TE Bvwg Beschluss 2021/8/20 W237 2216988-2

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Veröffentlicht am 20.08.2021
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Entscheidungsdatum

20.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AVG §18 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W237 2216988-2/2E

W237 2216989-2/2E

W237 2216987-2/2E

W237 2216990-2/2E

W237 2233583-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Martin WERNER über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX , und 5.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Russische Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 09.06.2021, 1.) Zl. 1102821900/200677810, 2.) Zl. 1102830104/210766194, 3.) Zl. 1102830202/210766178, 4.) Zl. 1143919709/210766151 und 5.) Zl. 1265193400/ 201271439:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG iVm § 18 Abs. 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

1. Feststellungen:

Mit jeweils als Bescheid bezeichneten Erledigungen vom 09.06.2021 (im Folgenden auch: Bescheiden) erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführern Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht zu (Spruchpunkt I.), erließ jeweils im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt II.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebungen der Beschwerdeführer in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig seien (Spruchpunkt III.) und legte schließlich die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der jeweiligen Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV.).

Die in den einzelnen, die Beschwerdeführer betreffenden Verwaltungsakten befindlichen Urschriften der Bescheide bezeichnen auf der jeweils letzten Seite „ XXXX “ in einwandfrei leserlicher Druckschrift als genehmigende Person. Über diesem Namen befinden sich in den Urschriften folgende, mit schwarzem Kugelschreiber angefertigte Schriftzüge:

Bescheid betreffend Erstbeschwerdeführerin:

xxxx

Bescheid betreffend Zweitbeschwerdeführerin:

xxxx

Bescheid betreffend Drittbeschwerdeführer:

xxxx

Bescheid betreffend Viertbeschwerdeführerin:

xxxx

Bescheid betreffend Fünftbeschwerdeführer:

xxxx

Alle Schriftzüge stammen von derselben Person. Sonstige Hinweise bzw. Vermerke enthalten die Urschriften nicht.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl adressierte diese Erledigungen an die Erstbeschwerdeführerin (als gesetzliche Vertreterin der übrigen Beschwerdeführer), die gegen alle Bescheide mit gleichlautendem Schreiben vom 09.07.2021 Beschwerde erhob. Der Beschwerdeschriftsatz sowie die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 16.07.2021 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den Verwaltungsakten bzw. den darin aufliegenden Urschriften der angefochtenen Bescheide, den Rückscheinen sowie den Angaben der Beschwerdeführer, gegen welche behördliche Akte sich ihre Beschwerde richtet. Dass sämtliche Schriftzüge von derselben Person stammen, kann anhand des einheitlichen Schriftbilds festgestellt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Im Anwendungsbereich des § 18 AVG wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Grundsatz aufgestellt, dass jede Erledigung zu genehmigen ist, und zwar durch die Unterschrift eines (hiezu berufenen) Organwalters. Damit wird der wichtige Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass die Identität des Menschen, der eine Erledigung getroffen und daher zu verantworten hat, für den Betroffenen erkennbar sein muss. Die "Urschrift" einer Erledigung muss also das genehmigende Organ erkennen lassen (vgl. VwGH 10.09.2015, Ra 2015/09/0043).

Unabhängig von der Frage, welchen Voraussetzungen die schriftliche Ausfertigung einer Erledigung zu genügen hat (externe Erledigung), muss daher die – interne – Erledigung selbst von jenem Organwalter, der die Behördenfunktion innehat, oder von einem approbationsbefugten Organwalter genehmigt worden sein. Fehlt es an einer solchen Genehmigung, liegt kein Bescheid vor (VwGH 11.11.2014, Ra 2014/08/0018).

Gemäß § 18 Abs. 3 AVG sind schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten. In den vorliegenden Fällen wurde kein derartiges Verfahren nach E-GovG durchgeführt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Unterschrift im Sinn dieser Vorschrift ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichneten kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann; eine Unterschrift muss nicht lesbar, aber ein "individueller Schriftzug" sein, der entsprechend charakteristische Merkmale aufweist. Die Anzahl der Schriftzeichen muss der Anzahl der Buchstaben des Namens nicht entsprechen (vgl. für viele VwGH 07.11.2019, Ra 2019/14/0389; 20.04.2017, Ra 2017/20/0095 mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hielt aber wiederholt fest, dass eine Paraphe keine Unterschrift ist (vgl. VwGH 07.11.2019, Ra 2019/14/0389; 04.09.2000, 98/10/0013 und 0014; s. auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 18, Rz 23 mwH).

2. Die Schriftzüge der im Verwaltungsakt aufliegenden Urschriften der angefochtenen Bescheide stammen zwar offenkundig von derselben Person, keiner der Schriftzüge erfüllt allerdings die Merkmale einer Unterschrift:

2.1. Zwar muss die Anzahl der Schriftzeichen einer Unterschrift der Anzahl der Buchstaben des Namens nicht entsprechen, doch besteht der Nachname der genehmigenden Person im vorliegenden Fall aus drei Silben und insgesamt acht Buchstaben. Die Urschriften sind hingegen jeweils nur mit einem kurzen Schriftzug abgezeichnet, dem keine irgendwie geartete Buchstabenfolge zu entnehmen ist. In Kenntnis des Nachnamens der genehmigenden Person („ XXXX “) kann den Schriftzügen selbst unter größtmöglicher Abstrahierungstoleranz in vergleichender Zusammenschau nicht einmal der Anfangsbuchstabe „M“ entnommen werden.

Auch aus den Abschlüssen der Schriftzüge, die jeweils wellenartig ungefähr auf der Höhe der Mitte der einleitenden vertikalen Schlaufen auslaufen, ist kein weiterer Anhaltspunkt auf den Namen zu entnehmen, zumal unklar ist, ob sie Teile eines Schriftzeichens bilden oder einen weiteren Folgebuchstaben andeuten; somit tragen auch sie nicht ansatzweise zur Klärung der Identität der genehmigenden Person bei (vgl. im Gegensatz dazu VwGH 19.02.2018, Ra 2017/12/0051, wo im zugrundeliegenden Fall die ersten Buchstaben eines Namens mit sechs Buchstaben deutlich erkennbar waren; es liegt somit im gegenständlichen Fall auch keine infolge eines starken Abschleifungsprozesses abstrahierende Linie vor, aus der – im Lichte sonstiger erkennbarer Buchstaben – auf weitere Buchstaben geschlossen werden könnte).

Jedenfalls liegt in keinem der Urschriften ein Buchstabengebilde vor, aus dem der Name der genehmigenden Person auch in Kenntnis desselben noch in irgendeiner Form herauslesbar wäre.

2.2. Die kurzen Schriftzüge der Abzeichnungen der Urschriften stellen damit bloße Paraphen dar, die nach der aufgezeigten Rechtsprechung keine Unterschriften bilden.

3. Den (als Bescheide bezeichneten) Erledigungen der belangten Behörde vom 09.06.2021 fehlt es jeweils mangels Unterschrift des genehmigenden Organs und eines Hinweises auf eine elektronische Genehmigung sohin an der Bescheidqualität, weshalb sich die Beschwerde gegen als Bescheide absolut nichtige Erledigungen richtet. Dies hat den Mangel der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel zur Folge; die Verfahren über die Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie die Erlassung von Rückkehrentscheidungen sind stattdessen nach wie vor vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig.

Die Beschwerde ist daher als unzulässig zurückzuweisen (vgl. auch BVwG 26.05.2020, W234 2127997-2; 16.07.2020, W237 2225489-1; 26.03.2021, W112 2217194-1 ua.).

4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; zudem fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in dieser auch nicht uneinheitlich beantwortet. So entspricht es ständiger, einheitlicher Rechtsprechung, dass eine Paraphe keine Unterschrift darstellt, wobei die Beurteilung, was (noch) eine Unterschrift darstellt, stets einzelfallbezogen ausfallen muss.

Schlagworte

Genehmigung Nichtbescheid Organwalter Unterschrift

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W237.2216988.2.00

Im RIS seit

03.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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