TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/5 G307 2215512-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.08.2021
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Entscheidungsdatum

05.08.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch


G307 2215512-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA.: Italien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.01.2019, Zahl XXXX ,

A)       

beschlossen:

I.       Das mit Beschluss des BVwG zu Gz.: G307 2215512-1/2Z, vom 18.03.2019 gemäß § 17 VwGVG iVm. § 38 AVG ausgesetzte Verfahren wird fortgesetzt.

II.      Dem Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe im Umfang der Befreiung von der Eingabegebühr wird stattgegeben.

B)       

zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

C)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) wurde im Bundesgebiet am XXXX .2019 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes betreten, wegen des Verdachtes der Begehung von Einbruchsdiebstählen festgenommen und in weiterer Folge in Untersuchungshaft genommen.

2. Mit dem oben im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), dem BF persönlich zugestellt am 05.02.2019, wurde gegen diesen gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ein auf 5 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.), sowie einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

3. Mit per E-Mail am 28.02.2019 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz erhob der BF durch seine damalige Rechtsvertretung, die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe in 1170 Wien, Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurde neben der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, jeweils in eventu die ersatzlose Behebung des Aufenthaltsverbotes, die Reduktion der Aufenthaltsverbotsdauer sowie die Zurückverweisung der Rechtsache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde beantragt. Darüber hinaus begehrte der BF Verfahrenshilfe im Umfang der Befreiung von der Eingabegebühr.

4. Die gegenständliche Beschwerde und der dazugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA dem BVwG vorgelegt und langten dort am 06.03.2019 ein.

5. Mit Beschluss des BVwG zu GZ.: G307 2215512-1/2Z, vom 18.03.2019, wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren gemäß § 17 VwGVG iVm. § 38 AVG bis zur rechtskräftigen Beendigung des zur Person des BF beim Landesgericht XXXX geführten Strafverfahrens ausgesetzt.

6. Mit Schreiben vom 11.12.2020 teilte die damalige Vertretung des BF dem BVwG mit, dass sie mit 31.12.2020 in Bezug auf alle vor dem BVwG anhängigen, mit Ausnahme konkret der in einer Beilage genannten Verfahren, deren Vollmacht zurücklege. Das gegenständliche Verfahren fand in der besagten Beilage keine Erwähnung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum), ist italienischer Staatsangehöriger, gesund und arbeitsfähig.

1.2. Der BF reiste Mitte Jänner ins Bundesgebiet ein und nahm hier ungemeldet Aufenthalt. Am XXXX .2019 wurde der BF wegen des Verdachtes der Begehung mehrerer Einbruchsdiebstähle im Bundesgebiet von Polizeibeamten festgenommen und einvernommen.

An einem Tatort wurden Abdrücke vorgefunden, die zu den Schuhen des BF passen und befanden sich im Auto des BF Werkzeuge, die ihrer Eigenschaft entsprechend auch für Einbrüche benützt werden können sowie ein Schmuckstück. Eine Zuordnung des Schmuckstückes zu einem der besagten Einbrüche wurde Seitens der Polizei nicht vorgenommen.

Der BF bestreitet sowohl die Begehung als auch eine Beteiligung an den Einbruchsdiebstählen.

1.3. Am XXXX .2019 wurde gegen den BF die Untersuchungshaft verhängt und er auf Anordnung der zuständigen Staatsanwaltschaft am XXXX .2019 wegen dem Wegfall der Haftgründe, aus der Untersuchungshaft entlassen.

1.4. Der aktuelle Aufenthalt des BF in unbekannt. Anhaltspunkte, dass der BF sich im Bundesgebiet aufhält, liegen jedoch nicht vor.

1.5. Der BF erweist sich in strafrechtlicher Hinsicht als unbescholten und wurde bis dato keine Anklage gegen den BF erhoben.

1.6. Der Lebensmittelpunkt des BF liegt in Italien und ist der BF arbeits- und vermögenslos.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht aufgrund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.2.1. Insoweit oben Feststellungen zu Identität (Name und Geburtsdatum), Staatsbürgerschaft und Gesundheitszustand des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurden. Zudem gab der BF vor Polizeibeamten am XXXX .2019 an, gesund zu sein.

Ferner folgen die Feststellungen zum Lebensmittelpunkt des BF in Italien, seiner Vermögens- und Arbeitslosigkeit sowie zum Einreisezeitpunkt ins Bundesgebiet dem widerspruchsfrei gebliebenen Vorbringen des BF im Rahmen seiner Einvernahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX .2019 sowie einem der Beschwerde beigefügten Vermögensbekenntnisses.

Die Betretung des BF im Bundesgebiet sowie die oben beschriebenen Verdächtigungen beruhen auf einem Protokoll der Verdächtigtenvernehmung des BF durch die Polizeiinspektion XXXX an der XXXX , Zahl XXXX , vom XXXX .2019 (siehe AS 3f) sowie einem Anlassbericht der erwähnten PI zu Zahl XXXX vom XXXX .2019 (siehe AS 19ff). Diesem Bericht kann zudem entnommen werden, dass der BF die Taten bestreitet und die oben genannten Gegenstände bzw. ein zum Schuhwerk des BF passender Schuhabdruck gefunden werden konnte.

Die Verhängung der Untersuchungshaft ergibt sich wiederum aus einer Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft XXXX zu Zahl XXXX , vom XXXX .2019 (siehe AS 83) und beruht die erfolgte Entlassung des BF aus der Haft auf einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister. Ferner konnte auf Nachfragen beim BFA, Regionaldirektion Kärnten, am 12.07.2021, seitens des BVwG in Erfahrung gebracht werden, dass die Untersuchungshaft am XXXX .2019 auf Anordnung der zuständigen Staatsanwaltschaft aufgrund des Wegfalls der Haftgründe aufgehoben worden sei (siehe AV vom 12.07.2021, OZ 5).

Mangels einer Wohnsitzmeldung des BF in Österreich seit seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft sowie wegen fehlender sonstiger Anhaltspunkte, die einen Aufenthalt des BF in Österreich nahelegten, konnte weder der aktuelle Aufenthaltsort des BF noch dessen Verbleib in Österreich festgestellt werden.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF ist dem Strafregister der Republik Österreich zu entnehmen. Anhaltspunkte dafür, dass gegen den BF wegen der oben beschriebenen Verdächtigungen Anklage erhoben worden wäre, konnten nicht erhoben werden. Weder liegen diesbezügliche Informationen seitens der zuständigen Staatsanwaltschaft vor, noch wurde ein dahingehender Sachverhalt seitens der belangten Behörde im Rahmen der telefonischen Informationseinholung am 12.07.2021 durch das BVwG erwähnt (siehe AV vom 12.07.20021, OZ 5). Ferner lässt der Umstand, dass der BF am XXXX .2019 mangels bestehender Haftgründe aus der Untersuchungshaft entlassen wurde und bis dato keine Verurteilung des BF aktenkundig ist, darauf schließen, dass letztlich keine Anklage gegen den BF erhoben wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Fortsetzung des ausgesetzten Beschwerdeverfahrens):

Mit Beschluss des BVwG zu Gz.: G307 2215512-1/2Z, vom 18.03.2019, wurde gegenständliches Beschwerdeverfahren gemäß § 17 VwGVG iVm. § 38 AVG bis zur rechtskräftigen Beendigung des beim LG XXXX geführten Strafverfahrens ausgesetzt.

Nachdem der BF am XXXX .2019 aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, und bis dato weder Anklage gegen den BF erhoben wurde noch eine Verurteilung erfolgte, konnte das gegenständliche Beschwerdeverfahren fortgesetzt werden, zumal einer Verurteilung des BF nicht mehr zu erwarten ist.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Stattgabe des Antrages auf Verfahrenshilfe):

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei der Regelung der Verfahrenshilfe im VwGVG um eine sogenannte „subsidiäre Bestimmung" handelt: Sie soll nur dann zur Anwendung gelangen, wenn durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, also dann, wenn das sogenannte „Materiengesetz" keine Regelung enthält, deren Gegenstand der Verfahrenshilfe entspricht. Gemäß § 52 BFA-VG ist einem Fremden oder Asylwerber im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in bestimmten Angelegenheiten von Amts wegen kostenlos ein Rechtsberater zur Seite zu stellen. § 52 BFA-VG entspricht damit den Vorgaben des Art. 47 GRC. Im Anwendungsbereich des BFA-VG gelangt daher die Bestimmung des § 8a VwGVG (überhaupt) nicht zur Anwendung (siehe ErläutRV 1255 BlgNR 25. GP zu § 8a VwGVG).

Das BFA-VG sieht für seinen, das verwaltungsgerichtliche Verfahren betreffenden Anwendungsbereich allerdings keine ausdrückliche Regelung vor, ob oder inwieweit im Rahmen der kostenlosen Rechtsberatung nach § 52 BFA-VG auch eine Befreiung von allfälligen zu entrichtenden Gerichtsgebühren oder anderen bundesgesetzlich geregelten staatlichen Gebühren (§ 64 Abs. 1 Z 1 lit. a ZPO) möglich ist (siehe etwa auch VwGH 31.8.2017, Ro 2017/21/0004). Für Beschwerdeverfahren gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 7 Abs. 1 BFA-VG sind die Bestimmungen des VwGVG anzuwenden. Da in diesen Fällen eine gesetzliche Gebührenbefreiung nicht besteht, unterliegen derartige Beschwerden der Verpflichtung zur Entrichtung der Eingabegebühr nach § 14 Tarifpost 6 Abs. 5 Z 1 lit. b GebG iVm BuLVwG- EGebV.

Der gegenständliche Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe im Umfang der Befreiung von der Entrichtung der Eingabegebühr findet somit in § 8a VwGVG iVm § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a ZPO grundsätzlich eine geeignete Rechtsgrundlage.

Der BF hat ein Vermögensbekenntnis abgegeben und war gegenständlich dessen Vermögenslosigkeit festzustellen, sodass dem Antrag des BF auf Verfahrenshilfe im Ausmaß der Befreiung von der Eingabegebühr stattzugeben war.

Zu Spruchteil B)

3.3. Zur Stattgabe der Beschwerde:

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jeder der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 8 leg cit. als EWR-Bürger, ein Fremder der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.

Der BF ist auf Grund seiner italienischen Staatsbürgerschaft EWR-Bürger gemäß § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

3.3.1. Der mit „Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate“ betitelte § 51 NAG lautet:

„§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1.       in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2.       für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3.       als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er

1.       wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;

2.       sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;

3.       sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder

4.       eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.

(3) Der EWR-Bürger hat diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen.“

Der „Bescheinigung des Daueraufenthalts für EWR-Bürger“ betitelte § 53a NAG lautet:

„§ 53a. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von

1.       Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;

2.       Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder

3.       durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.

(3) Abweichend von Abs. 1 erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie

1.       zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben;

2.       sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht, oder

3.       drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig waren und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten und in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückkehren;

Für den Erwerb des Rechts nach den Z 1 und 2 gelten die Zeiten der Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Zeiten gemäß § 51 Abs. 2 sind bei der Berechnung der Fristen zu berücksichtigen. Soweit der Ehegatte oder eingetragene Partner des EWR-Bürgers die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder diese nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat, entfallen die Voraussetzungen der Aufenthaltsdauer und der Dauer der Erwerbstätigkeit in Z 1 und 2.

(4) EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 sind, erwerben ebenfalls das Daueraufenthaltsrecht, wenn der zusammenführende EWR-Bürger das Daueraufenthaltsrecht gemäß Abs. 3 vorzeitig erworben hat oder vor seinem Tod erworben hatte, sofern sie bereits bei Entstehung seines Daueraufenthaltsrechtes bei dem EWR-Bürger ihren ständigen Aufenthalt hatten.

(5) Ist der EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 im Laufe seines Erwerbslebens verstorben, bevor er gemäß Abs. 3 das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, so erwerben seine Angehörigen, die selbst EWR-Bürger sind und die zum Zeitpunkt seines Todes bei ihm ihren ständigen Aufenthalt hatten, das Daueraufenthaltsrecht, wenn

1.       sich der EWR-Bürger zum Zeitpunkt seines Todes seit mindestens zwei Jahren im Bundesgebiet ununterbrochen aufgehalten hat;

2.       der EWR-Bürger infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verstorben ist, oder

3.       der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner die österreichische Staatsangehörigkeit nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat.“

Der mit „Aufenthaltsverbot“ betitelte § 67 FPG lautet:

„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

Der mit „Ausreiseverpflichtung und Durchsetzungsaufschub“ betitelte § 70 FPG lautet:

„§ 70. (1) Die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot werden spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.

(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

(4) Der Durchsetzungsaufschub ist zu widerrufen, wenn

1.       nachträglich Tatsachen bekannt werden, die dessen Versagung gerechtfertigt hätten;

2.       die Gründe für die Erteilung weggefallen sind oder

3.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige während seines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet ein Verhalten setzt, das die sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gebietet.“

3.3.2. Der Beschwerde war aus folgenden Gründen stattzugeben:

Da der BF, der aufgrund seiner italienischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt, die Voraussetzungen eines durchgehenden und rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet weder seit fünf noch seit zehn Jahren erfüllt – hat –kommt für diesen mangels Erfüllung der Voraussetzungen eines unionsrechtlichen Daueraufenthaltsrechts iSd. § 53a NAG, der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG für Unionsbürger zur Anwendung.

Gegen den BF als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß §§ 67 Abs. 1 zweiter Satz FPG nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet ist. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose - gleiches gilt auch für ein Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot - ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an. (vgl. VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230)

Solche Gesichtspunkte, wie sie in einem Verfahren betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot zu prüfen sind, insbesondere die Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich, können nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden (vgl. VwGH 7.11.2012, 2012/18/0057).

In diesem Zusammenhang weist das erkennende Gericht der Vollständigkeit halber darauf hin, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen unabhängig und eigenständig, von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen hat (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096). Es obliegt daher dem erkennenden Gericht festzustellen, ob eine Gefährdung im Sinne des FPG vorliegt oder nicht. Es geht bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

„Eine Ausweisung als Teil eines Aufenthaltsverbotes, das aus einer Ausreiseverpflichtung und der Verpflichtung besteht, innerhalb des festgelegten Zeitraums (oder auf Dauer) nicht zurückzukehren, stellt gegenüber dem Aufenthaltsverbot nicht ein Aliud, sondern ein Minus dar (vgl. VwGH 23.3.2017, Ra 2016/21/0349; VwGH 20.12.2007, 2004/21/0328). Die Verneinung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegenüber dem Fremden hätte somit die Prüfung des Vorliegens der Tatbestandserfordernisse für die Erlassung einer (von der erstinstanzlichen Entscheidung des BFA umfassten) Ausweisung nach § 66 FrPolG 2005 nach sich ziehen müssen. Die ersatzlose Behebung des auf § 67 FrPolG 2005 gestützten Aufenthaltsverbotes (ohne weitere Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Erlassung einer Ausweisung nach § 66 FrPolG 2005 und damit ohne vollständige Erledigung des Gegenstandes des Beschwerdeverfahrens) widerspricht somit der Rechtslage. (vgl. VwGH 29.09.2020, Ra 2020/21/0196)

„Infolge der bereits erfolgten Abschiebung eines Fremden kommt dessen Ausweisung nach der klaren Rechtslage - eine Ausweisung setzt einen Inlandsaufenthalt voraus - nicht mehr in Betracht (insoweit ist VwGH 30.1.2003, 2002/21/0168, weiterhin maßgeblich; vgl. VwGH 20.12.2007, 2007/21/0484).“ (vgl. VwGH 25.01.2018, Ra 2017/21/0237)

Aufenthaltsverbote knüpfen tatbestandsmäßig nicht an einen (aktuellen) Inlandsaufenthalt an und sind somit auch dann möglich, wenn sich der betreffende Fremde (schon) im Ausland befindet. (vgl. VwGH 25.01.2018, Ra 2017/21/0237)

3.3.3. Der BF hielt sich jedenfalls von Mitte Jänner bis Mitte März 2019 in Österreich auf und wurde verdächtigt, Einbruchsdiebstähle im Bundesgebiet begangen zu haben. Er bestritt die Taten bis zuletzt und wurde bis dato keine Anklage gegen den BF erhoben.

Wenn auch eine Verurteilung kein zwingendes Erfordernis für den Ausspruch eines Aufenthaltsverbotes darstellt, zumal das BFA/BVwG berechtigt ist, den Sachverhalt eigenständig zu beurteilen (siehe dazu VwGH 18.11.2020, Ra 2020/14/0113), so lässt der gegenständlich festgestellte Sachverhalt das Begehen von Straftaten durch den BF nicht mit der notwendigen Sicherheit erkennen. Der BF bestritt die Straftaten bis zuletzt und kann den im Akt einliegenden Berichten der ermittelnden Sicherheitsorgane kein eindeutiger Beweis für die Schuld des BF entnommen werden. Zwar wurde an einem Tatort ein Schuhabdruck vorgefunden, der zum Schuhwerk des BF passt und konnte im Auto des BF tatbildtypisches Werkzeug sowie ein Schmuckstück vorgefunden werden. Es wurde jedoch nicht festgestellt, dass der BF ein besonderes bzw. seltenes Schuhwerk trägt, sodass der Schuhabdruck am Tatort nicht unweigerlich vom BF stammen muss. Ferner kann nicht allein aufgrund der Tatsache, dass der BF Werkzeug in seinem Fahrzeug mitgeführt hat, das auch bei Einbrüchen Verwendung finden kann, darauf geschlossen werden, dass dieser der Täter ist. Letztlich findet sich im Bericht der Polizei kein Hinweis darauf, dass das im Fahrzeug des BF vorgefundene Schmuckstück aus einem der ihm angelasteten Einbrüche stammt. Im Ergebnis lässt sich sohin aufgrund der Indizienlage nicht mit hinreichender Sicherheit auf die Täterschaft des BF schließen. Dies wird auch durch die Tatsache, dass der BF am XXXX .2019 aus der Untersuchungshaft entlassen wurde und bis heute keine Anklage bzw. Verurteilung des BF erfolgte, bekräftigt.

Dem bisher unbescholtenen BF kann sohin kein strafgerichtlich relevantes Verhalten zum Vorhalt gemacht werden. Auch kann aus dem bloßen Umstand der Vermögenslosigkeit des BF aufgrund seines kurzen – unter 3 Monate gelegenen – Aufenthalts in Österreich (siehe dazu § 15a FPG und § 51 Abs. 1 NAG) nichts Nachteiliges gewonnen werden.

Vor diesem Hintergrund kann eine maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Interessen durch den BF iSd. § 67 Abs. 1. erster und zweiter Satz NAG nicht festgestellt werden und liegen demzufolge die Voraussetzungen für den Ausspruch eines Aufenthaltsverbotes gegenständlichen nicht vor.

Der Beschwerde war sohin stattzugeben und Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu beheben.

In Ermangelung eines feststellbaren Inlandaufenthaltes war eine Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen einer Ausweisung des BF iSd. § 66 FPG zu unterlassen, zumal der Ausspruch eine Ausweisung an einen Inlandsaufenthalt geknüpft ist (siehe dazu das oben angeführte Judikat des VwGH).

Durch die Aufhebung des gegenständlichen angefochtenen Aufenthaltsverbotes ist einem Ausspruch über die Erteilung bzw. Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes sowie der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung die rechtliche Grundlage entzogen, weshalb im Zuge der Stattgabe der Beschwerde auch die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides zu beheben waren.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und zudem bereits aus der Aktenlage hervorgeht, dass der angefochtene Bescheid zu beheben war, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG bzw. § 24 Abs. 2 Z 1 2. Fall VwGVG, eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung EU-Bürger Gefährdungsprognose Interessenabwägung Privat- und Familienleben strafrechtliche Verurteilung Unionsrecht Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G307.2215512.1.00

Im RIS seit

03.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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