TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/26 G312 2224175-2

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Veröffentlicht am 26.07.2021
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Entscheidungsdatum

26.07.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2

Spruch


G312 2224175-2/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela WILD als Einzelrichterin über die Beschwerde vom 25.11.2020 des XXXX , geb. XXXX , StA.: Afghanistan, vertreten durch Mag. Clemens LAHNER in 1070 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I.       Der Beschwerde wird als begründet stattgegeben und der angefochtene Schubhaftbescheid ersatzlos behoben.

II.      Der Bund (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen idH von € 737,60 zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), XXXX , vom XXXX wurde über XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer oder kurz BF) gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet, wobei die Rechtsfolgen des Bescheides nach der Entlassung des BF aus dem laufenden Strafvollzug (voraussichtlicher Entlassungszeitpunkt 17.01.2021) eintreten sollten.

Mit dem am 25.11.2020 beim BVwG eingelangten und datierten Schriftsatz erhob der BF durch seine Rechtsvertretung Beschwerde gegen den im Spruch angeführten Schubhaftbescheid.

Auf Grund der entsprechenden Verfügung des BVwG zur Aktenvorlage wurden dem BVwG vom BFA, XXXX , am XXXX die bezughabenden Verwaltungsakte elektronisch übermittelt.

Mit Vorlage der restlichen Akten wurde mitgeteilt, dass gegenständlicher Schubhaftbescheid gemäß § 81 FPG mittels formlosen Aktenvermerk aufgehoben wurde und somit als widerrufen gilt.

Mit Beschluss vom 30.11.2020, G312 2224175-2/4E, stellte das BVwG das verfahrensgegenständliche Beschwerdeverfahren nach erfolgter, formloser Aufhebung des Schubhaftbescheides ein.

Dagegen erhob der BF durch seine Rechtsvertretung am 10.01.2021 eine außerordentliche Revision an den VwGH, dieser hob den angefochtenen Beschluss des BVwG am 16.06.2021, Ra 2021/21/0019-9, auf.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger von Afghanistan, er ist 32 Jahre alt, gesund und im arbeitsfähigem Alter.

Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

1.2. Der BF ist spätestens 2012 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und beantragte erstmals internationalen Schutz.

Bei der Erstbeantragung gab der BF an, er habe seine Heimat verlassen, da er von den Taliban verfolgt worden sei, die ihn bedroht und entführt hätten und versucht hätten, ihn zu rekrutieren.

Danach steigerte er sein Vorbringen und gab an, der Boxklub, den er sechs Monate in XXXX betrieben habe, sei von den Taliban in Brand gesetzt worden, weil Boxen eine Tat von Ungläubigen sei. Die Taliban hätten ihn mit einem Messer verletzt und geschlagen, er sei den Entführern entkommen und nach Kabul geflüchtet, wo die Drohungen mit Anrufen und Briefen weitergegangen seien.

Mit Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , wurde sein Asylantrag als unbegründet abgewiesen und er aus dem österreichischem Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 31.01.2014, W145 1433522-1/6E, als unbegründet abgewiesen.

Am 13.06.2014 wurde mit Bescheid des BFA, Zl. XXXX , dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist, für die freiwillige Ausreise wurde eine Frist von 2 Wochen gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG gewährt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 11.12.2014, W163 1433522-2/4E, als unbegründet abgewiesen, der übrigen Bescheid aufgehoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.

Mit Bescheid des BFA vom 27.09.2016, Zl. XXXX , wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005, erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist, für die freiwillige Ausreise 14 Tage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eingeräumt wird. Die dagegen erhobene Beschwerde wurden durch das BVwG vom 14.04.2017, W246 1433522-3/11E, als unbegründet abgewiesen.

Noch während der Strafhaft beantragte der BF am 05.07.2017 neuerlich internationalen Schutz, dieser wurde mit Bescheid des BFA vom 02.10.2017, Zl. XXXX , wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen, ihm kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erteilt sowie gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG erneut festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist, gemäß § 55 Abvs. 1a keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt und gegen ihn eine auf die Dauer von 7 Jahren befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1erlassen, einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 08.11.2017, W208 1433522-4/3E, als unbegründet abgewiesen und ist in Rechtskraft erwachsen.

Am 16.01.2019 beantragte der BF drittmalig internationalen Schutz, dieser wurde mit Bescheid vom 22.02.2019, Zl. XXXX , wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde durch Erkenntnis des BVwG vom 15.03.2019, W245 1433522-5/2E, als unbegründet abgewiesen und ist in Rechtskraft erwachsen.

1.3. Der BF weist im Bundesgebiet mehrere strafrechtliche Verurteilungen auf. Er befand sich seit 17.06.2016 in Strafhaft, errechneter Entlassungstermin 21.01.2021, und verbüßte diese in der Justizanstalt XXXX .

1.3.1. Der BF wurde durch das LG f. Strafsachen XXXX , XXXX , vom 13.05.2013, RK 17.05.2013 wegen § 50 Abs. 1 Z 1 WaffG, § 87 Abs. 1 StGB, § 91 Abs. 2 erster Fall StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate bedingt mit einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

1.3.2. Mit Urteil vom 02.07.2015, XXXX , RK 07.07.2015, wurde der BF durch das LG f. Strafsachen XXXX , wegen § 125 StGB, § 15 StGB, § 87 Abs. 1 StGB und § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, davon 15 Monate bedingt zu einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

1.3.3. Der BF wurde mit Urteil vom 11.02.2016 des BG XXXX , XXXX , RK 16.02.2016, wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten mit einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

1.3.4. Mit Urteil vom 13.10.2016, XXXX , RK 14.10.2016, wurde der BF wegen § 83 Abs. 1 StGB, § 125 StGB, § 288 (1u4) StGB, § 107 Abs. 1 StGB, § 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB, § 84 Abs. 4 StGB, § 15 StGB und § 83 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 1 Jahre und sechs Monate verurteilt.

1.3.5. Der BF wurde mit Urteil des LG XXXX vom 23.09.2019, XXXX , RK 27.09.2019, wegen § 107 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt.

Der BF wurde aufgrund der absichtlichen schweren Körperverletzung, Raufhandel, Körperverletzung, Sachbeschädigung, falscher Beweisaussage, gefährliche Drohung und Verleumdung zu den oben angeführten Freiheitsstrafen verurteilt. Der BF befand sich seit dem Jahr 2016 durchgehend in Strafhaft, berechnetes Ende 17.01.2021.

1.4. Am 14.10.2020 wurde gegen den BF die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Gleichzeitig mit der Vorlage der, am 25.11.2020 dagegen erhobenen Beschwerde teilte das BFA mit, dass der gegenständliche Schubhaftbescheid gemäß § 81 FPG formlos mittels Aktenvermerk aufgehoben wird und dieser somit als widerrufen gilt.

Mit Beschluss vom 30.11.2020, G312 2224175-2/4E, stellte das BVwG das verfahrensgegenständliche Beschwerdeverfahren nach erfolgter Aufhebung des Schubhaftbescheides ein.

1.5. Der VwGH stellte aufgrund der ao Revision mit Erkenntnis vom 16.06.2021, Ra 2021/21/0019-9, im Wesentlichen zusammengefasst fest, dass eine formlose Aufhebung der Schubhaft nur für den Fall der Enthaftung aus einer bereits in Vollzug befindlichen Schubhaft vorgesehen ist. Somit verbleibe daher lediglich die – gegenständlich nicht wahrgenommene – Möglichkeit einer Aufhebung der Schubhaftanordnung, etwa nach § 68 Abs. 2 AVG. Die vom BFA mit bloß internem Aktenvermerk festgehaltene Bescheidaufhebung gehe daher ins Leere und entfalte keine Außen wirkenden Rechtsfolgen. Daher erweise sich der Einstellbeschluss des BVwG als verfehlt.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die belangte Behörde hat mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

§ 76. (1) FPG: Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Gemäß § 81 Abs. 1 FPG ist die Schubhaft durch Freilassung des Fremden formlos aufzuheben, wenn sie gemäß § 80 FPG nicht länger aufrechterhalten werden darf (Z1), oder das BVwG festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für ihre Fortsetzung nicht vorliegen.

Ist die Schubhaft gemäß Abs. 1 formlos aufgehoben worden, gilt gemäß Abs. 2 leg. cit. der ihr zugrundeliegende Bescheid als widerrufen, das BFA hat dies aktenkundig zu machen.

Das BFA hat gemäß Abs. 3 leg. cit. dem aus der Schubhaft entlassenen Fremden auf sein Verlangen gebührenfrei eine Bestätigung über die Dauer der Haft auszufolgen.

Die belangte Behörde teilte in der Beschwerdevorlage am XXXX mit, dass der Schubhaftbescheid formlos – mittels Aktenvermerk – aufgehoben wurde und somit als widerrufen gelte, zu diesem Zeitpunkt befand sich der BF noch in Strafhaft.

Zu der formlosen Aufhebung der Schubhaft stellte der VwGH – wie oben ausgeführt – klar, dass die formlose Aufhebung gemäß § 81 FPG nur für den Fall der Enthaftung aus einer bereits in Vollzug befindlichen Schubhaft vorgesehen ist. Daher habe verfahrensgegenständlich eine Aufhebung mittels Bescheid, etwa gemäß § 68 Abs. 2 AVG, zu erfolgen, wodurch der Fremde dann davon auch Kenntnis erlangt.

Daher ist der Beschwerde stattzugeben und der Schubhaftbescheid ersatzlos zu beheben.

3.2. Zu den Anträgen auf Ersatz der Aufwendungen (Spruchpunkte A.II.):

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe sinngemäß, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

Die Höhe der in solchen Verfahren vor den Verwaltungsgerichten als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge ist in der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013 idgF, geregelt (zur Zulässigkeit des Kostenzuspruchs siehe auch VwGH 11.05.2017, Ra 2016/21/0144).

§ 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung lautet:

§ 1. Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird wie folgt festgesetzt:

1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei € 737,60

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei € 922,00

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei € 57,40

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei € 368,80

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei € 461,00

6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) € 553,20

7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) € 276,60

Gemäß § 35 Abs. 7 VwGVG ist Aufwandersatz nur auf Antrag einer Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

Da der Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid stattgegeben wurde, ist die belangte Behörde gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG unterlegene und die Beschwerde führende obsiegende Partei.

Die Beschwerde führende Partei hat fristgerecht beantragt, Kostenersatz im Umfang des Vorlage-, Verhandlungs- und Schriftsatzaufwandes zuzusprechen.

Es war daher spruchgemäß der Beschwerde führenden Partei als obsiegender Partei der zu leistende Aufwandersatz (Schriftsatzaufwand) in der Gesamthöhe von € 737,60 zuzusprechen.

3.2. Zu Spruchpunkt B. (Unzulässigkeit der Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der einschlägigen Erkenntnisse des VwGH vom 19.02.2015, Zl. Ro 2013/21/0075, vom 23.04.2015, Zl. Ro 2014/21/0077, und vom 19.05.2015, Zl. Ro 2014/21/0071, sowie auch der die Schubhaft betreffenden Erkenntnisse des VfGH vom 12.03.2015, G 151/2014 ua., und E 4/2014.

Schlagworte

Aufhebung Behebung der Entscheidung formlose Einstellung Rechtsanschauung des VwGH Schubhaft Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G312.2224175.2.00

Im RIS seit

03.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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