TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/27 G303 2220559-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.07.2021
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Entscheidungsdatum

27.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55

Spruch


G303 2220559-3/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER über die Beschwerde des XXXX (vormals: XXXX ), geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Kolumbien, vertreten durch Abwesenheitskurator RA DDr. Rainer LUKITS, dieser wiederum vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, vom 18.03.2020, Zl. XXXX , betreffend Antrag auf internationalen Schutz, zu Recht:

A)

I.       Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis VII. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen) entfällt.

II.      Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides wird insoweit stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbotes auf zehn Jahre herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 24.01.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, idgF.

2. Am 01.03.2019 langte ein Bericht der Landespolizeidirektion XXXX wegen des Verdachtes auf sexuelle Belästigung an zwei zwölfjährigen Mädchen und an einer augenscheinlich psychisch beeinträchtigen Frau und wegen des Verdachtes auf öffentliche geschlechtliche Handlungen durch den BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) ein.

3. Am 04.04.2019 wurde über den BF die Untersuchungshaft aufgrund des Verdachtes des versuchten sexuellen Missbrauchs von Unmündigen gemäß §§ 15, 207 StGB durch das Landesgericht XXXX verhängt.

4. Am 09.04.2019 fand die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA statt. Diese Amtshandlung wurde in der Justizanstalt XXXX durchgeführt.

5. Mit Schreiben des BFA vom 09.04.2019 wurde beim Bezirksgericht XXXX die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters angeregt, da sich der BF im Zuge seiner bisherigen Äußerungen bzw. Befragungen in den anhängigen Asyl- und Strafverfahren im höchsten Ausmaß wirr geäußert und ein absurdes Vorbringen erstattet habe.

6. Mit Aktenvermerk des verfahrensführenden Referenten des BFA vom 02.05.2019 wurde das Verfahren gemäß § 38 AVG zur Klärung einer Vorfrage, nämlich bis zur Bestellung eines Erwachsenenvertreters und zur Übermittlung des psychiatrischen Gutachtens, ausgesetzt.

7. Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Salzburg, vom 16.05.2019, Zl. XXXX , wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF vom 24.01.2019 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kolumbien abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kolumbien zulässig ist (Spruchpunkt V.), einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.), gemäß § 55 Abs. 1a FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht festgelegt (Spruchpunkt VII.) sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).

Am 21.05.2019 wurde der oben angeführte Bescheid vom 16.05.2019 dem BF in der Justizanstalt XXXX unmittelbar ausgefolgt und von diesem persönlich um 08:20 Uhr übernommen.

8. Am 06.06.2019 langte beim BFA ein psychiatrisches Sachverständigengutachten von MR Dr. XXXX , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 23.05.2019 ein, welches im Auftrag der Staatsanwaltschaft XXXX über den BF erstellt wurde. Demnach wurde dem BF eine manische Störung mit Hinweis auf eine schizomane Störung attestiert.

9. Mit dem am 18.06.2019 beim BFA eingebrachten und mit demselben Tag datierten Schriftsatz erhob der BF durch seinen damaligen bevollmächtigten Rechtsvertreter, ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, Beschwerde gegen den Bescheid vom 16.05.2019 im vollem Umfang.

10. Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG), GZ: G301 2220559-1/2Z, vom 02.07.2019, wurde die Beschwerde hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen und diese nicht von Amts wegen zuerkannt.

11. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 19.07.2019 wurde Rechtsanwalt Dr. Herbert MARGREITER zum einstweiligen Erwachsenenvertreter des BF bestellt.

12. Am 19.08.2019 wurde dem Bezirksgericht XXXX das psychiatrische Gutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Psychiatrie, übermittelt, aus welchem hervorgeht, dass der BF an einer psychotischen Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis leidet.

13. Mit weiterem Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 19.09.2019, Zl. XXXX , wurde für den BF Dr. Herbert MARGREITER, Rechtsanwalt, Erzabt-Klotz-Straße 8, 5020 Salzburg, zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter gemäß § 271 ABGB bestellt. Die gerichtliche Erwachsenenvertretung umfasst die Vertretung des BF im Asylverfahren vor dem BFA zur IFA-Zahl: XXXX und einem allfälligen Rechtsmittelverfahren.

Begründend führte das Bezirksgericht XXXX aus, dass der BF laut psychiatrischem Sachverständigengutachten vom 19.08.2019 an einer psychotischen Erkrankung aus dem schizoaffektiven Störungskreis und gegenwärtig an einer manischen Episode leide. Dem Asylverfahren betreffend fehle dem BF das Verständnis für das Procedere, vor allem aufgrund der psychotischen Realitätsverkennung mit Größenideen und erheblichem Sendungsbewusstsein. Es bestehe die Gefahr, dass er sich durch seine Verfahrenshandlungen erheblich und ernstlich schade.

14. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 07.10.2019, Zl. XXXX , wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft XXXX , den BF wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB, gemäß 21 Abs. 1 StGB in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher unterzubringen, abgewiesen.

15. Am 07.10.2019 wurde der BF nach Freispruch des Landesgerichts XXXX aus der Untersuchungshaft entlassen. Im Anschluss wurde der BF aufgrund des aufrechten Festnahmeauftrags des BFA vom 16.05.2019 von der Polizei festgenommen und in das PAZ XXXX verbracht.

16. Das BFA verhängte mit Mandatsbescheid vom 08.10.2019, Zl. XXXX , gegen den BF gem. § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung. Dagegen erhob der BF das Rechtsmittel der Schubhaftbeschwerde, welche mit Erkenntnis des BVwG vom 23.10.2019, Zl. W186 2224407-1, als unzulässig zurückgewiesen wurde und festgestellt wurde, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen würden.

17. Am 25.10.2019 erfolgte die begleitete Abschiebung des BF von Wien nach Bogotá (Kolumbien) auf dem Luftweg.

18. Mit Beschluss des BVwG, GZ: G301 2220559-1/31E, vom 02.12.2019, wurde die Beschwerde vom 18.06.2019 wegen fehlender Erlassung des angefochtenen Bescheides als unzulässig zurückgewiesen.

19. Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Salzburg, vom 11.12.2019, Zl. 1218063300-190084664, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF vom 24.01.2019 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kolumbien abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kolumbien zulässig ist (Spruchpunkt V.), einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.), gemäß § 55 Abs. 1a FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht festgelegt (Spruchpunkt VII.) sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 6 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).

Am 16.12.2019 wurde dieser Bescheid den gerichtlichen Erwachsenvertreter persönlich zugestellt.

20. Mit Schriftsatz vom 30.12.2019 erhob der BF durch seine damalige Rechtsvertretung, welche seitens des gerichtlichen Erwachsenenvertreters bevollmächtigt worden ist, gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 11.12.2019 fristgerecht Beschwerde.

21. Die Beschwerde vom 30.12.2019 und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG am 16.01.2020 vorgelegt.

22. Mit Beschluss des BVwG, GZ: G303 2220559-2/2E, vom 22.01.2020, wurde der Bescheid vom 11.12.2019 aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der gerichtlich bestellte Erwachsenenvertreter vor Bescheiderlassung nicht in das Verfahren eingebunden worden sei, insbesondere sei eine weitere persönliche Einvernahme des BF im Beisein des Erwachsenenvertreters unterblieben bzw. ein schriftliches Parteiengehör dem Erwachsenenvertreter nicht gewährt worden.

23. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 28.02.2020 wurde der BF, vertreten durch seinen gerichtlich bestellten Erwachsenenvertreter aufgefordert, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens schriftlich darzulegen, aus welchen Gründen die Gewährung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG, die Gewährung subsidiären Schutzes gemäß § 8 AsylG oder die Gewährung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erforderlich sein sollte bzw. eine Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat unzulässig sein sollte. Weiters wurde der BF darüber informiert, dass er aufgrund seiner psychischen Erkrankung eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, weshalb die Erlassung eines Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 3 FPG beabsichtigt sei.

24. Mit Schriftsatz vom 10.03.2019 (gemeint wohl 2020) wurde eine Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme erstattet. Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrenganges wurde zusammengefasst vorgebracht, dass der Inhalt der Einvernahme des BF vom 09.04.2019 aufgrund der psychischen Erkrankung des BF nicht als Grundlage für den angefochtenen Bescheid herangezogen werden könne. Das BFA habe somit die Wiedereinreise des BF in das österreichische Bundesgebiet zu ermöglichen, das Verfahren während der notwendigen fachärztlichen Behandlung des BF auszusetzen und diesen dann nach Eintreten der Einvernahmefähigkeit im Beisein seines Erwachsenenvertreters einzuvernehmen. Eine Einvernahme sei unbedingt notwendig, um feststellen zu können, aus welcher Region der BF stamme, ob er in Kolumbien ein familiäres oder soziales Netzwerk habe, ob er in der Lage sei, sich um seine eigene medizinische Versorgung zu kümmern und ob eine medizinische Versorgung in diesem Gebiet überhaupt gewährleistet sei.

25. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, Regionaldirektion Salzburg, vom 18.03.2020, dem gerichtlichen Erwachsenenvertreter des BF zugestellt am 23.03.2020, wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz vom 24.01.2019 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kolumbien gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kolumbien festgestellt (Spruchpunkt V.), einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 2, 4 und 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.), gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt VII.) sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 6 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).

26. Mit Erkenntnis des BVwG vom 15.04.2020, GZ: W186 2224407-2/4E, wurde der Maßnahmenbeschwerde gegen die Abschiebung stattgegeben und die am 25.10.2019 erfolgte Abschiebung des BF nach Kolumbien für rechtswidrig erklärt. Des Weiteren wurden dem BF Aufwendungen in Höhe von 737,60 Euro zugesprochen.

27. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 19.04.2020, Zl. XXXX , wurde die gerichtliche Erwachsenenvertretung beendet, da infolge des unbekannten Aufenthaltes des BF zwischen ihm und dem gerichtlichen Erwachsenenvertreter kein persönlicher Kontakt hergestellt werden konnte.

28. Mit Aktenvermerk vom 20.04.2020 wurde seitens der belangten Behörde festgehalten, dass aufgrund des am 22.03.2020 in Kraft getretenen COVID-19-VG sämtliche verfahrensrechtliche Fristen als unterbrochen anzusehen seien, sofern diese nicht mit 22.03.2020 bereits abgelaufen seien. Gegenständlich sei der Bescheid dem BF mit 23.03.2020 zugestellt worden und habe die Frist am 21.04.2020 geendet. Aufgrund der Fristunterbrechung habe die Frist am 01.05.2020 neu zu laufen begonnen und habe am 29.05.2020 geendet.

29. Mit weiterem Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 25.05.2020, Zl. 3 P 67/20i-4, wurde der Rechtsanwalt DDr. Rainer LUKITS gemäß § 277 Abs. 1 Z 3 ABGB als Abwesenheitskurator für den abwesenden BF bestellt.

30. Mit Schriftsatz vom 28.05.2020 erhob der BF durch seine damalige Rechtsvertretung, welche seitens des bestellten Abwesenheitskurators bevollmächtigt worden ist, gegen den im Spruch angeführten Bescheid der belangten Behörde vom 18.03.2020 fristgerecht Beschwerde. Es wurde beantragt, dass BVwG möge eine Rückholung des BF aus Kolumbien veranlassen und in seiner Anwesenheit eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen; alle Rechtswidrigkeiten im angefochtenen Bescheid amtswegig aufgreifen; den angefochtenen Bescheid beheben und dem BF den Status des Asylberechtigten, in eventu den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen; die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erklären und dem BF einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilen; jeweils in eventu das Einreiseverbot beheben oder auf eine angemessene Dauer herabsetzen; in eventu den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen. Zudem wurde die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung angeregt.

Begründend wurde ausgeführt, dass das BFA seiner Entscheidung erneut die Einvernahme des BF vom 09.04.2019 zu Grunde gelegt habe. Das BFA habe die Einvernahme am 09.04.2019 aufgrund der Absurdität des Vorbringens des BF abgebrochen und es sei keine Rückübersetzung erfolgt. Auch die Angaben des BF bei seiner Erstbefragung am 24.01.2019 seien völlig absurd. Aufgrund seiner schweren psychischen Erkrankung sei der BF bereits im Zeitpunkt seiner Einvernahme am 09.04.2019 nicht einvernahmefähig gewesen und sei die Einvernahme nicht im Beisein des Erwachsenenvertreters erfolgt. Das BFA hätte vielmehr abwarten müssen, bis eine Verbesserung des psychobiologischen Zustandes des BF nach dauerhafter konsequenter fachärztlicher Behandlung erfolgt sei, und dann eine neuerliche Einvernahme im Beisein des gerichtlich bestellten Erwachsenenvertreters durchführen müssen.

Das BFA habe die zwei verschiedenen Gutachten zum Gesundheitszustand des BF, insbesondere zu seinen psychischen Erkrankungen sowie seiner HIV-Erkrankung nicht gewürdigt. Zudem habe das BFA zur Situation von psychisch Kranken sowie von HIV-Kranken kaum bzw. nur unqualifizierte Länderberichte eingeholt und es sei nicht geprüft worden, ob der BF im Falle seiner Rückkehr nach Kolumbien Zugang zu der für ihn notwendigen Behandlung hätte.

Für die Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens reiche es nicht aus, dass die Behörde dem Erwachsenenvertreter des BF Parteiengehör gewährt. Denn die Tatsache, dass der BF einen Erwachsenenvertreter habe und dieser rechtliche Handlungen für den BF übernehmen könne, könne nicht die Verpflichtung der Behörde, den BF in Anwesenheit seines Erwachsenenvertreters zu seinen Fluchtgründen einzuvernehmen, ersetzen.

Der BF leide nachweislich an einer schweren psychiatrischen Erkrankung sowie an HIV. Die belangte Behörde habe zunächst Feststellungen zu treffen, aus welcher Region der BF stamme, ob er in Kolumbien ein familiäres oder soziales Netzwerk habe und ob er in der Lage sei, sich um seine eigene medizinische Versorgung zu kümmern. Wenn die Behörde ausführe, der Aufenthaltsort des BF könne nicht ermittelt werden, so sei dies unrichtig, da die Rechtsvertreterin des BF sehr wohl mit diesem per E-Mail in Kontakt stehe, die Rechtsvertreterin des BF habe dies auch dem Erwachsenenvertreter des BF entsprechend mitgeteilt.

Das Vorliegen einer psychischen Erkrankung sowie einer HIV-Erkrankung rechtfertige jedenfalls nicht die Verhängung eines unbefristeten Einreiseverbotes über den unbescholtenen BF. Dem BF seien keine sexuellen Übergriffe zur Last gelegt worden, zumal der BF, mangels Erfüllung eines objektiven Straftatbestandes von allen strafrechtlichen Vorwürfen freigesprochen worden sei. Zudem verfüge der BF über ausreichend Barmittel im Bundesgebiet, nämlich über einen Betrag von insgesamt EUR 4.547,00.

31. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG am 04.06.2020 vorgelegt.

32. Mit Teilerkenntnis des BVwG, vom 12.06.2020, GZ: G303 2220559-3/3Z, wurde die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids) als unbegründet abgewiesen und die aufschiebende Wirkung von Amts wegen nicht zuerkannt.

33. Mit Schriftsatz vom 12.11.2020 ersuchte der bevollmächtigte Rechtsvertreter um dringende Erledigung des gegenständlichen Verfahrens und teilte zusammengefasst mit, dass sich der BF seit seiner rechtswidrigen Abschiebung am 25.10.2019 in Kolumbien befinde und nach wie vor an einer schweren psychischen Erkrankung leide, die sich durch seine Abschiebung weiter verschlechtert habe. Der BF stehe sowohl mit seinem Abwesenheitskurator als auch mit seiner Rechtsvertreterin in Kontakt. Er sei verzweifelt und lebe in prekären Verhältnissen. Es sei bis jetzt nicht möglich gewesen, in Kolumbien einen Erwachsenenvertreter für den BF zu bestellen, um seine Versorgung in Kolumbien sicherzustellen. Die Gerichts- und Anwaltskosten für die Bestellung eines Erwachsenenvertreters belaufen sich auf etwa EUR 3.500. Daraus folge, dass der psychisch schwer kranke BF in Kolumbien tagtäglich auf sich alleine gestellt sei und die adäquate Betreuung, Versorgung und Vertretung seiner Person nicht sichergestellt sei. Der BF sei in Kolumbien völlig mittellos und aufgrund seiner schweren Erkrankung nicht in der Lage, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen.

34. Am 08.01.2021 langte beim erkennenden Gericht ein Vollmachtschreiben ein, wonach der Abwesenheitskurator die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (im Folgenden: BBU GmbH) zur Vertretung des BF im gegenständlichen Verfahren bevollmächtigte.

35. Mit Schreiben des BVwG vom 24.02.2021, wurden dem BF allgemeine Feststellungen zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat Kolumbien vom 01.09.2020 und eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation betreffend die Behandlungsmöglichkeiten von HIV und psychischen Erkrankungen in Kolumbien vom 17.02.2021 übermittelt und die Möglichkeit eingeräumt binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens dazu schriftlich Stellung zu nehmen.

36. Mit Schriftsatz vom 10.03.2021 brachte die bevollmächtigte Rechtsvertreterin (BBU GmbH) zum Ergebnis der Beweisaufnahme im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass der BF nach wie vor an einer schweren psychischen Erkrankung, nämlich einer psychotischen Störung leide. Sein Gesundheitszustand habe sich mangels Durchführung einer Behandlung durch seine Abschiebung nach Kolumbien weiter verschlechtert. Der BF habe nach wie vor keine Krankheitseinsicht. Der BF stehe mit seinem Abwesenheitskurator in ständigem Kontakt. Er sei verzweifelt und lebe in Kolumbien in prekären Verhältnissen.

Zur Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 17.02.2021 wurde hinsichtlich der Behandlungsmöglichkeiten von HIV und psychischen Erkrankungen in Kolumbien ausgeführt, dass in Kolumbien psychiatrische Behandlungen zwar verfügbar seien, allerdings die Institutionen für psychiatrische Behandlungen aufgrund eines Bettenmangels überfüllt seien. Der psychisch schwer kranke und nicht handlungsfähige BF sei seit seiner Abschiebung nicht in der Lage sich eine psychiatrische Behandlung zu organisieren bzw. die entsprechenden Einrichtungen aufzusuchen.

Betreffend die gesetzliche Möglichkeit für psychisch kranke Personen einen Erwachsenenvertreter in Kolumbien zu bestellen wurde ausgeführt, dass die Anfragebeantwortung keinerlei Informationen dazu enthalte, wer für eine nicht krankheitseinsichtige und psychisch schwer kranke Person wie den BF eine „formelle Betreuung“ beantrage; mit welchen Kosten für ein solches Verfahren zur Bestellung einer „formellen Betreuung“ zu rechnen sei und wer diese Kosten trage, wenn die betroffene Person über kein ausreichendes Vermögen verfüge sowie mit welcher Dauer für ein solches Verfahren zur Bestellung einer „formellen Betreuung“ zu rechnen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF wurde als XXXX am XXXX in Bogota/Kolumbien geboren. Die Identität des BF wurde zunächst in XXXX und in weiterer Folge in XXXX geändert. Er ist kolumbianischer Staatsangehöriger. Die Muttersprache des BF ist spanisch und er verfügt über Kenntnisse der englischen Sprache.

Der BF verließ seinen Herkunftsstaat Kolumbien im Jahr 2016 und hielt sich zunächst unterschiedlich lange in verschiedenen Ländern auf (Spanien, Deutschland, Polen, Lettland, Russland, Ägypten, Ungarn, Bulgarien, Litauen und Indien usw.), bevor er zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt in Österreich einreiste und am 24.01.2019 den gegenständlichen Asylantrag stellte.

Der BF hielt sich bis zu seiner Abschiebung am 25.10.2019 durchgehend im Bundesgebiet auf und war im Zeitraum von 25.01.2019 bis 08.05.2019 in verschiedenen Asylunterkünften mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Der BF befand sich von XXXX .04.2019 bis XXXX .10.2019 in der Justizanstalt XXXX in Untersuchungshaft.

Am 09.04.2019 fand die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA statt, die mangels Sinnhaftigkeit des Vorbringens abgebrochen wurde. Am selben Tag wurde seitens des BFA beim Bezirksgericht XXXX die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters angeregt, da sich der BF im Zuge seiner bisherigen Äußerungen bzw. Befragungen in den anhängigen Asyl- und Strafverfahren im höchsten Ausmaß wirr geäußert und ein absurdes Vorbringen erstattet hat.

Es wird festgestellt, dass der BF im Verfahren vor dem BFA hinsichtlich seiner Angaben zu den Gründen für seinen Asylantrag nicht prozess- und handlungsfähig war.

Die Staatsanwaltschaft XXXX stellte am 11.06.2019 beim Landesgericht XXXX den Antrag auf Unterbringung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß §§ 21 Abs. 1 StGB, 429 Abs. 1 StPO (AS 509). Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 07.10.2019, Zl. XXXX , wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft XXXX , den BF wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen, in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher unterzubringen, abgewiesen (AS 607).

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 19.07.2019 wurde Rechtsanwalt Dr. Herbert MARGREITER zum einstweiligen Erwachsenenvertreter bestellt. Mit weiterem Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 19.09.2019 wurde Rechtsanwalt Dr. Herbert MARGREITER zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter gemäß § 271 ABGB bestellt. Der Erwachsenenvertreter wurde mit der Vertretung des BF im Asylverfahren vor dem BFA und einem allfälligen Rechtsmittelverfahren betraut (AS 653).

Am 07.10.2019 wurde der BF aufgrund eines aufrechten Festnahmeauftrags von der Polizei festgenommen und ins PAZ XXXX verbracht. Am 08.10.2019 wurde mit Mandatsbescheid, Zl. XXXX , gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG gegen den BF die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Dagegen erhob der BF das Rechtsmittel der Schubhaftbeschwerde, welche mit Erkenntnis des BVwG vom 23.10.2019, Zl. W186 2224407-1, als unzulässig zurückgewiesen wurde und festgestellt wurde, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen würden (AS 1007).

Der BF befand sich von XXXX .10.2019 bis zu seiner Abschiebung am XXXX .10.2019 in Schubhaft.

Am 25.10.2019 erfolgte die begleitete Abschiebung des BF von Wien nach Bogotá (Kolumbien) auf dem Luftweg.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 19.04.2020, Zl. XXXX , wurde die gerichtliche Erwachsenenvertretung beendet, da infolge des unbekannten Aufenthaltes des BF zwischen ihm und dem gerichtlichen Erwachsenenvertreter kein persönlicher Kontakt hergestellt werden kann und der aktuelle Gesundheitszustand unbekannt ist (AS 1089).

Mit Erkenntnis des BVwG vom 15.04.2020, GZ: W186 2224407-2/4E, wurde der Maßnahmenbeschwerde gegen die Abschiebung stattgegeben und die am 25.10.2019 erfolgte Abschiebung des BF nach Kolumbien für rechtswidrig erklärt. Des Weiteren wurden dem BF Aufwendungen in Höhe von 737,60 Euro zugesprochen.

Mit weiterem Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 25.05.2020, Zl. XXXX , wurde der Rechtsanwalt DDr. Rainer LUKITS gemäß § 277 Abs. 1 Z 3 ABGB als Abwesenheitskurator für den abwesenden BF bestellt (AS 1095).

Der BF ist HIV-positiv und leidet an einer psychotischen Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis (schizoaffektive Störung). Eine Behandlungsbereitschaft und Krankeneinsicht besteht beim BF nicht. Der BF ist jedoch hinsichtlich seiner finanziellen Angelegenheiten entscheidungsfähig. Er erkennt die Sinnhaftigkeit einer Unterstützung im Asylverfahren und kann einen Bevollmächtigten entsprechend anleiten. Der BF lehnte eine Therapie seiner psychischen Erkrankung im Bundesgebiet ab. Unter konsequenter fachärztlicher psychiatrischer Behandlung und medikamentöser Therapie kann eine Verbesserung der psychotischen Symptomatik erzielt werden, welche jedoch aufgrund des hohen Chronifizierungsgrades längere Zeit in Anspruch nehmen würde.

Im Sachverständigengutachten von MR Dr. XXXX , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 23.05.2019, wird folgendes ausgeführt:

„Bei realistischer Betrachtung sind, insbesondere in unbehandeltem Zustand, künftige strafbare Handlungen mit schweren Folgen wie sexueller Missbrauch Minderjähriger aber auch sexuelle Nötigung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten.“

Der BF leidet nicht an einer lebensbedrohlichen Krankheit. Die angeführten Erkrankungen des BF sind in Kolumbien behandelbar.

In Kolumbien besteht die gesetzliche Möglichkeit durch Beschluss eines Gerichtes für psychisch kranke Personen einen „gesetzlichen Beistand“ (Erwachsenenvertreter) zu bestellen.

Der BF ging in Österreich keiner regelmäßigen Beschäftigung nach und lebte von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung sowie von einer monatlichen Rente in Höhe von ca. 400 US-$. Zudem verfügt der BF über ausreichende Barmittel.

Dem BF wurde für die vorläufige Anhaltung vom XXXX .04.2019 bis XXXX .10.2019 von Seiten der Finanzprokuratur eine Haftentschädigung von EUR 3.047,00 angeboten (AS 1090). Dieser Entschädigungsbetrag wurde zunächst durch den gerichtlichen Erwachsenenvertreter Dr. Herbert MARGREITER und wird derzeit vom Abwesenheitskurator DDr. Rainer LUKITS verwaltet (AS 1096).

Der BF absolvierte 12 Jahre die Volks-, Mittelschule und Oberstufe, und 4 ½ Jahre die Universität (Ingenieur) und 2 ½ Jahre ein postgraduales Studium zum Englischlehrer. Sein zuletzt ausgeübter Beruf war Englischlehrer. Der BF lebte auch in den Vereinigten Staaten, wo sich ein Teil seiner Angehörigen (Mutter, Stiefvater, Schwester) befinden.

Der BF verfügt über keine nennenswerten familiären Bindungen in Österreich. Auch sonst konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Ein konkreter Anlass für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Der BF hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses noch sonst irgendwelche Probleme. Solche sind auch nicht zukünftig zu befürchten. Auch sonstige Gründe, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat allenfalls entgegenstehen würden, konnten nicht festgestellt werden. Es ist nicht zu erwarten, dass der BF in Kolumbien in eine unmenschliche oder erniedrigende Lage geraten wird.

1.2. Länderfeststellungen zu Kolumbien

1.2.1. Zur Lage im Herkunftsstaat betreffend Grundversorgung und Wirtschaft, Medizinische Versorgung, und Rückkehr wird folgendes festgestellt:

Grundversorgung und Wirtschaft

Die Wirtschaft Kolumbiens erholt sich und für heuer rechnet man mit einem Wachstum in Höhe von 3,1% des BIP. Sowohl das Vertrauen der Konsumenten als auch der Geschäftswelt verbessert sich deutlich, trotz Volatilität der internationalen Finanz- und Rohstoffmärkte infolge schwieriger Umstände (WKO 3.4.2020).

Kolumbien ist stark von Energie- und Bergbauexporten abhängig, was es anfällig für Schwankungen der Rohstoffpreise macht. Kolumbien ist der viertgrößte Erdölproduzent Lateinamerikas und der viertgrößte Kohleproduzent der Welt, der drittgrößte Kaffeeexporteur und der zweitgrößte Exporteur von Schnittblumen. Die wirtschaftliche Entwicklung Kolumbiens wird durch unzureichende Infrastruktur, Armut, Drogenhandel und eine unsichere Sicherheitslage sowie durch die Abhängigkeit von Grundstoffen gebremst (CIA 4.8.2020).

Der Prozentanteil der Menschen, die in tiefer Armut leben, ist in ländlichen Gebieten dreimal höher als in städtischen Gebieten. Die fünf Departements mit dem höchsten Grad an multidimensionaler Armut sind Chocó, Guainía, La Guajira, Vaupés und Vichada, in denen die indigenen Völker und afrokolumbianischen Gemeinschaften am stärksten vertreten sind (HRC 8.5.2020).

Aufgrund einer massiven Abwertung des Pesos zum US-Dollar sank das Bruttosozialprodukt (in US-Dollar) 2015 und 2016. Trotzdem ist Kolumbien unter den großen lateinamerikanischen Volkswirtschaften das Land mit den historisch höchsten Wachstumsraten. Wachstumstreiber sind die Bauwirtschaft, der öffentliche Dienst sowie Immobilien und Finanzdienstleistungen. Kolumbien hat in den letzten Jahren einen deutlichen Rückgang der Armutsquote auf jetzt 28% (Weltbank) erreichen können. Gleichwohl bestehen erhebliche Ungleichgewichte in der Einkommens- und Vermögensverteilung fort. Wichtige Wirtschaftszweige sind Landwirtschaft und Industrie, Dienstleistungen und Tourismus, Öl- und Erdgasförderung sowie Bergbau (BICC 7.2020).

Quellen:

- BICC - Bonn International Center for Conversion (7.2020): Länderbericht Kolumbien, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/kolumbien/2020_Kolumbien.pdf, Zugriff 5.8.2020

- CIA - Central Intelligence Service (4.8.2020): The World Factbook, South America: Colombia, Military and Security, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/co.html, Zugriff 18.8.2020

- HRC - UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (8.5.2020): Situation of human rights in Colombia; Report of the United Nations High Commissioner for Human Rights [A/HRC/43/3/Add.3], https://www.ecoi.net/en/file/local/2025857/A_HRC_43_3_Add.3_E.pdf, Zugriff 18.8.2020

- WKO - Wirtschaftskammer Österreich (3.4.2020): Die kolumbianische Wirtschaft,
https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-kolumbianische-wirtschaft.html, Zugriff 5.8.2020

Medizinische Versorgung

Das medizinische Versorgungsangebot ist in den größeren Städten in der Regel mit dem in Europa zu vergleichen (AA 14.8.2020c; vgl. EDA 28.8.2020). Es ist auf dem Lande jedoch vielfach technisch, apparativ und hygienisch problematisch (AA 14.8.2020c).

Öffentliche Krankenhäuser entsprechen nicht dem europäischen Standard. Die Privatkliniken - vor allem in den Großstädten - weisen internationalen Standard auf. Die Versorgung mit Medikamenten ist ausgezeichnet. Apotheken in den Städten sind in ausreichender Zahl vorhanden. Prekär ist die Lage in Kleinstädten und auf dem Land (BMEIA 28.8.2020).

Die medizinische Versorgungslage variiert gemäß des Stadt-Land-Gefälles. Neben den ländlichen Regionen sind auch die Küstengebiete benachteiligt. Bedingt durch Mangelernährung und schlechte Wohnverhältnisse sind Tuberkulose, Malaria, Ruhr und Typhus in den wenig medizinisch versorgten Gebieten weit verbreitet. Besonders die vertriebene Bevölkerung lebt in prekären hygienischen Verhältnissen mit häufig lebensbedrohlichen Risiken für die Gesundheit (LP 3.2020).

In einer gemeinsamen Erklärung haben die lokalen Vertretungen der UN in Brasilien, Kolumbien und Peru dringend zur internationalen Solidarität mit den indigenen Gemeinden im Amazonasgebiets aufgerufen. Vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie fordern sie bessere Schutzkonzepte und mehr finanzielle Unterstützung. Bei indigenen Völkern in Staaten, die Anteil am Amazonasgebiet haben, liegen Infektions- und Sterberaten weit über dem jeweiligen nationalen Durchschnitt. Sich auf offizielle Angaben stützende Medienberichte zufolge haben sich von den schätzungsweise 170.000 isoliert lebenden Indigenen in der Region bis Ende Juli 2020 rund 28.000 Personen mit SARS-CoV-2 infiziert. Über 1.100 Personen seien an den Folgen der Virusinfektion verstorben. Neben den gesundheitlichen Risiken bringe die Krankheit auch harte sozioökonomische Konsequenzen mit sich. So sei u.a. die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln gefährdet und eine Vertiefung der Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern zu befürchten (BAMF BN 10.8.2020).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.8.2020c): Kolumbien, Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kolumbien-node/kolumbiensicherheit/201516, Zugriff 14.2020

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.8.2020): BN - Briefing Notes 10. August 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2035733/briefingnotes-kw33-2020.pdf, Zugriff 18.8.2020

- BMEIA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (28.8.2020): Kolumbien, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kolumbien/, Zugriff 28.8.2020

- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (28.8.2020): Kolumbien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/kolumbien/reisehinweise-fuerkolumbien.html; Zugriff 28.8.2020

- LP - LiPortal, Das Länderinformationsportal (3.2020): Kolumbien, Gesellschaft, https://www.liportal.de/kolumbien/gesellschaft/#c6084, Zugriff 18.8.2020

Rückkehr

Die Regierungen Kolumbiens und Ecuadors trafen sich während des Jahres 2019 weiterhin zu Gesprächen über die Lage der kolumbianischen Flüchtlinge und Asylsuchenden in Ecuador und die kolumbianische Regierung bot ein Programm zur Unterstützung von Kolumbianern im Ausland an, die nach Kolumbien zurückkehren. Darüber hinaus schätzte die Regierung, dass im August 2019 500.000 Kolumbianer, von denen viele durch den Konflikt in Kolumbien vertrieben und in Venezuela als Flüchtlinge registriert worden waren, aus Venezuela zurückgekehrt sind (USDOS 11.3.2020).

Das Committee on the Protection of the Rights of All Migrant Workers and Members of Their Families stellt fest, dass das Außenministerium mehrere Unterstützungsprogramme für Rückkehrer in verschiedenen Bereichen, unter anderem humanitäre Repatriierung, umfassende Opferunterstützung und Entschädigung, durchführt. Dennoch ist das Committee besorgt darüber, dass diese Programme bei der effektiven Wiedereingliederung rückkehrender Wanderarbeiter nur begrenzten Erfolg haben (CMW 27.1.2020).

Quellen:

- CMW - UN Committee on Migrant Workers (27.1.2020): Concluding observations on the third periodic report of Colombia [CMW/C/COL/CO/3], Zugriff 28.8.2020
https://www.ecoi.net/en/file/local/2026653/G2002039.pdf

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Colombia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026353.html, Zugriff 14.8.2020

1.2.2. Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Kolumbien vom 17.02.2021

Ist die medizinische Versorgung von Personen, die HIV-positiv sind, in Kolumbien gewährleistet und auch zugänglich?

Quellenlage/Quellenbeschreibung:

Aufgrund der medizinisch-spezifischen Art der Fragestellungen wurden diese an MedCOI zur Recherche übermittelt. Informationen zu MedCOI finden sich auf dem Quellenblatt der Staatendokumentation auf www.staatendokumentation.at.

Zusammenfassung:

Ambulante- und stationäre Behandlungen durch HIV-Spezialisten, labortechnische HIV-Untersuchungen, ambulante- und stationäre Behandlungen durch Infektiologen, wie auch ambulante- und stationäre Behandlungen durch einen Facharzt für Innere Medizin (Internist) (BMA 12944) sind in Kolumbien grundsätzlich ebenso verfügbar, wie ambulante Behandlung und Nachsorge durch einen HIV-Spezialisten (BMA 12965) und HIV-Laboruntersuchungen zu Viruslast und CD4-Zahl (BMA 12965).

Werden psychische Erkrankungen, insbesondere jene aus dem schizoaffektiven Störungskreis, in Kolumbien behandelt?

Welche Therapien werden angeboten?

Sind die entsprechenden Wirkstoffe Risperidon, Diazepam und Valproinsäure zugänglich?

Zusammenfassung:

Aus den nachfolgend zitierten Quellen geht hervor, dass eine Reihe von psychiatrischen Behandlungen, etwa stationäre und ambulante (Folge-)Behandlung durch Psychiater und Psychologen, psychiatrische klinische Behandlungen in geschlossenen Abteilungen (nicht notwendigerweise Zwangseinweisung) psychiatrische Krisenintervention im Falle eines Selbstmordversuchs, im Bedarfsfall psychiatrische Zwangseinweisung, psychiatrische klinische Langzeitbehandlungen (z. B. für chronisch psychotische Patienten) und psychiatrische Tagesbetreuung in Kolumbien grundsätzlich ebenso verfügbar sind (BMA 14101), wie psychiatrische ambulante Langzeitbehandlung und Betreuung durch psychiatrische Fachärzte (BMA 13921).

Den Quellen ist weiters zu entnehmen, dass die Institutionen für psychiatrische Behandlung wegen des Mangels an Betten überfüllt sind und sich 90% der geschätzten 900 Psychiater im Land (Stand 2015) in den 10 größten Städten des Landes befinden, wodurch ländliche Gebiete weniger Ressourcen für psychische Gesundheit haben. In Kolumbien gibt es 123 öffentliche und private Gesundheitsdienstleister, die auf Psychiatrie spezialisiert sind und eine Kapazität von 2.438 Betten haben (BDA 7376).

Weiterhin sind gemäß Abfrage der MedCOI-Datenbank (22.12.2020) die Wirkstoffe Risperidon (BMA 14101) und Diazepam (BMA 13921) verfügbar.

Valproinsäure ist gemäß BMA 11067 ebenfalls verfügbar. Zwar wurde die Informationen einer Verfügbarkeit bereits vor mehr als zwei Jahren erhoben, doch stellt gemäß Aussage von MedCOI der ebenfalls verfügbare Wirkstoff Lithiumcarbonat einen gut einsetzbaren Alternativwirkstoff für Lithiumcarbonat dar und ist laut aktuellen Informationen verfügbar (BMA 14101).

Haben Rückkehrer Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem, zur staatlichen Krankenversicherung und Grundversorgung?

Quellenlage/Quellenbeschreibung:

Aufgrund der medizinisch-spezifischen Art der Fragestellungen wurden diese an MedCOI zur Recherche übermittelt. Informationen zu MedCOI finden sich auf dem Quellenblatt der Staatendokumentation auf www.staatendokumentation.at.

Zusammenfassung:

Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass das kolumbianische Sozialversicherungssystem keine Mindestbeitragszeiten für den Zugang zu Leistungen oder Verfahren verlangt.

Das kolumbianische Gesundheitssystem arbeitet mit zwei verschiedenen Regimen:

Eines für zahlungskräftige Personen, das so genannte Beitragsregime (Contributive Regime, CR), und ein anderes für benachteiligte Familien ohne Zugang zu einer formalen Beschäftigung oder einer stabilen Einkommensquelle, das so genannte Subventionsregime (Subsided Regime, RS).

Im CR ist jedes Mitglied verpflichtet, entsprechend seinen Möglichkeiten Beiträge zu leisten, um ein gleiches Leistungspaket für alle zu erhalten. Im RS würde der Beitrag mit Hilfe von Solidaritätsbeiträgen der Mitglieder der CR vollständig vom Staat übernommen werden (BDA 7313).

Nach der Aufnahme in eine EPS (Entidades Promotoras de Salud - Gesundheitsförderungsagentur), entweder im beitragsfinanzierten oder im subventionierten System, erhält der Patient eine Liste der Krankenhäuser, Kliniken und anderen Leistungserbringer (Instituciones Prestadoras de Salud, IPS), die zur Verfügung stehen. Der Patient muss sich dann in eines dieser Krankenhäuser begeben, um regelmäßig ambulant behandelt zu werden. Das kolumbianische Sozialversicherungssystem verlangt keine Mindestbeitragszeiten für den Zugang zu Leistungen oder Verfahren (BDA 7313).

Angegebene Kosten für Behandlungen sind nicht fixiert und dienen lediglich als Verhandlungsgrundlage zwischen den Gesundheitsförderungs-Agenturen (Entidades Promotoras de Salud, EPS) und den Gesundheitsdienstleistern (Instituciones Prestadoras de Salud, IPS) (BDA 7376).

Extrazahlungen hängen von der Höhe des Einkommens des Patienten ab (BDA 6950).

Gibt es in Kolumbien die gesetzliche Möglichkeit für psychisch kranke Personen einen Erwachsenenvertreter (Sachwalter), insbesondere für die Vertretung vor Behörden, Ämtern und Gerichten, zu bestellen?

Quellenlage/Quellenbeschreibung:

Wegen der rechtlichen Art der Fragestellungen diese auch an eine externe Stelle zur Recherche übermittelt.

Eine Quellenbeschreibung zu österreichischen Botschaften (ÖB) bzw. deren Vertrauensanwälten (VA) findet sich auf dem Quellenblatt der Staatendokumentation auf www.staatendokumentation.at.

Zusammenfassung:

Die ÖB Bogota befasste den VA der ÖB mit der ergangenen Fragestellung. Aus der ergangenen Antwort des VA vom 4.2.2021 geht hervor, dass jede Person in Kolumbien, die an einer psychischen Störung leidet, die sie daran hindert, Entscheidungen in Angelegenheiten zu treffen, die ihr persönliches oder vermögensrechtliches Leben betreffen, die Möglichkeit hat, eine formelle Betreuung zu beantragen, die einer gesetzlich geschaffenen Art von Beistand entspricht und es ihr ermöglicht, Hilfe bei der Kommunikation, beim Verstehen von Rechtsakten und deren Folgen, bei der Äußerung ihres Willens und ihrer persönlichen Präferenzen sowie bei der Vertretung in bestimmten Angelegenheiten zu erhalten, wenn sie oder ein Richter dies beschließt.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt. Zudem wurde Einsicht genommen in das Verfahren W186 222407-2.

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Zum Beschwerdeführer:

Die Feststellungen zur Identität (Name und Geburtsdatum) und Staatsbürgerschaft des BF beruhen auf den im angefochtenen Bescheid getätigten Feststellungen sowie den Angaben in der Beschwerde. Zudem wurde seitens des Bundeskriminalamtes mit Schreiben vom 09.10.2019 mitgeteilt, dass die Konsularabteilung der Botschaft der Republik Kolumbien in Österreich mit Schreiben vom 08.10.2019 die Identität des BF als XXXX bestätigt hat. Die Identität des BF konnte anhand der übermittelten Fingerabdrücke und Fotografien festgestellt werden. Des Weiteren wurde darin festgehalten, dass sich der BF ursprünglich als XXXX identifizierte und in weiterer Folge seine Identität in den Namen XXXX änderte und seinen Personalausweis korrigieren ließ. (AS 603, 635)

Die aktuelle Identität des BF konnte auch anhand des kolumbianischen Reisepasses, ausgestellt am 19.05.2016 von der Behörde XXXX , mit Gültigkeit bis 19.05.2026, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind, festgestellt werden (AS 31).

Die Feststellungen zur Ausreise des BF aus Kolumbien und seiner Reisetätigkeit beruhen auf den im Reisepass ersichtlichen und hinsichtlich der Echtheit und Richtigkeit unbedenklichen Stempelabdrücken (AS 31 bis AS 53). Da sein Reisepass am 19.05.2016 von der Behörde „ XXXX “ ( XXXX ) ausgestellt wurde, und der erste Stempelabdruck vom 22.05.2016 in Madrid ist, kann davon ausgegangen werden, dass die Ausreise des BF erst im Jahr 2016 erfolgte und nicht wie vom BF behauptet bereits im Jahr 2015.

Die Feststellung zur Hauptwohnsitzmeldung ergibt sich aus der Eintragung im Zentralen Melderegister. Ebenso ergibt sich daraus die Anhaltung des BF in der Justizanstalt.

Die Feststellung zur Untersuchungshaft gründet sich auf die Verständigung des Landesgerichtes XXXX vom 04.04.2019, Zl. XXXX , wonach über den BF die Untersuchungshaft wegen §§ 15, 207 StGB verhängt wurde (AS 201). Mit Beschluss des Oberlandesgerichtes XXXX , Zl. XXXX , vom 23.04.2019, wurde der Beschwerde des BF nicht Folge gegeben und die verhängte Untersuchungshaft gemäß § 173 Abs. 1 und 2 Z 3 lit b StPO fortgesetzt. (AS 423)

Aus der Niederschrift der Einvernahme am 09.04.2019 ergibt sich, dass die Befragung des BF mangels Sinnhaftigkeit des Vorbringens abgebrochen wurde. Aus dem Schreiben des BFA vom 09.04.2019 geht hervor, dass das BFA beim Bezirksgericht XXXX um Überprüfung der Bestellung eines Erwachsenenvertreters ersuchte.

Die festgestellte Prozess- und Handlungsunfähigkeit des BF im Verfahren vor dem BFA betreffend seinen Asylantrag konnte anhand der psychiatrischen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Psychiatrie, vom 19.08.2019 und MR Dr. XXXX , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 23.05.2019 festgestellt werden. Zudem ergibt sich dies schon allein aus dem Umstand einer Bestellung eines Erwachsenenvertreters für dieses Verfahren.

Die Feststellungen zur Schubhaft ergeben sich aus dem Akt sowie dem Erkenntnis des BVwG vom 23.10.2019, Zl. W186 2224407-1/19E.

Aus dem Bericht des Stadtpolizeikommandos XXXX vom 25.10.2019 ergibt sich die erfolgte Abschiebung nach Kolumbien. (AS 593)

Die Feststellungen zu den Erkrankungen und zum Gesundheitszustand des BF beruhen auf das Beschwerdevorbringen und das psychiatrische Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Psychiatrie, vom 19.08.2019 (AS 719 ff.). Im Sachverständigengutachten wurde insbesondere festgehalten, dass der BF an einer psychotischen Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis leidet, und seine Entscheidungsfähigkeit in Teilbereichen deutlich beeinträchtigt ist. Ebenso ergibt sich aus dem fachärztlichen Sachverständigengutachten, dass der BF keine Erkrankungseinsicht hat, in finanziellen Angelegenheiten entscheidungsfähig ist, eine konsequente fachärztliche Behandlung eine Verbesserung seiner psychischen Erkrankung bewirken würde und der BF in der Lage ist, einen Bevollmächtigten im Asylverfahren entsprechend anzuleiten.

Des Weiteren liegt ein psychiatrisches Sachverständigengutachten von MR Dr. XXXX , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 23.05.2019 vor, welches von der Staatsanwaltschaft XXXX im Strafverfahren wegen §§ 15, 207a StGB, Zl. XXXX , zur Feststellung der Zurechnungsfähigkeit zu den Tatzeitpunkten eingeholt wurde. Demnach ist beim BF von einer schizomanen Störung auszugehen und wurde ausgeführt, dass bei unbehandeltem Zustand künftige strafbare Handlungen mit schweren Folgen wie sexueller Missbrauch von Minderjährigen aber auch sexuelle Nötigung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei.

Dass sowohl die HIV-Erkrankung als auch die psychische Erkrankung des BF in Kolumbien behandelbar sind, ergibt sich aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 17.02.2021.

Die Feststellung, in Kolumbien für psychisch kranke Personen einen „gesetzlichen Beistand“ bestellen zu können, beruht ebenso auf der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 17.02.2021.

Da im Hauptverband der Sozialversicherungsträger keine Eintragung aufscheint, konnte keine legale Erwerbstätigkeit des BF im Bundesgebiet festgestellt werden.

Den Feststellungen im Urteil des Landesgerichts XXXX vom 07.10.2019, Zl. XXXX zufolge, bezieht der BF eine monatliche Rente von seinem Vater als Entschädigung (AS 608). Auch gab der BF gegenüber dem Sachverständigen Dr. XXXX , Facharzt für Psychiatrie, im Rahmen der Untersuchung am 19.08.2019 an, dass er finanziell abgesichert sei und von seinen Angehörigen monatlich Geld bekomme (AS 724). In der Beschwerde vom 28.05.2020 wurde vorgebracht, dass der BF über ausreichende Barmittel im Bundesgebiet verfügt, nämlich über einen Betrag von insgesamt EUR 4.547,00 (AS 1114).

Wenn nun seitens der bevollmächtigten Rechtsvertreterin in der Stellungnahme vom 10.03.2021 behauptet wird, dass der BF völlig mittellos sei, so widerspricht dies dem Beschwerdevorbringen, den eigenen Angaben des BF im Verfahren vor dem Landesgericht XXXX und ist dieses Vorbringen somit nicht glaubhaft. Der BF reiste mehrere Jahre durch verschiedene Länder und vermochte offensichtlich sein Geld einzuteilen. Zudem wurde dem BF laut Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 19.04.2020, Zl. XXXX , für seine vorläufige Anhaltung vom 03.04.2019 bis 07.10.2019 von Seiten der Finanzprokuratur eine Haftentschädigung von EUR 3.047,00 angeboten (AS 1090), die nun vom Abwesenheitskurator verwaltet wird.

Die Feststellungen zu seinen persönlichen und familiären Verhältnissen beruhen auf den unstrittig gebliebenen Angaben des BF in der Erstbefragung am 24.01.2019, seinen Angaben gegenüber dem medizinischen Sachverständigen Dr. XXXX am 19.08.2019, sowie den getroffenen Feststellungen im Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 07.10.2019, Zl. XXXX .

Wesentliche familiäre oder soziale Bindungen des BF in Österreich konnten nicht festgestellt werden und wurden auch nicht behauptet. Im Übrigen wurden keine konkreten Angaben dahingehend getätigt, die eine nachhaltige Integration in Österreich in sprachlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Hinsicht annehmen lassen würden.

Die Feststellungen, dass der BF bei seiner Rückkehr nach Kolumbien keine Sanktionen zu befürchten hat, dort nicht strafrechtlich oder politisch verfolgt wird und dass keine Probleme mit den dortigen Behörden bestehen, beruhen auf den Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat zusammen mit dem Umstand, dass nichts Gegenteiliges vorgebracht wurde.

Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur allgemeinen Lage in Kolumbien kann festgestellt werden, dass nicht zu erwarten ist, dass der BF bei seiner Rückkehr in eine unmenschliche oder erniedrigende Lage geraten wird.

2.3. Zum Vorbringen:

Das Vorbringen des BF zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates und zu seiner Situation im Fall einer Rückkehr nach Kolumbien (Fluchtgründe) beruht auf den Angaben des Erwachsenenvertreters in der Stellungnahme vom 10.03.2019 (gemeint wohl 2020), den Ausführungen in der gegenständlichen Beschwerde vom 28.05.2020, sowie den Stellungnahmen der Rechtsvertretung vom 12.11.2020 und vom 10.03.2021. Die Angaben des BF in der Erstbefragung sowie in der Einvernahme am 09.04.2019 werden aufgrund der diesbezüglich festgestellten Prozessunfähigkeit des BF der Entscheidung nicht zugrunde gelegt.

Es wurde weder im Verfahren vor dem BFA noch vor dem erkennenden Gericht seitens des Erwachsenenvertreters des BF bzw. seiner bevollmächtigten Rechtsvertretung irgendein asylrelevantes sowie hinreichend substanziiertes Vorbringen erstattet, wonach der BF in Kolumbien vor seiner Ausreise einer konkreten Verfolgungsgefahr ausgesetzt gewesen wäre bzw. auch im Fall einer Rückkehr dorthin einer Verfolgungsgefahr oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt sein würde.

Sowohl in der Beschwerde als auch in den Stellungnahmen werden keine konkreten asylrelevanten Vorfälle genannt. Das Beschwerdevorbringen stützt sich hauptsächlich auf die psychische Störung und die HIV-Erkrankung des BF sowie den fehlenden Zugang zur medizinischen Behandlung. Des Weiteren wird in der Stellungnahme vom 10.03.2021 lediglich vorgebracht, dass der BF in prekären Verhältnissen lebe und bislang kein Erwachsenenvertreter für den BF bestellt werden konnte, da sich die Gerichts- und Anwaltskosten für die Bestellung eines Erwachsenenvertreters in Kolumbien auf etwa EUR 3.500 belaufen würden.

Richtigerweise wird in der Beschwerde die fehlende Prozessfähigkeit des BF aufgegriffen. Der BF war aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht in der Lage konkrete und nachvollziehbare Angaben zu den konkreten Umständen und zum Grund der Ausreise aus dem Herkunftsstaat zu machen.

Die niederschriftliche Einvernahme vor dem BFA fand am 09.04.2019, von 10:00 bis 13:40 Uhr in der Justizanstalt XXXX statt und wurde mangels Sinnhaftigkeit des Vorbringens abgebrochen. Aus der zwanzigseitigen Niederschrift der Einvernahme ging kein auch nur annähernd asylrelevanter Sachverhalt hervor, und der BF erstattete ausschließlich ein absurdes Vorbringen. Zusammengefasst handelte es sich dabei um eine Erzählung von seiner Kindheit, den schwierigen Familienverhältnissen, Missbrauchshandlungen seines Stiefvaters, von seiner kriminell geprägten Jugend, seinem schulischen und beruflichen Werdegang; von den vielen sexuellen Beziehungen zu Frauen, und den vielen Söhnen (380), die er gezeugt habe. Die Art und Weise seines Vorbringens ist äußerst wirr und ohne Zusammenhänge; der BF erwähnt immer wieder seinen Stiefvater; und es werden berühmte Persönlichkeiten genannt. Beispielsweise behauptete der BF, dass sein Vater XXXX sei und XXXX sein Großvater.

Der BF war somit zum Zeitpunkt der Erstbefragung und der Einvernahme – somit bereits vor der Bestellung des Erwachsenenvertreters - prozess- und handlungsunfähig, da er nicht in der Lage war, Bedeutung und Tragweite des Verfahrens und der sich in diesem ereigneten prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten. Damit war es dem erkennenden Gericht jedoch verwehrt, seine im Verfahren vor dem BFA gemachten Angaben hinsichtlich seiner Fluchtgründe einer Glaubhaftigkeitsprüfung zu unterziehen.

Unstrittig ist jedoch, dass sich der BF bereits seit mehreren Monaten bzw. Jahren als Tourist außerhalb seines Herkunftsstaates auf Reisen befindet, zumal dies anhand der vielen Stempelabdrücken in seinem Reisepass belegbar ist. Zudem gab der BF im Rahmen der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht XXXX am 07.10.2019 zu seinen persönlichen Verhältnissen befragt an, dass er seit vier Jahren zu touristischen Zwecken in Europa ist. Auch gegenüber dem medizinischen Sachverständigen Dr. XXXX gab der BF an, dass er auf einer Europareise und daher auch in Österreich ist. Ziel des BF ist es Land und Leute kennenzulernen.

Es wurde auch seitens des bevollmächtigten Rechtsvertreters bzw. Erwachsenenvertreters nicht vorgebracht, dass sich der BF zu irgendeinem Zeitpunkt in einer derart ernsten Situation befunden hätte, dass er Kolumbien „fluchtartig“, also unverzüglich und im Wesentlichen unvorbereitet, verlassen hätte müssen, um so einer ihm unmittelbar drohenden Verfolgungsgefahr zu entgehen.

Der Umstand, dass der BF den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz erst stellte, nachdem er mehrere Monate bzw. Jahre durch Europa und Asien reiste, deutet daraufhin, dass der BF nie einer tatsächlichen, persönlichen Bedrohung und Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt war, sondern mit der Asylantragstellung lediglich die Absicht verfolgte, eine Rückführung in seinen Herkunftsstaat zu verhindern oder zumindest zu verzögern.

Es konnte somit kein fluchtauslösendes Ereignis festgestellt werden und wurde ein solches auch nicht vorgebracht. Der BF reiste bereits im Jahr 2016 aus Kolumbien aus und hielt sich seitdem in verschiedenen Ländern zu touristischen Zwecken auf. In einer Gesamtschau der entscheidungsrelevanten Umstände war somit davon auszugehen, dass er seinen Herkunftsstaat Kolumbien nicht aus Furcht vor Verfolgung, sondern aus touristischen Zwecken, um verschiedene Länder zu bereisen, verlassen hat.

2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage der Grundversorgung und Wirtschaft sowie der Medizinischen Versorgung und Rückkehr nach Kolumbien beruhen auf der Länderinformation der Staatendokumentation bezüglich Kolumbien vom 01.09.2020. Zudem holte das erkennende Gericht, insbesondere zu den Behandlungsmöglichkeiten von HIV und psychischen Erkrankungen in Kolumbien eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 17.02.2021 ein.

In den Länderberichten sowie in der Anfragebeantwortung wurden die jeweiligen Quellen detailliert angegeben. Es wurden dabei Berichte verschiedener allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt, die ein übereinstimmendes Gesamtbild ohne entscheidungswesentliche Widersprüche ergeben. Es besteht kein Grund, an der Richtigkeit und Aktualität dieser Angaben zu zweifeln. Die Länderfeststellungen werden in dieser Entscheidung zur Wahrung der Übersichtlichkeit nur auszugsweise wiedergegeben.

Die Länderberichte vom 01.09.2020 sowie die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 17.02.2021 wurden dem BF beziehungsweise seiner Vertretung im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung schriftliche Stellung zu nehmen.

In der Stellungnahme vom 10.03.2021 wird zu den medizinischen Behandlungsmöglichkeiten lediglich dargelegt, dass die Institutionen für psychiatrische Behandlungen wegen Mangels an Betten überfüllt seien, der BF nicht in der Lage sei sich eine psychiatrische Behandlung zu organisieren und die öffentlichen Krankenhäuser nicht dem europäischen Standard entsprechen würden. Es wir

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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