TE Vfgh Erkenntnis 1995/2/28 B1790/94

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Veröffentlicht am 28.02.1995
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

Tir GVG 1983 §1 Abs1 Z1

Leitsatz

Keine Verletzung im Gleichheitsrecht durch Feststellung der Erforderlichkeit einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung für den Erwerb eines als Rinderweide verwendeten Grundstücks

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Übertragungsvertrag vom 27. September 1993 erwarb die beschwerdeführende Gesellschaft ein 3.032 m2 großes Grundstück in Seefeld in Tirol.

Über Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft wurde mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Seefeld vom 22. Dezember 1993 gemäß §2 Abs1 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 18. Oktober 1983 über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 sowie des Landesgesetzes LGBl. für Tirol 74/1991 (im folgenden: GVG 1983), festgestellt, das Grundstück unterliege nicht den Bestimmungen des GVG 1983, weil es eine Sonderfläche im Freiland (Wintersportgebiet) darstelle.

2. Der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten wurde mit dem angefochtenen Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (s. §§28 und 40 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes, LGBl. für Tirol 82/1993) vom 9. Juni 1994 Folge gegeben und festgestellt, daß das Grundstück in Seefeld den Bestimmungen des GVG 1983 unterliege.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß nach dem ergänzenden Ermittlungsverfahren das Grundstück gemeinsam mit dem angrenzenden Grundbesitz von Stieren beweidet werde. Wenn auch die Veräußerin des Grundstückes für das Abweiden des Grases einen jährlichen Anerkennungsbetrag von S 1.000,-- bezahlt habe, so könne doch kein Zweifel daran bestehen, daß das Kaufobjekt in einer für die Land- und Forstwirtschaft geradezu typischen Weise genutzt werde und als land- und forstwirtschaftliches Grundstück im Sinne des §1 Abs1 Z1 GVG 1983 anzusehen sei.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

Dazu wird im wesentlichen ausgeführt, daß der Eigentümer des angrenzenden Grundstückes kein hauptberuflicher Landwirt sei und keinen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb besitze. Der Nachbar habe sich lediglich dazu verpflichtet, den Graswuchs des übertragenen Grundstückes kurz zu halten und erhalte aus diesem Titel jährlich einen Geldbetrag. Die weidenden Rinder erfüllten nur "die Aufgabe des Abmähens des Rasens". Außerdem ergebe sich aus dem Flächenwidmungsplan und dem gesamten Umfeld mit einem Schilift und einigen Wohnhäusern, daß es sich bei dem Grundstück nicht um land- oder forstwirtschaftlichen Boden handle.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den bekämpften Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde begehrt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften trägt die Beschwerde keine Bedenken vor; solche sind beim Verfassungsgerichtshof auch aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens nicht entstanden (vgl. zu §1 Abs1 Z1 GVG 1983 VfSlg. 11435/1987, 11952/1989, 12516/1990).

1.2. Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde deshalb nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

2.1. Im Hinblick auf die Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte eine Verletzung der beschwerdeführenden Gesellschaft im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur dann vorliegen, wenn die belangte Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellenden Fehler begangen hätte (vgl. VfSlg. 10370/1985, 10482/1985, 11470/1987, 11635/1988). Auch eine denkunmögliche Würdigung des Sachverhaltes ist einer derartigen Gesetzlosigkeit gleichzuhalten.

2.2. Für die Beurteilung, ob ein Grundstück ein land(- oder forst)wirtschaftliches ist, ist nicht seine Bezeichnung im Grundsteuer- oder Grenzkataster, sondern seine Beschaffenheit oder seine bisherige Verwendung maßgebend. Verwaltungsbehördliche Beschränkungen des Verkehrs mit Grundstücken können sich nicht nur auf solche Grundstücke beziehen, die einem spezifisch ausgeprägten land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmet sind, sondern auch auf solche, die zwar von einer Person, die nicht Land- oder Forstwirt ist, aber doch in einer für Land- oder Forstwirte signifikanten Art wirtschaftlich genutzt werden (vgl. VfSlg. 9005/1981, 9063/1981, 10447/1985, 11435/1987, 12770/1991).

Ob die Nutzung auf eine für einen Land- oder Forstwirt signifikante Weise erfolgt, ist nach der eben zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes vor allem danach zu beurteilen, was und auf welche Weise auf dem Grundstück produziert wird und welche primären Verwendungszwecke das Grundstück hat. Die Umstände, auf die es ankommt, können hiebei nicht nach starren Regeln beurteilt werden, können also nach Maßgabe des jeweiligen Falles unterschiedliches Gewicht besitzen; entscheidend ist, daß durch sie Sachverhalte verwirklicht werden, wie sie sich in der Land- oder Forstwirtschaft, wenn auch in verschiedenen Spielarten, finden.

Ein land- oder forstwirtschaftliches, dem GVG 1983 unterliegendes Grundstück ist daher ein solches, auf dem gegenwärtig Land- oder Forstwirtschaft im Sinne der vorstehenden Ausführungen betrieben wird, wobei, um Umgehungshandlungen hintanzuhalten, aber auch Grundstücke, die gegenwärtig diese Voraussetzungen nicht erfüllen, in die Grundverkehrsregelung einbezogen werden dürfen. Der Entfall der Widmung darf aber nur so lange zurückliegen, als dies aus diesem Zweck erklärbar ist (VfSlg. 7838/1976, 9063/1981, 10447/1985, 11435/1987, 12770/1991).

2.3. Im Lichte dieser Rechtsprechung - welche die Beschwerde völlig unberücksichtigt läßt und folglich offenkundig weithin an der Sache vorbeigeht - hegt der Verfassungsgerichtshof gegen die bekämpfte Erledigung keine Bedenken. Es steht außer Streit, daß das vom Übertragungsvertrag betroffene Grundstück im Zeitpunkt des Rechtserwerbes bereits längere Zeit als Rinderweide und somit in einer für die Land- oder Forstwirtschaft signifikanten Nutzung verwendet wurde. Daher kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie das Grundstück als landwirtschaftliches im Sinne des §1 Abs1 Z1 GVG 1983 eingestuft hat.

2.4. Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde somit durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die beschwerdeführende Gesellschaft in einem von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre.

4. Die Beschwerde war deshalb als unbegründet abzuweisen.

5. Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war abzuweisen, da es sich bei der belangten Behörde um eine Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG handelt (s. §28 GVG 1993) und eine Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vorgesehen ist.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Grundstück land- oder forstwirtschaftliches

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B1790.1994

Dokumentnummer

JFT_10049772_94B01790_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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