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte Identität und Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers fest und erwog weiters, dieser sei im Alter von 12 Jahren ins Bundesgebiet eingereist und zuletzt Inhaber einer „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ gewesen. Der Beschwerdeführer sei nicht verheiratet, habe keine Kinder und habe im Bundesgebiet Beziehungen zu seinen hier aufenthaltsberechtigten Eltern und Geschwistern sowie zu einem Freundeskreis. Eine nachhaltige Integration am Arbeitsmarkt sei nie erfolgt. Der Beschwerdeführer habe die österreichische Rechtsordnung durch die Begehung von näher dargestellten Straftaten, u.a. im Bereich des Suchtgifthandels und der Einbruchsdiebstähle, wiederholt missachtet und stelle durch sein strafbares Verhalten eine gegenwärtige und hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

Die gegen den Beschwerdeführer ausgesprochene Rückkehrentscheidung sei auf den Tatbestand des § 52 Abs. 4 Z 1 FPG zu stützen, zumal durch die vorliegenden Verurteilungen nachträglich ein Versagungsgrund im Sinne des § 11 Abs. 1 und 2 NAG eingetreten sei. Die im Bundesgebiet bestehenden privaten Bindungen des Beschwerdeführers hätten gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung zurückzutreten. Der Beschwerdeführer sei über einen längeren Zeitraum massiv straffällig geworden und habe sein kriminelles Verhalten gesteigert, wobei ihn weder der in Österreich bestehende Familienbezug, noch bereits erfolgte Verurteilungen von der Fortsetzung seines strafbaren Verhaltens abzuhalten vermochten. Die öffentlichen Interessen an der Verhinderung von Suchtgift- und Eigentumskriminalität seien als besonders hoch zu gewichten und es sei dem Beschwerdeführer unbenommen, im Fall einer Abschiebung den Kontakt zu seinen Angehörigen über moderne Kommunikationsmittel und Besuche im Herkunftsstaat aufrechtzuerhalten.

Hinweise auf eine Unzulässigkeit der Abschiebung in den Kosovo, einen sicheren Herkunftsstaat, seien nicht hervorgekommen. Beim Beschwerdeführer handle es sich um einen jungen, gesunden Mann, welcher durch Teilnahme am Erwerbsleben zur eigenständigen Erwirtschaftung seines Lebensunterhaltes im Herkunftsstaat in der Lage sein werde.

Zur Begründung des Einreiseverbotes wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei in Österreich seit 2015 mehrfach gerichtlich verurteilt worden sei. Die Gefährdungsprognose gründe auf die sich über viele Jahre erstreckende, durch einschlägige Rückfälle gekennzeichnete, und kontinuierlich gesteigerte Delinquenz insbesondere gegen fremdes Vermögen und die Begehung von Suchtgiftdelikten. Aufgrund der Schwere des Fehlverhaltens und unter Bedachtnahme auf das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers sei davon auszugehen, dass die im Gesetz umschriebene Annahme einer von seiner Person ausgehenden schwerwiegenden Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt sei. Die Gesamtbeurteilung seines Verhaltens, seiner Lebensumstände sowie seiner familiären und privaten Anknüpfungspunkte habe ergeben, dass die Erlassung eines Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig sei, um der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung zu begegnen.

4. Gegen den dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die durch den bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers am 16.04.2019 fristgerecht eingebrachte vollumfängliche Beschwerde, in der begründend ausgeführt wurde, dass die Behörde sich mit dem Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers unzureichend auseinandergesetzt habe. Dieser habe sich zu den Straftaten jeweils unter dem Einfluss anderer hinreißen lassen. In der Strafhaft werde dieser sich mit seinen Schwächen auseinandersetzen müssen, er arbeite dort in einer Schlosserei und habe die Möglichkeit zur Nachholung einer Berufsausbildung. Der Beschwerdeführer sei an sich ein gutmütiger Mensch, sodass es einer Einreisesperre von neun Jahren nicht bedürfe. Es werde daher beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen und der Beschwerde insofern Folge zu geben, als das befristete Einreiseverbot auf ein Minimum reduziert werde. Übermittelt wurden Bestätigungen, wonach der Beschwerdeführer eine stationäre Suchttherapie anstrebe.

5. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 23.04.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurden zunächst der Gerichtsabteilung G313 zugewiesen.

Mit Eingabe vom 23.01.2020 wurde bekanntgegeben, dass der Beschwerdeführer sich gegenwärtig im elektronisch überwachten Hausarrest im Haushalt seiner Eltern befinde und seine (nunmehrige) Lebensgefährtin im August 2020 ein Kind erwarte.

6. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.04.2020 wurde die gegenständliche Rechtssache der ursprünglich zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

7. Am 08.04.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht zur Ermittlung des entscheidungsmaßgeblichen Sachverhalts eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer sowie sein bevollmächtigter Vertreter und seine Lebensgefährtin als Zeugin teilgenommen haben. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte bereits im Vorfeld mit Schreiben vom 24.02.2021 mitgeteilt, auf die Teilnahme an der Verhandlung zu verzichten. Anlässlich der in deutscher Sprache abgehaltenen Beschwerdeverhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinem aktuellen Privat- und Familienleben im Bundesgebiet, seinen Erwartungen für den Fall seiner Rückkehr in den Kosovo sowie seinen strafgerichtlichen Verurteilungen befragt. Zudem wurde seine Lebensgefährtin als Zeugin zum gemeinsamen Familienleben befragt.

Mit Eingabe vom 22.04.2021 reichte der Beschwerdeführer Unterlagen zum Unternehmen seiner Eltern, seinem Einkommen sowie seiner ärztlichen Untersuchung nach dem Führerscheingesetz nach.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Republik Kosovo und führt die im Spruch angeführten Personalien; seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer bekennt sich zum islamischen Glauben und spricht muttersprachlich Albanisch. Daneben beherrscht er Serbo-Kroatisch und Deutsch.

Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2005 im Alter von zwölf Jahren ins österreichische Bundesgebiet ein, wo sich sein Vater aufgrund eines im Jahr 2002 gestellten Asylantrages bereits aufhielt. In der Folge reisten auch die Mutter und vier Geschwister des Beschwerdeführers ins Bundesgebiet ein.

Ein durch seinen gesetzlichen Vertreter für den Beschwerdeführer am 12.10.2005 gestellter Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.07.2007 abgewiesen. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 27.05.2011 abgewiesen, es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers die Republik Kosovo zulässig ist, jedoch seine Ausweisung gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 auf Dauer unzulässig sei.

Am 21.06.2011 wurde dem Beschwerdeführer durch die zuständige Bezirkshauptmannschaft erstmals eine Niederlassungsbewilligung erteilt, welche in der Folge mehrmals verlängert wurde. Zuletzt war der Beschwerdeführer im Besitz einer am 19.06.2017 ausgestellten „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ mit einer Gültigkeitsdauer bis 20.06.2020. Am 13.06.2020 beantragte dieser bei der nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zuständigen Behörde die Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung.

1.2. Am 01.07.2014 wurde gegen den Beschwerdeführer durch die zuständige Bezirkshauptmannschaft ein Waffenverbot verhängt.

Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2015 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt, deren Vollzug unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

Der Verurteilung lag zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 24.01.2014 eine fremde bewegliche Sache in einem EUR 3.000,- übersteigenden Wert, nämlich einen Bargeldbetrag in Höhe von EUR 16.400,-, einer anderen Person mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2015 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage, des Verbrechens der Verleumdung, des Vergehens der Bestimmung zur falschen Beweisaussage und des Verbrechens der Bestimmung zur Verleumdung nach den §§ 297 Abs. 1 2. Fall, § 288 Abs. 1 und 4, § 12 2. Fall StGB § 288 Abs. 1 und 4 StGB, und § 12 2. Fall StGB § 297 Abs. 1 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, von der ein Teil in der Höhe von sechs Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

Dem Schuldspruch lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer im November 2014 vor einer Polizeiinspektion als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt hat und durch seine Aussagen eine andere Person einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit ein Jahr übersteigender Freiheitsstrafe bedrohten, Handlung, nämlich des Verbrechens der versuchten Erpressung nach den § 15 Abs. 1, 144 Abs. 1 StGB, falsch verdächtigt hat, obwohl er wusste, dass die Verdächtigung falsch ist.

Weiters hat er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem Mittäter im November 2014 den Mittäter durch die Aufforderung, eine Person des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 StGB zu bezichtigen, zu falschen Beweisaussagen sowie zur Verleumdung bestimmt, obwohl er gewusst hat, dass die Verdächtigungen falsch sind.

Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2018 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 3 WaffG zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, deren Vollzug unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 19.10.2017, wenn auch nur fahrlässig, ein Waffe, nämlich ein Messer „Läufer“, besessen hat, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten war.

Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2019 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall, Abs. 2 Z 3 SMG, des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 1. und 2. Fall SMG und des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 1. und 2. Fall, Abs. 2 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 30 (dreißig) Monaten verurteilt.

Dem Schuldspruch lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer über den abgesondert verfolgten M. K. Kontakt zu einer verdeckten Ermittlerin des Bundeskriminalamtes herstellte, wobei es zunächst am 12.11.2018 zu einem Treffen kam, im Zuge dessen der Beschwerdeführer der verdeckten Ermittlerin Cannabiskraut zum Kauf angeboten und ihr in der Folge 5,4 g Cannabiskraut als Probe tatsächlich übergeben hat. Der Beschwerdeführer teilte der verdeckten Ermittlerin im Zuge dieses Gespräches mit, dass er ein Kilogramm Cannabiskraut zu einem Preis von EUR 3.000,- bis 3.500,- verkaufen würde, und der Preis ab einer Menge von fünf Kilogramm EUR 2.800,- betragen würde. Der Beschwerdeführer gab zudem an, über eine solche Menge auch tatsächlich zu verfügen. Schließlich vereinbarte er mit der verdeckten Ermittlerin ein Geschäft über 7,5 kg Cannabiskraut zu einem Preis von EUR 20.000,-, wobei das Geschäft bereits für den 14.11.2018 geplant war.

Tatsächlich kam es am 14.11.2018 zu einem Treffen zwischen ihm und der verdeckten Ermittlerin, im Zuge dessen er an die verdeckte Ermittlerin 7,4 kg Cannabiskraut übergab. 100 g hatte er zuvor am 13. oder 14.11.2018 bereits an eine nicht näher bekannte Person verkauft. Er entnahm aus dem Kofferraum seines PKW eine große schwarze Sporttasche und hob diese in den Kofferraum der verdeckten Ermittlerin, wo er sie letztendlich platzierte. In der Folge öffnete die verdeckte Ermittlerin die Sporttasche, um die Ware zu begutachten, woraufhin der Zugriff durch die eingesetzten Kräfte des LKA XXXX und die Festnahme des Beschwerdeführers erfolgte.

Der Beschwerdeführer erwarb zuvor insgesamt 12,5 kg Cannabiskraut von bislang unbekannten Hintermännern. Bei der im Anschluss an die Festnahme durchgeführten Hausdurchsuchung in der von ihm angemieteten (Zweit-)Wohnung wurden weitere 4.000 g Cannabiskraut (4 Packungen á 1.000 g) sichergestellt, die er zum Zweck des Weiterverkaufs besaß. Das Cannabiskraut hatte einen Reinheitsgehalt von 10% THCA und 0,76% Delta-9-THC.

Des Weiteren konsumierte er im Zeitraum Mitte 2016 bis 28.10.2018 Cannabis, Heroin und Kokain. Zu diesem Zweck erwarb und besaß er Cannabiskraut, Heroin und Kokain regelmäßig, wobei er die Tat ausschließlich zum persönlichen Gebrauch beging.

Im Rahmen der Strafbemessung wertete das Landesgericht als mildernd das reumütige Geständnis des Beschwerdeführers sowie die teilweise objektive Schadensgutmachung durch teilweise Sicherstellung des tatverfangenen Suchtgifts sowie als erschwerend die einschlägige Vorstrafe, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen sowie den raschen Rückfall im Hinblick auf die letzte Vorverurteilung.

Desweiteren führte das Landesgericht aus, dass abgesehen von der nicht unbeträchtlichen Täterschuld des Beschwerdeführers, der rein aus der Motivation der Gewinnerzielung gehandelt hätte, die für die Anwendung des § 43a Abs. 4 StGB erforderliche hohe Wahrscheinlichkeit künftiger Deliktsfreiheit bereits mit Blick auf die Vorverurteilungen und das bereits verspürte Haftübel nicht vorliegen würde, weshalb lediglich der unbedingte Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe die notwendige Wertekorrektur beim Beschwerdeführer ausreichend sicherstellen würde.

Mit Bescheid vom 14.03.2019 wurde dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für die Klassen AM und B für die Dauer von 26 Monaten entzogen. Gegenwärtig ist der Beschwerdeführer um Wiedererlangung des Führerscheins bemüht.

Mit in Rechtstraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2019 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 129 Abs. 1 Z 1 und Z 2 und Abs. 2 Z 1, 130 Abs. 3 StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.

Dem Schuldspruch lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer als Beitragstäter (§ 12 3. Fall StGB) gemeinsam mit abgesondert verfolgten Personen im Zeitraum 07.01.2018 bis 12.06.2018 in mehreren Orten des Bundesgebietes fremde bewegliche Sachen in einem EUR 50.000,- übersteigenden Wert durch Einschlagen bzw. Aushebeln der Terrassentüre, Aufzwängen eines Fensters und Aufschneiden eines Tresores, teils in Wohnhäuser, mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen bzw. teils wegzunehmen versucht hat, wobei sie die Diebstähle durch Einbruch in der Absicht begingen, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen und zwar

1.       am 29.01.2018 an einem näher angeführten Tatort einer Person EUR 600,- Bargeld sowie einen Tresor mit Schmerzmittel, Suchtmittelpflaster und Suchtmittelvignetten durch Aufzwängen eines Fensters und der Terrassentüre;

2.       zwischen 07.01.2018 und 12.01.2018 einer Person eine Spiegelreflexkamera im Wert von ca. EUR 579,-, drei Speicherkarten im Wert von ca. EUR 255,-, drei Damenhandtaschen im Wert von ca. EUR 180,- sowie EUR 950,- Bargeld durch Einschlagen und anschließendes Entriegeln der Terrassentüre;

3.       zwischen 13.01.2018 und 15.01.2018 einer Supermarktfiliale ein Sparschwein mit Euro 15,- Inhalt durch Aufbrechen eines Fensters und Einsteigen, wobei sie versuchten, einen Tresor mit EUR 5.000,- Inhalt an Bargeld aufzuzwängen, wobei es diesbezüglich beim Versuch geblieben ist;

4.       am 12.06.2018 einer Person Schmuck und andere Wertgegenstände im Gesamtwert von mehr als EUR 50.000,- sowie EUR 27.100,- an Bargeld durch Aufzwängen der Terrassentüre.

Im Rahmen der Strafbemessung wertete das Landesgericht das teilweise reumütige Geständnis des Beschwerdeführers sowie die teilweise Schadenswiedergutmachung als mildernd, als erschwerend hingegen das Zusammentreffen von zwei Vergehen und zwei Verbrechen sowie den raschen Rückfall in Bezug auf die Vorverurteilung durch das Landesgericht XXXX .

Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2020 wurde der Beschwerdeführer wegen (A.) der Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs. 1 und Abs. 4 StGB sowie (B.) der Vergehen der Begünstigung nach den §§ 15 Abs. 1, 299 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.

Dem Schuldspruch lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer

A.) Als Zeuge bei der förmlichen Vernehmung zur Sache im Verfahren gegen den rechtskräftig verurteilten A. falsch ausgesagt hat, und zwar

1. am 26.08.2019 in einer Hauptverhandlung vor dem Landesgericht XXXX , indem er zusammengefassten sinngemäß behauptete,

?        eine abgesondert verfolgte Person sei an keinem der Einbrüche, für die der Beschwerdeführer bereits rechtskräftig verurteilten worden war, beteiligt gewesen,

?        er von einem abgesondert verfolgten Täter kein Diebesgut durch den Einbruch in das Wohnhaus als Lohn für seine Beteiligung erhalten habe,

?        dass er bei seiner polizeilichen Aussage „auf Drogen“ gewesen sei;

2. am 20.08.2019 vor dem LKA XXXX , indem er zusammengefasst sinngemäß behauptete, eine andere Person als die tatsächlich beteiligte sei an den Einbrüchen beteiligt gewesen;

B.) durch die zu Punkt A.) genannten Aussagen die abgesondert verfolgten Täter, die mit Strafe bedrohte Taten begangen haben, der Strafverfolgung absichtlich zu entziehen versucht hat.

Im Rahmen der Strafbemessung wurde als mildernd berücksichtigt, dass es teilweise beim Versuch geblieben war, als erschwerend hingegen eine einschlägige Vorstrafe, der rasche Rückfall und das Zusammenkommen mehrerer Vergehen. Aufgrund der ungünstigen spezialpräventiven Prognose sei die Gewährung teilbedingter Strafnachsicht ebensowenig angezeigt gewesen, wie die Anwendung von § 43a Abs. 2 StGB.

1.3. Aufgrund des bisher vom Beschwerdeführer gesetzten Verhaltens ist zu prognostizieren, dass dieser in Zukunft neuerlich Straftaten insbesondere im Bereich der Suchtgiftkriminalität und gewerbsmäßigen Eigentumsdelikte begehen wird. Der Beschwerdeführer ist aufgrund der von ihm begangenen Straftaten und seines Persönlichkeitsbildes als schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit anzusehen.

1.4. Im Bundesgebiet leben die Eltern und vier Geschwister des Beschwerdeführers, ein Onkel mit dessen Familie sowie ein Cousin mit dessen Familie, zu welchen jeweils kein Abhängigkeitsverhältnis vorliegt.

Der Beschwerdeführer ist im Haushalt (Eigentumshaus) seiner Eltern wohnhaft, wo er sich die Räumlichkeiten seit rund eineinhalb Jahren mit seiner Lebensgefährtin, einer österreichischen Staatsbürgerin, der gemeinsamen im August 2020 geborenen Tochter, ebenfalls österreichische Staatsbürgerin, und der vierjährigen Tochter seiner Partnerin aus einer früheren Beziehung teilt. Die Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Lebensgefährtin besteht seit rund eineinhalb bis zwei Jahren. Der Beschwerdeführer beteiligt sich an der Betreuung der beiden Kinder. Der Beschwerdeführer begründete das Familienleben mit seiner Lebensgefährtin und Tochter zu einem Zeitpunkt, als infolge Straffälligkeit bereits ein eine (nicht rechtskräftige) Rückkehrentscheidung sowie ein Einreiseverbot gegen ihn erlassen worden waren und konnte demnach nicht auf die Möglichkeit zum weiteren Verbleib im Bundesgebiet vertrauen.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich, den Kontakt zu diesen Angehörigen sowie zu seinen Freunden und Bekannten in Österreich nach seiner Rückkehr in den Kosovo über moderne Kommunikationsmittel aufrechtzuerhalten, gleichermaßen steht es den Angehörigen seiner Herkunftsfamilie offen, den Beschwerdeführer im Herkunftsstaat zu besuchen.

Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers ist aktuell nicht beruflich eingegliedert; diese lernt die albanische Sprache.

Dem Beschwerdeführer, seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter (sowie der weiteren Tochter der Lebensgefährtin) ist es alternativ möglich, das Familienleben (allenfalls vorübergehend für die Dauer des Einreiseverbotes) im Kosovo fortzuführen.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich zwei Jahre die Hauptschule und im Anschluss einen polytechnischen Lehrgang besucht, jedoch keinen Schulabschluss und keine Berufsausbildung absolviert. Dieser beherrscht die deutsche Sprache fließend.

Im Zeitraum 12.06.2010 bis 01.02.2019 hat dieser sich zusammengerechnet für rund 49 Monate in Beschäftigungsverhältnissen befunden, wobei das längste (geringfügige) Beschäftigungsverhältnis elf Monate andauerte.

Seit 12.03.2021 ist dieser im im Oktober 2020 gegründeten Unternehmen seiner Eltern im Bereich der Eisenverlegung als Prokurist angestellt und bezieht ein monatliches Nettoeinkommen von rund EUR 1.600,-. Der Beschwerdeführer weist Schulden in Höhe von EUR 16.000,- auf, welche er in Raten mit Unterstützung seiner Familie zurückzahlt.

Eine nachhaltige berufliche Integration ist bislang nicht erfolgt.

Der Beschwerdeführer befand sich von 15.11.2018 bis 30.10.2019 in Haft in einer österreichischen Justizanstalt. Im Anschluss befand er sich im elektronisch überwachten Hausarrest.

Am 14.01.2021 wurde der Beschwerdeführer unter Anordnung der Bewährungshilfe und unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt aus der Freiheitsstrafe entlassen.

Der Beschwerdeführer nimmt seit Jänner 2021 Termine der Bewährungshilfe (einmal wöchentlich telefonisch sowie einmal monatlich persönlich) wahr. Dieser hat in der Justizanstalt eine siebenmonatige Entzugstherapie sowie eine dreimonatige Beratung in Form von Gruppensitzungen absolviert.

Im Kosovo leben noch zwei Onkeln und zwei Tanten des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer hat sich gemeinsam mit seiner Familie wiederholt, zuletzt im Jahr 2018, zu Urlaubs- bzw. Besuchszwecken im Kosovo aufgehalten. Bis zum Alter von zwölf Jahren hat der Beschwerdeführer die Schule im Kosovo besucht.

Der Beschwerdeführer ist gesund und benötigt keine medizinische Behandlung.

Beim Beschwerdeführer besteht ein Zustand nach psychischen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (Kokain, Opioide) sowie schädlichem Gebrauch von Cannabis mit gegenwärtiger Abstinenz.

1.5. Der Beschwerdeführer hat nicht vorgebracht, dass ihm im Kosovo eine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit droht. Aufgrund seines Alters und Gesundheitszustandes ist er zu einer eigenständigen Bestreitung seines Lebensunterhalts im Kosovo in der Lage.

1.6. Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers werden folgende Feststellungen getroffen:

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 16.06.2020

Ethische Spannungen konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Beziehungen zwischen der serbischen Minderheit und der albanischen Mehrheit. Zu differenzieren sind dabei die Beziehungen zu den im Norden in einem zusammenhängenen Gebiet lebenden Serben und jenen Serben, die im restlichen Kosovo in kleineren versprengten Gemeinden wohnen. Letztere unterhalten relativ gute Beziehungen zu den kosovo-albanischen Autoritäten und beteiligen sich an der gesellschaftspolitischen Ausgestaltung im Rahmen der kosovarischen Institutionen. Ganz anders ist hingegen die Situation im Nordkosovo. Die hier lebenden Serben weigern sich, die Unabhängigkeit des Kosovo und zum Teil die Institutionen des neu geschaffenen Staates anzuerkennen. Dementsprechend schwierig gestaltet sich die Zusammenarbeit. Besonders problematisch sind speziell Fragen der Grenze zwischen dem Kosovo und Serbien, zumal diese von den im Norden lebenden Serben nicht anerkannt wird (GIZ 9.2018a).

Somit bleibt die Lage im Norden des Kosovo (Gemeinden Zubin Potok, Leposavic, Zvecan und Nord-Mitrovica) angespannt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es auch künftig zu isolierten sicherheitsrelevanten Vorkommnissen kommt, die die allgemeine Bewegungsfreiheit einschränken (AA 2.5.2020).

Mit der Ausnahme des Nordkosovo gilt die Sicherheitslage allgemein als entspannt. Allerdings kann es zu punktuellen Spannungen kommen (GIZ 9.2018a).

In Pristina und anderen Städten des Landes kann es gelegentlich zu Demonstrationen und damit zu einer Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit kommen. In allen anderen Landesteilen Kosovos ist die Lage grundsätzlich ruhig und stabil. Teilweise gewalttätige Protestaktionen der Opposition gegen die Regierung haben sich seit dem ersten Halbjahr 2016 nicht mehr ereignet, das Potential für solche Proteste besteht aber weiterhin (AA 2.5.2020).

Eine Studie des angesehenen Kosovo Center for Security Studies zum Sicherheitsgefühl der Kosovaren aus dem Jahr 2018 ergab, dass sich 85,5% der Befragten in ihrem Zuhause (Wohnung, Haus), 78,8% in ihrer Stadt und 52,4% im Kosovo sicher fühlten. Albanische und nicht-serbische Minderheitenangehörige fühlen sich im Kosovo sicherer als Serben (KCSS 7.2019).

Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 16.06.2020

Das Bekenntnis zu unveräußerlichen Menschenrechten ist in der Verfassung verankert. Nach Art. 22 der Verfassung gelten viele internationale Menschenrechtsabkommen unmittelbar und haben Anwendungsvorrang. Seit November 2000 gibt es die Einrichtung einer Ombudsperson, die für alle Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen oder Amtsmissbrauch durch die zivilen Behörden im Kosovo zuständig ist, Hinweisen auf Menschenrechtsverletzungen nachgeht und in einem Jahresbericht an das Parlament Empfehlungen für deren Behebung gibt. Im Juli 2015 hat das Parlament ein neues Gesetz zur Ombudsperson verabschiedet, das die Ombudsperson zum nationalen Präventionsmechanismus (NPM) ernannt und die Unabhängigkeit dieser Institution und ihre Rolle als unabhängiger Beobachter und Hüter der Grundrechte und Grundfreiheiten im Kosovo gestärkt hat (AA 21.3.2019).

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen garantieren den Schutz der Menschenrechte sowie der fundamentalen Rechte gemäß europäischen Standards. Es sind jedoch weitere Anstrengungen zur Durchsetzung nötig. Die Anwendung der menschenrechtlichen Gesetzgebung und Strategien wird oft durch unzureichende finanzielle Mittel oder Mangel an anderen Ressourcen, durch fehlende politische Priorisierung und schlechte Koordination unterminiert. Die existierenden Mechanismen zur Koordination und Implementierung von Menschenrechten sind ineffizient. Es besteht eine starke Abhängigkeit von ausländischen Gebern (EC 25.2.2019).

Religionsfreiheit

Letzte Änderung: 16.06.2020

Die Republik Kosovo ist gemäß Verfassung ein säkularer Staat (AA 21.3.2019; vgl. GIZ 3.2020b) und verhält sich in religiösen Angelegenheiten neutral. Religionsfreiheit wird nach Art. 38 der Verfassung garantiert. Einschränkungen der Religionsfreiheit sind nicht bekannt. Weder Apostasie oder Konversion noch Mission stehen unter Strafe (AA 21.3.2019). Weiters verbietet die Verfassung jegliche Diskriminierung aufgrund der Religion (USDOS 21.6.2019).

Das Gesetz erlaubt es religiösen Gruppen nicht, sich als juristische Personen registrieren zu lassen, was ihnen bei der Führung ihrer Geschäfte Steine in den Weg legt. Während religiöse Gruppen angeben, dass sie im Allgemeinen kooperative Beziehungen zu den Kommunalverwaltungen unterhalten, erklären einige Gruppen, dass die Kommunalverwaltungen religiöse Organisationen in Eigentumsfragen, einschließlich Baugenehmigungen, nicht gleich behandeln. Vertreter der Serbisch-Orthodoxen Kirche (SOC) sagten, die Regierung habe deren Eigentumsrechte verletzt, unter anderem durch die Weigerung, Gerichtsentscheidungen zugunsten der SOC umzusetzen oder Bautätigkeiten in besonderen Schutzzonen auszusetzen (USDOS 21.6.2019).

Ethnische Minderheiten

Letzte Änderung: 16.06.2020

Die Bevölkerung Kosovos setzt sich wie folgt zusammen: Albaner (92.9%), Bosniaken (1.6%), Serben (1.5%), Türken (1.1%), Ashkali (0.9%), Ägypter (0.7%), Gorani (0.6%), Roma (0.5%) und andere (0.2%). Diese Schätzungen beruhen auf dem Zensus von 2011, der den stark von Serben bewohnten nördlichen Kosovo nicht mit einschloss und überdies teilweise in den von Serben und Roma bewohnten Gemeinden im Süden boykottiert wurde (CIA 7.4.2020).

Offiziell als Minderheiten anerkannt sind die Roma/Ashkali/Ägypter (RAE), Serben, Bosniaken, Türken und Gorani (AA 21.3.2019; vgl. GIZ 3.2020b). Offizielle Sprachen sind Albanisch und Serbisch, auf kommunaler Ebene auch Türkisch, Bosnisch und Romanes. Diese Minderheiten genießen laut Verfassung weitreichende Rechte. 20 der 120 Parlamentssitze sind für die nicht-albanischen Minderheiten (Serben 10, Türken 2, Bosniaken 3, Gorani 1 und RAE 4) garantiert. Es bedarf bei der Verabschiedung wichtiger Gesetze nicht nur der Mehrheit aller Abgeordneten, sondern getrennt davon auch der Mehrheit der Abgeordneten, die Minderheiten vertreten. Die Bestimmungen des Ahtisaari-Pakets (seit September 2012 Bestandteil der Verfassung) erlauben weitgehende Autonomie auf Kommunalebene, wovon vor allem die Serben und Türken mit „eigenen“ Gemeinden profitieren, in denen sie die Mehrheit stellen (AA 21.3.2019). Die Vertretung der ethnischen Minderheiten im Parlament ist im Verhältnis zu ihrem Anteil an der Bevölkerung überproportional ausgeprägt; gleichzeitig kritisieren die politischen Vertreter der ethnischen Minderheiten, dass sie in wichtigen Fragen nicht konsultiert werden. Seit November 2018, als das Land Zölle auf Produkte aus Serbien und Bosnien und Herzegowina erhob, boykottieren die Parlamentarier der Srpska-Liste im Wesentlichen die Teilnahme an den Verfahren der Versammlung (USDOS 11.3.2020).

Die Verfassung des Kosovo beinhaltet ein vollständiges Kapitel, das den Rechten der Gemeinschaften und ihrer Mitglieder gewidmet ist Die Verfassung schützt und fördert die Rechte und Interessen der im Kosovo lebenden Gemeinschaften und ihrer Mitglieder. Sie stellt fest, dass das Kosovo eine multiethnische Gesellschaft ist, die aus albanischen und anderen Gemeinschaften besteht, die durch ihre legislativen, exekutiven und gerichtlichen Institutionen demokratisch und unter voller Achtung der Rechtsstaatlichkeit regiert wird, und garantiert allen ihren Bürgern volle und effektive Gleichheit. Die Verfassung definiert, dass die offiziellen Sprachen im Kosovo Albanisch und Serbisch sind. Türkisch, Bosnisch und die Sprachen der Roma können auf kommunaler Ebene den Status von Amtssprachen haben oder werden, wie gesetzlich vorgesehen, auf allen Ebenen offiziell verwendet (ECMIK o.D.a).

Hinweise auf intendierte staatliche Repressionen oder Menschenrechtsverletzungen aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit gibt es nicht. Die Einhaltung der im Anti-Diskriminierungsgesetz enthaltenen Diskriminierungsverbote wird durch das Büro des Menschenrechtskoordinators (Office of Good Governance) kontrolliert (AA 21.3.2019).

Die Teilhabe ethnischer Minderheiten an der Gesellschaft ist trotz grundrechtlicher Fundierung nur unzureichend gesichert und wird nicht ausreichend gefördert. Insbesondere die sogenannten RAE-Minderheiten (Roma, Ashkali, Egyptians) sind sozial stark marginalisiert. Die Exklusion auf den Arbeitsmärkten ist evident. RAE-Minderheiten sind von Armut überproportional stark betroffen. Auch die Inanspruchnahme von Bildungs- und Gesundheitsdienstleistungen durch Minderheiten ist, mit der Ausnahme der serbischen Minderheit, unterdurchschnittlich (GIZ 3.2020b).

In Orten mit einem hohen Minderheitenanteil werden auch die entsprechenden Minderheitensprachen in den Grundschulen unterrichtet (Serbisch, Türkisch, vereinzelt Romani) (AA 30.4.2019).

Ein wichtiger Akteur zum Thema Minderheiten ist die NGO „European Center for Minority Issues Kosovo“ (ECMIK), die umfassende Informationen zur aktuellen Situation der verschiedenen Minderheiten im Kosovo inklusive Populationsgrößen, Altersstruktur, Kultur, Religion, Ausbildung, Sprache, politischer Vertretung etc. zur Verfügung stellt (ECMIK o.D.b).

Bewegungsfreiheit

Letzte Änderung: 16.06.2020

Gesetzlich ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes vorgesehen, ebenso wie Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung und die Regierung respektiert diese Rechte üblicherweise (USDOS 11.3.2020).

Alle Ethnien können sich im Kosovo grundsätzlich frei bewegen. Die Sicherheitskräfte bemühen sich um einen verstärkten Schutz für Minderheitengebiete und Enklaven. Angehörige von Minderheiten verlassen diese Gebiete – oftmals aufgrund eines subjektiv empfundenen Unsicherheitsgefühls und auch sprachlicher Barrieren – nur selten. Von der Freizügigkeit wird von Kosovo-Serben und Kosovo-Albanern in jenen Gegenden, wo sich diese Gruppen in der Minderheit befinden, zum Teil kein Gebrauch gemacht. Ziele der Binnenmigration für Kosovo-Serben sind in der Regel mehrheitlich serbisch bewohnte Ortschaften (AA 9.12.2015).

Die Regierung betrachtet serbisch ausgestellte Personaldokumente mit Namen kosovarischer Städte nicht als gültige Reisedokumente, was es vielen Mitgliedern der kosovo-serbischen Gemeinschaft erschwert, frei nach und aus dem Kosovo zu reisen, es sei denn, sie benutzten die beiden Grenzübergänge zu Serbien, die sich in den kosovo-serbischen Mehrheitsgemeinden im Norden befinden (USDOS 11.3.2020).

Grundversorgung

Letzte Änderung: 16.06.2020

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Das Warenangebot entspricht in der Auswahl (nicht immer in der Qualität) westeuropäischen Standards. Die Sozialhilfe bewegt sich auf niedrigem Niveau. Sozialleistungen reichen zur Befriedigung der Grundbedürfnisse kaum aus. Das wirtschaftliche Überleben sichert in der Regel zum einen der Zusammenhalt der Familien, zum anderen die im Kosovo ausgeprägte zivilgesellschaftliche Solidargemeinschaft. Im Jahr 2017 erhielten 26.111 Familien bzw. 106.649 Personen Sozialhilfe (AA 21.3.2019).

Obwohl das Wirtschaftswachstum des Kosovo in den letzten zehn Jahren besser war als das seiner Nachbarn und weitgehend integrativ, reichte es nicht aus, um genügend formelle Arbeitsplätze, insbesondere für Frauen und Jugendliche, bereitzustellen oder die hohen Arbeitslosenquoten deutlich zu senken. Das Wachstumsmodell stützt sich in hohem Maße auf Überweisungen, um den Binnenkonsum anzukurbeln, hat sich aber in jüngster Zeit auf ein stärker investitions- und exportgetriebenes Wachstum verlagert (WB o.D.).

Die kosovarische Wirtschaft wuchs in der Zeit nach der globalen Finanzkrise beständig über dem Durchschnitt des Westbalkans, wenn auch von einer niedrigen Basis aus. Das Pro-Kopf-BIP stieg von 1.088 US-Dollar im Jahr 2000 auf 4.458 US-Dollar im Jahr 2019. Trotz dieses Anstiegs des Pro-Kopf-Einkommens in den letzten 20 Jahren ist das Kosovo gemessen am Pro-Kopf-BIP nach wie vor das drittteuerste Land in Europa. Das jährliche Wachstum wird auf vier Prozent geschätzt, angetrieben durch den Konsum, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich, und durch Dienstleistungsexporte. Das Leistungsbilanzdefizit fiel von 7,6% des BIP im Jahr 2018 auf 5,5% im Jahr 2019, da sich das Importwachstum verlangsamte. Die Erwerbsbeteiligung ist mit durchschnittlich 40,5% der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter im Jahr 2019 nach wie vor chronisch niedrig. Die Arbeitslosenquote sank um 3,9 Prozentpunkte auf 25,7%. Die Staatsverschuldung ist gering, hat aber in den letzten Jahren rasch zugenommen. Die öffentliche und staatlich garantierte Verschuldung wird für Ende 2019 auf 17,7% des BIP geschätzt und ist damit die niedrigste auf dem Westbalkan, was dem Land Raum für die Aufnahme von Krediten zu Vorzugsbedingungen für produktive Investitionen mit einer hohen Rendite bietet. Der von den Banken dominierte Finanzsektor im Kosovo ist gesund und solide. Sowohl Kredite als auch Einlagen nahmen weiter zu (WB 2020).

Die kosovarische Wirtschaft leidet an einer unzureichenden Infrastruktur. Während es in den letzten Jahren zwar deutliche Verbesserungen hinsichtlich der Verkehrsinfrastruktur, v.a. beim Ausbau des Autobahnnetzes gegeben, hat, stellt die instabile Energieversorgung weiterhin ein schwerwiegendes Entwicklungsproblem dar. Problematisch ist auch die politische Instabilität mit häufigen Regierungswechseln und fehlender entwicklungsorientierter Wirtschaftspolitik. Das Wirtschaftssystem weist klare Charakteristika politischer Patronage auf, mit der Dominanz des öffentlichen Sektors. Dazu gehören einerseits die öffentliche Verwaltung, in der - basierend auf einer parteipolitisch motivierten Personalpolitik - extrem hohe Gehälter bezahlt werden, und andererseits ineffiziente, politisch kontrollierte öffentliche Unternehmen bei gleichzeitig schleppend voranschreitender Privatisierung. Hinzu kommt ein schwacher Rechtsstaat mit einer schwachen und politisierten Justiz und Polizei, teils kriegsbedingt noch immer unklaren Eigentumsverhältnissen, der mangelnden auch wirtschaftlichen Kontrolle über Teile des kosovarischen Territoriums, in erster Linie der vier mehrheitlich serbisch bewohnten Gemeinden im Norden, sowie das Problem grassierender, systematischer Korruption (GIZ 3.2020c).

Vor diesem Hintergrund blüht weiterhin ein substantieller informeller Wirtschaftssektor, welcher marktwirtschaftliche Regeln unterläuft, Arbeiterrechte und den Sozialstaat aushöhlt. Die EU-Kommission schätzte 2019 den Anteil der Schattenwirtschaft am Bruttosozialprodukt auf 30%. Das extreme Handelsbilanzdefizit macht Kosovo in hohem Maße von ausländischer Hilfe und Überweisungen abhängig. Der Anteil der informellen Wirtschaftsleistung ist immens – schätzungsweise zwischen 27% und 45%. Weitere Probleme sind die unzureichende Infrastruktur (Energie, Wasser und Verkehr), ungelöste rechtliche Verhältnisse, mangelnde Transparenz, Korruption, Kriminalität, etc. (GIZ 3.2020c).

Kosovos Arbeitslosenquote belief sich laut nationalem Statistikamt im Jahr 2019 auf 25,70% (gegenüber 29,60% im Jahr 2018). Dies ist der geringste Wert, der seit zwanzig Jahren gemessen wurde (CEIC 2.4.2020; vgl. WB 2020). Trotzdem bleibt die Arbeitslosigkeit mit einer Zahl von ca. 130.000 Unbeschäftigten Ende 2019 eines der zentralen Probleme. Der Arbeitsmarkt im Kosovo ist geprägt durch eine niedrige Erwerbsbeteiligung (Beschäftigungsqoute Ende 2019: 30,7%), ein hohes Maß an langfristiger Arbeitslosigkeit (über 70% aller Arbeitslosen) und Jugendarbeitslosigkeit (Jugendarbeitslosigkeitsquote 2019, Q4: 49,1%) sowie durch erhebliche Genderdisparitäten (Frauenbeschäftigungsquote 2016, Q4: 22,4%, gegenüber einer Männerbeschäftigungsquote von 60,2%). Im Kosovo existiert allerdings ein sehr ausgedehnter informeller, nicht von der Statistik erfasster Sektor, welcher z. B. einen Großteil der Frauen umfasst, die in Subsistenzwirtschaften Leistungen im Agrarsektor erbringen. Folgen der Informalität sind Einnahmeeinbußen bei den Sozialabgaben sowie ein Mangel an sozialer und arbeitsrechtlicher Absicherung der Arbeitnehmer. Eine staatliche Arbeitslosenversicherung existiert im Kosovo nicht. Jährlich drängen ungefähr 36.000 junge Arbeitssuchende neu auf den Arbeitsmarkt, von denen nur ein geringer Teil absorbiert werden kann. Für die überwiegende Mehrheit bleibt daher eine der folgenden Optionen: (weiterführende) Aus- und Weiterbildung, Studium, Arbeitslosigkeit, informelle Beschäftigung oder Migration. Etwa ein Drittel aller jungen Kosovaren geht weder einer Schulbildung, Ausbildung oder Beschäftigung nach. Die Arbeitgeber bemängeln, dass der Ausbildungsstand der jungen Kosovaren nicht den Bedürfnissen der Unternehmen nach qualifizierten Arbeitskräfte entspricht. Hieraus resultiert das Paradoxon der Gleichzeitigkeit von hoher Arbeitslosigkeit und unbesetzter Arbeitsstellen. Ein weiteres Problem ist, dass die ökonomischen und sozialen Statistikdaten immer noch unvollständig und Teils von mangelnder Qualität sind, was sowohl die Bewertung der effektiven Wirtschaftsentwicklung beeinträchtigt als auch die wirtschafts- und sozialpolitische Planung (GIZ 3.2020c).

Etwa 18% der kosovarischen Bevölkerung leben in absoluter Armut (täglich verfügbares Einkommen geringer als € 1,72) und 5,2% in extremer Armut (€ 1,20). Obwohl die einzelnen Studien und Armutsberichte nicht direkt vergleichbar sind, gibt es Hinweise dafür, dass sich das Ausmaß der Armut im Kosovo in den letzten zehn Jahren leicht reduziert hat. Armutsgefährdung korreliert stark mit Ethnizität (insbesondere die Gruppen der RAE (Roma, Ashkali, Ägypter) – Minderheiten sind von Armut überproportional stark betroffen), Alter (Kinder), Bildung (Geringqualifizierte), Geographie und Haushaltsgröße (große Familien, sowie Familien mit weiblichem Haushaltsvorstand). Der Lebensstandard ist im Kosovo sehr ungleich verteilt, mit Unterschieden in der durchschnittlichen Lebenserwartung von bis zu 10 Jahren zwischen einzelnen Gemeinden. Ein konsistentes geographisches Muster lässt sich jedoch nicht feststellen. Ein bedeutender Teil der Gesellschaft ist als mehrdimensional arm zu bezeichnen: Neben dem Mangel an pekuniären Ressourcen ist der Zugang zu sozialer Infrastruktur bzw. die Befriedigung grundlegender Bedürfnisse, wie z. B. fließendes Wasser, für viele Menschen begrenzt. Der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel und der Ausgaben für Wohnraum an den gesamten Konsumausgaben eines Haushalts liegt im Kosovo im Durchschnitt bei 73%, die Ausgaben für Bildung und Gesundheit entsprechen 4% der gesamten Konsumausgaben. Der Human Development Index für Kosovo liegt laut dem Human Development Report Kosovo 2016 bei 0.741 (2015), was eine deutliche Steigerung gegenüber 2011 (0.713) bedeutet, jedoch einen der niedrigsten Werte in der Region darstellt (GIZ 3.2020b).

Sozialbeihilfen

Letzte Änderung: 16.06.2020

Die Leistungsgewährung von staatlichen Sozialhilfeleistungen für bedürftige Personen erfolgt auf Grundlage des Gesetzes No. 2003/15. Jede Gemeinde verfügt über ein Zentrum für Soziales. Angehörige der Minderheiten werden zusätzlich von den in jeder Gemeinde eingerichteten Büros für Gemeinschaften und Rückkehrer (Municipal Office for Communities and Return, MOCR) betreut. Die Freizügigkeit wird für Sozialhilfeempfänger nicht eingeschränkt. Für den weiteren Sozialhilfebezug ist in der Kommune des neuen Wohnortes ein entsprechender Antrag zu stellen. Die Sozialhilfe bewegt sich auf niedrigem Niveau. Sozialleistungen reichen zur Befriedigung der Grundbedürfnisse kaum aus. Das wirtschaftliche Überleben sichert in der Regel zum einen der Zusammenhalt der Familien, zum anderen die in Kosovo ausgeprägte zivilgesellschaftliche Solidargemeinschaft. Im Jahr 2017 erhielten 26.111 Familien bzw. 106.649 Personen Sozialhilfe (AA 21.3.2019).

Das Gesetz über die soziale Grundsicherung umfasst zwei Kategorien von Leistungsempfängern. Kategorie I definiert Familien als Leistungsempfänger, in denen alle Familienmitglieder temporär oder dauerhaft dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen, z.B. Kinder bis 14 Jahre, Jugendliche bis 18 Jahren, sofern diese in das Bildungssystem integriert sind, Alleinerziehende mit mindestens einem Kind unter 15 Jahren, Personen mit schwerer und dauerhafter Behinderungen über 18 Jahre, ältere Personen über 65 Jahre. Kategorie II umfasst jene Familien, in denen mindestens ein Familienmitglied dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht und in denen mindestens ein Kind jünger als 5 Jahre bzw. ein/e Waise jünger als 15 Jahre versorgt wird. Die Leistungen aus beiden Kategorien sind an strenge Bedürftigkeitsprüfungen gebunden. Die monatliche Unterstützungsleistung variiert von € 50 für eine einzelne Person bis zu maximal € 150 für eine Familie mit sieben oder mehr Mitgliedern, was einer Lohnersatzquote von 11.2% (Einzelperson) entspricht. 2018 empfingen ca. 25.300 Familien mit ca. 103.409 Familienmitgliedern Sozialhilfe, ein Bevölkerungsanteil von 6%. Die Gesamtaufwendungen sind mit ca. € 32.9 Mio. bzw. einem Anteil von 0.5% des BIPs gering. Im Kosovo gibt es zwei spezielle Institutionen, die sich auf die Versorgung von Erwachsene mit psychischen Erkrankungen (in Shtime) bzw. auf die Versorgung älterer Menschen (in Prishtina) spezialisiert haben. Daneben wurden jüngst fünf kommunale Einrichtungen für Menschen mit geistiger Behinderung sowie Einrichtungen für ältere Menschen eröffnet. Die Institutionen in Shtime und Prishtina wurden in der Vergangenheit wiederholt mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht (GIZ 3.2020b).

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 16.06.2020

Die mangels eines öffentlichen Krankenversicherungssystems weiterhin staatlich finanzierte medizinische Grundversorgung der Bevölkerung ist auf drei Ebenen organisiert: Die erste Ebene umfasst die hausärztliche Grundversorgung, insgesamt 422 Praxen und regionale Gesundheitszentren (GIZ 3.2020b; vgl. AA 21.3.2019). In letzteren werden Patienten durch Ärzte für Allgemeinmedizin sowie durch weitere Fachärzte, wie Ärzte für Pädiatrie, Dermatologie, Ophthalmologen, Gynäkologen und Zahnärzte behandelt. Zur Beseitigung des Personalmangels wurde im Jahr 2017 das Personal der primären Erstversorgung umfangreich aufgestockt. Die ambulant Grundversorgung durch Allgemeinmediziner und andere Fachärzte sowie medizinisches Assistenzpersonal erfolgt in sogenannten Familien-Gesundheitszentren. Diese Gesundheitszentren werden in Verantwortung der jeweiligen Gemeinden betrieben; die Finanzierung der erforderlichen Sachmittel erfolgt durch die Gemeinden, jene der Personalkosten aus staatlichen Mitteln des Gesundheitsministeriums (AA 21.3.2019).

Die staatliche sekundäre Versorgung beinhaltet die ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung in den Regionalkrankenhäusern in Ferizaj/Urosevac, Gjakova/Djakovica, Gjilan/Gnjilane, Mitrovica-Nord und -Süd, Peja/Pec, Prizren und Vushtrri/Vucitrn (GIZ 3.2020b; vgl. AA 21.3.2019). Die tertiäre Gesundheitsversorgung wird durch die Universitätsklinik Pristina sowie staatliche Institute gewährleistet, die umfassende, auch komplexe medizinische Dienstleistungen anbieten. Gleichzeitig ist die Universitätsklinik für die sekundäre Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung der Region Pristina zuständig und wird dementsprechend stark frequentiert. Die Bettenkapazität zur stationären Behandlung von Patienten in den Krankenhäusern ist ausreichend (AA 21.3.2019).

Die Zahl der lizenzierten privaten Krankenhäuser in Kosovo belief sich 2019 auf 23. Die Nachfrage nach (lebenswichtigen) Medikamenten kann, trotz Verbesserungen in den letzten Jahren, nicht vollständig befriedigt werden, was einen Nährboden für die Entwicklung schwarzer und grauer Märkte bietet. Kosovo und Albanien besitzen die höchste Rate an intra-Krankenhaus-Infektionen im europäischen Vergleich, was insbesondere auf hygienische Probleme zurückzuführen ist. Die medizinische Infrastruktur im Kosovo bleibt trotz erheblicher Investitionen lückenhaft. Zusammen mit dem Mangel an medizinischem Fachwissen führt dies zum Problem, dass bestimmte Krankheiten (z. B. Leukämie, Nierenversagen) im Kosovo nicht behandelt werden können. Ein effizientes Informationsverarbeitungssystem fehlt gänzlich. Die Doppelfunktion von medizinischem Personal, welches gleichzeitig in öffentlichen und privaten Institutionen beschäftigt ist, führt zu substantiellen Interessenkonflikten. Entscheidungen über die Budgetverteilung scheinen zuweilen klar politisch motiviert zu sein und sind kaum evidenzbasiert. Schließlich erschweren die finanziellen Barrieren den Zugang zum Gesundheitssystem, was gravierende Ungleichheiten zur Folge hat. Wohlhabende Patienten fragen in zunehmendem Maße Leistungen privater Anbieter nach und/oder nutzen das Angebot (privater) medizinischer Akteure im Ausland (GIZ 3.2020b).

Bereits im Dezember 2012 wurde ein Gesetz zur Reform des Gesundheitssystems verabschiedet, im April 2014 ergänzend das Gesetz über die Krankenversicherung. Das Krankenversicherungsgesetz sieht eine staatliche, für alle kosovarischen Bürger obligatorische Krankenversicherung vor. Viele Einzelheiten sind aber nach wie vor ungeklärt. Die Implementierung der Krankenversicherung wird deshalb immer wieder verschoben.. Eine sofortige Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung nach Einführung des öffentlichen Krankenversicherungssystems wird derzeit als nicht realistisch eingestuft (AA 21.3.2019).

Als Folgen der andauernden Unterfinanzierung der Budgets sind staatlich finanzierte Basismedikamente der Essential Drug List sowie Zytostatika zur Behandlung von Tumorerkrankungen für berechtigte Empfänger nur selten kostenlos erhältlich. In der Realität können staatlicherseits Basis-Medikamente der Essential Drug List nicht regelmäßig und im benötigten Umfang zur Verfügung gestellt werden. Deshalb haben es insbesondere Neuerkrankte schwer, in den Genuss eines kostenlosen Bezugs staatlich finanzierter Medikamente zu kommen. Für Betroffene bleibt in einer solchen Situation nur die Möglichkeit, benötigte Medikamente privat finanziert zu beschaffen. Patienten erhalten vom behandelnden Arzt eine Liste mit benötigten Medikamenten und Verbrauchsmaterialien, die der Patient bzw. ein ihn betreuender Verwandter in einer der vielen Apotheken privat kaufen muss. Lediglich Medikamente für die Behandlung von an TBC oder AIDS erkrankten Patienten gehören wie Insulin zu den regelmäßig kostenlos vom Gesundheitsministerium zur Verfügung gestellten Medikamenten (AA 21.3.2019).

Trotz kontinuierlicher Verbesserungen der meisten Gesundheitsindikatoren bleibt die Gesundheitssituation insgesamt alarmierend. Die Säuglings- und Müttersterblichkeit gehört jeweils zu den höchsten in ganz Europa. Die Immunisierungsrate hat sich jüngst auf über 90% erhöht, bleibt allerdings niedrig unter den RAE-Minderheiten. Das Ausmaß der Umweltverschmutzung sowie der Umgang mit suchtgefährdenden Substanzen, insbesondere Tabak, stellen ein enormes Risiko für die Gesundheit der kosovarischen Bevölkerung dar (GIZ 3.2020b).

In Ermangelung einer universellen Gesundheitsversorgung sind Gemeinschaften von Roma und Ashkali, aufgrund ihrer schwierigen sozio-ökonomischen Lage, besonderen Schwierigkeiten beim Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen ausgesetzt. Nur der Zugang zu sehr grundlegenden Dienstleistungen ist kostenlos (EC 29.5.2019).

Rückkehr

Letzte Änderung: 16.06.2020

Die meisten europäischen Staaten haben mit Kosovo bilaterale Rückübernahmeabkommen abgeschlossen (AA 21.3.2019). Diese Rückübernahmeabkommen werden problemlos implementiert. Asylanträge kosovarischer Bürger in der EU sinken seit 2015, dementsprechend sinken auch die Rückführungen. Die Zahl der aus den EU-Staaten in den Kosovo zurückgeführten Personen ist von 18.789 im Jahr 2015, 11.030 im Jahr 2016 und 4.509 im Jahr 2017 auf 2.395 im Jahr 2018 gefallen (1.668 zwangsweise und 727 freiwillig). Im Jahr 2017 betrug die Rückkehrrate der in der EU aufhältigen kosovarischen Bürger, die seitens der Gastländer zum Verlassen des Territoriums angehalten wurden, in den Kosovo 85,9% (EC 29.5.2019).

Das kosovarische Innenministerium prüft vor seiner Zustimmung zu einer Rückführung aus Drittstaaten anhand von Dokumenten, bestehenden Registereinträgen und/oder Zeugenaussagen die Herkunft einer Person aus Kosovo und das Vorliegen der Voraussetzungen nach Art. 32 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes für die kosovarische Staatsangehörigkeit. Daher ist davon auszugehen, dass in Rückführungsfällen die formellen Voraussetzungen für die Registrierung als „Resident of Kosovo“ erfüllt werden. Probleme entstehen für Eltern bei der Registrierung von im Ausland geborenen Kindern, wenn lediglich Geburtsanzeigen vorgelegt werden können, weil Standesämter mangels fehlender Identitätsdokumente der Eltern keine Geburtsurkunden ausstellen können. Seit Mai 2010 hat die kosovarische Regierung Strategien für die Reintegration von Rückkehrern verabschiedet (AA 21.3.2019).

Geleitet wird der gesamte Reintegrationsprozess von der Abteilung für die Reintegration von Rückkehrern im kosovarischen Innenministerium. Für diese Abteilung arbeiten u.a. sechs sogenannte Regionalkoordinatoren, die dezentral in den größeren Gemeinden des Kosovo (auch Nord-Mitrovica) tätig sind und als Ansprechpartner für die in jeder Gemeinde eingerichteten Büros für Gemeinschaften und Rückkehrer (Municipal Office for Communities and Return, MOCR) fungieren sollen sowie auch Mitglieder der kommunalen Ausschüsse für Reintegration (Municipal Committees for Reintegration, MCR) sind. Zu den Aufgaben der Regionalkoordinatoren gehört auch ein Monitoring der MOCR

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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