Entscheidungsdatum
19.07.2021Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W144 2244356-1/2E
BESCHLUSS!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb., StA. von Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.06.2021, Zl: XXXX , beschlossen:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG stattgegeben und das Verfahren zugelassen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (BF) ist die im Bundesgebiet am 29.3.2021 geborene Tochter der somalischen StA. XXXX , XXXX geb., und des ebenfalls somalischen StA XXXX , XXXX geb.
Dem Vater der BF wurde im Bundesgebiet mit Bescheid des BFA, Zl. XXXX , Subsidiärschutz verbunden mit einer Aufenthaltsberechtigung bis zum 21.8.2021 gewährt.
Der Mutter der BF wurde in Italien internationaler Schutz verbunden mit einer Aufenthaltsberechtigung bis zum 13.06.2023 gewährt.
Anträge der Mutter der mj. BF sowie ihres minderjährigen Bruders auf internationalen Schutz im Bundesgebiet wurden zuletzt seitens des BFA mit Bescheiden vom 05.05.2020 gemäß § 4a AsylG zurückgewiesen, gleichzeitig wurden den Familienmitgliedern der BF keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG gewährt und wurde gemäß § 61 Abs. 1 Z. 1 FPG eine Anordnung zu ihrer Außerlandesbringung erlassen und ihre Abschiebung nach Italien für zulässig erklärt. Die Beschwerden gegen diese Entscheidungen wurden letztlich mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.06.2021 als unbegründet abgewiesen.
Nach der Geburt der mj. BF wurde Italien (im Zuge des die Mutter der BF betreffenden Verfahrens) seitens des BFA mit Schreiben vom 12.04.2021 über die Geburt der BF informiert.
In der Folge teilten die italienischen Behörden mit, dass der Status von Kindern untrennbar mit jenem der Mutter verbunden ist, sodass diesen der gleiche Schutzumfang gewährt werden wird.
Das BFA wies sodann den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten mit Bescheid vom 23.06.2021 gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass sich die mj. BF nach Italien zurück zu begeben habe. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen werde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG werde die Anordnung der Außerlandesbringung der BF angeordnet und sei demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Italien zulässig.
Begründend führte das BFA unter anderem aus, dass festgestellt wird, dass „Ihnen in Italien - gleich wie ihrer Mutter und ihrem in Österreich geborenen Bruder - internationaler Schutz gewährt wird.“
Gegen diesen am 25.06.2021 zugestellten Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde der BF vom 07.07.2021.
Die Beschwerdevorlage an das Bundesverwaltungsgericht erfolgte am 14.07.2021.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt wird zunächst der dargelegte Verfahrensgang.
Weiters wird festgestellt, dass der mj BF in Italien bis dato kein internationaler Schutz gewährt wurde.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus sämtlich aus den Akten des Bundesamtes.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgebung der Beschwerde
Die maßgebliche Bestimmungdes Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lautet:
§ 4a. (1) Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, in welchen Staat sich der Fremde zurück zu begeben hat. § 4 Abs. 5 gilt sinngemäß.
Zu A) Behebung des bekämpften Bescheides:
§ 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 144/2013 lautet:
„§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.“
Das BFA übersieht in der angefochtenen Entscheidung, dass der minderjährigen BF in Italien bis dato noch kein Status einer Asylberechtigten oder einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und sie in diesem Sinne dort noch nicht Schutz vor Verfolgung gefunden hat.
Es wird nicht verkannt, dass gemäß der Mitteilung der italienischen Behörden der Schutzstatus von Kindern an das rechtliche Schicksal der Eltern gebunden ist, sodass pro futuro davon auszugehen wäre, dass der mj BF in Italien, sofern sie rücküberstellt werden und sie dort einen Antrag auf internationalen Schutz stellen würde, ebenfalls internationaler Schutz wie ihrer Mutter gewährt werden würde. Der Wortlaut des § 4a AsylG stellt jedoch darauf ab, dass derartiger Schutz bereits vor der gegenständlichen Entscheidung über den Antrag im Bundesgebiet gewährt wurde und demgemäß der Antragsteller bereits Schutz vor Verfolgung gefunden hat.
Aufgrund des klaren Wortlautes dieser Bestimmung bleibt in der Folge kein Interpretationsspielraum dafür, dass diese Bestimmung auch in jenen Fällen angewendet werden kann, in denen Schutz zwar aller Voraussicht nach, jedoch jedenfalls erst in der Zukunft gewährt werden würde.
Vor diesem Hintergrund konnte der angefochtene Bescheid keinen Bestand haben und erübrigt sich in der Folge eine Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass dem Vater der minderjährigen BF im Bundesgebiet Subsidiärschutz zuerkannt worden ist, sodass gemäß § 34 AsylG auch der Antragstellerin selbst der gleiche Schutzstatus zu gewähren ist.
Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Die Entscheidung liegt allein in der Bewertung der Asyl- und Aufnahmesituation im Mitgliedsstaat, welche bereits durch umfassende und im Detail bzw. in der fachlichen Substanz unwidersprochen gebliebene Feststellungen festgehalten wurde und demgemäß in einer Tatbestandsfrage.
Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht sowohl auf umfangreiche Judikatur des EGMR sowie auf eine ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten der angefochtenen Bescheide wiedergegeben.
Schlagworte
Familienverfahren Obsorge Selbsteintrittsrecht ZulassungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W144.2244356.1.00Im RIS seit
03.11.2021Zuletzt aktualisiert am
03.11.2021