TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/5 W111 2193730-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.08.2021
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Entscheidungsdatum

05.08.2021

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1 Z2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W111 2193730-1/14E

W111 2193729-1/14E

W111 2193732-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1. Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Dr. Dajani, LL.M., über die Beschwerden vonXXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX alias: XXXX , geb. XXXX , und 3.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Russische Föderation, gegen die Spruchpunkte I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 09.04.2018, Zln.: 1.) 1078881307-150899910, 2.) 1078881100-150900101, 3.) 1078881601-150904255, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.06.2021:

A) Die Verfahren werden insoweit wegen Zurückziehung der Beschwerden gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Dajani, LL.M., über die Beschwerden vonXXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX alias: XXXX , geb. XXXX , und 3.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Russische Föderation, gegen die Spruchpunkte II. bis VI. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 09.04.2018, Zln.: 1.) 1078881307-150899910, 2.) 1078881100-150900101, 3.) 1078881601-150904255, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.06.2021, zu Recht:

A) I. Die Beschwerden gegen die Spruchpunkte II. bis III. werden als unbegründet abgewiesen.

II. Im Übrigen wird in Erledigung der Beschwerden gegen die Spruchpunkte IV. bis VI. jeweils ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG 2005 iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.

III. Gemäß §§ 54 und 55 AsylG 2005 wird 1XXXX , 2.) XXXX alias: XXXX und 3.) XXXX jeweils der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführenden Parteien, ein Ehepaar und dessen gemeinsame minderjährige Tochter, sind russische Staatsangehörige und gehören der tschetschenischen Volksgruppe an. Infolge illegaler Einreise in das Bundesgebiet stellten die beschwerdeführenden Parteien am 20.07.2015 die diesem Verfahren zugrundeliegenden Anträge auf internationalen Schutz, zu welchen die volljährigen beschwerdeführenden Parteien am darauffolgenden Tag vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt wurden.

Der Erstbeschwerdeführer gab zusammengefasst an, er sei Moslem und Tschetschene, habe im Herkunftsstaat eine universitäre Ausbildung absolviert und zuletzt den Beruf des Gärtners ausgeübt. Den Entschluss zur Ausreise aus dem Herkunftsstaat habe der Erstbeschwerdeführer im Juni 2015 gefasst, im gleichen Monat sei die Familie mit dem Bus nach Moskau gefahren und von dort aus zwei Tage zuvor mit dem PKW nach Weißrussland gereist, von wo sie ihre Reise nach Österreich mithilfe eines Schleppers auf dem Landweg fortgesetzt hätten. Zum Grund seiner Flucht verwies der Erstbeschwerdeführer auf das Verschwinden seines Bruders am 07.05.2014, welcher von der Polizei der Zugehörigkeit zu einer kriminellen Gruppierung beschuldigt worden und von dieser immer wieder aufgesucht worden sei. Nachdem sein Bruder nicht mehr aufgefunden worden wäre, hätten sie auch den Beschwerdeführer und seine Frau beschuldigt. Eines Tages habe die Polizei bei ihnen eingebrochen und den Erstbeschwerdeführer entführt; sie hätten ihm einen Sack über den Kopf gezogen, ihn in einen Keller verbracht und befragt, wobei er leicht geschlagen worden wäre, sodass keine Flecken entstanden wären. Nach einer dreitägigen Anhaltung hätten sie ihn wieder zurückgebracht und ihm mitgeteilt, dass sie sich wieder melden würden, wenn sie ihn bräuchten. Daraufhin hätten sie ihr Dorf verlassen und seien nach Moskau gereist, wo sie einige Tage bei einem Cousin des Erstbeschwerdeführers verbracht hätten. Zudem habe es sich bei seiner Tochter um eine Frühgeburt gehandelt, welche unter verschiedenen Krankheiten leide, welche im Heimatland nicht behandelt werden hätten können. Im Falle einer Rückkehr befürchte der Erstbeschwerdeführer, erneut von der Polizei entführt zu werden.

Die Zweitbeschwerdeführerin tätigte gleichlautende Angaben zu Familienstand, Volksgruppenzugehörigkeit, Religionsbekenntnis, zur Reisebewegung sowie zum Fluchtgrund.

Am 11.07.2017 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl jeweils im Beisein einer Dolmetscherin für die russische Sprache niederschriftlich zu ihren Anträgen auf internationalen Schutz einvernommen.

Der Erstbeschwerdeführer gab zusammengefasst an, er sei gesund, benötige keine medizinische Behandlung, habe bis dato wahrheitsgemäße Angaben erstattet, doch habe er Bedenken, dass der bei der Erstbefragung hinzugezogene Dolmetscher richtig übersetzt hätte; das Protokoll sei ihm jedoch rückübersetzt und in Kopie ausgefolgt worden.

Der Erstbeschwerdeführer legte diverse Unterlagen zum Nachweis seiner Integrationsbemühungen, eine Bestätigung über eine im Bundesgebiet in Anspruch genommene psychotherapeutische Behandlung sowie einen russischen Krankenhausbericht vor und führte weiters aus, er lebe in Österreich zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter. Seine Tochter sei gesund und habe keine eigenen Fluchtgründe. In der Russischen Föderation hielten sich noch die Mutter, ein Bruder und viele weitere Verwandte auf. Der Erstbeschwerdeführer habe in Tschetschenien die Schule sowie ein College als Buchhalter absolviert und im Anschluss ein Universitätsstudium aufgenommen, welches er im fünften Jahr durch seine Reise nach Österreich abgebrochen hätte. Im Jänner 2014 habe der Erstbeschwerdeführer geheiratet und zuletzt gemeinsam mit seiner Frau und Tochter in einem Haus gelebt.

Zum Grund seiner Flucht führte der Erstbeschwerdeführer aus, es habe damit angefangen, dass sein jüngerer Bruder am 07.05.2014 nicht von der Arbeit zurückgekehrt sei; seit diesem Tag habe es Probleme mit der Polizei und dem Militär gegeben. Am genannten Datum hätten sie nachts eine Vermisstenanzeige bei der Polizei aufgegeben. Der Erstbeschwerdeführer habe selbst eine Suchaktion gestartet und eine Information erhalten, wonach Leute die Abführung seines Bruders durch bewaffnete Soldaten beobachtet hätten. Der Erstbeschwerdeführer sei oft durch das Militär und den FSB besucht worden; er selbst und sein weiterer Bruder seien mitgenommen und über den verschollenen Bruder befragt worden. Im August 2014 sei der Erstbeschwerdeführer nachts von Militärs mitgenommen worden und es sei ihm deutlich gesagt worden, dass er die Suchaktion stoppen solle, da für die Suche nach seinem Bruder die Polizei verantwortlich sei. Einmal sei der Erstbeschwerdeführer einer Information nachgegangen, wonach sein Bruder in XXXX gesehen worden wäre, welche sich als unzutreffend herausgestellt hätte. Auf dem Rückweg sei er an einem Grenzübergang angehalten, in ein Einvernahmezimmer gebracht und dort von Militärangehörigen geschlagen worden, um Informationen zu erhalten. Sie hätten ihn gefragt, wo er hingefahren sei und welche Informationen er über seinen Bruder erhalten hätte. Weiters hätten sie ihn darauf hingewiesen, dass sie ihn gewarnt hätten, dass er die Suche einstellen solle. Der Erstbeschwerdeführer sei dann nachmittags freigelassen und von seinem Onkel abgeholt worden, welcher den Erstbeschwerdeführer in ein Krankenhaus gebracht hätte, aus dem er am folgenden Tag entlassen worden wäre. Darauf beziehe sich die vorgelegte Krankenhausbestätigung. Der Erstbeschwerdeführer hätte sich sodann an eine Menschenrechtsorganisation in Tschetschenien gewandt. Zwei Monate später seien abermals Militärangehörige bei ihm zuhause erschienen, welche ihn mitgenommen und in ein Zimmer gebracht hätten. Sie hätten ihn wieder geschlagen und ihm mitgeteilt, dass sie über dessen Aufsuchen einer Menschenrechtsorganisation in Kenntnis wären. Sie hätten dem Erstbeschwerdeführer zu verstehen gegeben, dass er in dem Zimmer sterben werde, da er nicht auf sie gehört hätte und nicht zuhause geblieben sei. Sie hätten ihm eine Waffe an den Kopf gehalten und ihm gedroht, dass sie ihn erschießen und irgendwo in den Wald bringen würden. Der Erstbeschwerdeführer sei drei Tage lang in diesem Zimmer gewesen und sei dort mit Elektroschocks gefoltert sowie mit Gummistäben geschlagen worden. Nach drei Tagen sei er jedoch freigelassen worden und von seinem Onkel und einem mit diesem befreundeten Polizisten abgeholt worden. Weitere Fluchtgründe habe er nicht.

Über Vorhalt seines Vorbringens in der Erstbefragung, demnach auch die gesundheitliche Situation seiner Tochter einen Grund für die Ausreise dargestellt hätte, gab der Erstbeschwerdeführer an, sie hätten viel Geld für die Therapie in den Krankenhäusern bezahlt. Seine Tochter sei im siebten Schwangerschaftsmonat zur Welt gekommen; sie hätten sie außerhalb Tschetscheniens behandeln lassen, nunmehr sei diese gesund.

Auf weitere Befragung zum vorgebrachten Fluchtgrund führte der Erstbeschwerdeführer aus, er könne nicht sagen, welches Interesse jemand am Verschwinden seines Bruders, welcher als Bauarbeiter tätig gewesen wäre, haben sollte. Über Vorhalt seiner Angabe in der Erstbefragung, wonach sowohl sein Bruder als auch er der Zugehörigkeit zu einer kriminellen Gruppierung bezichtigt worden wären, meinte der Erstbeschwerdeführer, die Polizei hätte gesagt, dass es möglich wäre, dass sein Bruder einer kriminellen und bewaffneten Gruppierung angehöre. Darauf angesprochen, dass er in der Erstbefragung ausgeführt hätte, dass die Polizei seinen Bruder beschuldigt und mehrfach aufgesucht hätte, wohingegen er nunmehr davon gesprochen hätte, dass die Polizei (bei der Suche nach diesem) geholfen hätte, wiederholte der Erstbeschwerdeführer, die Polizei hätte ihm gesagt, dass sein Bruder wahrscheinlich in einer kriminellen Verbindung sei, er selbst und seine Frau seien jedoch nicht verdächtigt worden. Zum Vorhalt, dass er in der Erstbefragung angegeben hätte, lediglich leicht geschlagen worden zu sein, ohne blaue Flecken davongetragen zu haben, heute jedoch grobe Folterungen geschildert hätte, erwiderte der Erstbeschwerdeführer, er hätte bereits zu Beginn der Einvernahme gesagt, dass es anlässlich der Erstbefragung zu Missverständnissen gekommen wäre. Er habe schon bei der Erstbefragung angegeben, mit Elektroschocks gefoltert worden zu sein. Seine erste Entführung habe sich Ende August 2014 zugetragen, ein weiteres Mal sei er mitgenommen worden, als er im Februar an der Grenze angehalten worden wäre sowie ein weiteres Mal im Juni 2015. Danach gefragt, weshalb er sich nicht bereits im August 2014 zur Flucht entschlossen hätte, gab der Erstbeschwerdeführer an, er hätte nicht gedacht, dass es so ernst werden würde; damals sei sein Leben noch nicht bedroht worden, in Tschetschenien sei es normal, dass man zu Befragungen mitgenommen werde. Sein in Tschetschenien verbliebener Bruder und seine Mutter würden von der Polizei normal befragt werden. Mit Ausnahme der geschilderten Vorfälle habe der Erstbeschwerdeführer nie Probleme mit den Behörden seines Heimatlandes gehabt, er sei nicht politisch aktiv gewesen und könnte sich nicht vorstellen, sich an einem anderen Ort innerhalb der Russischen Föderation niederzulassen. Auf die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zu den von der Behörde herangezogenen Länderberichten verzichtete der Erstbeschwerdeführer.

In Österreich besuche er einen Deutschkurs, habe bereits bei der Gemeinde gearbeitet und an einem Stressbewältigungskurs teilgenommen.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab im Wesentlichen an, sie sei gesund, benötige keine Medikamente und habe im Verfahren bis dato wahrheitsgemäße Angaben erstattet, welche korrekt rückübersetzt worden seien. Die Zweitbeschwerdeführerin legte ihren russischen Inlandspass, ihre Heiratsurkunde, die Geburtsurkunde ihrer Tochter sowie eine Deutschkursbestätigung vor. Ihre Tochter sei gesund und weise keine eigenen Fluchtgründe auf. Die gesamte Familie der Zweitbeschwerdeführerin lebe unverändert in Tschetschenien. Die Zweitbeschwerdeführerin habe im Herkunftsstaat die Schule sowie ein Fernstudium als Pädagogin absolviert und in einer Schule gearbeitet. Zuletzt habe sie mit ihrem Mann, welchen sie im Jänner 2014 geheiratet hätte, und der gemeinsamen Tochter in einem Haus gelebt.

Zu den Gründen ihrer Flucht und Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gab die Zweitbeschwerdeführerin an, sie habe keine eigenen Fluchtgründe, sondern sei in Österreich, weil ihr Mann hier sei. Sie habe nie Probleme mit den Behörden ihres Heimatlandes gehabt und sei nie politisch tätig gewesen. Zur Frage, ob sie in einem anderen Teil der Russischen Föderation leben könnte, meinte die Zweitbeschwerdeführerin, für sie wäre es besser, wieder in Tschetschenien zu sein, da sie unter großem Heimweh leide und ihre Mutter vermisse. Auf die Abgabe einer Stellungnahme zum von der Behörde herangezogenen Länderberichtsmaterial verzichtete sie.

2. Mit den nunmehr angefochtenen, im Familienverfahren ergangenen, Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die Anträge auf internationalen Schutz der beschwerdeführenden Parteien gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkte I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation (Spruchpunkte II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkte III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die beschwerdeführenden Parteien eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkte IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkte V.) und die Frist für deren freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkte VI.).

Begründend wurde ausgeführt, es habe nicht festgestellt werden können, dass die beschwerdeführenden Parteien ihren Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hätten.

Im Rahmen der Beweiswürdigung wurde hierzu erwogen, dass die vom Erstbeschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe, auf welche sich auch seine Frau und Tochter berufen hätten, nicht glaubhaft gewesen seien. Der Erstbeschwerdeführer habe angegeben, dass seinem Bruder, seiner Mutter und weiteren Verwandten nach wie vor ein unbehelligtes Leben im Herkunftsstaat möglich sei, was sich mit der von ihm geschilderten Verfolgungssituation nur schwer in Einklang bringen ließe. Zudem ginge aus den Länderberichten hervor, dass ehemalige tschetschenische Rebellen für die Behörden von nur geringem Interesse sein dürften. Im Übrigen sei es zu mehrfachen Diskrepanzen innerhalb der Angaben des Erstbeschwerdeführers gekommen. So habe dieser in der Erstbefragung lediglich von einer Befragung gesprochen, während er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mehrere Befragungen genannt hätte. Sein in der Erstbefragung erstattetes Vorbringen, nur leicht geschlagen worden zu sein und keine Hämatome davongetragen zu haben, habe er anlässlich der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl insofern gesteigert, als er nunmehr massive Misshandlungen ins Treffen geführt hätte. Das in der Einvernahme erstattete Vorbringen hinsichtlich mehrfacher Entführungen und Misshandlungen sei demnach als eine unglaubwürdige Steigerung des Vorbringens zu qualifizieren. Soweit der Erstbeschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf Missverständnisse in der Erstbefragungssituation verwiesen hätte, sei dem entgegenzuhalten, dass ihm das Protokoll rückübersetzt worden sei und er dessen Richtigkeit und Vollständigkeit durch seine Unterschrift bestätigt hätte. Desweiteren habe der Erstbeschwerdeführer geschildert, erstmals im August 2014 und ein weiteres Mal im Februar 2015 entführt worden zu sein. Die Frage, weshalb er sich nicht bereits damals zur Ausreise entschlossen hätte, habe der Erstbeschwerdeführer dahingehend beantwortet, sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht bedroht gefühlt zu haben; dies stünde jedoch mit der in der Folge erstatteten Angabe, wonach ihm beide Male ein Sack über den Kopf gezogen worden wäre, nicht in Einklang, zumal derartige Umstände nicht auf eine reguläre Befragungssituation hinweisen würden. Überdies habe der Erstbeschwerdeführer anlässlich der Erstbefragung noch gesundheitliche Probleme seiner Tochter als weiteren Grund der Flucht angeführt, später jedoch festgehalten, dass seine Tochter gesund sei. Die Behörde ginge daher davon aus, dass der Erstbeschwerdeführer die Russische Föderation aus wirtschaftlichen Gründen verlassen hätte und das geschilderte Bedrohungsszenario zum Zwecke der Asylerlangung konstruiert hätte.

In den Verfahren der Zweitbeschwerdeführerin und der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin seien darüber hinaus keine individuellen Fluchtgründe vorgebracht worden, sodass auch in Bezug auf deren Personen keine Gefahr einer Verfolgung festzustellen gewesen sei.

Weiters habe nicht festgestellt werden können, dass die beschwerdeführenden Parteien im Herkunftsstaat einer realen Gefahr der Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt sein würden oder eine Rückkehr für diese als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die beschwerdeführenden Parteien im Falle einer Rückkehr mit einem gänzlichen Entzug ihrer Lebensgrundlage zu rechnen hätten oder von einer existenzbedrohenden oder medizinischen Notlage betroffen wären. Diese seien Eigentümer eines Hauses in Tschetschenien und könnten im Falle einer Rückkehr auf die Unterstützung ihrer dort zahlreich aufhältigen Angehörigen zurückgreifen. Überdies seien der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin durch Teilnahme am Erwerbsleben in der Lage, den Lebensunterhalt ihrer Familie im Herkunftsstaat – wie bereits im Vorfeld der Ausreise – eigenständig zu bestreiten.

Da bei keiner der beschwerdeführenden Parteien individuelle Gründe für die Gewährung internationalen Schutzes vorliegen würden, käme auch die Ableitung eines entsprechenden Status nach den Bestimmungen über das Familienverfahren nicht in Betracht.

Die beschwerdeführenden Parteien würden ein Familienleben lediglich untereinander führen, sodass die für alle Familienmitglieder ausgesprochene Rückkehrentscheidung zu keinem Eingriff in deren Recht auf Achtung des Familienlebens führe. Die beschwerdeführenden Parteien hielten sich seit rund drei Jahren in Österreich auf, hätten jedoch keine Aspekte einer außergewöhnlichen Integration vorgebracht. Die gesamte Familie lebe von der Grundversorgung, der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin hätten an einem Deutschkurs teilgenommen, gingen jedoch keiner legalen Beschäftigung nach. Demgegenüber hätten die Genannten im Herkunftsstaat ein enges familiäres Netz und beherrschten die dortigen Verkehrssprachen fließend. Da sich die minderjährige Drittbeschwerdeführerin in einem mit hoher Lern- und Anpassungsfähigkeit verbundenen Lebensalter befände, sei ein Übergang zum Leben im Herkunftsstaat mit keinen unüberwindbaren Schwierigkeiten verbunden.

3. Gegen diese Bescheide erhoben die beschwerdeführenden Parteien mit für alle Familienmitglieder gleichlautendem Schriftsatz vom 24.04.2018 die verfahrensgegenständlichen Beschwerden im vollen Umfang. Begründend wurde ausgeführt, die Behörde habe es unterlassen, auf das konkrete individuelle Vorbringen einzugehen und eine Gesamtbeurteilung anhand der verfügbaren herkunftsstaatspezifischen Informationen vorzunehmen. Die Behörde habe den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren nicht Genüge getan und das Verfahren dadurch mit Mangelhaftigkeit belastet. Die Behörde habe die Ausführungen zum Fluchtgrund nicht in Bezug zu objektivem Länderberichtsmaterial gesetzt; zur Bedrohung von Familienangehörigen, welche sich nach dem Verschwinden einer Person an den EGMR gewandt hätten, sowie zum Verschwindenlassen politisch unliebsamer Personen wurde auf auszugsweise zitiere Anfragebeantwortungen von ACCORD vom 02.06.2016 sowie vom 19.03.2012 verwiesen.

4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte mitsamt den bezughabenden Verwaltungsakten am 27.04.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.10.2018 wurden die gegenständlichen Rechtssachen der bis dahin zuständigen Gerichtsabteilung W215 abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

5. Mit Eingabe vom 22.10.2020 wurde hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers eine Bestätigung des ÖSD über Absolvierung der A2-Prüfung sowie eine Kopie des EU-Führerscheins vorgelegt. Zudem wurde ein ÖIF-Zeugnis zur Integrationsprüfung Sprachniveau B1 betreffend die Zweitbeschwerdeführerin vorgelegt.

6. Am 12.05.2021 langte ein Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ein, mit dem ein Antrag, mit dem um die Gewährung von Asyl für das nachgeborene Kind des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin ersucht wurde, sowie eine diesbezügliche Niederschrift vom 11.05.2021 nachgereicht wurden. Gleichzeitig wurde angekündigt, dass mit einer Entscheidung seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in der KW 21 zu rechnen sei.

7. Am 16.06.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an welcher die beschwerdeführenden Parteien, ihre Rechtsvertreterin sowie eine Dolmetscherin für die russische Sprache teilgenommen haben. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte im Vorfeld schriftlich mitgeteilt, auf eine Teilnahme an der Verhandlung zu verzichten.

Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung zogen die beschwerdeführenden Parteien ihre Beschwerden gegen Spruchpunkt I. des im Spruch genannten Bescheides zurück.

Die gegenständlich relevanten Teile der Verhandlung gestalteten sich wie folgt:

„Beginn der Befragung BF1:

R: Möchten Sie hinsichtlich Ihres bisherigen Vorbingens etwas korrigieren oder ergänzen? Wurden Sie bisher korrekt behandelt?

BF1: Als wir zum ersten Mal nach XXXX gekommen sind, hatten wir eine Ersteinvernahme. Es gab Missverständnisse mit der D und es wurde nicht alles korrekt protokolliert. Man hat uns damals gesagt, es ist die Ersteinvernahme und es sei nicht so wichtig. In XXXX hatten wir eine große Einvernahme gehabt und alles erzählt. Dort war alles gut. Die Angaben in XXXX waren vollständig und korrekt. Nachgefragt gebe ich an, dass wir korrekt behandelt wurden.

R: Bitte Schildern Sie mir in kurzen Worten Ihren Lebenslauf.

BF1: Ich bin in XXXX geboren am XXXX , aber registriert bin ich in XXXX . In einem Dorf, im Rayon XXXX bin ich zur Schule gegangen. 2008 habe ich die Schule abgeschlossen. Dann habe ich ein College besucht und dann war ich an der Uni. Ich habe Wirtschaftsbuchhaltung studiert aber nicht abgeschlossen. Im 5. Studiums Jahr musste ich leider XXXX verlassen. Das Studium hätte 6 Jahre gedauert. Mein Vater ist verstorben, meine Mutter lebt noch. In Tschetschenien lebt ein Bruder, ein weiterer Bruder ist verschollen. Mein Bruder arbeitet irgendwo in Russland. Meine Mutter arbeitet in einer Tomatenverarbeitungsfabrik. Unsere wirtschaftliche Situation würde ich als durchschnittlich bezeichnen. Es war alles in Ordnung.

R: Bitte Schildern Sie mir nun detailliert und chronologisch richtig, aus welchen gründen Sie Ihre Heimat verlassen haben.

BF1: Die Probleme haben begonnen, als mein Bruder verschwunden ist und ich ihn begonnen habe zu suchen. Mein Bruder ist in XXXX geboren und er hat mit uns zusammengewohnt, damit meine ich, meine Ehefrau, meine Mutter und mich. Wir lebten damals auf einem gemeinsamen Grundstück, hatten aber eigene Gebäudeteile. Wir hatten aber eine gemeinsame Küche, also lebten wir im Prinzip zusammen. Am 7. Mai 2014 ist uns aufgefallen, dass mein Bruder abgängig ist. Er ist in der Früh zur Arbeit gegangen und am Abend nicht zurückgekommen. Wir haben versucht ihn anzurufen, aber er war nicht erreichbar. Er hätte so um 5 oder 6 Uhr am Abend kommen sollen, als es schon Abend war und spät war und wir ihn nicht erreichen konnten, haben wir begonnen ihn zu suchen. Ich und mein Onkel sind zur Polizei gefahren und haben gesagt, dass er nicht zurückkam. Nachgefragt gebe ich an, dass ich mich nicht genau erinnern kann, ob ich mit meinem Onkel dort war. Wir sind ungefähr um 11 Uhr zur Polizei gefahren. Meine Frau und meine Mutter blieben zu Hause. Man sagte, dass man eine Anzeige aufnehmen werde und ihn suchen werde. Ungefähr eineinhalb Stunden waren wir dort, genau kann ich es nicht sagen. Bevor wir zur Polizei fuhren fragte ich den Freund meines Bruders. Dieser sagte, dass er meinen Bruder lediglich am Vormittag in der Arbeit gesehen hätte, aber nicht am Nachmittag.

R: Bitte schildern Sie mir genau, was Sie zwischen 17 Uhr und 23 Uhr bei Ihnen zu Hause zugetragen hat. Welche Anstrengungen Sie Sie unternommen haben, um Ihren Bruder ausfindig zu machen. Haben Sie besagten Freund persönlich gesehen oder telefonisch kontaktiert?

BF1: Ich glaube ich habe ihn angerufen, aber ich kann mich daran nicht genau erinnern. Nähere Angaben kann ich trotz mehrfachen Fragens nicht machen.

R: Waren Ihre Mutter und Ihre Ehefrau wach, als Sie nach Hause kamen?

BF1: Wahrscheinlich waren sie wach. Ich kann dazu keine Angaben machen. An diese Details kann ich mich wirklich nicht erinnern. Wahrscheinlich haben sie geschlafen.

R: Bitte fahren Sie fort. Wie ging es am nächsten Tag weiter?

BF1: Wir haben ihn gesucht und die Polizei hat ihn auch gesucht. Ich habe ihn gesucht, alleine. Ich habe diesen freund gefragt, wann sie sich zum letzten Mal gesehen haben. Ich habe in der Stadt auch die Kameras angeschaut, an diesem Weg, wie er zur Arbeit fährt.

R: Wann sind Sie zur Suche am nächsten Tag aufgebrochen?

BF1: In der ganzen Stadt habe ich gesucht.

R: Bitte schildern Sie den Ablauf des 8.5. detaillierter.

BF1: Ich kann mich nur erinnern, dass ich sehr schlecht geschlafen habe, nicht nur in dieser Nacht, sondern auch in den Nächten danach. Je mehr Zeit verging, desto weniger konnte ich schlafen.

R: Wann haben Sie das Haus am 8.5. verlassen um Ihren Bruder zu suchen?

BF1: In der Früh, vor dem Frühstück. Spät am Abend bin ich zurückgekommen.

R: Hatten Sie inzwischen Kontakt zu Ihrer Ehefrau und Mutter gehabt?

BF1: Ja, meine Mutter rief mich oft an oder ich sie.

R: Was haben Sie in diesen Stunden gemacht?

BF1: Auf dem Weg zu seiner Arbeit, dort wo Kameras installiert waren habe ich gebeten, mir die Aufzeichnungen zu zeigen und habe in der ganzen Stadt gesucht.

R: Hatten Sie irgendwelche Ergebnisse nach dieser Suche?

BF1: Man hat ihn gesehen bei einer großen Busstation, wo er aus einem öffentlichen Kleinbus ausgestiegen ist und dann seitdem hat ihn niemand mehr gesehen.

R: Wer hat ihn da gesehen?

BF1: Dieser Freund den ich gefragt habe, hat ihn gesehen. Sie haben gemeinsam gearbeitet. Dort sind sie auseinandergegangen und seitdem hat er ihn nicht mehr gesehen.

R: Sie haben bei den Recherchen gar nichts gefunden, außer die Information, die Sie ja schon am 7.5. hatten.

BF1: Sonst nichts, nein.

R: Wie ging es dann weiter?

BF1: Man hat auch gesehen, wie er in ein anderes Fahrzeug eingestiegen ist.

R: Wie hieß der Freund eigentlich?

BF1: XXXX .

R: Wo wohnt der Freund?

BF1: Er hat in der Nähe von uns gewohnt.

R: Kennt Ihre Frau diesen XXXX ?

BF1: Nein.

R: Haben Sie mit ihr über ihn gesprochen?

BF1: Nein, wir sprechen über solchen Dingen mit Frauen nicht.

R: Es würde aber der allgemeinen Lebenserfahrung, selbst in einer patriarchalischen Gesellschaft, entsprechen, wenn man den Menschen die mit einem in einem Haushalt leben erzählt, dass ein Freund zuletzt den verschollenen Bruder gesehen hat.

BF1: Wenn sie ihn gesehen hat, hat sie nicht gewusst, dass er XXXX heißt. Am Gesicht wird sie ihn nicht kennen. Wir waren frisch verheiratet.

R: Bitte fahren Sie fort.

BF1: Von der Polizei gab es keine Nachricht und ich selber habe fortgesetzt, was ich tun konnte ihn zu suchen. Ich habe auch nebenbei gearbeitet. Ich habe als Landschaftsdesigner gearbeitet. Ich habe die Projekte bekommen und ich habe das verwirklicht. Dann habe ich selber Probleme bekommen, weil ich meinen Bruder gesucht habe. Man wollte das verhindern. Man hat mir gesagt, du musst nur still sein und warten, wenn etwas passiert, dann werden wir es dir sagen.

R: Wann hat man Ihnen das gesagt und wo?

BF1: Zu mir kamen bewaffnete Leute und die Polizei. Sie kamen oft.

R: Wann kamen Sie das erste Mal?

BF1: Man hat mich angerufen und hat gesagt, „komm in die Polizeistelle“. Genau kann ich das nicht sagen.

R: Sie haben damals zu Protokoll gegeben (AS6), „Mein Bruder wurde als Vermisst erklärt. Danach kamen Militärs zu mir nach Hause.“ Sie haben damals nicht angegeben, dass Sie zur Polizei gerufen wurden.

BF1: Ja, das ist der wichtigste Moment, der wichtigste Punkt, dass die Polizei und die Militärs arbeiten zusammen.

R: Wann wurden Sie zu den Sicherheitskräften gerufen?

BF1: Nach dem Verschwinden des Bruders. Ich kann mich erinnern, dass man mich im August 2014 von zu Hause abgeholt hat.

R: Wann wurden Sie das erste Mal zur Polizei gerufen?

BF1: Das genaue Datum kann ich nicht sagen. Man hat mich angerufen und hat gesagt, ich soll zur Polizeistelle kommen, sie müssen mit mir sprechen. Ich habe gedacht, man hat meinen Bruder gefunden. Dann haben die Militärs begonnen zu uns nach Hause zu kommen.

R: Wie lange waren Sie bei jenem Mal (das erste Mal nach der Anzeige) bei der Polizei?

BF1: Ich kann mich nicht genau erinnern. Wahrscheinlich war es eine Stunde oder eineinhalb Stunden.

R: Sie müssen doch ungefähr sagen können wann das war. War das eine Woche danach, drei Wochen oder 6 Wochen?

BF1: Wir haben noch Kontakte mit der Bezirkspolizei.

Der R erteilt eine ausführliche rechtliche Erläuterung insbesondere erläutert er die Voraussetzungen für die Glaubhaftmachung eines Vorbringens und betont, dass das Vorbingen wesentlich detailreicher sein müsste, als bisher.

Die Verhandlung wird um 13:10 Uhr unterbrochen und um 13:30 Uhr fortgesetzt.

Während der Unterbrechung hält die RV eine Unterredung mit Ihrem Mandanten und ersucht die Fragen zur Integration vorzuziehen.

R: Bitte schildern Sie mir Ihr Privat- und Familienleben in Österreich.

BF1: Im Unterschied zu Tschetschenien haben wir hier ein sehr ruhiges und angenehmes Leben. Wir leben bereits seit fast 6 Jahren in Österreich. Wir leben in einem kleinen Ort und wir versuchen so gut wir können, uns zu integrieren. Wir lernen Deutsch. Ich spiele im örtlichen Fußballteam. Ich habe auch schon für die Gemeinde gearbeitet. Ich habe auch schon eine offizielle Arbeit gesucht. Ich habe eine Stelle gefunden, wo ich mit der Arbeitsgenehmigung anfangen darf. Wenn ich Dokumente bekomme, könnte ich dort gleich anfangen zuarbeiten. Mein potentieller Arbeitgeber hat mir eine Bestätigung ausgestellt. Natürlich muss ich Deutsch noch weiter lernen. Natürlich habe ich dort noch Mutter und Bruder, ich habe mit ihnen auch noch Kontakt. Mein Bruder arbeitet allerdings irgendwo in Russland. Er ist auch nicht in Tschetschenien. Aufgrund der langen Aufenthaltsdauer in Österreich habe ich hier ein neues Leben begonnen, neue Freunde, neue Bekannte. Daher verbindet mich mit Österreich schon mehr als mit meiner ursprünglichen Heimat. Ich möchte auch erwähnen, dass mein jüngster Sohn XXXX hier in Österreich geboren wurde. Auch meine Tochter XXXX geht hier zur Schule. Sie kann zwar russisch und tschetschenisch ein wenig, aber sie geht hier zur Schule und hat ihr ganzes bewusstes Leben hier verbracht.

R: Können Sie ein paar Sätze in deutscher Sprache sprechen?

BF1: Wenn Sie Fragen werde ich antworten.

R: Können Sie sich vorstellen auf Deutsch?

BF1 auf Deutsch: Ich heiße XXXX . Ich bin 30 Jahre alt. Ich bin in Tschetschenien geboren. 2015 bin ich von Tschetschenien weggefahren.

R: Was haben Sie gestern zu Mittag gegessen?

BF1 auf Deutsch: Gestern habe ich Kebap gegessen.

R: Wie sind Sie nach Wien gekommen?

BF auf Deutsch: Mit dem Zug von XXXX nach Wien gekommen. Es gab einen Raeljet direkt von XXXX nach Wien.

R: Wann sind Sie angekommen?

BF auf Deutsch: Gestern sind wir angekommen.

Festgehalten wird, dass eine Verständigung in einfacher Sprache mit dem BF auf Deutsch möglich ist.

BF1: Meine Frau ist nach XXXX gefahren zum Deutschkurs und hat einige Monate hinfahren müssen. Dann hat sie eine Prüfung abgelegt.

R: Sind Sie vorbestraft?

BF1: Nein.

Beginn der Befragung BF2:

R: Bitte schildern Sie mir Ihr Privat- und Familienleben in Österreich.

BF2: Vor der Pandemie habe ich Deutschkurse besucht. Ich habe auch eine Prüfung abgelegt. Irgendwas zu studieren oder zu arbeiten, dazu fehlt mir die Arbeitsbewilligung. Wir wohnen zurzeit noch in einem sehr kleinen Ort. Die nächste große Ortschaft ist XXXX oder XXXX . Ich lebe bereits seit 6 Jahren in Österreich. Ich habe hier einen Freundeskreis aufgebaut. Mein zweites Kind ist hier geboren. Meine Tochter geht hier zur Schule. Ich habe lediglich Kontakt mit meiner Familie, sonst habe ich kaum Kontakt in meine ehemalige Heimat. Von meiner Familie leben alle noch in Tschetschenien. Ich habe mich hier schon sehr gut eingelebt. Ich empfinde Österreich bereits als mein zu Hause. In Zukunft möchte ich studieren und arbeiten. Zu Hause habe ich als Volksschullehrerin gearbeitet. Hier weiß ich noch nicht, was ich beruflich machen soll. Ich möchte jedenfalls arbeiten gehen, wenn meine Kinder größer sind.

R: Sind Sie vorbestraft?

BF2: Nein.

Die RV gibt nach Rücksprache mit BF1 und BF2 bekannt, dass die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. der gegenständlichen Bescheide betreffend BF1, Bf2 und BF3 zurückgezogen werden. Die RV erteilt eine ausführliche rechtliche Erläuterung. Der BF1 und die BF2 geben bekannt, dass sie die Erläuterung verstanden hätten und die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. für sich und ihre Tochter (BF3) zurückziehen möchten. Sohin wird festgehalten, dass die Spruchpunkte I. der gegenständlichen Bescheide (alles samt vom 09.04.2018) betreffend die BF1, BF2 und BF3 in Rechtskraft erwachsen.

R: Leiden Sie oder Ihre Kinder an schweren oder chronischen Krankheiten?

BF1 + BF2: Nein unsere Kinder sind gesund.

R: Sind Sie arbeitsfähig?

BF1 + BF2: Ja.

R: Vorgelegt wird die Länderinformation der Staatendokumentation betreffen die Russische Föderation (generiert am 16.06.2021 Version 3). Möchten Sie dazu Stellungnehmen?

RV: Nein danke.

R: Möchten Sie noch etwas hinzufügen, anmerken?

BF1: Vielen Dank an die hier anwesenden.

BF2: Ich fühle mich hier wirklich in Sicherheit.

Festgehalten wird, dass der am XXXX geborene Sohn der BF namens XXXX derzeit nicht beim BVwG anhängig ist. Eine Einsichtnahme in das XXXX blieb erfolglos.

RV keine weiteren Wortmeldungen.

Zum Akt genommen werden die beigebrachten Integrationsunterlagen und das vorgelegte Exemplar der Länderinformation der Staatendokumentation.“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die beschwerdeführenden Parteien sind Staatsangehörige der Russischen Föderation und gehören der Volksgruppe der Tschetschenen an. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet und sind die Eltern der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin. Zudem haben der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin einen gemeinsamen Sohn, der am XXXX in Österreich geboren wurde. Das Verfahren betreffend den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des gemeinsamen Sohnes ist derzeit noch beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl offen.

Die beschwerdeführenden Parteien stellten infolge illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 20.07.2015 die verfahrensgegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

1.2. Infolge der Zurückziehung der Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.04.2018, Zln.: 1.) 1078881307-150899910, 2.) 1078881100-150900101, 3.) 1078881601-150904255, ist gegenständlich lediglich über die Beschwerden gegen die Spruchpunkte II. bis VI. abzusprechen; das Verfahren bezüglich Spruchpunkt I. war jeweils einzustellen.

1.3. Es besteht für die beschwerdeführenden Parteien im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation keine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die Unversehrtheit. Diese liefen auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der Erstbeschwerdeführer nahm psychotherapeutische Behandlung im Bundesgebiet in Anspruch. Hinsichtlich den beschwerdeführenden Parteien bestehen keine schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Zudem besteht in der Russischen Föderation grundsätzlich eine ausreichende medizinische Grundversorgung, weswegen sie hinsichtlich allfälliger psychischer und physischer Leiden ausreichend behandelt werden könnten. Der Erstbeschwerdeführer wurde im Herkunftsstaat geboren. Er hat im Herkunftsstaat die Schule sowie ein College besucht. Zudem hat er ein Studium begonnen, das er aber nicht abgeschlossen hat und verfügt über Berufserfahrung. Im Herkunftsstaat leben (jedenfalls) die Mutter sowie ein Bruder des Erstbeschwerdeführers, die beide berufstätig sind. Der Erstbeschwerdeführer steht mit seiner Mutter und seinem Bruder in Kontakt. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde in Tschetschenien geboren. Sie verfügt über eine Ausbildung im Herkunftsstaat und war dort berufstätig. Die Zweitbeschwerdeführerin steht mit ihren Familienangehörigen, die in Tschetschenien leben, in Kontakt. Die Drittbeschwerdeführerin wurde im Herkunftsstaat geboren. Die beschwerdeführenden Parteien verfügten über russische und tschetschenische Sprachkenntnisse. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind arbeitsfähig. Dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin ist eine Teilnahme am Erwerbsleben und eigenständige Bestreitung des Lebensunterhalts für sich und ihre minderjährigen Kinder möglich und zumutbar. Zudem könnten sie nach einer Rückkehr auf familiäre Unterstützung zurückgreifen.

1.4. Die beschwerdeführenden Parteien sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten und beziehen Leistungen aus der Grundversorgung. Der Erstbeschwerdeführer hat im Zeitraum vom 15.10.2016 bis 11.03.2017 am Unterricht Basisbildung/Grundkompetenzen an einer Volkshochschule teilgenommen. Zudem hat er am Sprachkurs „Deutsch für Asylwerber“ teilgenommen und verfügt über ein ÖSD Zertifikat A2 vom 20.07.2017. Im Zeitraum vom 04.04. bis 10.04.2017 war er für den XXXX als Aushilfsarbeiter für diverse Arbeiten tätig. Für den Fall der Erteilung einer Arbeitserlaubnis verfügt der Erstbeschwerdeführer über eine Arbeitsplatzzusage für das Unternehmen XXXX . Weiters verfügt er über einen EU-Führerschein. Im Übrigen hat er am 8-Wochen Programm „Stressbewältigung durch Achtsamkeit“ vom 10.02. bis zum 31.03.2017 teilgenommen. Er ist ein aktives Mitglied in einem Sportverein. Die Zweitbeschwerdeführerin hat am Sprachkurs „Deutsch für Asylwerber“ teilgenommen und verfügt über ein Zeugnis zur Integrationsprüfung Sprachniveau B1 des ÖIF (Prüfungsdatum 25.01.2020). Die Drittbeschwerdeführerin besuchte im Schuljahr 2020/21 die erste Klasse einer Volksschule in Österreich. Die Schulnachricht der Drittbeschwerdeführerin vom 05.02.2021 weist in den Pflichtgegenständen (darunter auch „Deutsch, Lesen, Schreiben“) nur die Beurteilungen „Sehr gut“ und „Gut“ auf. Die beschwerdeführenden Parteien haben sich in Österreich einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut. Sie verfügen, abgesehen vom gemeinsamen Sohn des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin, über keine weiteren Familienangehörigen im Bundesgebiet oder der EU, zu denen Abhängigkeiten bestehen würden.

Die rund sechsjährige Aufenthaltsdauer der beschwerdeführenden Parteien liegt in der Dauer des Verfahrens begründet, welche den beschwerdeführenden Parteien nicht zuzurechnen ist.

1.5. Zur Russischen Föderation wird Folgendes festgestellt:

Covid-19-Situation

Letzte Änderung: 18.05.2021

Russland ist von Covid-19 landesweit stark betroffen. Regionale Schwerpunkte sind Moskau und St. Petersburg (AA 15.2.2021). Aktuelle und detaillierte Zahlen bietet unter anderem die Weltgesundheitsorganisation WHO (https://covid19.who.int/region/euro/country/ru). Die Regionalbehörden in der Russischen Föderation sind für Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 zuständig, beispielsweise betreffend Mobilitätseinschränkungen, medizinische Versorgung und soziale Maßnahmen (RAD 15.2.2021; vgl. CHRR 12.3.2021). Die Maßnahmen der Regionen sind unterschiedlich, richten sich nach der epidemiologischen Situation in der jeweiligen Region und ändern sich laufend (WKO 9.3.2021; vgl. AA 15.2.2021). Es herrscht eine soziale Distanzierungspflicht für öffentliche Plätze und öffentliche Verkehrsmittel. Der verpflichtende Mindestabstand zwischen Personen beträgt 1,5 Meter (WKO 9.3.2021).

Die regierungseigene Covid-19-Homepage gibt Auskunft über die vom russischen Gesundheitsministerium empfohlenen Covid-19-Medikamente, nämlich Favipiravir, Hydroxychloroquin, Mefloquin, Azithromycin, Lopinavir/Ritonavir, rekombinantes Interferon-beta-1b und Interferon-alpha, Umifenovir, Tocilizumab, Sarilumab, Olokizumab, Canakinumab, Baricitinib und Tofacitinib. Der in Moskau entwickelte Covid-19-Krankenhausbehandlungsstandard umfasst folgende vier Komponenten: Antivirale Therapie, Antithrombose-Medikation, Sauerstoffmangelbehebung und Prävention/Behandlung von Komplikationen. Auf Anordnung des Arztes wird Patienten ein Pulsoxymeter ausgehändigt (Gerät zur Messung des Blutsauerstoffsättigungsgrades). Die medizinische Covid-Versorgung erfolgt für die Bevölkerung kostenlos (CHRR o.D.a).

Folgende Impfstoffe wurden in der Russischen Föderation entwickelt: Gam-COVID-Vac ('Sputnik V'), EpiVacCorona, CoviVac und Ad5-nCoV (CHRR o.D.b). Mittlerweile sind in der Russischen Föderation drei heimische Impfstoffe zugelassen (Sputnik V, EpiVacCorona und CoviVac). Groß angelegte klinische Studien gibt es bisher nicht (DS 20.2.2021; vgl. RFE/RL 21.2.2021). Impfungen erfolgen kostenlos (Mos.ru o.D.). In Moskau wurden bisher mehr als 700.000 Personen geimpft (Mos.ru 8.3.2021). Obwohl Russland als weltweit erstes Land seinen Covid-Impfstoff Sputnik V registrierte, haben die Impfungen effizient gerade erst begonnen (DS 12.2.2021). Bisher wurden in der Russischen Föderation in etwa 2,2 Millionen Personen (ca. 1,5% der Bevölkerung) geimpft bzw. erhielten zumindest eine der zwei Teilimpfungen (RFE/RL 21.2.2021).

Für die Einreise nach Russland wird grundsätzlich ein COVID-19-Testergebnis (PCR) benötigt. Russische Staatsbürger müssen bei der Grenzkontrolle keinen COVID-Test vorlegen, dieser muss jedoch spätestens drei Tage nach der Einreise nachgeholt werden. Russische Staatsbürger, die nach der Einreise ein positives Testergebnis erhalten, müssen sich in Quarantäne begeben. Die Ausreise aus Russland ist bis auf unbestimmte Zeit eingeschränkt und nur in bestimmten Ausnahmefällen möglich. Die internationalen Flugverbindungen wurden teilweise wieder aufgenommen. Direktflüge zwischen Österreich und Russland werden derzeit ein- bis zweimal wöchentlich von Austrian Airlines und Aeroflot angeboten. Russische Inlandsflüge wurden während der ganzen Pandemiezeit aufrecht erhalten (WKO 9.3.2021). Der internationale Zugverkehr – mit Ausnahme der Strecke zwischen Russland und Belarus - und der Fährverkehr sind eingestellt (AA 15.2.2021).

Staatliche Unterstützungsmaßnahmen für die russische Wirtschaft sind unterschiedlich und an viele Bedingungen gebunden. Zu den ersten staatlichen Hilfsmaßnahmen zählten Kredit-, Miet- und Steuerstundungen (ausgenommen Mehrwertsteuer), Sozialabgabenreduktion sowie Kreditgarantien und zinslose Kredite. Später kamen Steuererleichterungen sowie direkte Zuschüsse dazu. Viele der Maßnahmen sind nur für kleine und mittlere Unternehmen oder bestimmte Branchen zugänglich und haben einen zweckgebundenen Charakter (beispielsweise gebunden an Gehaltszahlungen oder Arbeitsplatzerhalt) (WKO 9.3.2021). Die Regierung bietet Exporteuren Hilfe an, die Möglichkeit eines Konkursmoratoriums, zinslose Kredite für Gehaltsauszahlungen usw. (CHRR o.D.c). Jänner bis Oktober 2020 ist die Industrieproduktion pandemiebedingt um 3,1% zurückgegangen. Besonders die Rohstoffproduktion ist um 6,6% gefallen, während die verarbeitende Industrie mit 0,3% praktisch stagnierte. Die im Jahr 2020 sehr stark fallenden Ölpreise waren unter anderem eine Auswirkung der Covid-19-Pandemie und mit einem globalen Nachfragerückgang verbunden und führten zu einer Rubelabwertung von 25%. Nach leichter Erholung verlor der Rubel unter anderem wegen der anhaltenden geringen Rohstoffnachfrage Mitte 2020 erneut an Wert und lag Anfang Dezember bei ca. 90 Rubel je Euro (WKO 12.2020). Das Realwachstum des Bruttoinlandsprodukts betrug im Jahr 2020 -3,1%. Im Vergleich dazu betrug der entsprechende Wert im Jahr 2019 2%. Die öffentliche Verschuldung betrug im Jahr 2020 17,8% des Bruttoinlandsprodukts (2019: 12,4%) (WIIW o.D.).

Moskau:

In Moskau herrscht an öffentlichen Orten eine Masken- und Handschuhpflicht. Das Tragen von Masken auf Straßen wird empfohlen. Kultur- und Bildungsveranstaltungen dürfen stattfinden, wenn maximal 50% der Zuschauerplätze belegt sind. Bürgern über 65 Jahren und chronisch Kranken wird Selbstisolierung empfohlen (CHRR 12.3.2021; vgl. WKO 9.3.2021, AA 15.2.2021). Empfohlen wird Fernarbeit für mindestens 30% der Mitarbeiter. Am Arbeitsplatz sind vorgeschriebene Hygienevorschriften (unter anderem Temperaturmessungen, Mund- und Handschutz, Desinfektionsmittel, Mindestabstand etc.) einzuhalten (WKO 9.3.2021). Gemäß dem Moskauer Bürgermeister verbessert sich die Pandemielage in Moskau. Ein Großteil der Einschränkungen wurde aufgehoben. Gastronomiebetriebe sind wieder geöffnet. Für Schüler höherer Klassen und Studierende findet nun wieder Präsenzunterricht statt (Mos.ru 7.3.2021; vgl. Mos.ru 8.3.2021, LM 8.2.2021, Russland Analysen 19.2.2021). In der Oblast [Gebiet] Moskau wurde die Mehrzahl der wegen Covid geltenden Einschränkungen zurückgenommen. Einzig Massenveranstaltungen bleiben fast ausnahmslos verboten (Russland Analysen 19.2.2021).

St. Petersburg:

Auch in St. Petersburg herrscht an öffentlichen Orten eine Masken- und Handschuhpflicht. Die für gastronomische Betriebe geltenden Beschränkungen der Öffnungszeiten wurden aufgehoben. Kulturveranstaltungen dürfen stattfinden, wenn maximal 75% der Zuschauerplätze belegt sind. Empfohlen wird Fernarbeit für mindestens 30% der Mitarbeiter. Für über 65-Jährige und chronisch Kranke sind Selbstisolierung und Fernarbeit verpflichtend (CHRR 12.3.2021; vgl. Gov.spb 5.3.2021, WKO 9.3.2021, Russland Analysen 8.2.2021).

Tschetschenien:

An öffentlichen Orten wird das Tragen von Masken empfohlen. Für über 65-Jährige und chronisch Kranke ist Selbstisolierung vorgesehen (CHRR 12.3.2021; vgl. Chechnya.gov 10.2.2021, Ria.ru 10.2.2021, KMS 10.2.2021). Bisher wurden mehr als 19.000 Personen geimpft (Chechnya.gov 26.2.2021). Mitarbeitern staatlich finanzierter Organisationen in Tschetschenien wurde mit Entlassung gedroht, sollten sie die Covid-Impfung verweigern. Bewohner in Tschetschenien berichten, ihnen seien Sanktionen angedroht worden, sollten sie sich nicht impfen lassen (CK 23.1.2021). Reisebeschränkungen wurden aufgehoben (Ria.ru 10.2.2021; vgl. Chechnya.gov 10.2.2021, KMS 10.2.2021).

Dagestan:

An öffentlichen Orten herrscht Maskenpflicht. Einstweilen dürfen keine Massenveranstaltungen stattfinden. Für über 65-Jährige und chronisch Kranke wird Selbstisolierung empfohlen (CHRR 12.3.2021). Es finden Massenimpfungen statt, und verwendet wird der Impfstoff Sputnik V (E-dag.ru 23.2.2021). Bisher wurden mehr als 18.000 Personen (2,4%) geimpft (E-dag.ru 12.3.2021).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.2.2021): Russische Föderation: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/russischefoederationsicherheit/201536, Zugriff 16.3.2021

?        Chechnya.gov – ????? ????????? ?????????? [Oberhaupt der Tschetschenischen Republik] [Russische Föderation] (10.2.2021): ? ???????: «?? ??????? ? ????????? ?????????? ???????????? ??????? ????? ? ???????????? ??????» [R Kadyrow: „Wir heben die Maskenpflicht an öffentlichen Orten in der Tschetschenischen Republik auf“], http://chechnya.gov.ru/novosti/r-kadyrov-my-snimaem-v-chechenskoj-respublike-obyazatelnoe-noshenie-masok-v-obshhestvennyh-mestah/, Zugriff 12.3.2021

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?        CHRR – Covid-19-Webseite der russischen Regierung [Russische Föderation] (o.D.c): ???? ????????? ??????? [Unternehmensunterstützungsmaßnahmen], https://???????????????.??/what-to-do/business/, Zugriff 24.3.2021

?        CK – Caucasian Knot (23.1.2021): Budget-funded Chechen employees complain about enforcement to vaccination, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/53468, Zugriff 12.3.2021

?        DS – Der Standard (12.2.2021): Russland könnte sich der Herdenimmunität nähern, https://www.derstandard.at/story/2000124129778/russland-waehnt-sich-nahe-an-der-herdenimmunitaet, Zugriff 12.3.2021

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?        E-dag.ru – Moj Dagestan [Mein Dagestan] / Offizielle Website Dagestans [Russische Föderation] (12.3.2021): ?????????? ? ?????????? ?????????? ????????? ?????????? ???????? ?????? COVID-19 [Information über COVID-19-Impfung der Bevölkerung der Republik Dagestan], https://mydagestan.e-dag.ru/vaccination-against-covid-19/, Zugriff 12.3.2021

?        Gov.spb – ????????????? ?????-?????????? [St. Petersburger Verwaltung] [Russische Föderation] (5.3.2021): ????????? ??????????? ???????????? ?? 28 ????? [Einzelne Einschränkungen bis 28.3. verlängert], https://www.gov.spb.ru/press/governor/208547/, Zugriff 12.3.2021

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Sicherheitslage

Letzte Änderung: 26.05.2021

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, zu Anschlägen kommen (AA 7.4.2021a; vgl. GIZ 1.2021d, EDA 7.4.2021). Die russischen Behörden halten ihre Warnung vor Anschlägen aufrecht und rufen weiterhin zu besonderer Vorsicht auf (AA 7.4.2021a; vgl. EDA 7.4.2021). Trotz verschärfter Sicherheitsmaßnahmen kann das Risiko von Terrorakten nicht ausgeschlossen werden. Die russischen Sicherheitsbehörden weisen vor allem auf eine erhöhte Gefährdung durch Anschläge gegen öffentliche Einrichtungen und größere Menschenansammlungen hin (Untergrundbahn, Bahnhöfe und Züge, Flughäfen etc.) (EDA 7.4.2021).

Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderte Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Die gewaltsamen Zwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der sogenannte Islamische Staat (IS) Russland den Dschihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem ägyptischen Sinai mit 224 Todesopfern (SWP 4.2017). Seitdem war der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken sollte (SWP 4.2017; vgl. Deutschlandfunk 29.9.2020). Der Einsatz in Syrien ist der größte und längste Auslandseinsatz des russischen Militärs seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Zunächst sollten nur die Luftstreitkräfte die syrische Armee unterstützen. Bodentruppen wurden erst später und in geringerem Maße mobilisiert - in Form von Spezialeinheiten und schließlich am Ende des Feldzugs als Mi

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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