Entscheidungsdatum
30.07.2021Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W144 2244657-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX alias XXXX , StA. von Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.07.2021, Zl.: XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (BF) ist ein volljähriger Staatsangehöriger Afghanistans, der sein Heimatland etwa Mitte des Jahres 2019 verlassen hat. Der BF begab sich zunächst in den Iran, sodann in die Türkei und schließlich über Griechenland und ihm unbekannte Länder letztlich über Kroatien, und Slowenien nach Österreich, wo er am 24.1.2021 einreiste und am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Zur Person des BF liegen folgende Eurodac-Treffermeldungen vor
? Griechenland vom 07.01.2020, wegen Asylantragstellung
? Kroatien vom 11.11.2020 wegen Asylantragstellung
? Slowenien vom 21.01.2021 wegen Asylantragstellung
Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:
Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der Landespolizeidirektion Wien (Erstbefragung) vom 25.01.2021 gab der BF neben seinen Angaben zum Reiseweg im Wesentlichen an, dass er gemeinsam mit seiner Ehegattin XXXX , XXXX geb., nach Österreich gereist sei. Er habe in keinem von ihm durchreisten Land um Asyl angesucht, jedoch seien ihm in Griechenland, Kroatien und Slowenien die Fingerabdrücke abgenommen worden. Über den Aufenthalt in diesen Ländern könne er lediglich sagen, dass es dort „sehr schlecht“ gewesen sei, er wolle nicht dorthin zurückkehren, sondern in Österreich bleiben. Er habe psychische Probleme dergestalt, dass er an seinen Fingernägeln beiße, wenn er unter psychischen Druck gerate; zudem sei er schwerhörig.
In der Folge stellte das BFA am 01.02.2021 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Kroatien. Kroatien akzeptierte dieses Wiederaufnahmeersuchen durch ausdrückliche Zustimmung mit Schreiben vom 12.02.2021 und teilte unter einem das Alias-Geburtsdatum XXXX , unter dem der BF in Kroatien aufgetreten ist, mit.
Aus einem Schreiben der griechischen Dublin-Behörde vom 13.05.2021 ergibt sich, dass der BF sowie seine Gefährtin bereits am 07.01.2020 in Griechenland Anträge auf internationalen Schutz stellten, die erstinstanzlich abgewiesen wurden und hinsichtlich derer auch die eingebrachten Berufungen abgewiesen wurden.
Am 07.06.2021 wurde der BF seitens des BFA einvernommen und gab er im Wesentlichen zu Protokoll, dass er im Zuge der Erstbefragung wahrheitsgemäße Angaben erstattet habe, und dass er die Einvernahme in gesundheitlicher Hinsicht durchführen könne. Er habe keine Dokumente, er habe nie einen Pass besessen. Er sei niemals unter anderen Personaldaten aufgetreten. An einen Asylantrag in Griechenland könne er sich leider nicht erinnern. In Kroatien habe er gesagt, dass er XXXX Jahre alt sei. Es habe in Kroatien eine telefonische Einvernahme gegeben, obwohl er schwerhörig sei und dies mitgeteilt habe. Aktuell sei er bei mehreren Ärzten in Behandlung, er wisse nicht, wie diese heißen. Er sei einmal mit einem Messer verletzt worden. Er sei schon in Afghanistan wegen psychischer und physischer Leiden behandelt worden. Aktuelle Befunde habe er in Form von Überweisungen. An Medikamenten nehme er „Tropfen“ für das Ohr, deren Bezeichnung er nicht kenne. Verwandte habe er in Deutschland, konkret einen Onkel mütterlicherseits, von dem er jedoch keine Unterstützung erhalte. In Österreich lebten ein Bruder, eine Tante und eine Schwägerin seiner Frau. Alle lebten in Wien, die Tante sei anerkannt, sie habe eine fünfjährige Aufenthaltsbewilligung; zu ihrem Wohnort könne er keine Angaben machen; es gebe auch keine finanzielle oder sonstige Unterstützung. Er sei seit zwei Jahren verheiratet. Er habe keine Heiratsurkunde, weil er keine beantragt habe. Es sei eine traditionelle Heirat gewesen und eine Urkunde habe es nie gegeben. In Kroatien sei er 1 bis 2 Monate lang gewesen, er sei dort in einem Lager untergebracht gewesen. Auch seine Frau und deren Familie seien Kroatien im Lager untergebracht gewesen. Kroatien hätten sie verlassen, weil die Absicht bestanden habe, zu den Verwandten seiner Frau zu gelangen. Nach Vorhalt, dass Kroatien zur Prüfung seines Asylantrags zuständig sei, erklärte der BF, dass er nicht nach Kroatien wolle, weil seine Schwiegermutter und seine Frau hier seien. In Kroatien habe er niemanden. Von den kroatischen Behörden sei er schlecht behandelt worden. Er habe versucht, die Grenze von Bosnien nach Kroatien zu überqueren, im Zuge dessen sei er öfter von der Polizei geschlagen worden. Auch sei sein Handy kaputt gemacht worden.
Unmittelbar nach der Einvernahme des BF wurde auch dessen Gefährtin einvernommen, die zunächst nach Vorhalt, dass sie in Griechenland unter dem Geburtsdatum XXXX und in Kroatien unter dem Geburtsdatum XXXX aufgetreten sei, erklärte, dass ihre Mutter diese Daten dort jeweils angegeben habe. Die Tazkira und ihre Heiratsurkunde seien in einer Tasche verwahrt gewesen, die verloren gegangen sei. In Österreich habe sie das Geburtsdatum XXXX angegeben. In gesundheitlicher Hinsicht habe sie eine Zyste im Unterleib, die einer Operation bedürfe. Seit einem Monat nehme sie Medikamente, man werde sehen, ob dies helfe. Ein Bruder von ihr lebe seit sechs Jahren in Österreich, ebenso eine Tante. Unterstützung bekomme sie von diesen Personen keine. Sie sei mit ihrem Ehemann seit zwei Jahren verheiratet, es sei eine traditionelle Hochzeit gewesen. Auf die Frage, ob sie im Besitz einer Heiratsurkunde sei, antwortete die Ehegattin des BF ja, es habe etwas Schriftliches gegeben, jedoch sei u.a. die Heiratsurkunde auf dem Weg verloren gegangen. Sie wolle hier bleiben, um Asyl hätten sie nirgendwo angesucht.
In einer Stellungnahme vom 4.6.2021 machte der BF geltend, dass er aufgrund von Misshandlungen durch die Taliban physisch wie psychisch schwer beeinträchtigt sei. Es komme bei ihm regelmäßig zu impulsiven Durchbrüchen und selbstschädigendem Verhalten (Fingernägelbeißen).
Aus einem internen E-Mail Verkehr der BBU vom 18.6.2021, XXXX Uhr ergibt sich ein Bericht über einen Selbstmordversuch der Ehegattin des BF (auszugsweise):
„Um 21:30 Uhr hat mir Infopoint über einen Selbstmordversuch berichtet. ….. habe die beteiligte Person mit zerschnittenem Arm und Blut im Bett gesehen. Sie versuchte sich mit einer Rasierklinge die Pulsadern aufzuschneiden.“
Aus einer internen E-mail-Mitteilung der BBU vom 25.6.2021 bezüglich des Selbstmordversuches der Ehegattin des BF vom 18.6.2021 ergibt sich, dass nach zahlreichen Telefonaten mit medizinischem Personal und Sozialarbeiterinnen des AKH sowie aufgrund Gesprächen mit restlichen Familienmitgliedern, herausgekommen sei, dass die Ehegattin des BF durch den BF bedroht werde und sie sich deshalb verletzt habe.
Aus einem E-Mail der MA11, Wiener Kinder-und Jugendhilfe vom 25.06.2021 ergibt sich Folgendes:
„Sowohl XXXX als auch deren Eltern haben gegenüber der Kinder-und Jugendhilfe glaubhaft angegeben, dass es in der Vergangenheit massive Bedrohungen und Gewalt durch XXXX an XXXX gab. Er habe sie massiv z.B. am Kopf und den Händen verletzt und die Familie mit dem Umbringen bedroht, sofern sie ihre Tochter unterstützen würden. Die Gewalt an XXXX durch XXXX habe sich, seitdem die Familien Österreich ist, weiter verstärkt. Zusätzlich gaben sowohl XXXX als auch deren Eltern an, dass XXXX Talibankämpfer sei und dieser Umstand ein weiterer massiver Gefährdungsgrund ist. Aus Sicht der Kinder-und Jugendhilfe besteht eine massive Gefährdung XXXX , sowie derer Familie durch XXXX aufgrund der oben angeführten Gefährdungselemente. …
Aus Sicht der Kinder- und Jugendhilfe ist weiter die in Afghanistan geschlossene Ehe zwischen XXXX und XXXX in Österreich aufgrund des Umstandes das XXXX zum Zeitpunkt der Eheschließung 14 Jahre alt war, nicht rechtens und wird auch nicht anerkannt.“
Aus einer Dokumentation gemäß § 38a SPG der Landespolizeidirektion Wien vom 25.6.2021 ergibt sich auszugsweise Folgendes:
Betretungsverbot für die gemeinsame Wohnung des BF von seiner Ehegattin
Gefährder: Der BF
Gefährdete Person: die Ehegattin des BF
Wahrnehmungen im Zuge des Einschreitens:
25.6.2021, XXXX Uhr, XXXX :
Einsatzgrund: Probleme mit einem Mann.
Angaben der diensthabenden Sozialbetreuerin: „Frau XXXX ist momentan bei uns in stationärer Behandlung. Da sich ihr psychischer Zustand mittlerweile aber verbessert hat, würden wir Frau XXXX gerne entlassen. Dies ist uns leider aufgrund der Situation mit ihrem Ehemann nicht möglich. Fr. N. wird regelmäßig von ihrem Ehemann, Herrn XXXX geschlagen, bedroht, sowie beschimpft. Das hat sie mir persönlich gesagt. Ob eine polizeiliche Anzeige bereits vorliegt, kann ich nicht angeben. Allerdings war die Polizei am 23.6.2021 bezüglich der Gewaltausübung gegenüber der Frau XXXX bereits vor Ort.“
Weiter im Bericht: „Aufgrund der vorangegangenen gefährlichen Drohung durch den Gefährder, sowie der fortgesetzten Gewaltausübung, weiters aufgrund der Angaben des Opfers, dass der Gefährder von Grund auf ein hohes Aggressionspotenzial gegenüber dem Opfer aufweist und das Opfer sichtlich Angst vor dem Gefährder hat, wurde eine Gefährdungsprognose erstellt und am 25.6.2021 um XXXX Uhr durch Inspektor XXXX . gegen Herrn XXXX ein Betretung- und Annäherungsverbot gemäß § 38 Art SPG ausgesprochen.“
Angaben des Gefährders zum konkreten Vorfall: „Ich schlage meine Frau nicht regelmäßig. Wir haben verbale Auseinandersetzungen. Hin und wieder kommt es zu gegenseitigen Schlägen, wobei niemand verletzt wird. Ich liebe sie und würde ihr nie drohen oder sie regelmäßig schlagen.“
Angaben der gefährdeten Person zum konkreten Vorfall: Seit ca. zwei Jahren schlägt mich mein Mann mittels Ohrfeigen (Gesichtsbereich) mindestens einmal im Monat. Hin und wieder hat er mich auch getreten und/oder gewürgt. Das letzte Mal war vor ca. zwei Wochen. Hierbei hat er mit der Faust zugeschlagen. Ich habe große Angst vor ihm. Er würde mir mit Sicherheit wieder etwas antun, wenn wir wieder beieinander sind. Zusätzlich hat er mir gegenüber angegeben, dass er mich am liebsten in ein anderes Land verbringen möchte, um mich schlussendlich umzubringen.
Im Bericht weiters:
Tatsachen, aufgrund derer ein gefährlicher Angriff gegen Leben, Gesundheit oder Freiheit der gefährdeten Person zu erwarten ist: Fortgesetzte Gewaltausübung, gefährliche Drohung: Gefährdete wurde seit der Eheschließung mit dem Gefährder (ca. zwei Jahre) regelmäßig durch den Gefährder geschlagen, gelegentlich auch getreten und gewürgt; weiters wurde die Gefährdete durch den Gefährder mit dem Umbringen bedroht. Letzter Vorfall laut Gefährdeter liegt ca. zwei Wochen zurück, dabei wurde sie mit der Faust ins Gesicht geschlagen.
Zusätzliche Indikatoren aufgrund derer ein gefährlicher Angriff zu erwarten ist:
? Frühere gefährliche Drohungen, Nötigungen ,etc
? Eskalation: Häufigkeit und Schwere der Gewalt steigt, Steigerung von Ohrfeigen zu Faustschlägen und Morddrohung
? Verharmlosung von Gewalt: „Normalität bei Streitigkeiten“
Mit Mandatsbescheid des BFA vom 29.6.2021, XXXX , wurde dem BF die bisher gewährte Grundversorgung gemäß GVG entzogen. Begründend führte das BFA unter anderem aus, dass der BF wiederholte Male seine minderjährige Gefährtin misshandelt habe, die aufgrund der Misshandlungen sogar einen Selbstmordversuch unternommen habe. Überdies habe der BF ihre Familie mit dem Umbringen bedroht, wenn diese der Tochter beistehen sollte. Aufgrund des aggressiven und gefährlichen Verhaltens des BF habe eine weitere Gefährdung der Einhaltung der Hausordnung bestanden. Sein Interesse am Verbleib in der Grundversorgung musste daher hinter das Interesse der Mitbewohner sowie des Bundes an Ruhe, Sicherheit und Ordnung in der Betreuungseinrichtung zurücktreten.
Das BFA wies sodann den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten mit Bescheid vom 06.07.2021 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Kroatien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zur Prüfung des Antrags zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung des BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Kroatien zulässig sei.
Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die Sachverhaltsfeststellungen sowie die Beweiswürdigung zur Lage im Mitgliedstaat wurde im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):
„Zu Lage im Mitgliedsstaat:
Wie bereits ausgeführt wurden in Kroatien mit Stichtag 22.06.2021 358563Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, sowie 8139 Todesfälle bestätigt (WHO, 10.06.2021, https://covid19.who.int/region/euro/country/ro ).
Kroatien hat strikte Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung getroffen.
Es kann nicht festgestellt werden, dass Sie in Kroatien systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen sind oder diese dort zu erwarten hätten.
Allgemeines zu Vorbringen von Asylwerbern in Dublin Verfahren:
Die Asylbehörden haben nicht nachzuprüfen, ob ein Mitgliedstaat generell sicher ist. Nur wenn sich im Einzelfall ergeben sollte, dass Grundrechte des Asylwerbers z.B. durch Kettenabschiebung bedroht sind, so wäre aus innerstaatlichen, verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben.
(VfGH 17.6.2005, B 336/05, UBAS zu 268.445/3-X/47/06 vom 14.03.2006)
Es ist nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörde, hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahrens anzustellen. Auch aus dem Umstand, dass Anerkennungsquoten im Asylverfahren relativ gering seien, kann nicht automatisch darauf geschlossen werden, dass kein ordnungsgemäßes Verfahren geführt wird.“
(VwGH, 31.5.2005, Zl. 2002/20/0095)
Die höchstgerichtliche Judikatur ist gerade bei Anträgen ab 01.01.2006 aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 von besonderer Bedeutung.
Zum Mitgliedstaat Kroatien werden folgende Feststellungen getroffen:
(Anmerkung: Die Feststellungen sind durch die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zusammengestellt und entsprechen dem Stand vom 18.05.2020).
Allgemeines zum Asylverfahren
Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (AIDA 22.4.2020; USDOS 11.3.2020 für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).
(AIDA 22.4.2020)
Im Jahr 2019 wurden laut Eurostat 1.265 Erstanträge gestellt (von insgesamt 1.400 Anträgen im Vergleich zu 800 Anträgen im Jahr 2018) (Eurostat 20.3.2020; vgl. Eurostat 2.4.2020). Die Zahl der mutmaßlich unbegleiteten Minderjährigen belief sich auf 35 Personen (Eurostat 21.4.2020).
Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre (HPC) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020
- Eurostat (2.4.2020): Asylwerber und erstmalige Asylwerber. Jährliche aggregierte Daten, https://ec.europa.eu/eurostat/tgm/refreshTableAction.do?tab=table&plugin=1&pcode=tps00191&language=de, Zugriff 27.4.2020
- Eurostat (21.4.2020): Asylwerber. Mutmaßlich unbegleitete Minderjährige, https://ec.europa.eu/eurostat/tgm/table.do?tab=table&init=1&language=de&pcode=tps00194&plugin=1, Zugriff 27.4.2020
- Eurostat (20.3.2020): News Release. Asylum in the EU-Member States, https://ec.europa.eu/eurostat/documents/2995521/10554400/3-20032020-AP-EN.pdf/6ee052a9-ffb8-d170-e994-9d5107def1a8, Zugriff 24.3.2020
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Croatia, https://www.ecoi.net/en/document/2027527.html, Zugriff 18.5.2020
Dublin-Rückkehrer
Personen, die im Rahmen der Dublin-VO nach Kroatien zurückkehren (dies waren im Jahr 2019 insgesamt 99 Personen), haben prinzipiell vollen Zugang zum kroatischen Asylsystem. Wenn Rückkehrer Kroatien vor dem Ende ihres ursprünglichen Verfahrens verlassen haben und das Verfahren daher suspendiert wurde, müssen sie bei Rückkehr gemäß Art. 18(2) der Dublin-III-VO neuerlich einen Asylantrag stellen. Wer hingegen vor Verlassen des Landes seinen Antrag explizit zurückgezogen hat bzw. eine Zurückweisung erhalten hat, gilt in solch einem Fall als Folgeantragsteller (AIDA 22.4.2020).
Die Überstellung von Dublin-Rückkehrern nach Kroatien wurde von europäischen nationalen Gerichten nicht infrage gestellt. Dies wurde vom Gerichtshof der Europäischen Union bestätigt (AIDA 22.4.2020).
In einer im Februar 2019 veröffentlichten Studie der Organisation "Médecins du Monde" wird festgestellt, dass es Dublin-Rückkehrern in Kroatien an psychosozialer Unterstützung fehle (MdM 2.2019). (Siehe dazu auch Abschnitt 6.3. Medizinische Versorgung, Anm.)
Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020
- MdM – Medecins du Monde (2.2019): Nearing a point of no return, https://medecinsdumonde.be/system/files/publications/downloads/Mental%20health%20of%20asylum%20seekers%20in%20Croatia_0.pdf, Zugriff 24.3.2020
Unbegleitete minderjährige Asylwerber / Vulnerable
Als vulnerabel gelten unmündige Personen, Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, alte und gebrechliche Personen, ernsthaft Kranke, Behinderte, Schwangere, AlleinerzieherInnen mit minderjährigen Kindern, psychisch Kranke, Opfer von Menschenhandel, Folter, Vergewaltigung oder anderen Formen psychologischer, physischer und sexueller Gewalt. Für Vulnerable gibt es spezielle Verfahrens- und Unterbringungsgarantien. Im Hinblick auf ihre persönlichen Umstände ist ihnen geeignete – auch medizinische - Unterstützung zu bieten. Speziell geschulte Beamte sollen Vulnerable identifizieren; ein institutionalisiertes Früherkennungssystem gibt es nicht (AIDA 22.4.2020). Als "unbegleitete Minderjährige" gelten Drittstaatsangehörige bzw. staatenlose Personen, die jünger als 18 Jahre alt sind und ohne Begleitung verantwortlicher erwachsener Personen in die Republik Kroatien eingereist sind (HPC o.D.).
In Gesetz und Praxis wird die Identifizierung spezieller Bedürfnisse als kontinuierlicher Prozess während des Verfahrens gesehen. Die frühzeitige Erkennung von Vulnerabilität erfolgt durch speziell ausgebildete Polizeibeamte, die dann das Aufnahmezentrum für Asylwerber je nach Bedarf entsprechend informieren. Die weitere Ermittlung besonderer Schutzbedürftigkeit erfolgt in der Unterbringung durch Sozialarbeiter oder Mitarbeiter von NGOs in Kooperation mit dem Innenministerium (AIDA 22.4.2020; vgl. HPC o.D.). NGOs und das Innenministerium arbeiten zwar zusammen, ein systematischer Informationsaustausch findet jedoch nicht statt. Weniger offensichtliche Vulnerabilität wie z.B. im Zusammenhang mit Traumatisierten oder Opfern von Folter oder Menschenhandel oder auch von LGBTI-Personen werden in der gegenwärtigen Praxis viel seltener erkannt. Das Rehabilitationszentrum für Stress und Trauma berichtete, dass es noch immer keinen geeigneten Mechanismus zur Identifizierung von Folteropfern gibt (AIDA 22.4.2020).
Mit einem am 30. August 2018 verabschiedeten Protokoll über die Behandlung unbegleiteter Minderjähriger soll die Stellung dieses Personenkreises verbessert werden. Das Protokoll bietet einen detaillierten Überblick über alle Verfahren und enthält Leitlinien für alle relevanten Akteure, die mit unbegleiteten Minderjährigen in Kontakt kommen und mit ihnen arbeiten. Nach Angaben des Innenministeriums wurde eine ressortübergreifende Kommission eingerichtet, um die Zusammenarbeit zwischen Organen der staatlichen Verwaltung und anderen am Schutz unbegleiteter Minderjähriger beteiligten Akteuren zu verbessern. Diese Kommission ist 2019 zweimal zusammengetreten, allerdings ohne spezielle Resultate zu erzielen. Am 1. Januar 2019 trat ein neues Pflegeelterngesetz in Kraft, das die Möglichkeit des Aufenthalts unbegleiteter Minderjähriger in einer Pflegefamilie vorsieht (AIDA 22.4.2020).
Die Anträge unbegleiteter minderjähriger Asylwerber (UMA) werden bei der Entscheidungsfindung vorrangig behandelt. Sofern letztere den Wunsch nach Asyl erkennen lassen, ist ihnen vom Zentrum für soziale Wohlfahrt noch vor Antragstellung ein geeigneter Vormund zur Seite zu stellen. Laut Angaben des Ministeriums gab es auch im Jahr 2018 in der Praxis Verzögerungen bei der Bestellung eines gesetzlichen Vormunds. Vormunde sind in der Regel Mitarbeiter des zuständigen Zentrums für soziale Wohlfahrt, üblicherweise Juristen, Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen. Überlastung und Verständigungsprobleme können dazu führen, dass die Rolle der Vormunde eher formal bleibt und sie nicht aktiv im Sinne ihrer Schutzbefohlenen tätig werden. Der Vormund hat im besten Interesse des Kindes alle notwendigen Abklärungen mit Behörden, NGOs, usw. zu treffen. Ist ein UMA über 16 Jahre alt und verheiratet, ist kein Vormund zu bestellen (AIDA 22.4.2020; vgl. HPC o.D.). Die Ombudsperson für Kinder hat festgestellt, dass es in der Praxis beim Vormundsystem Probleme gibt (HPC o.D.) und die Vormünder oft nicht verfügbar sind bzw. nicht in regelmäßigem Kontakt mit dem Kind stehen. Besuche finden in bestimmten Fällen nur dann statt, wenn diese vom Innenministerium oder anderen Institutionen/Organisationen angesetzt werden (AIDA 22.4.2020).
Bei Zweifeln am Alter einer Person sollen zuerst die vorhandenen Informationen, inklusive der Meinung der Experten, die mit dem Minderjährigen täglich arbeiten, bewertet werden. Wenn dies nicht genügt, ist mit schriftlichem Einverständnis des Minderjährigen und des Vormunds eine medizinische Altersfeststellung möglich. Diese besteht aus einer allgemeinen medizinischen Untersuchung und einem Röntgen der Zähne und/oder der Hand. Im Zweifel ist Minderjährigkeit anzunehmen. Wird die Zustimmung zur Altersfeststellung verweigert, ist der Antragssteller als Erwachsener zu behandeln, der Antrag darf aber (nur) deswegen nicht abgelehnt werden. Im Zweifel wird zunächst eine zweite Meinung eingeholt, sofern die Zweifel fortbestehen, ist von der Minderjährigkeit auszugehen. Nach Angaben des Innenministeriums wurde das Altersfest-stellungsverfahren in den Jahren 2017 und 2018 nicht durchgeführt. Für 2019 liegen diesbezüglich keine Informationen vor (AIDA 22.4.2020).
UMA unter 14 Jahren werden in Kinderheimen und jene über 14 Jahren in Jugendunterkünften untergebracht. Die Mitarbeiter dieser Unterkünfte sind jedoch nicht speziell auf den Umgang mit UMA vorbereitet. Verschiedene NGOs haben Bedenken insbesondere hinsichtlich der Unterbringung von Kindern in Kinderbetreuungseinrichtungen geäußert, da dort hauptsächlich Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten betreut werden. Die Eignung dieser Einrichtungen für den Aufenthalt von UMA kann in Zweifel gezogen werden, insbesondere wenn man die besonderen Bedürfnisse dieser Minderjährigen sowie die Nichtverfügbarkeit von Dolmetschern in diesen Einrichtungen berücksichtigt. Ein neues Gesetz über Pflegefamilien, das am 1. Januar 2019 in Kraft getreten ist, eröffnet die Möglichkeit, unbegleitete Minderjährige in Pflegefamilien unterzubringen. Die Angaben zur Zahl unbegleiteter minderjähriger Asylwerber, die 2019 internationalen Schutz in Kroatien beantragt haben, divergieren laut der Ombudsperson für Kinder beträchtlich; Während das Innenministerium deren Zahl mit 70 angibt, haben die Zentren für Sozialfürsorge über die Ernennung von Vormündern für 281 unbegleitete Minderjährige entschieden (AIDA 22.4.2020).
Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 18.5.2020
- HPC - Croatian Law Centre (o.D.): Legal representation of unaccompanied children - Croatia, http://www.asylumineurope.org/reports/country/croatia/age-assessment-and-legal-representation-unaccompanied-children-0, Zugriff 27.3.2020
Non-Refoulement
Seit 2016 gibt es eine Liste von zehn sicheren Herkunftsstaaten. Diese sind Albanien, Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien, Kosovo, Montenegro, Serbien, Marokko, Algerien, Tunesien und die Türkei. Auf letztere wird das Konzept des sicheren Herkunftsstaates in der Praxis nicht angewandt. Im Jahr 2018 wurde das Konzept in insgesamt 76 Fällen umgesetzt, die sich wie folgt verteilen: bei Algeriern (39), Marokkanern (13), Tunesiern (13), Kosovaren (5), Serben (4) und Bosniern (2). Entsprechende Zahlen für 2019 liegen nicht vor. Laut Gesetz kann ein Land dann als sicherer Drittstaat eingestuft werden, wenn ein Antragsteller dort sicher ist vor Verfolgung oder dem Risiko, ernsten Schaden zu erleiden, wenn das Non-Refoulement-Prinzip beachtet und effektiver Zugang zum Asylverfahren gewährt wird. Ob dies zutrifft, ist eine Einzelfallentscheidung. Wenn ein Antragsteller bereits in einem anderen Staat Schutz erhalten hat oder Refoulement-Schutz genießt, kann sein Antrag in Kroatien als unzulässig zurückgewiesen werden (AIDA 22.4.2020).
Eines der zentralen Themen in Kroatien war in den vergangenen Jahren der eingeschränkte Zugang zum Asylsystem für Personen, die via Serbien oder Bosnien und Herzegowina einreisen wollten (AIDA 22.4.2020). Internationale und kroatische NGOs sowie internationale Organisationen außerhalb des Landes wie das Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) berichteten über polizeiliche Pushbacks von Migranten, die versuchten, über die Grenze zu Serbien und insbesondere zu Bosnien und Herzegowina illegal in das Land einzureisen (USDOS 11.3.2020; vgl. HRW 8.11.2019, SRF 28.9.2019; AI 2019). Es gab auch Berichte über Polizeigewalt (FH 4.2.2019). Durch die erwähnten Pushbacks werden die Migranten von materieller und medizinischer Hilfe ausgeschlossen bzw. sogar ihre Besitztümer (Kleidung, Schlafsäcke, Rucksäcke, Zelte) verbrannt bzw. auch andere Gegenstände wie Mobiltelefone, Powerbanks oder persönliche Dokumente ins Visier genommen (ECRE 30.8.2019).
Es gibt Berichte über einen fortgesetzten und unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt und eine erniedrigende und unmenschliche Behandlung von Asylwerbern (ECRE 31.1.2020).
Seitens der Ombudsperson wurde nach Eingang einer anonymen Beschwerde eines Grenzpolizisten, wonach die illegale Misshandlung von Migranten von den Vorgesetzten der Polizei angeordnet worden sei, schließlich das Parlament informiert. Das Innenministerium wies diese Behauptungen als unbegründet und ungenau zurück. Die Regierung arbeitete in den meisten Fällen mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Flüchtlingen, Asylsuchenden, Staatenlosen und anderen Betroffenen Schutz und Hilfe zu gewähren. Die Regierung hat bedeutende Schritte unternommen, um Personen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, strafrechtlich zu verfolgen und zu bestrafen (USDOS 11.3.2020). Auch die Europäische Kommission beurteilt die Einrichtung eines Kontrollregimes für das Verhalten der kroatischen Grenzbeamten sowie das Versprechen der kroatischen Regierung, allen Vorwürfen nachzugehen, positiv. Es gebe ausreichende Belege dafür, dass das Land bemüht ist, seine Verpflichtungen zum Schutze der Menschenrechte zu erfüllen (HRW 8.11.2019).
Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020
- AI – Amnesty International (2019): Pushed to the edge. Violence and abuse gainst refugees and migrants along the Balkan route, https://www.amnesty.org/download/Documents/EUR0599642019ENGLISH.PDF, Zugriff 13.3.2020
- ECRE - European Council on Refugees and Exiles (30.8.2019): Report on Illegal Pushback and Border Violence, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Report%20on%20Illegal%20Pushback%20and%20Border%20Violence%20_%20European%20Council%20on%20Refugees%20and%20Exiles%20%28ECRE%29.pdf, Zugriff 17.1.2020
- ECRE - European Council on Refugees and Exiles (31.1.2020): New Report on Torture of Asylum Seekers by Authorities, https://www.ecre.org/croatia-new-report-on-torture-of-asylum-seekers-by-authorities/, Zugriff 17.4.2020
- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Croatia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2015957.html, Zugriff 13.1.2020
- HRW – Human Rights Watch (8.11.2019): EU: Push-Backs an kroatischer Grenze beenden, https://www.hrw.org/de/news/2019/11/08/eu-push-backs-kroatischer-grenze-beenden, Zugriff 23.3.2020
- SRF - Schweizer Rundfunk (28.9.2019): lllegale Push-Backs - SEM bei Kroatien-Rückführungen zurückgepfiffen, https://www.srf.ch/news/schweiz/illegale-push-backs-sem-bei-kroatien-rueckfuehrungen-zurueckgepfiffen, Zugriff 24.3.2020
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Croatia, https://www.ecoi.net/en/document/2027527.html, Zugriff 23.03.2020
Versorgung
Asylwerber in Kroatien haben das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens. Dieses Recht gilt ab dem Zeitpunkt, an dem die betreffenden Personen den Willen zur Asylantragsstellung erkennen lassen und umfasst Unterbringung in einem Aufnahmezentrum, Verpflegung, Kleidung und finanzielle Unterstützung sowie Refundierung der Fahrtkosten in öffentlichen Verkehrsmitteln. Die monatliche finanzielle Unterstützung wird ab der Unterbringung in einem Aufnahmezentrum gewährt und beläuft sich per 31.12.2019 auf 100 Kuna (EUR 13,40) pro Person. Auch wenn sich der Betrag bei abhängigen Familienmitgliedern erhöht, gilt er doch als sehr gering bemessen. Asylwerber, deren Verfahren nach neun Monaten noch nicht entschieden ist, haben das Recht zu arbeiten. Der faktische Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber wird jedoch durch die Sprachbarriere und die hohe Arbeitslosigkeit behindert. Asylwerber haben keinen Zugang zu Jobtrainings, sie können aber auf freiwilliger Basis innerhalb der Aufnahmezentren mitarbeiten. Auch können sie bei gemeinnützigen Tätigkeiten oder bei der Arbeit humanitärer Organisationen mitwirken (AIDA 22.4.2020).
Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020
Unterbringung
Gemäß Asylgesetz haben Asylwerber während des Asylverfahrens das Recht auf Unterbringung in entsprechenden Aufnahmezentren. Auf Antrag können sie auf eigene Kosten außerhalb eines Zentrums wohnen. Kroatien verfügt über zwei offene Aufnahmezentren für Asylwerber, in Zagreb im „Hotel Porin“ (Kapazität: 600 Plätze) und in Kutina (Kapazität: 100 Plätze). Beide Zentren werden vom kroatischen Innenministerium geführt. Das Zentrum in Kutina zielt auf die Unterbringung vulnerabler Antragsteller ab, auch wenn 2019 dort hauptsächlich umgesiedelte Personen beherbergt wurden, bis diese am Ende des Jahres in anderen Städten mit bezahlten Wohnungen ausgestattet wurden. Der Plan, in Mala Gorica ein neues Aufnahmezentrum zu bauen, wurde nach Protesten der lokalen Bevölkerung wieder verworfen und das veranschlagte Geld in die Renovierung der bestehenden Zentren investiert (AIDA 22.4.2020).
Das „Hotel Porin“, offizielle Bezeichnung „Reception Center for Asylum Seekers Zagreb“, ist ein ehemaliges Hotel, das nach der Schließung nunmehr im Eigentum der Polizei steht. Das Zentrum wird von Polizei und Regierung mit Unterstützung zahlreicher NGOs wie Croatian Baptist Aid, MSF, dem Roten Kreuz und IOM betrieben (BGAV 13.5.2019). Eine umfassende Renovierung 2019 hat die Lebensbedingungen für die Asylwerber wesentlich verbessert (AIDA 22.4.2020).
Die Bewohner können sich frei bewegen, müssen aber – sofern keine Sondergenehmigung vorliegt – bis 23 Uhr wieder im Haus sein. In Kutina teilen sich Familien ein Zimmer, unbegleitete Minderjährige und alleinstehende Frauen werden getrennt untergebracht. In Zagreb werden maximal vier Personen pro Zimmer untergebracht; Familien mit mehr als fünf Mitgliedern werden nach Möglichkeit zwei Zimmer zur Verfügung gestellt. Die Ausstattung mit Duschen und Toiletten ist ausreichend und die Einrichtungen werden regelmäßig gereinigt (AIDA 22.4.2020).
In beiden Zentren erhalten die Bewohner drei Mahlzeiten pro Tag und schwangere Frauen, Wöchnerinnen und Minderjährige bis 16 Jahre erhalten zusätzlich eine Nachmittagsjause. In vom Roten Kreuz ausgestatteten Küchen können sich die Asylwerber außerdem selbst Mahlzeiten zubereiten (AIDA 22.4.2020).
Das Personal des Innenministeriums in den Aufnahmezentren ist ausreichend. Es werden soziale und pädagogische Aktivitäten organisiert wie etwa Sportaktivitäten, Sprach- und EDV-Kurse und verschiedenste Workshops beispielsweise über kroatische Kultur und über Sitten und Gebräuche. Auch Kinderspielzimmer, Bibliothek, Friseur und ähnliches stehen zur Verfügung. Die meisten Asylwerber bleiben nicht lange in den Aufnahmezentren, da sie sich auf der Durchreise befinden (AIDA 22.4.2020).
Der Jesuitische Flüchtlingsdienst JRS organisiert zahlreiche Freizeitaktivitäten und Sprachkurse. Zudem können die Bewohner der Aufnahmezentren eine asylrechtliche Beratung und psychosoziale Unterstützung in Anspruch nehmen (JRS o.D.).
UNICEF setzt sich besonders dafür ein, dass bei der Organisation und Planung der Dienste in den Aufnahmezentren den Bedürfnissen der Kinder besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird (AIDA 22.4.2020). Für Familien mit Kindern stellt UNICEF die medizinische Versorgung von Müttern und Kindern sowie Unterstützung für schwangere und stillende Mütter bereit. Weiters organisiert UNICEF abgeschlossene Bereiche, in denen die Kinder spielen und informell lernen können (UNICEF o.D.).
Antragsteller können bis zum Ende ihres Verfahrens in den Unterbringungszentren bleiben. Wenn eine rechtskräftig negative Entscheidung vorliegt und die postulierte Frist zur freiwilligen Ausreise verstrichen ist, muss das Zentrum verlassen werden (AIDA 22.4.2020).
Kroatien verfügt zurzeit über drei Schubhaftzentren mit einer Gesamtkapazität von insgesamt 219 Personen: das geschlossene (Schubhaft-) Zentrum (Center for Foreigners) in Jezevo mit 95 Plätzen und die Transitzentren in Trilj und in Torvarnik mit jeweils 62 Plätzen. 2018 wurden gemäß kroatischen Innenministerium insgesamt 928 Migranten inhaftiert, davon 535 in Jezevo, 109 in Tovarnik und 284 in Trilj. Diese Zahl umfasst nicht die von der Polizei angeordneten Inhaftierungen, sondern nur jene, die von Aufnahmezentren für Asylwerber oder den Asylbehörden angeordnet wurden. Es liegen keine Daten über die Inhaftierung von Migranten und Bewerbern um internationalen Schutz im Laufe des Jahres 2019 vor (AIDA 22.4.2020).
Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020
- BGAV - Baptist General Association of Virginia (13.5.2019): Via Will Cumbia, Venturer: Partnering with Croatian Baptists in Ministry with Refugees in Bosnia, https://bgav.org/partnering-with-croatian-baptists-in-ministry-with-refugees-in-bosnia/, Zugriff 7.1.2020
- JRS – Jesuit Refugee Service (o.D.): Activities in Organisation. Activities in the detention, http://www.jrs.hr/en/activities-in-organization/, Zugriff 27.4.2020
- UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (o.D.): Helping child refugees and migrants, https://www.unicef.org/croatia/en/helping-child-refugees-and-migrants, Zugriff 27.4.2020
Unterbringung Vulnerabler/UMA
Für Vulnerable gelten spezielle Verfahrens- und Unterbringungsgarantien. Sie werden im allgemeinen Unterbringungssystem versorgt. So dient das Zentrum Kutina primär der Unterbringung vulnerabler Asylwerber. Dort wurden spezielle Bereiche für Frauen und Vulnerable eingerichtet. Familien werden gemeinsam, alleinstehende Frauen, unbegleitete Minderjährige und Traumatisierte in getrennten Räumen untergebracht. In manchen Fällen wurden Kinder gemeinsam mit erwachsenen Asylwerbern untergebracht (AIDA 22.4.2020).
UNICEF berichtete, dass Ende 2019 ein kurzfristiger Vertrag mit dem JRS (gültig bis April 2020) unterzeichnet wurde, der die Finanzierung der Wiederherstellung eines kinderfreundlichen Raums vorsieht (AIDA 22.4.2020). Ziel ist es, einen sicheren Ort für die Kinder zu schaffen, an dem sie lernen, spielen und Spaß haben können. Weiters soll den Kindern Schutz, psychosoziales Wohlbefinden und nicht-formale Bildung geboten werden. Dem Alter der Kinder entsprechend werden altersgerechte Spiele, Lerntechniken und pädagogische Inhalte verwendet (JRS o.D.).
Sozialarbeiter bieten tägliche psychosoziale Betreuung und organisieren soziale und kulturelle Events. Unbegleiteten Minderjährigen, psychisch beeinträchtigten Personen und potentiellen Traumaopfern wird besondere Beachtung geschenkt. Wenn nötig, werden die Betroffenen zu medizinischer bzw. psychologischer Spezialbehandlung überwiesen. Um geschlechtsspezifische Gewalt zu verhindern und Kinder vor Erwachsenen zu schützen, führen die in den Empfangszentren tätigen Mitarbeiter des kroatischen Roten Kreuzes Workshops durch und organisieren auch individuelle Beratungen über mögliche Risiken sexueller Gewalt, Ausbeutung und des Menschenhandels. Weiters gibt es Sprachkurse, Arbeitsvermittlung usw. Mehrere NGOs sind in den Zentren präsent und bieten Unterstützungsmaßnahmen an. Es existieren in Kroatien keine Monitoringmechanismen bezüglich der Einhaltung der Unterbringungsgarantien für Vulnerable. Sozialarbeiter des kroatischen Innenministeriums und des Roten Kreuzes sind aber täglich in den Zentren anwesend und können unterstützend tätig werden. In der Praxis können die Mitarbeiter des Kroatischen Roten Kreuzes während ihrer regelmäßigen Arbeit und der Kommunikation mit Asylsuchenden sowie bei der Einzel- und Gruppenunterstützung die Bedürfnisse anfälliger Gruppen beobachten und, wenn erforderlich, Änderungen in der Unterbringung vorschlagen. Bei Bedarf können Vulnerable auch anderweitig untergebracht werden. Laut Innenministerium werden spezielle Unterbringungsbedürfnisse meist auf Empfehlung des Arztes nach dem ersten Gesundheitscheck festgestellt (z.B. spezielle Diät, psychosoziale Unterstützung, spezielle Unterkunft) (AIDA 22.4.2020).
Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020
- JRS – Jesuit Refugee Service (o.D.): Child Friendly Space in the Reception Center for International Protection seekers in Zagreb, http://www.jrs.hr/en/causes/child-friendly-space-in-the-reception-center-for-international-protection-seekers-in-zagreb/, Zugriff 17.4.2020
Medizinische Versorgung
Asylwerber haben das Recht auf medizinische Notversorgung und notwendige medizinische und psychologische Behandlung. Diese Behandlung ist in den Aufnahmezentren Zagreb und Kutina verfügbar. Zudem wurde in beiden Zentren eine Ambulanz für chronische und lebensbedrohliche Krankheiten eingerichtet. Das Kroatische Rote Kreuz bietet ein breites Spektrum verschiedenster Leistungen an. Dazu gehören eine permanente psychologische und psychosoziale Unterstützung sowie eine besondere Betreuung potentieller Opfer von Folter und Traumata (AIDA 22.4.2020).
Zur spezialisierteren Behandlung werden die betroffenen Personen an das Spital in Kutina überwiesen, das unter anderem über Ambulanzen in den Bereichen Kinderheilkunde, Gynäkologie und Neuropsychiatrie verfügt. Im Spital in Zagreb sind Suchtbehandlung, eine Zahnambulanz sowie eine Psychiatrie verfügbar. Darüber hinaus werden Antragsteller an lokale Krankenhäuser überwiesen, d.h. in Sisak für diejenigen, die in Kutina untergebracht sind, und an das Krankenhaus von Zagreb. Auch wurden für die Asylwerber zuständige Apotheken, jeweils eine in Zagreb und Kutina, festgelegt. Ein Ärzteteam von MdM war jeden Werktag von 9 bis 15 Uhr im Aufnahmezentrum in Zagreb und je nach Bedarf im Aufnahmezentrum in Kutina anwesend (AIDA 22.4.2020).
Vulnerable Antragsteller, insbesondere Opfer von Folter, Vergewaltigung oder sonstigen schwerwiegenden Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt, sind entsprechend medizinisch zu behandeln. In der Praxis ist diese zusätzliche Gesundheitsversorgung jedoch nicht regelmäßig zugänglich. Ein Mechanismus zur Identifizierung Vulnerabler existiert nicht, sie werden oft an den Arzt im Unterbringungszentrum verwiesen. Seit 2010 betreibt das Croatian Law Centre das Projekt “Protection of Victims of Torture among Vulnerable Groups of Migrants”. 24 Personen wurden 2019 im Rahmen dieses Projekts betreut (AIDA 22.4.2020).
Teams von Medecins du Monde - bestehend aus Allgemeinmedizinern, einer Krankenschwester, einem Psychologen und einem Dolmetscher - bieten bei Bedarf medizinische und psychologische Unterstützung an. MdM arbeitet täglich mit diesen Menschen, von denen die meisten Opfer von multiplen Traumata sind, zusammen und kümmert sich – sofern erforderlich - auch um den Transport und die Begleitung in Krankenhäuser. Weiters wird Asylwerbern auch eine spezialisierte Betreuung angeboten. Zweimal im Monat sind ein Psychiater, ein Kinderarzt und ein Gynäkologe bei den Konsultationen anwesend. Sie ermöglichen Frauen und Kindern eine fachärztliche Betreuung. Schließlich wird auch die Impfung von Kindern gefördert, indem diese zu den entsprechenden Einrichtungen begleitet werden (MdM o.D.; vgl. MdM 6.2018). Im Jahr 2019 führte das Ärzteteam von MdM 3.556 ärztliche Konsultationen durch, hiervon 1.360 Erstuntersuchungen neu eingetroffener Asylwerber, weiters 1.200 psychologische Einzelberatungen und 110 psychiatrische Fachuntersuchungen (AIDA 22.4.2020).
Darüber hinaus bietet als Teil des MdM-Teams ein Sozialarbeiter Informationen, Anleitungen und praktische Unterstützung für Asylwerber (z.B. Begleitung von Patienten in Gesundheitseinrichtungen, Begleitung von Kindern von Asylwerbern zur Impfung). Auch Schutzberechtigte werden entsprechend unterstützt, damit sie ihre Rechte geltend machen können. Durch Workshops oder individuelle Beratung informiert das medizinische Team von MdM über Prävention von Infektionskrankheiten, Hygiene, Zugang zur Gesundheitsversorgung und Familienplanung (MdM 6.2018).
Außerdem hat das "Zentrum für Kinder, Jugend und Familie“ (Modus) seit März 2015 mit der Bereitstellung von kostenloser Beratung und Psychotherapie für Antragsteller und Flüchtlinge begonnen. 2019 wurde die Beratung nicht in den Aufnahmezentren selbst, sondern in den Räumlichkeiten der Organisation angeboten und von drei Psychologen und zwei Dolmetschern für Farsi und Arabisch unterstützt. Eine Sitzung dauert zwischen 45 und 60 Minuten und beinhaltet die üblichen Regeln für die Gewährung psychologischer Unterstützung, wie z.B. Vertraulichkeit und die Möglichkeit, sich auf die zu behandelnden Themen zu einigen (AIDA 22.4.2020).
MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).
Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 27.4.2020
- MdM - Médecins du Monde (o.D.): Soigner et soutenir les demandeurs d'asile à Zagreb & Kutina. Croatie, https://medecinsdumonde.be/projets/soigner-et-soutenir-les-demandeurs-dasile-a-zagreb-kutina#Notreaction, Zugriff 27.4.2020
- MdM - Médecins du Monde (6.2018): Croatia – Hidden (human) faces of European Union’s Dublin regulation from a health perspective, https://medecinsdumonde.be/system/files/publications/downloads/MdM-BE%20-%20Croatia%20Hidden%20human%20faces%20Dublin%20-%20June%202018.pdf, Zugriff 27.4.2020
- MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail
D) Beweiswürdigung
Die Behörde gelangt zu obigen Feststellungen aufgrund folgender Erwägungen:
[ … ]
Betreffend die Feststellungen zur Lage im Mitgliedsstaat:
Zur Lage im Mitgliedstaat gaben Sie an, dass Sie zwar in einem Lager untergebracht worden wären, aber dass Sie von den kroatischen Behörden schlecht behandelt worden wären. Sie hätten öfter versucht die Grenze von Bosnien zu Kroatien zu überqueren. Dabei wären Sie geschlagen worden .
Die in den Feststellungen zu Kroatien angeführten Inhalte stammen aus einer Vielzahl von unbedenklichen und aktuellen Quellen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen, welche durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt wurden. In diesem Zusammenhang sei auf den Inhalt des §5 IFA-G betreffend die Ausführungen zur Staatendokumentation verwiesen, insbesondere auf den Passus, wonach die gesammelten Tatsachen länderspezifisch zusammenzufassen, nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren sind, einschließlich den vorgegebenen Aktualisierungsverpflichtungen.
Hinweise darauf, dass die vorstehend angeführten Vorgaben des §5 IFA-G bei den dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegten Feststellungen zu Kroatien nicht beachtet worden wären, haben sich im Verfahren nicht ergeben.
Soweit sich das Bundesamt im gegenständlichen Bescheid auf Quellen älteren Datums bezieht, wird angeführt, dass diese -aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse in Kroatien- nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.
Aus Ihren Angaben sind keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass Sie tatsächlich konkret Gefahr liefen, in Kroatien Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass Ihnen eine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.
Betreffend Ihre gesundheitliche Probleme ergibt sich insgesamt aus Ihren Angaben kein Hinweis darauf, dass Ihnen in Kroatien in einer der EMRK widersprechenden Weise eine erforderliche medizinische Versorgung vorenthalten worden wäre oder in der Zukunft vorenthalten werden könnte. Es sei auch darauf hingewiesen, dass eine ausreichende medizinische Versorgung in einem Mitgliedstaat jedenfalls nicht bedeutet, dass jegliche von einem Asylwerber gewünschte ärztliche Behandlung durchzuführen ist, sondern dass die Mitgliedstaaten in jedem Fall Zugang zur medizinischen Notversorgung gewähren, wie sich aus der Aufnahmerichtlinie der EU ergibt.
Aus dem gesamten vorliegenden Sachverhalt ergibt sich in Ihrem Fall derzeit keine aktuell bestehende und gravierende Erkrankung, welche die Gefahr einer unzureichenden medizinischen Versorgung in Kroatien darstellen würde. Unter Berücksichtigung des gesamten vorliegenden Sachverhalts ist jedenfalls davon auszugehen, dass für Ihren Bedarf in Kroatien eine ausreichende medizinische Versorgung besteht.
Der Vollständigkeit halber wird zudem auf folgendes hingewiesen:
Neben der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des europäischen Parlaments und des Rates sind für Kroatien folgende Richtlinien beachtlich:
- - Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) im Hinblick über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes.
- Verfahrensrichtlinie (Richtlinie 2013/32/EU) hinsichtlich gemeinsamer Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes.
- Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2013/33/EU) zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, einschließlich der Verpflichtung des Partnerstaates für ausreichende medizinische Versorgung und die Gewährung von ausreichenden materiellen Leistungen an Asylwerbern, welche die Gesundheit und den Lebensunterhalt der Asylsuchenden gewährleisten. Insbesondere gewährleisten die Mitgliedstaaten in jedem Fall Zugang zur medizinischen Notversorgung.
Gegen Kroatien hat die Europäische Kommission kein Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226 des EG-Vertrages wegen Missachtung der Status-, Verfahrens- oder Aufnahmerichtlinie eingeleitet.
Insofern ergibt sich aus diesem Umstand –ebenso wie aus dem sonstigen Amtswissen- kein Hinweis, dass Kroatien die vorstehend angeführten Richtlinien nicht in ausreichendem Maß umgesetzt hätte oder deren Anwendung nicht in ausreichendem Umfang gewährleisten würde. Unter diesen Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ergibt sich in Ihrem Fall kein Hinweis auf eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Verletzung Ihrer durch die vorstehend angeführten Richtlinien gewährleisteten Rechte in Kroatien im Falle Ihrer Überstellung in dieses Land.
[ … ]
……….. ist festzuhalten, dass sich im Verfahren keine Anhaltspunkte für eine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Kroatien ergeben haben. Weiters ist festzuhalten, dass Sie im Verfahren keine konkreten auf Sie persönlich bezogenen Umstände glaubhaft gemacht haben, die gerade in Ihrem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall Ihrer Abschiebung nach Kroatien als wahrscheinlich erscheinen lassen. Aus diesem Grund kann nicht davon ausgegangen werden, dass Sie tatsächlich konkret Gefahr liefen, in Kroatien Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass Ihnen eine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.
Unter Beachtung des Aspektes, dass sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union untereinander im Sinne einer normativen Vergewisserung (VfGH 17.06.2005, B 336/05) als sichere Staaten für AsylwerberInnen ansehen, was jedenfalls insbesondere auch beinhaltet, dass Art. 3 EMRK gewährleistete Rechte eines Antragstellers in einem Mitgliedsstaat nicht verletzt werden und mangels sonstigem Hinweis darauf, dass dies speziell in Ihrem Fall in Kroatien nicht gegeben sein könnte, haben sich im Verfahren weder Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts, noch für die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen durch das Bundesamt zur allgemeinen und zu Ihrer besonderen Lage in Kroatien ergeben.
Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass sich Kroatien mit Schreiben vom 12.02.2021 ausdrücklich bereit erklärt hat, Sie im Rahmen der Verpflichtungen aus der Dublin Verordnung zur Prüfung Ihres Asylantrages zu übernehmen und es kann daher nicht erkannt werden, dass Ihnen der Zugang zum Asylverfahren in Kroatien verweigert werde. Eine Schutzverweigerung in Kroatien kann daher auch nicht erwartet werden.“
Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das BFA im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen aus, der Antrag auf internationalen Schutz sei zurückzuweisen, weil Art. 18 Abs. 1 lit b Dublin III-VO formell erfüllt (und sohin Kroatien für die Prüfung des Antrags zuständig) sei. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der GRC oder der EMRK im Falle einer Überstellung des BF ernstlich für möglich erscheinen lassen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Der im Spruch genannte Staat sei bereit, den BF einreisen zu lassen und seinen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen. Es sei festzustellen, dass in Kroatien, einem Mitgliedstaat der EU mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung der EMRK im gegenständlichen Zusammenhang nicht eintreten werde. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe zu und es habe sich kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Weiters lägen keine humanitären Gründe gem. Art. 16 und 17 Abs. 2 leg.cit. vor. Die Ausweisung der BF stelle mangels eines schützenswerten Familienlebens in Österreich keine Verletzung von Art. 8 EMRK dar, vielmehr habe der BF seine Gefährtin sowie deren Familie massiv bedroht und stelle er eine Gefahr für die mitgereiste Verwandtschaft dar. Aufgrund der zu kurzen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet sei der BF im Falle seiner Rücküberstellung nach Kroatien auch nicht in seinem Recht auf Privatleben verletzt.
Dieser Bescheid wurde aufgrund des Untertauchens des BF vom 06.07.2021 durch Hinterlegung im Akt gemäß § 23 Abs. 2 ZustellG zugestellt.
Ebenfalls am 06.07.2021 wurde die kroatische Dublin Behörde vom Untertauchens des BF in Kenntnis gesetzt, sodass sich das Transferlimit von 6 auf 18 Monate erstreckte.
Gegen den obgenannten Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde des BF, in welcher er im Wesentlichen geltend machte, dass der BF nach dem Tod seiner Eltern bei der Familie seiner Ehegattin aufgewachsen sei. Er habe in Afghanistan viele negative Erlebnisse erfahren, er sei aufgrund traumatischer Ereignisse schwer beeinträchtigt, es komme regelmäßig zu impulsiven Durchbrüchen und selbstschädigendem Verhalten. Zudem sei er auf dem linken Ohr taub und leide an Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen und Gedächtnisstörungen. Auch habe er Narben am Kopf und Bauch, die aus Misshandlungen durch die Taliban resultierten. Weiters sei von der Behörde der Stellenwert des schützenswerten Familienlebens des BF im Bundesgebiet nicht ausreichend ermittelt worden. Im Übrigen wurde allgemeine Kritik am kroatischen Asylverfahren und der Versorgung von Asylwerbern geübt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt werden zunächst der dargelegte Verfahrensgang sowie der ebenfalls oben dargestellte Reiseweg des BF.
Die Identität des BF kann nicht festgestellt werden.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF mit seiner mj. Gefährtin verheiratet ist.
Besondere, in der Person des Antragstellers gelegene Gründe, welche für eine reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Kroatien sprechen, liegen nicht vor.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheids zur Lage im Mitgliedstaat an.
Nicht festgestellt werden kann hingegen, dass die BF in Kroatien unzureichend versorgt und untergebracht word