Entscheidungsdatum
27.07.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
G307 2244058-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA.: Kroatien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuung und Unterstützungsleistungen (BBU) Gesellschaft mbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.05.2021, Zahl XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 01.03.2021 wurde der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) anlässlich seiner Verurteilung sowie des Verdachtes, weitere strafbare Handlungen begangen zu haben, darüber in Kenntnis gesetzt, dass gegen ihn ein Verfahren zur Prüfung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet worden sei. Gleichzeitig wurde er zur Abgabe einer dahingehenden Stellungnahme sowie Bekanntgabe seiner persönlichen wie finanziellen Verhältnisse binnen zwei Wochen ab Erhalt des Schreibens aufgefordert.
Eine Stellungnahme langte bis dato beim BFA nicht ein.
2. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid, dem BF persönlich zugestellt am 27.05.2021, wurde gegen diesen gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ein auf 3 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) diesem gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) sowie einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).
3. Mit per E-Mail am 24.06.2021 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz erhob der BF durch seine Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).
Darin wurde neben der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, jeweils in eventu, die ersatzlose Behebung des Aufenthaltsverbotes, die Reduktion seiner Befristung sowie die Zurückverweisung der Rechtsache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde beantragt.
4. Seitens des BFA wurden per E-Mail am 05.07.2021 ein Kurzbrief der LPD XXXX , GZ.: XXXX , vom XXXX .2021 sowie eine an den BF gerichtete Unterlassungsaufforderung vom XXXX .2021 an das BVwG übermittelt.
5. Die gegenständliche Beschwerde und der dazugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA dem BVwG vorgelegt und langten dort am 08.07.2021 ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum), ist kroatischer Staatsangehöriger, geschieden, Vater zweier minderjähriger Kindern, gesund und arbeitsfähig.
1.2. Der BF hielt sich von 04.07.2014 bis 27.04.2019 durchgehend gemeldet im Bundesgebiet auf. Seit April 2019 lebt der BF in Deutschland und ist an der dortigen Wohnadresse XXXX aufrecht gemeldet.
1.3. Die am XXXX .2012 in Deutschland geschlossene Ehe zwischen dem BF und der in Österreich wohnhaften deutschen Staatsbürgerin, XXXX , geb.: XXXX , wurde mit Beschluss des BG XXXX vom XXXX .2020 zu Zahl XXXX , einvernehmlich geschieden. Aus besagter Ehe gingen zwei gemeinsame Kinder hervor, XXXX , geb.: XXXX und XXXX , geb. XXXX .
1.4. Mit Beschluss des BG XXXX vom XXXX .2020zu Zahl XXXX , wurde der Kindesmutter die alleinige Obsorge über die beiden gemeinsamen Kinder erteilt. Dem BF wurde ein – von einer professionellen Besuchsbegleitung betreutes – Kontaktrecht in Form von 30minütigen Telefonaten pro Woche sowie 3stündigen Besuchen pro Monat eingeräumt.
1.5. Der BF nahm wiederholt Kontakt zu seinen Kindern auf, lehnt jedoch die gerichtlich vorgeschriebene Art und Form der Kontakthaltung ab, sodass sich die Kontaktaufnahmen zu seinen Kindern schwierig und problembehaftet gestalteten.
1.6. Dem BF wurde am 03.09.2014 eine Aufenthaltskarte „Angehöriger einer EWR-Bürgerin“ sowie am 16.10.2018 eine Anmeldebescheinigung „Arbeitnehmer“ ausgestellt.
1.7. Der BF ging von 06.04.2015 bis 07.04.2015 und 07.12.2015 bis 15.10.2018 Erwerbstätigkeiten in Österreich nach und bezog zwischen 13.11.2018 und 01.05.2019 wiederholt Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung.
1.8. Der BF wurde mit Urteil des LG XXXX zu Zahl XXXX , vom XXXX .2019, in Rechtskraft erwachsen am XXXX .2019, wegen der Vergehen der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB sowie der Sachbeschädigung gemäß § 125 StGB zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je € R 4,00 (= € 720,-) verurteilt.
Der BF wurde mit besagtem Urteil für schuldig befunden, er habe
1. am XXXX .2019 XXXX durch Packen an den Oberarmen und Versetzen eines Stoßes, vorsätzlich am Körper verletzt, wodurch die Genannte Hämatome an beiden Oberarmen erlitt;
2. eine fremde bewegliche Sache in einem € 5.000,- nicht übersteigenden Wert, nämlich das Mobiltelefon der XXXX , durch zu Boden werfen, beschädigt.
Als mildernd wurde dabei der bisherige ordentliche Lebenswandel, als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Vergehen gewertet.
Es wird festgestellt, dass der BF die besagten Straftaten begangen und die beschriebenen Verhaltensweisen gesetzt hat.
1.9. Der BF wird verdächtigt, weitere strafbare Handlungen gegen seine geschiedene Ehefrau und ihr nahestehende Personen sowie in den Obsorgestreit des BF involvierte Personen gesetzt zu haben. Der BF wurde zu besagten Verdächtigungen bis dato nicht einvernommen und erging bisher auch keine Verurteilung.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht aufgrund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:
2.2.1. Insoweit oben Feststellungen zu Identität (Name und Geburtsdatum), Staatsbürgerschaft, Vaterschaft und alleinige Obsorge der Kindsmutter, Ausgestaltung der Kontaktrechte des BF sowie zu Aufenthalt des BF in Österreich getroffen wurden, beruhen diese auf den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurden. Ferner brachte der BF in der gegenständlichen Beschwerde selbst vor, im oben beschriebenen Zeitraum in Österreich aufhältig gewesen zu sein und seit April 2019 wieder in Deutschland zu wohnen, wurde die Meldeadresse des BF in Deutschland durch deutsche Behörden bestätigt (siehe AS 311), wurde vom BF ein Reisepass und ein Personalausweis zum Nachweis seiner Identität vorgelegt (siehe AS 107ff) und kann dem oben zitierten Beschluss des BG XXXX die Obsorgebetrauung der Kindsmutter entnommen werden (siehe AS 221ff). Aus dem besagten Beschluss des BG XXXX lassen sich zudem die Personalien der Kindsmutter sowie der gemeinsamen Kinder entnehmen.
Die Feststellungen zur Verurteilung des BF samt den näheren Ausführungen zu den Tathandlungen sowie, dass der BF die besagten Straftaten begangen und die beschriebenen Verhaltensweisen gesetzt hat, beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich sowie einer Ausfertigung des oben zitierten Strafurteils. Darüber hinaus kann dem Strafregister keine weitere Verurteilung des BF entnommen werden.
Die Ausstellung der oben beschriebenen Aufenthaltsberechtigungsdokumentationen konnte durch Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister ermittelt werden und sind aus dem Zentralen Melderegister die oben genannten Wohnsitzmeldungen des BF in Österreich ersichtlich.
Einer Ausfertigung des oben zitierten Beschlusses des BG XXXX kann ferner die einvernehmliche Scheidung der zwischen dem BF und XXXX am XXXX .2007 geschlossenen Ehe entnommen werden (siehe AS 233f).
Mangels eines konkreten Vorbringens des Vorliegens einer Erkrankung seitens des BF war obige Feststellung zum Gesundheitszustand des BF zu treffen, woraus zudem der Schluss gezogen werden kann, dass der BF auch arbeitsfähig ist. Dies untermauernd, brachte der BF in der gegenständlichen Beschwerde vor, in Deutschland Arbeit gefunden zu haben, was wiederum beweist, dass er arbeitsfähig ist.
Einem Bericht der für die Überwachung der Kontakte des BF zu seinen Kindern zuständigen Sozialarbeiterin zufolge gestaltete sich die Kontaktaufnahme des BF mit seinen Kindern, teils durch den BF selbst verursacht, als schwierig und lehne der BF die konkrete Ausgestaltung seines Besuchsrechtes, insbesondere aufgrund der Involvierung Dritter, ab. Ferner erweist sich die Beziehung zwischen der Kindesmutter und dem BF äußerst problematisch und ist diese von gegenseitigen Schuldzuweisungen geprägt (siehe dazu auch das psychologische Sachverständigengutachten von XXXX , Klinische- und Gesundheitspsychologin, vom XXXX .2020, auf AS 235ff).
Die Erwerbstätigkeiten des BF im Bundesgebiet konnten durch Einsichtnahme in einen Sozialversicherungsauszug ermittelt werden.
Die Feststellungen zu den weiteren Verdächtigungen gegen den BF und der bisher nichterfolgten diesbezüglichen Einvernahme des BF beruhen auf entsprechenden Polizeiberichten (siehe AS 1ff und 133ff), sowie auf einer gegen den BF gerichteten Unterlassungsaufforderung (siehe OZ 1).
2.2.2. Wie das dem BF eingeräumte schriftliche Parteiengehör zeigt, wurde diesem hinreichend die Möglichkeit geboten, sich zur Sache zu äußern und Beweismittel in Vorlage zu bringen. Er hat jedoch nicht auf das Schreiben der belangten Behörde reagiert und dazu bis dato keine Stellungnahme abgegeben.
Was die Art und Form der Einräumung des besagten Parteiengehörs betrifft, so war das Bundesamt im vorliegenden Fall nicht gehalten, dieses durch persönliche Einvernahme einzuräumen. In welcher Form nämlich die Behörde der Partei das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in concreto zur Kenntnis bringen und Gelegenheit zur Stellungnahme dazu geben kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Entscheidend ist, dass die Partei dadurch in die Lage versetzt wird, ihre Rechte geltend zu machen (VwGH 18.01.2001, 2000/07/0090), wobei eine Einvernahme weder das Gesetz noch die einschlägige Judikatur des VwGH vorschreibt (vgl. VwGH 18.01.2001, 2000/07/0099; 05.09.1995, 95/08/0002; 24.02.1988, 87/18/0126; 18.10.1990, 89/09/0145; 17.09.2002, 2002/18/0170). Diesem Gebot wurde im gegenständlichen Fall entsprochen.
Unter Verweis auf die Mitwirkungspflicht des BF, (vgl. VwGH 26.02.2009, 2007/09/0105 und 16.04.2009, 2006/11/0227), und den Umstand, dass ein allfälliges Schweigen des BF von der belangten Behörde bewertend in deren Entscheidung eingebunden (vgl. VwGH 11.06.1991, 90/07/0166; 22.2.1994, 92/04/0249; 21.03.1995, 93/08/0098; 27.06.1997, 96/19/0256; 16.10.2001, 99/09/0260; 22.12.2009, 2007/08/0323) werden kann, ohne dieser die Pflicht aufzuerlegen, den BF bei der Sachverhaltsfeststellung neuerlich einzubeziehen, (vgl. VwGH 17.02.1994, 92/16/0090; 27.01.2011, 2008/09/0189), kann kein Verfahrensmangel im Verfahren vor der belangten Behörde erkannt werden. Vielmehr hat die belangte Behörde in Ermangelung der hinreichenden Mitwirkung des BF, unter Setzung von alternativen Ermittlungsschritten und Heranziehen der ihr zur Verfügung stehenden Akten sowie des Strafurteils auf die Erhebung der Sachlage bestmöglich hingewirkt und den erhobenen Sachverhalt ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides.:
Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jeder der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 8 leg cit. als EWR-Bürger, ein Fremder der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.
Der BF ist auf Grund seiner kroatischen Staatsbürgerschaft EWR-Bürger gemäß § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.
3.1.1. Der mit „Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate“ betitelte § 51 NAG lautet:
„§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;
2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder
3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.
(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er
1. wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;
2. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;
3. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder
4. eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.
(3) Der EWR-Bürger hat diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen.“
Der „Bescheinigung des Daueraufenthalts für EWR-Bürger“ betitelte § 53a NAG lautet:
„§ 53a. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.
(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von
1. Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;
2. Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder
3. durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.
(3) Abweichend von Abs. 1 erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie
1. zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben;
2. sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht, oder
3. drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig waren und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten und in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückkehren;
Für den Erwerb des Rechts nach den Z 1 und 2 gelten die Zeiten der Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Zeiten gemäß § 51 Abs. 2 sind bei der Berechnung der Fristen zu berücksichtigen. Soweit der Ehegatte oder eingetragene Partner des EWR-Bürgers die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder diese nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat, entfallen die Voraussetzungen der Aufenthaltsdauer und der Dauer der Erwerbstätigkeit in Z 1 und 2.
(4) EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 sind, erwerben ebenfalls das Daueraufenthaltsrecht, wenn der zusammenführende EWR-Bürger das Daueraufenthaltsrecht gemäß Abs. 3 vorzeitig erworben hat oder vor seinem Tod erworben hatte, sofern sie bereits bei Entstehung seines Daueraufenthaltsrechtes bei dem EWR-Bürger ihren ständigen Aufenthalt hatten.
(5) Ist der EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 im Laufe seines Erwerbslebens verstorben, bevor er gemäß Abs. 3 das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, so erwerben seine Angehörigen, die selbst EWR-Bürger sind und die zum Zeitpunkt seines Todes bei ihm ihren ständigen Aufenthalt hatten, das Daueraufenthaltsrecht, wenn
1. sich der EWR-Bürger zum Zeitpunkt seines Todes seit mindestens zwei Jahren im Bundesgebiet ununterbrochen aufgehalten hat;
2. der EWR-Bürger infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verstorben ist, oder
3. der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner die österreichische Staatsangehörigkeit nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat.“
Der mit „Aufenthaltsverbot“ betitelte § 67 FPG lautet:
„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere
1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);
3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.
(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.
(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)“
Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet:
„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“
Der mit „Ausreiseverpflichtung und Durchsetzungsaufschub“ betitelte § 70 FPG lautet:
„§ 70. (1) Die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot werden spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.
(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)
(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
(4) Der Durchsetzungsaufschub ist zu widerrufen, wenn
1. nachträglich Tatsachen bekannt werden, die dessen Versagung gerechtfertigt hätten;
2. die Gründe für die Erteilung weggefallen sind oder
3. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige während seines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet ein Verhalten setzt, das die sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gebietet.“
3.1.2. Der Beschwerde war aus folgenden Gründen stattzugeben:
Der BF hielt sich von 04.07.2014 bis 24.04.2019, sohin in etwa 4 Jahre und 8 Monate, durchgehend im Bundesgebiet auf und lebt seit April 2019, sohin seit ca. 2 Jahren und 3 Monaten, in Deutschland.
Da der BF, der aufgrund seiner kroatischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt, die Voraussetzungen eines durchgehenden und rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet weder seit fünf noch seit zehn Jahren erfüllt – hat – und zudem mittlerweile seit mehr als zwei Jahren durchgehend in Deutschland lebt kommt für diesen mangels Erfüllung der Voraussetzungen eines unionsrechtlichen Daueraufenthaltsrechts iSd. § 53a NAG, der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG für Unionsbürger zur Anwendung.
Gegen den BF als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß §§ 67 Abs. 1 zweiter Satz FPG nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet ist. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.
Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose - gleiches gilt auch für ein Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot - ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230).
Solche Gesichtspunkte, wie sie in einem Verfahren betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot zu prüfen sind, insbesondere die Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich, können nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden (vgl. VwGH 7.11.2012, 2012/18/0057).
In diesem Zusammenhang weist das erkennende Gericht der Vollständigkeit halber darauf hin, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen unabhängig und eigenständig, von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen hat (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096). Es obliegt daher dem erkennenden Gericht festzustellen, ob eine Gefährdung im Sinne des FPG vorliegt oder nicht. Es geht bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).
„Eine Ausweisung als Teil eines Aufenthaltsverbotes, das aus einer Ausreiseverpflichtung und der Verpflichtung besteht, innerhalb des festgelegten Zeitraums (oder auf Dauer) nicht zurückzukehren, stellt gegenüber dem Aufenthaltsverbot nicht ein Aliud, sondern ein Minus dar (vgl. VwGH 23.3.2017, Ra 2016/21/0349; VwGH 20.12.2007, 2004/21/0328). Die Verneinung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegenüber dem Fremden hätte somit die Prüfung des Vorliegens der Tatbestandserfordernisse für die Erlassung einer (von der erstinstanzlichen Entscheidung des BFA umfassten) Ausweisung nach § 66 FrPolG 2005 nach sich ziehen müssen. Die ersatzlose Behebung des auf § 67 FrPolG 2005 gestützten Aufenthaltsverbotes (ohne weitere Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Erlassung einer Ausweisung nach § 66 FrPolG 2005 und damit ohne vollständige Erledigung des Gegenstandes des Beschwerdeverfahrens) widerspricht somit der Rechtslage. (vgl. VwGH 29.09.2020, Ra 2020/21/0196)
„Infolge der bereits erfolgten Abschiebung eines Fremden kommt dessen Ausweisung nach der klaren Rechtslage - eine Ausweisung setzt einen Inlandsaufenthalt voraus - nicht mehr in Betracht (insoweit ist VwGH 30.1.2003, 2002/21/0168, weiterhin maßgeblich; vgl. VwGH 20.12.2007, 2007/21/0484).“ (vgl. VwGH 25.01.2018, Ra 2017/21/0237)
Aufenthaltsverbote knüpfen tatbestandsmäßig nicht an einen (aktuellen) Inlandsaufenthalt an und sind somit auch dann möglich, wenn sich der betreffende Fremde (schon) im Ausland befindet. (vgl. VwGH 25.01.2018, Ra 2017/21/0237)
3.1.3. Der BF wurde unbestritten vom LG XXXX wegen der Vergehen der Körperverletzung und Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe verurteilt.
Erschwerend ist dabei zu werten, dass die Handlungen des BF sich gegen seine ehemalige Ehefrau und Mutter der gemeinsamen Kinder richteten. Zudem wurde dem BF das Obsorgerecht für seine Kinder entzogen und der Kindsmutter alleinig zugesprochen. Auch zeigt sich der BF nicht gewillt, die gerichtlich auferlegten Rahmenbedingungen seines Kontaktrechtes in Bezug auf seine Kinder einzuhalten bzw. zu akzeptieren. All dies lässt auf einen gewissen Unwillen beim BF schließen, sich an gültige Normen und hoheitliche Entscheidung zu halten.
Demgegenüber ist jedoch in Anschlag zu bringen, dass der BF bisher unbescholten ist, nur zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, sich seit seiner Verurteilung am XXXX .2019 in strafrechtlicher Hinsicht nichts mehr zu Schulden kommen hat lassen, er sich mittlerweile seit April 2019 nicht mehr im Bundesgebiet aufhält, während seines Aufenthaltes in Österreich wiederholt Erwerbstätigkeiten nachgegangen und seinen Aufenthalt durch die Beantragung der Ausstellung einer Dokumentation seines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes gemeldet hat.
Insofern die belangte Behörde im gegenständlichen Fall im Rahmen ihrer Gefährdungseinschätzung auf Anzeigen des BF, wonach dieser verdächtigt werde, weitere strafbare Handlungen gegen seine geschiedene Frau, ihr nahestehende Personen sowie mit seinem Obsorgestreit in Verbindung stehende Personen begangen zu haben, ist festzuhalten, dass es sich dabei bloß um Verdachtsmomente handelt und bisher keine Verurteilung des BF erfolgt ist. Ferner kann den im Akt einliegenden diesbezüglichen polizeilichen Berichten entnommen werden, dass der BF zur Sache nicht vernommen wurde und die Ermittlungen in den aktuellsten Fällen noch nicht abgeschlossen sind. Dementsprechend lässt sich der tatsächliche Sachverhalt aus gegenwärtiger Sicht nicht feststellen und damit auch kein rechtlicher Schluss ziehen (siehe dazu VwGH 18.11.2020, Ra 2020/14/0113: hinsichtlich der Erfordernisse bei der Berücksichtigung eines (noch) nicht strafgerichtlich oder verwaltungsbehördlich geahndeten Verhaltens eines Fremden).
Das Verwaltungsgericht verkennt keinesfalls, dass das gewaltsame – eine Verletzung herbeiführende – Vorgehen gegen eine andere Person und deren Eigentum ein nicht akzeptables Verhalten darstellt und das strafgerichtlich geahndete Verhalten des BF jedenfalls öffentliche Interessen beeinträchtigt hat. Unter Berücksichtigung der bisherigen Unbescholtenheit des BF, des Ausspruches einer Geldstrafe, der niederen Intensität des Vorgehens des BF gegen seine damalige Ehegattin sowie des seither verstrichenen Zeitraums des Wohlverhaltens des BF und unter Beachtung, dass der BF sich bereits seit mehr als 2 Jahre im Ausland aufhält, lässt sich gegenständlich dennoch keine tatsächliche erhebliche und – insbesondere – gegenwärtige Gefährdung durch den BF erkennen.
Demzufolge liegen gegenständlich die Voraussetzungen für die Erlassungen eines Aufenthaltsverbotes iSd. § 67 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG nicht vor, und war der Beschwerde sohin stattzugeben und Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu beheben.
In Ermangelung eines Inlandaufenthaltes war eine Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen einer Ausweisung des BF iSd. § 66 FPG zu unterlassen, zumal der Ausspruch eine Ausweisung an einen Inlandsaufenthalt geknüpft ist (siehe dazu das oben angeführte Judikat des VwGH).
Durch die Aufhebung des gegenständlichen angefochtenen Aufenthaltsverbotes ist einem Ausspruch über die Erteilung bzw. Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes sowie der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der rechtliche Boden entzogen, weshalb im Zuge der Stattgabe der Beschwerde auch die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides zu beheben waren.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und zudem bereits aus der Aktenlage hervorgeht, dass der angefochtene Bescheid zu beheben war, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG bzw. § 24 Abs. 2 Z 1 2. Fall VwGVG, eine mündliche Verhandlung unterbleiben.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung EU-Bürger Gefährdungsprognose Interessenabwägung Privat- und Familienleben strafrechtliche Verurteilung Unionsrecht VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:G307.2244058.1.00Im RIS seit
03.11.2021Zuletzt aktualisiert am
03.11.2021