TE Vwgh Erkenntnis 1996/12/17 95/01/0146

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Veröffentlicht am 17.12.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner sowie Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des F, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. April 1995, Zl. 4.294.998/9-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "Jugosl. Föderation" albanischer Nationalität, der am 10. Jänner 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat den Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. Februar 1994, mit dem sein Asylantrag abgewiesen worden war, mit Berufung bekämpft.

Mit Bescheid vom 10. März 1994 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 VAG ab. Dieser Bescheid wurde auf Grund einer dagegen erhobenen Beschwerde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 29. November 1994, B 818/94, wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung (Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94) aufgehoben.

Im fortgesetzten Verfahren wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 14. April 1995 die Berufung neuerlich ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat bei seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt am 1. Februar 1994 geltend gemacht, er sei deshalb geflüchtet, weil er nicht bei der serbischen Armee habe dienen wollen. Er sei, als er mit seinem Vater nach einem Aufenthalt in Österreich wieder nach Jugoslawien eingereist sei, an der Grenze aus dem Autobus geholt und für zwei Wochen in einem Gefängnis in Subotica festgehalten worden. Er sei dort mit Stöcken geschlagen, mit Füßen getreten und täglich verhört worden. Seine Freilassung sei erst erfolgt, als er unterschrieben habe, zum Militär zu gehen. Er sei verpflichtet worden, sich innerhalb zehn Stunden bei einer Einheit in Pristina zu melden. Sein Reisepaß mit einem gültigen Visum für Österreich sei ihm wieder ausgefolgt worden; einen Einberufungsbefehl habe er nicht erhalten.

In seiner Berufung wandte sich der Beschwerdeführer insbesondere gegen die Auffassung der Behörde erster Instanz, sein Vorbringen sei unglaubwürdig, weil es unlogisch gewesen wäre, dem Beschwerdeführer seinen mit einem gültigen Visum versehenen Reisepaß auszufolgen, wenn beabsichtigt gewesen sei, ihn zum Dienst beim Militär zu zwingen. Soweit die Behörde erster Instanz die Angaben für unschlüssig oder widersprüchlich gehalten habe, wäre es deren Aufgabe gewesen, den Sachverhalt durch entsprechende Fragestellungen zu klären.

Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers insbesondere damit begründet, daß die Einberufung zum Militärdienst bzw. die Verweigerung, diesen abzuleisten, nur dann als asylbegründende Tatsache angesehen werden könne, wenn die Einberufung in Verfolgungsmotivation aus z. B. ethnischen oder religiösen Gründen erfolgt wäre. Solches habe der Beschwerdeführer aber nicht glaubhaft gemacht.

Der belangten Behörde ist zunächst insoweit beizupflichten, als die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes - sei es durch Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehls, sei es durch Desertion - nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein nicht die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling rechtfertigt. Der Verwaltungsgerichtshof geht allerdings von einer asylrechtlich relevanten Furcht vor Verfolgung in solchen Fällen aus, in denen die Einberufung aus einem der in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) angeführten Gründen erfolgt, in denen damit gerechnet werden müßte, daß ein Asylwerber hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während des Militärdienstes aus diesen Gründen im Vergleich zu Angehörigen anderer Gruppierungen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichender Weise benachteiligt würde oder in denen davon auszugehen ist, daß eine dem Asylwerber wegen Wehrdienstverweigerung drohende Strafe aus diesen Gründen gegen diesen schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen verhängt würde (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377). Anders als in dem Fall, der dem angeführten Erkenntnis des verstärkten Senates zugrunde lag, hat der Beschwerdeführer bei seiner Ersteinvernahme keine Ausführungen, die auf das Vorliegen von in der Aufforderung, sich zum Militärdienst zu melden, liegender Verfolgung im Sinne obiger Judikatur hindeuten würden, gemacht und insbesondere aus seiner Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe nicht abgeleitet, er müsse wegen dieser Volkszugehörigkeit Verfolgung während der Ableistung des Militärdienstes befürchten. Er hat auch nicht etwa behauptet, er sei wegen seiner Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe aus dem Autobus geholt und in der Folge festgehalten und mißhandelt worden. Auch in der Beschwerde stellt er lediglich den Inhalt des Erkenntnisses des verstärkten Senates dar, ohne aber auszuführen, in welcher Weise die dort enthaltenen grundsätzlichen Überlegungen auf seinen Fall anwendbar sein sollten.

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf die Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Februar 1994, Zl. 93/01/0377, hinweist - in dieser Verfügung waren Überlegungen zur Asylrelevanz von Einberufungen zum Militärdienst, in dessen Rahmen von der Staatengemeinschaft mißbilligte Akte gesetzt werden sollten, enthalten - und geltend macht, es handle sich bei dieser Verfügung um "die jüngste Entwicklung in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes", welche zu berücksichtigen sei, ist ihm entgegenzuhalten, daß es sich bei dieser "Entscheidung" bloß um eine Berichterverfügung handelte, mit der den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die maßgebenden Gründe für die Annahme eines Verstärkungsgrundes gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG bekanntgegeben wurden. Die darin vertretene Rechtsansicht hat aber im abschließenden bereits angeführten Erkenntnis des verstärkten Senates vom 29. Juni 1994 keinen Niederschlag gefunden.

Wenn der Beschwerdeführer weiters geltend macht, "laut UNHCR-Handbuch" sei ein Deserteur bzw. Wehrdienstverweigerer unter dort näher angeführten Voraussetzungen als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anzusehen, ist ihm entgegenzuhalten, daß er einerseits keine näheren Umstände dargetan hat, aus denen auf ihn die dort genannten Voraussetzungen zutreffen sollten, und daß andererseits dem "Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft", herausgegeben vom Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, 1979, keine normative Kraft zukommt, weshalb dessen Inhalt rechtlich nicht verbindlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. November 1995, Zl. 95/01/0070).

Der Beschwerdeführer macht zwar zutreffend geltend, daß ihm hinsichtlich der im angefochtenen Bescheid angeführten Einberufungsmodalitäten und der Darstellung der allgemeinen Lage in Kroatien sowie in Bosnien-Herzegowina das Parteiengehör nicht eingeräumt worden sei. Dieser Verfahrensmangel kann aber deshalb nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, weil die Umstände, die der Beschwerdeführer - wie er in der Beschwerde ausführt - im Fall der Vermeidung dieses Verfahrensmangels hätte geltend machen können (Beweise für Einsatz von Kosovo-Albanern in Bosnien auch nach offiziellem Rückzug der serbischen Verbände), nicht geeignet erscheinen, daß die belangte Behörde deswegen zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Der Beschwerdeführer erblickt darin, daß er nicht unter Mitwirkung eines gerichtlich beeideten bzw. eines diesem durch entsprechende Beeidigung gleichgestellten Dolmetschers vernommen worden sei, einen Verfahrensmangel. Entgegen dieser Auffassung ist im Asylgesetz 1991 die Beiziehung eines Amtsdolmetschers nicht verpflichtend vorgesehen. Gemäß § 18 Abs. 1 Asylgesetz 1991 reicht die Beiziehung eines Dolmetschers - also auch eines solchen, der nicht die Funktion eines Amtsdolmetschers innehat - für eine dem Asylwerber ausreichend verständliche Sprache aus. Daß aber der der Vernehmung des Beschwerdeführers unbestritten beigezogene Dolmetscher etwa seine Angaben falsch oder die ihm gestellten Fragen für den Beschwerdeführer unverständlich übersetzt hätte, hat er selbst nicht behauptet. Ebensowenig kann aus dem in der Beschwerde gerügten Umstand, daß die belangte Behörde dem Beschwerdeführer nicht die Gelegenheit zu einer Berufungsergänzung geboten habe, eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens abgeleitet werden, weil dem Beschwerdeführer diese Möglichkeit hinsichtlich allenfalls geltend zu machender nicht offenkundiger Mängel - auch ohne daß es dazu einer eigenen Aufforderung durch die belangte Behörde bedurft hätte - offen gestanden wäre.

Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführer vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde, da auch sonst ein für die Entscheidung wesentlicher Mangel des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz nicht hervorgekommen und vom Beschwerdeführer insoweit in seiner Berufung auch nicht geltend gemacht wurde, nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen.

Insbesondere kann entgegen der diesbezüglichen Rüge des Beschwerdeführers dem Protokoll über seine Ersteinvernahme vom 1. Februar 1994 durchaus entnommen werden, daß er hiebei gezielt zu dem von ihm geltend gemachten Fluchtgrund befragt worden ist.

Da die belangte Behörde somit zu Recht die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers verneint hat, konnte eine Auseinandersetzung damit, ob sie auch zu Recht vom Vorliegen des Ausschließungsgrundes der Erlangung von Verfolgungssicherheit gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 ausgegangen ist, unterbleiben.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995010146.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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