Entscheidungsdatum
23.07.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
W144 2242612-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Andreas Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. von Bosnien und Herzegowina, vertreten durch Mag. Wolfgang Standfest, Rechtsanwalt in 1010 Wien, gegen Spruchpunkt III. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 13.04.2021, Zl. XXXX , beschlossen:
A)
I. In Erledigung der Beschwerde wird Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
II. Der Antrag auf Kostenersatz wird als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang
I.1. Der Beschwerdeführer (BF), ein volljähriger Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, wurde am 01.12.2020 bei einer finanzpolizeilichen Kontrolle betreten und einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen.
Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme am 22.12.2020 vor dem BFA brachte der BF ein (nicht im Verwaltungsakt aufliegendes) Konvolut von Unterlagen in Vorlage und gab im Wesentlichen an, er sei gesund und nehme keine Medikamente. Er sei im Juni 2020 nach Österreich eingereist, weil er hier eine Firma habe und viele Termine wahrnehmen habe müssen. In Österreich würden keine Familienangehörige leben, in Bosnien seien seine Eltern, ein Bruder und weitschichtige Verwandte wohnhaft, ein Bruder lebe in Montenegro. Er habe in Bosnien im Bergbau und zuletzt als Maler und Anstreicher gearbeitet und eine dreijährige Lehre als Autoelektriker abgeschlossen.
Mit Schreiben des BFA vom 22.12.2020 wurde der BF vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und ihm die Möglichkeit gewährt, innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung eine Stellungnahme abzugeben.
Am 23.12.2020 unterfertigte der BF einen Antrag für unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe. Am 25.12.2020 reiste der BF aus Österreich aus.
Im Wege seines rechtfreundlichen Vertreters erstattete der BF am 05.01.2021 eine schriftliche Stellungnahme zur beabsichtigten Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot. Darin wurde (unter Berücksichtigung der am 10.02.2021 erstatteten Berichtigung) vorgebracht, dass sich der BF regelmäßig seit dem Jahr 2016 in Österreich aufhalte, weil er Mitbegründer der „ XXXX “ sei. Er habe die Voraussetzungen eines sichtvermerksfreien Aufenthalt stets eingehalten, sei während seiner Aufenthalte im österreichischen Bundesgebiet zum Großteil im strategischen Bereich tätig und helfe bloß gelegentlich bei kleinen Handgriffen im Bereich der aktiv zu leistenden Arbeitstätigkeiten aus. Seine Tätigkeit sei als bloß vorübergehend selbstständige Erwerbstätigkeit zu qualifizieren, weshalb der Vorwurf der „Schwarzarbeit“ verfehlt sei. Es entspreche zwar der Wahrheit, dass er zum Zeitpunkt seiner Betretung nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig gewesen sei, jedoch sei dies außerordentlichen Umständen geschuldet. Der BF habe aufgrund der Covid-19-Lage nicht in sein Elternhaus zurückkehren können. Aufgrund der seit November 2020 geltenden Ausgangssperren in Bosnien und Herzegowina sowie der teilweise unbegründeten Einreiseverweigerungen betreffend aus Kroatien kommende Reisende sei ihm eine Rückkehr aus faktischen Gründen nicht möglich bzw. zumutbar gewesen. In Vorlage gebracht wurde ein Nachweis für die erfolgte Ausreise aus Österreich, Kopien des Reisepasses, eines Mietvertrags, einer Versicherungsbestätigung, eines Firmenbuchauszuges und eines ÖSD-Zertifikats A1.
I.2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13.04.2021 erließ das BFA gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 FPG iVm § 9 BFA-VG (Spruchpunkt I.), stellte fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Bosnien und Herzegowina zulässig ist (Spruchpunkt II.) und erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt III.). Begründend wurde dargelegt, dass der BF wegen Überschreitens des sichtvermerksfreien Aufenthalts und der unerlaubten Erwerbstätigkeit unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet aufhältig gewesen sei. Es liege kein schützenswertes Familienleben vor, zumal er von November 2017 bis Dezember 2019 mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet gewesen sei, der Ehe keine Kinder entstammen und sich derzeit keine Familienangehörige in Österreich aufhalten würden. Es sei auch kein schützenswertes Privatleben ersichtlich, zumal keine nachhaltige Integration habe festgestellt werden können, der Aufenthalt in Österreich äußerst kurz gewesen sei, der Lebensmittelpunkt des BF in Bosnien und Herzegowina liege, wo sich auch seine Familie befinde, und der BF in Österreich einer illegalen Beschäftigung nachgegangen sei. Die Abschiebung sei zulässig, weil keine der in § 50 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG genannten Tatbestände erfüllt sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise sei im vorliegenden Fall angesichts der bereits erfolgten Ausreise des BF nicht erforderlich gewesen. Im Falle des BF sei § 53 Abs. 2 Z 7 FPG erfüllt, zumal der BF durch Organe der Finanzpolizei bei der Ausübung einer illegalen Beschäftigung betreten und angezeigt worden sei. Im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Schwarzarbeit liege eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung vor, weshalb mit einem Einreiseverbot von drei Jahren gegen den BF vorgegangen werden müsse. Die familiären und privaten Bindungen in Österreich seien nicht dergestalt, dass sie einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden.
I.3. Gegen den dargestellten, am 15.04.2021 zugestellten, Bescheid des BFA richtet sich die durch den rechtsfreundlichen Vertreter des BF am 12.05.2021 eingebrachte Beschwerde, die sich ausdrücklich gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides richtet und zu deren Begründung im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass angesichts des Anführens eines falschen Datums der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA und einer falschen Staatsangehörigkeit an mehreren Stellen des angefochtenen Bescheids der Verdacht naheliege, dass der Bescheid durch großzügige Verwendung der „copy & paste“-Funktion erstellt worden sei, ohne sich mit dem tatsächlich vorliegenden Sachverhalt auseinanderzusetzen. Das BFA habe sich nicht mit der beantragten Einvernahme zweier Zeugen hinsichtlich der vermeintlich verrichteten „Schwarzarbeit“ auseinandergesetzt und das Vorbringen zu den Gründen der nicht rechtzeitigen Ausreise nicht berücksichtigt. Das BFA habe keine Feststellungen zu den finanziellen Verhältnissen des BF getroffen und die Dauer des Einreiseverbots unangemessen lange bemessen. Sollte das Einreiseverbot nicht schon allein aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes aufzuheben sein, werde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und die Einvernahme von drei namentlich genannten Zeugen beantragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A) I.
Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Beschwerde ausschließlich gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides richtet, die übrigen Spruchpunkte sind somit bereits in Rechtskraft erwachsen.
§ 28 Abs. 1 bis Abs. 3 VwGVG lautet:
„(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.“
Seit seinem Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert ist, weswegen die in § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (vgl. VwGH 20.06.2017, Ra 2017/18/0117; VwGH 06.07.2016, Ra 2015/01/0123). Die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungs-möglichkeit ist sohin als eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte zu betrachten, weshalb sie nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken in Frage kommt (vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063). Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt, bloß ansatzweise ermittelt oder konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 20.06.2017, Ra 2017/18/0117; VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
Eine dürftige Begründung des Bescheides rechtfertigt ein Vorgehen nach § 28 Abs 3 VwGVG jedoch nicht, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden mündlichen Verhandlung im Sinn des § 24 VwGVG zu vervollständigen sind, denn die Verwaltungsgerichte haben als „erste gerichtliche Tatsacheninstanz“ auf Basis von vorhandenen Ermittlungsergebnissen und allfälligen Ergänzungen in der Sache selbst zu entscheiden (vgl. VwGH 10.09.2014, Ra 2014/08/0005; VwGH 27.01.2016, Ra 2015/08/0178). Auch wenn das Verwaltungsgericht die beweiswürdigenden Erwägungen einer Verwaltungsbehörde nicht teilt, führt dies allein noch nicht dazu, dass von einem Unterlassen gebotener Ermittlungsschritte im Sinne des § 28 Abs 3 VwGVG gesprochen werden könnte (vgl. VwGH 20.06.2017, Ra 2017/18/0117; VwGH 27.01.2016, Ra 2015/08/0178), denn gerade die Beweiswürdigung in Bezug auf strittige Sachverhaltselemente gehört zu den zentralen Aufgaben der Verwaltungsgerichte selbst, können sie doch auf Grund ihrer Unabhängigkeit und Unparteilichkeit in besonderer Weise zur Wahrheitsfindung beitragen (vgl. VwGH 27.01.2016, Ra 2015/08/0178). Auch bloße Ermittlungslücken, welche den Ermittlungshorizont des Bundesverwaltungsgerichts nicht übersteigen, reichen für eine Vorgehensweise nach § 28 Abs 3 VwGVG nicht aus, vielmehr hat das Verwaltungsgericht in solchen Fällen im Zuge einer mündlichen Verhandlung die Verfahrensergebnisse zu ergänzen und in der Sache selbst zu entscheiden (vgl. VwGH 06.07.2016, Ra 2015/01/0123). So ist eine Zurückverweisung etwa dann nicht gerechtfertigt, wenn gegebenenfalls (punktuelle) ergänzende Einvernahmen durchzuführen wären; vielmehr wären diese Einvernahmen, sollten sie wirklich erforderlich sein, vom Bundesverwaltungsgericht - zweckmäßigerweise im Rahmen einer mündlichen Verhandlung – durchzuführen (vgl. VwGH 27.01.2016, Ra 2015/08/0178). Auch die notwendige Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durch Einholung eines entsprechenden Sachverständigen-gutachtens erachtete der Verwaltungsgerichtshof als im Interesse der Raschheit gelegen, weshalb er in seinem Erkenntnis vom 28.02.2017, Ra 2015/11/0089, die Vorgehensweise des Verwaltungsgerichtes nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG als rechtswidrig erachtete.
Im gegenständlichen Fall sind dem BFA jedoch derart schwerwiegende Ermittlungsmängel anzulasten, die ein Vorgehen gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG im Hinblick auf Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids rechtfertigen:
Gemäß § 53 Abs. 2 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen (siehe § 53 Abs. 2 Z 7 FPG).
Die Erfüllung eines Tatbestandes nach § 53 Abs. 2 FPG indiziert, dass der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nur geringfügig gefährdet; diese Gefährdungsannahme ist beim Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 7 FPG auch bereits bei einmaliger Verwirklichung berechtigt. Eine vorsätzliche Vorgehensweise ist keine Voraussetzung der Erfüllung des Tatbestandes nach § 53 Abs. 2 Z 7 FrPolG 2005. Auf die subjektive Sicht des Drittstaatsangehörigen kommt es nicht an. Von einem eine Beschäftigung in Österreich aufnehmenden Drittstaatsangehörigen muss verlangt werden, sich mit den dafür einschlägigen Rechtsnormen vertraut zu machen. Dabei genügt es etwa auch nicht, sich auf die Auskunft des Arbeitgebers zu verlassen (vgl. VwGH 25.05.2021, Ra 2019/21/0402, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof judiziert in ständiger Rechtsprechung, dass nicht allein auf die bloße Tatsache einer Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftat und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen ist. Diese Überlegung gilt auch für die einem Revisionswerber der Sache nach vorgeworfene Schwarzarbeit (siehe VwGH 23.04.2021, Ra 2020/21/0504) bzw. wenn sich der Fremde mit dem ihm zur Last gelegten Fehlverhalten selbst nicht strafbar (vgl. § 28 AuslBG) gemacht hat (siehe VwGH 19.02.2013, 2012/18/0230).
Dem angefochtenen Bescheid lassen sich abgesehen von der an mehreren Stellen zu findenden Feststellung, dass der BF am 01.12.2020 im Bundesgebiet im Zuge einer Kontrolle durch Organe der Finanzpolizei bei der Ausübung einer illegalen Beschäftigung betreten und angezeigt worden sei, keine Ausführungen zu der vom BF konkret verrichteten Tätigkeit, bei der er betreten worden sein soll, entnehmen. Auch im Verwaltungsakt befinden sich keine näheren Informationen über die vom BF angeblich ausgeübte „Schwarzarbeit“. Darin findet sich bloß eine Anzeige der Landespolizeidirektion Wien datierend mit 01.12.2020 wegen unrechtmäßigen Aufenthalts des BF, Unterlagen etwa der Finanzpolizei bezüglich des angeblichen Betretens bei Ausübung von „Schwarzarbeit“ sind im Verwaltungsakt nicht zu finden. Es ist für das Bundesverwaltungsgericht sohin nicht nachvollziehbar, auf welche konkrete Tätigkeiten des BF das BFA den Vorwurf von ausgeübter „Schwarzarbeit“ im angefochtenen Bescheid stützt. Lediglich aus der im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters eingebrachten Stellungnahme des BF vom 05.01.2021 geht hervor, dass der BF behauptet, beim Transport der von der „ XXXX “ gekauften Farbe mitgeholfen zu haben, Feststellungen dazu traf das BFA im angefochtenen Bescheid nicht.
Auch im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 22.12.2020 befragte die Verwaltungsbehörde den BF nicht näher zu der von ihm angeblich ausgeübten „Schwarzarbeit“, ebenso wenig nehmen die im Schreiben des BFA vom 22.12.2020 angeführten Fragen Bezug auf das dem BF vorgeworfene Fehlverhalten. Wie in der Beschwerde zu Recht moniert wurde, setzte sich das BFA auch nicht mit der in der Stellungnahme des BF vom 05.01.2021 beantragten Zeugeneinvernahme im Hinblick auf die ihm vorgeworfene „Schwarzarbeit“ auseinander.
Das BFA hat sohin jegliche Ermittlungstätigkeit im Hinblick auf die dem BF vorgeworfene „Schwarzarbeit“ unterlassen, sodass der Sachverhalt betreffend die Beurteilung der Frage, ob der BF bei einer Beschäftigung betreten wurde, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) nicht ausüben hätte dürfen, gravierend mangelhaft ist. Insoweit ist letztlich gänzlich ungeprüft geblieben, welche Verhaltensweisen der BF tatsächlich konkret gesetzt hat und aus welchen Überlegungen der vom BFA herangezogene Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 7 FPG erfüllt sein sollte.
Im fortgesetzten Verfahren wird das BFA daher (gegebenenfalls unter Einholung von Informationen seitens der Finanzpolizei und Einräumung von Parteiengehör) Feststellungen zur konkret vom BF ausgeübten Tätigkeit, bei der er am 01.12.2020 betreten worden sein soll, zu treffen haben und sich (allenfalls nach Befragung der genannten Zeugen) mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob der BF diese Tätigkeit nach dem AuslBG nicht hätte ausüben dürfen.
Eine diesbezügliche Auseinandersetzung mit der zuletzt genannten Rechtsfrage fehlt im angefochtenen Bescheid zur Gänze, obwohl der BF schon im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 22.12.2020 vorgebracht hatte, er habe hier im August 2016 eine Firma gegründet, und in der schriftlichen Stellungnahme vom 05.01.2021 präzisierte, Mitbegründer der „ XXXX “ entsprechend dem vorgelegten Firmenbuchauszug und vorübergehend selbstständig erwerbstätig im Bundesgebiet zu sein.
Vor diesem Hintergrund hätte es einer Prüfung bedurft, ob der BF überhaupt eine dem AuslBG unterliegende Beschäftigung im Sinne von § 2 Abs. 2 AuslBG, insbesondere eine Verwendung in einem Arbeitsverhältnis oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, ausgeübt hat. Maßgebend für diese Einordnung in den genannten Beschäftigungsbegriff ist, dass die festgestellte Tätigkeit in persönlicher und/oder wirtschaftlicher Abhängigkeit des Arbeitenden ausgeübt wird (vgl. etwa VwGH 17.12.2013, 2013/09/0145). Angesichts seiner Stellung als handelsrechtlicher Geschäftsführer entsprechend dem im Verwaltungsakt einliegenden Firmenbuchauszug einer GmBH (siehe Aktenseite 74f) und der vorgelegten Bestätigung über Versicherungszeiten bei der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen bzw. der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (siehe Aktenseite 73) erscheint dies im vorliegenden Fall nicht offensichtlich zu sein.
In diesem Zusammenhang darf auf § 2 Abs. 4 AuslBG verwiesen werden, wonach für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 vorliegt, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend ist. „Eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 liegt insbesondere auch dann vor, wenn
1. ein Gesellschafter einer Personengesellschaft zur Erreichung des gemeinsamen Gesellschaftszweckes oder
2. ein Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Geschäftsanteil von weniger als 25%
Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbringt, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden, es sei denn, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice stellt auf Antrag binnen drei Monaten fest, daß ein wesentlicher Einfluß auf die Geschäftsführung der Gesellschaft durch den Gesellschafter tatsächlich persönlich ausgeübt wird. Den Nachweis hiefür hat der Antragsteller zu erbringen (…)“.
Die Ziffern 1 und 2 des § 2 Abs. 4 AuslBG sind nur zwei ausdrücklich genannte Beispiele (arg.: „insbesondere“) für Arbeitsleistungen, die unter diesem maßgeblichen Gesichtspunkt eine einer Bewilligung nach dem AuslBG unterliegende Beschäftigung darstellen (vgl. VwGH 17.12.2013, 2013/09/0145). Aus der Bestimmung der Ziffer 2 des § 2 Abs. 4 leg. cit. ist aber nicht abzuleiten, dass ein Gesellschafter mit einem Geschäftsanteil von genau 25 Prozent oder mehr keinesfalls, also auch dann nicht, wenn dieser (auch) in einem Arbeitsverhältnis gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG stünde, eine Bewilligung nach dem AuslBG benötigte. Vielmehr ist auch in einem solchen Fall zu beurteilen, ob die geleistete Tätigkeit in ihrer Gesamtheit nach ihrem wahren wirtschaftlichen Gehalt als Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG anzusehen ist oder nicht (vgl. VwGH 17.12.2013, 2013/09/0145, mwN). Bei der Rechtsfrage, ob ein dem AuslBG widersprechendes Beschäftigungsverhältnis vorliegt, kommt es ausschließlich auf den tatsächlich gelebten wahren wirtschaftlichen Gehalt der Tätigkeit an, nicht aber auf den auf eine Selb- oder Unselbständigkeit gerichteten Willen der vertragsschließenden Parteien (vgl. VwGH 05.09.2013, 2012/09/0114). Bei der Beurteilung, ob eine Tätigkeit in den Anwendungsbereich des AuslBG fällt, kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob sich die Ausländerin zur Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft angemeldet oder Kontakt zum Finanzamt aufgenommen hat (vgl. VwGH 12.11.2013, 2012/09/0076).
Darüber hinaus darf auch auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit der Einordnung der Tätigkeit von Geschäftsführern einer Gesellschaft nach dem AuslBG verwiesen werden:
Wirtschaftliche Abhängigkeit ist im Sinne des § 2 Abs.4 AuslBG dann zu verneinen, wenn der Ausländer in einer Kapitalgesellschaft mehr als 50% der Geschäftsanteile besitzt und - auch durch seine Stellung als Geschäftsführer - beherrschenden Einfluss auf die Geschäftsgebarung der Gesellschaft hat, es sei denn, es lägen Umstände vor, die für seine Abhängigkeit in sonstiger Hinsicht sprächen (vgl. VwGH 10.03.1993, 97/09/0006).
Erster (allerdings nicht ausschließlicher) Anhaltspunkt für die tatsächliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses zwischen der Gesellschaft und dem Ausländer ist in der Regel der Inhalt des Gesellschaftsvertrages. Reicht der schriftliche Vertrag zur Beurteilung der tatsächlichen Stellung des Ausländers in der Gesellschaft nicht aus, sind darüber Erhebungen, etwa durch Einvernahme des Ausländers über dessen tatsächliche Aufgaben und deren Abwicklungsmodus zu pflegen, aus denen sodann Feststellungen darüber getroffen werden können, ob und wodurch dieser einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft tatsächlich persönlich ausübt. Hat die Behörde Zweifel, dass der Inhalt des vorgelegten Gesellschaftsvertrages dem „wahren wirtschaftlichen Gehalt“ iSd ersten Satzes des § 2 Abs. 4 AuslBG entspreche, so bedarf es bei Vorliegen konkreter Verdachtsgründe weiterer Erhebungen und Feststellungen, aus denen erkennbar wäre, dass der Beschwerdeführer trotz seiner Mehrheitsbeteiligung und der damit eingeräumten Befugnisse zur Vertretung und Geschäftsführung keine Person iSd § 2 Abs. 4 AuslBG ist, etwa weil die ermittelten Umstände auf eine „Scheingesellschaft“ hindeuten (vgl. VwGH 10.12.2009, 2008/09/0359).
Sollte das BFA unter Berücksichtigung der obzitierten Judikatur zum Schluss kommen, dass der BF bei einer Beschäftigung betreten wurde, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, hätte es im Rahmen der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist (vgl. VwGH 19.02.2013, 2012/18/0230). Im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung hätte sich das BFA auch mit dem Vorbringen des BF in der Stellungnahme vom 05.01.2021, auf das im Beschwerdeschriftsatz verwiesen wurde, im Hinblick auf die behaupteten „außerordentlichen Umständen“ bezüglich des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF auseinanderzusetzen. Ebenso wäre abzuklären und gegebenenfalls darauf Bedacht zu nehmen, ob der BF bereits zuvor aufenthaltsrechtliche Bestimmungen missachtet hat (siehe den im als „Teilakt 1“ bezeichneten Verwaltungsakt einliegenden Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 04.12.2013), und ein etwaiger Verfahrensausgang bezüglich der im „Teilakt 1“ einliegenden, gegen den BF erhobenen Anklage der Staatsanwaltschaft Wien wegen des Vergehens der Körperverletzung zu berücksichtigen.
Da der angefochtene Bescheid betreffend Spruchpunkt III. sowie das diesem zugrundeliegende verwaltungsbehördliche Verfahren im Hinblick auf die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs grob mangelhaft geblieben ist und die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im gegebenen Fall jedenfalls mit keiner erheblichen Kostenersparnis verbunden ist, war gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG mit Aufhebung des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde vorzugehen.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zu A) II.
Den Ersatz von Verfahrenskosten sieht das VwGVG nur in den besonderen Fällen der Maßnahmen- oder Verhaltensbeschwerde gemäß § 35 bzw. § 53 VwGVG vor. Das – in Ermangelung sonstiger Regelungen des VwGVG zum Kostenersatz gemäß § 17 VwGVG anzuwendende – AVG normiert in § 74 Abs. 1 als Grundsatz, dass jeder Beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten hat. Nach Abs. 2 leg. cit. bestimmen die Verwaltungsvorschriften, inwieweit einem Beteiligten ein Kostenersatzanspruch gegen einen anderen Beteiligten zusteht.
Ein wie vom BF beantragter Kostenersatz käme daher nur in Betracht, wenn hierfür eine Rechtsgrundlage bestünde und die sachliche Zuständigkeit des erkennenden Gerichts darüber vorliegen würde, über einen solchen Antrag abzusprechen (Art. 18 Abs. 1 B-VG).
Gegenständlich besteht weder im VwGVG noch im subsidiär anzuwendenden AVG eine Rechtsgrundlage für einen Kostenersatz im Verfahren über eine Bescheidbeschwerde. Mangels materienspezifischer Sonderregelung ergibt sich auch aus § 74 Abs. 2 AVG kein Kostenersatzanspruch (vgl. dazu auch BVwG 01.04.2021, Zl. G308 2206018-1/9E und BVwG 30.04.2021, Zl. W169 2201856-1/2E).
Der Antrag auf Kostenersatz war daher als unzulässig zurückzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht sowohl auf eine ohnehin klare Rechtslage als auch auf eine umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stützen, welche bei den Erwägungen zu A) wiedergegeben wurde. Insoweit die dort angeführte Judikatur zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht Gefährdungsprognose Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Rückkehrentscheidung VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W144.2242612.1.00Im RIS seit
03.11.2021Zuletzt aktualisiert am
03.11.2021