TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/25 G304 2244518-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.08.2021
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Entscheidungsdatum

25.08.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1
VwGVG §35 Abs3

Spruch


G304 2244518-2/8E
G304 2244518-3/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA.: Afghanistan, vertreten durch die BBU GmbH sowie durch den Rechtsanwalt Mag. Dr. Gregor KLAMMER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 10.08.2021, Zl. XXXX , und seine Anhaltung in Schubhaft ab 13.08.2021 zu Recht:

A)

I.       Die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II.      Der Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft ab 13.08.2021 wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG stattgegeben und die Anhaltung des BF in Schubhaft vom 13.08.2021 bis 20.08.2021 für rechtswidrig erklärt.

III.    Die Anträge des BF und des BFA auf Kostenersatz werden gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des BFA vom 10.08.2021 wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet, und ausgesprochen, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach Entlassung des BF aus der derzeitigen Haft eintreten.

Davor wurde mit Bescheid des BFA vom 10.08.2021 gemäß § 68 Abs. 2 AVG der Bescheid des BFA vom 09.07.2021, mit welchem über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG die Schubhaft zwecks Sicherung der Abschiebung verhängt worden war, aufgehoben.

2. Gegen den in der Sprucheinleitung angeführten Schubhaftbescheid vom 10.08.2021 und gegen die Anhaltung des BF in Schubhaft ab 13.08.2021 wurde Beschwerde erhoben. Mit Beschwerde wurde ausdrücklich beantragt, eine mündliche Verhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes durchzuführen, auszusprechen, dass die Anhaltung in Schubhaft seit 13.08.2021 in rechtswidriger Weise erfolgte, und auszusprechen, dass die Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung des BF nicht vorliegen.

3. Am 19.08.2021 wurde dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die Beschwerde samt dazugehörigem Akt vorgelegt.

4. Am 19.08.2021 langte zudem ein nicht von der vom BF nicht aufgelösten weiterhin aufrechten Rechtsvertretung, sondern von einem Rechtsanwalt verfasstes mit „Haftbeschwerde“ betiteltes ergänzendes Beschwerdeschreiben ein, in welchem auf die Unmöglichkeit und Unzulässigkeit der Abschiebung des BF nach Afghanistan hingewiesen und beantragte wurde, die Anhaltung des BF in Schubhaft als rechtswidrig festzustellen und dem BF Kostenersatz zuzusprechen („Eingabegebühr und Aufwandsersatz im gesetzlichen Umfang“).

Die vom BF der BBU GmbH erteilte Vollmacht blieb weiterhin aufrecht. Das diesbezügliche Vertretungsverhältnis wurde vom BF nicht aufgelöst.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Afghanistan.

1.2. Er stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 31.03.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des BFA vom 18.05.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 11.04.2016 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Statuts des Asyl- als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen, ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot in der Dauer von zehn Jahren erlassen und dem BF keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt.

Die dagegen erhobene Beschwerde dagegen wurde mit mündlich verkündetem Erkenntnis des BVwG vom 03.09.2019, Zl. W153 2198649-1/14Z, abgewiesen. Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wurde ersatzlos behoben. Es wurde dem BF eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise gewährt. Dieses Erkenntnis ist am 03.09.2019 rechtskräftig geworden.

1.3. Am 16.09.2019 wurde der Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) an die zuständige Botschaft übermittelt.

Am 17.09.2019 reichte der BF einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr ein.

Mit einem Schreiben vom 18.09.2019 wurde ihm jedoch mitgeteilt, dass die Übernahme der Heimreisekosten aufgrund des Verhaltens des BF seitens des BFA nicht übernommen werden.

Am 19.09.2019 hat der BF seinen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr widerrufen.

Am 08.11.2019 wurde der BF in ein Polizeianhaltezentrum (PAZ) zwecks Vorführung zur Identitätsprüfung durch eine afghanische Delegation überstellt.

Am selben Tag wurde der BF seitens der afghanischen Delegation identifiziert und die Zustimmung zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates erteilt.

Am 13.11.2019 wurde für den BF das HRZ ausgestellt.

Es war beabsichtigt den wegen Straftaten in Haft befundenen BF am 13.12.2019 aus der Strafhaft zu entlassen. Durch ein Schreiben einer JA vom 21.11.2019 wurde die belangte Behörde darüber informiert, dass die Staatsanwaltschaft aufgrund der Vorfälle in der JA am 20.11.2019 (Brandlegung sowie tätlichen Angriffs auf Justizwachebeamte) für die Überprüfung einer allfälligen Verhängung der U-Haft verständigt wurde.

Der BF wurde daher am 26.11.2019 in die JA überstellt, wo über ihn am 13.12.2019 die Untersuchungshaft verhängt wurde.

Im April 2020 folgte eine strafrechtliche Verurteilung des BF, die nicht die erste war.

1.4. Der BF wurde in Österreich mehrmals strafrechtlich verurteilt, und zwar erstmals mit

?        Urteil von November 2016, rechtskräftig mit November 2016, wegen Körperverletzung, zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, wobei im März 2017 die Probezeit auf insgesamt fünf Jahre verlängert und im April 20020 die bedingte Strafnachsicht widerrufen wurde, dann mit

?        Urteil von März 2017, rechtskräftig mit März 2017, wegen Körperverletzung und gefährlicher Drohung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, davon acht Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, wobei im März 2017 beschlossen wurde, den BF am 08.04.2017 bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren aus der Freiheitsstrafe zu entlassen, die bedingte Entlassung des BF aus der Freiheitsstrafe seitens des Strafgerichts im Oktober 2017 jedoch widerrufen wurde, im Dezember 2017 die angeordnete Bewährungshilfe aufgehoben und im April 2018 die Probezeit des bedingten Strafteils auf insgesamt fünf Jahre verlängert wurde, des Weiteren mit

?        Urteil von Oktober 2017, rechtskräftig mit Oktober 2017, wegen schwerer Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, mit

?        Urteil von April 2018, rechtskräftig mit Urteil von April 2018, wegen Suchtgifthandels, Sachbeschädigung, unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften, und Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, danach mit

?        Urteil von April 2020, rechtskräftig mit September 2020, wegen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt, schwerer Körperverletzung und Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, und zuletzt mit

?        Urteil von Jänner 2021, rechtskräftig mit Jänner 2021, wegen Körperverletzung, wobei unter Bedachtnahme auf das vorherige Strafrechtsurteil über den BF keine Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB verhängt wurde.

Es wurde für 13.08.2021 eine Strafhaftentlassung des BF vorgesehen.

1.5. Der BF wurde mit Schreiben vom 17.06.2021 erstmals über die beabsichtigten Maßnahmen nach seiner Haftentlassung am 13.08.2021 (Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung) in Kenntnis gesetzt. Dabei wurde ihm eine Frist von 14 Tagen ab Übernahme des Schreibens gewährt, um eine Stellungnahme dazu einzubringen.

Der BF hat dieses Schreiben in der JA persönlich übernommen, dazu jedoch keine schriftliche Stellungnahme erstattet.

Mit Bescheid des BFA vom 09.07.2021, dem BF am 09.07.2021 in der JA persönlich zugestellt, wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung verhängt.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit mündlich verkündetem Erkenntnis des BVwG vom 29.07.2021, Zl. G309 2244518-1/12Z, als unbegründet abgewiesen.

Der BF stellte am 29.07.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag) und wurde am 06.08.2021 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Erstbefragung unterzogen.

Am 09.08.2021 folgte zwecks Prüfung von Sicherungsmaßnahmen in der JA eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA. In dieser verneinte der BF die Frage, ob er freiwillig nach Afghanistan zurückkehren würde (angefochtener Bescheid, S. 6), und brachte befragt danach, ob er sich dem weiteren Verfahren zu seiner Außerlandesbringung entziehen werde, Folgendes vor:

„Ich möchte nicht weglaufen. Sollten Sie mich nach Afghanistan schicken wollen, werde ich nicht weglaufen, aber bitte geben Sie mir 14 Tage Zeit, damit ich in ein anderes Land gehe, wie zB. Italien.“ (angefochtener Bescheid, S. 6)

Mit Bescheid des BFA vom 10.08.2021 wurde gemäß § 68 Abs. 2 AVG der Bescheid des BFA vom 09.07.2021, mit welchem über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG die Schubhaft zwecks Sicherung der Abschiebung verhängt wurde, aufgehoben.

Mit weiterem Bescheid des BFA vom 10.08.2021 wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG über den BF die Schubhaft zwecks Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet, und ausgesprochen, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach Entlassung des BF aus der Strafhaft eintreten.

1.6. Der BF wurde am 13.08.2021 aus der Strafhaft entlassen und in Schubhaft genommen.

1.7. Er verfügt in Österreich über keine Familienangehörigen und keine soziale oder berufliche Verankerung und besitzt nicht ausreichende Existenzmittel zur Finanzierung seines Aufenthaltes bzw. Bestreitung seines Lebensunterhaltes.

1.8. Es ist zu einer zunehmenden Verschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan gekommen:

Die Taliban haben am 12.08.2021 die Stadt Herat und am 14.08.2021 Mazar-e Sharif eingenommen. Am 15.08.2021 besetzten die Taliban die Hauptstadt Kabul.

Von einer zeitnah möglichen Abschiebung des BF – innerhalb der zulässigen Schubhafthöchstdauer – konnte aufgrund der sich erheblich verschlechterten Sicherheitslage in Afghanistan in Zusammenhang mit der durch die radikalislamistischen Taliban im Land erfolgten Machtübernahme somit nicht ausgegangen werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der unter Punkt I. geschilderte Verfahrensgang und die unter Punkt II. Punkte 1.1. bis 1.8. getroffenen Feststellungen beruhen auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

2.2. Die unter Punkt II.1.9. getroffenen Länderfeststellungen sind (amts-) bekannt. Von der sich in Afghanistan zunehmend verschlechterten Sicherheitslage wurde laufend in öffentlichen Medien berichtet.

Mit der rapiden Verschlechterung der Sicherheitslage durch Eroberung der größten Städte Herat und Mazar-e-Sharif wurde offenkundig, dass die Kampfmoral der afghanischen Armee vollständig gebrochen war und diese auch nicht mehr in Lage war, Bevölkerungszentren und die Hauptstadt Kabul vor den Taliban zu schützen.

Da insbesondere die Städte Herat und Mazar-e-Sharif als Hauptzielpunkte für innerstaatliche Fluchtalternativen (IFA) für sog „young able men“ in Afghanistan dienen (unter weiteren in der EASO Country Guidance genannten Voraussetzungen), wird davon ausgegangen, dass mit dem raschen Fall der Stadt Herat im Nordwesten des Landes am 12.08.2021 jener Punkt erreicht war, an dem die belangte Behörde von der Unmöglichkeit der Durchführung von zeitnahen Abschiebungen innerhalb der gesetzlichen Schubhafthöchstgrenzen ausgehen müssen hätte.

2.3. Am 19.08.2021 langte ein von einem Rechtsanwalt verfasstes mit „Haftbeschwerde“ betiteltes ergänzendes Beschwerdeschreiben vom 19.08.2021 ein, in welchem auf die Unmöglichkeit und Unzulässigkeit der Abschiebung des BF nach Afghanistan hingewiesen und beantragte wurde, die Anhaltung des BF in Schubhaft als rechtswidrig festzustellen und dem BF Kostenersatz zuzusprechen („Eingabegebühr und Aufwandsersatz im gesetzlichen Umfang“).

Die in der Sprucheinleitung angeführte Rechtsvertretung wurde vom BF nicht aufgelöst und blieb weiterhin aufrecht.

Im besagten von einem Rechtsanwalt verfassten Schreiben vom 19.08.2021 wurde unter anderem auf das Erkenntnis des BVwG vom 16.08.2021, Zl. W283 2245292-1/10E, und darauf, dass eine für 03.08.2021 in Kooperation mit Deutschland geplante Charterabschiebung nach Afghanistan nicht durchgeführt werden konnte, da von Afghanistan keine Landeerlaubnis erteilt wurde, Bezug genommen, und unter anderem Folgendes vorgebracht:

„Seit zumindest dem 4.8. steht eindeutig fest, dass es zu meiner Abschiebung nicht kommen kann – denn an diesem Tag wurde offenbar, dass keine Landegenehmigungen mehr erteilt werden – Es wird auch nicht zu meiner Abschiebung kommen, weil ich unter einer Taliban-Herrschaft in Afghanistan wohl am Leben gefährdet bin. Die Schubhaft ist daher unzulässig (vgl. VwGH 11.5.2021, Ra 2021/21/0066) und die weitere Aufrechterhaltung auch nicht rechtens.“

Beantragt wurde mit diesem „Haftbeschwerde“-Schreiben vom 19.08.2021, „das Bundesverwaltungsgericht möge die Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig feststellen und mir Eingabegebühr und Aufwandersatz im gesetzlichen Umfang zusprechen.

§ 17 VwGVG besagt, dass, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden sind, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AVG können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch natürliche Personen, die volljährig und handlungsfähig sind und für die in keinem Bereich ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt oder eine gewählte oder gesetzliche Erwachsenenvertretung oder Vorsorgevollmacht wirksam ist, durch juristische Personen oder durch eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen.

Nach § 10 Abs. 2 AVG richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.

Gemäß § 10 Abs. 6 AVG schließt die Bestellung eines Bevollmächtigten nicht aus, dass der Vollmachtgeber im eigenen Namen Erklärungen abgibt.

Fest steht im gegenständlichen Fall, dass die in der Sprucheinleitung angeführte Rechtsvertretung vom BF nicht aufgelöst und weiterhin aufrecht gehalten wurde.

Der BF befand sich angesichts der ihm vom BFA angedrohten Abschiebung nach Afghanistan, in ein Land, wo sich die Sicherheitslage maßgeblich verschlechtert hat, in einer Notsituation.

Mit einem anwaltlich verfassten Schreiben wollte der von der aufrechten Rechtsvertretung verfassten Schubhaftbeschwerde Nachdruck verliehen werden.

Genauso wie nach § 10 Abs. 6 AVG die Bestellung eines Bevollmächtigten nicht ausschließt, dass der Vollmachtgeber im eigenen Namen Erklärungen abgibt, kann durch die Bestellung eines Bevollmächtigten nicht ausgeschlossen sein, dass für den Vollmachtgeber – in einer Notsituation, um nach subjektivem Befinden der Schubhaftbeschwerde mehr Nachdruck verleihen zu können – ein nicht durch die aufrechte Rechtsvertretung sondern durch einen anderen Rechtsvertreter bzw. Rechtsanwalt verfasstes Schreiben eingebracht wird.

Auf das mit „Haftbeschwerdeschreiben“ betitelte, die rechtswidrige Anhaltung des BF in Schubhaft betreffende, von einem Rechtsanwalt für den BF verfasste Schreiben vom 19.08.2021 wird gegenständlich nicht näher eingegangen, erschien der entscheidungsrelevante Sachverhalt zum Zeitpunkt des Einlangens dieses Schreibens beim BVwG doch bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit dem Schubhaftbeschwerdevorbringen vor dem Hintergrund der aktuellen Länderberichtslage als eindeutig geklärt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

3.1.3. Der BF, afghanischer Staatsangehöriger, besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG.

Im vorliegenden Fall wurde mit Bescheid des BFA vom 10.08.2021 gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet, und ausgesprochen, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach Entlassung des BF aus der Haft eintreten.

Diese Anordnung der Schubhaft über den BF erfolgte, nachdem über den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 11.04.2016 mit mündlich verkündetem Erkenntnis des BVwG, Zl. W153 2198649-1/14Z, am 03.09.2019 eine rechtskräftige negative Asylentscheidung samt Rückkehrentscheidung und zehnjährigem Einreiseverbot ergangen, und der BF, nachdem über ihn mit Bescheid des BFA vom 09.07.2021, rechtskräftig mit mündlich verkündetem Erkenntnis des BVwG vom 29.07.2021, Zl. G309 2244518-1/12Z, die Schubhaft zwecks Sicherung seiner Abschiebung verhängt worden war, am 29.07.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag) gestellt hatte und mit Bescheid des BFA vom 10.08.2021 der vormalige Bescheid vom 09.07.2021 mit Anordnung der Schubhaft über den BF zwecks Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG behoben worden war.

Nach § 76 Abs. 2. Z. 1 FPG darf die Schubhaft nur angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist.

Zur Prüfung der Fluchtgefahr ist auf alle Umstände des konkreten Falles Bedacht zu nehmen, um die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens, als schlüssig anzusehen. Dabei kommt insbesondere auch dem bisherigen Verhalten des Fremden Bedeutung zu (VwGH 27.2.2007, 2006/21/0311). Von einer Anordnung der Schubhaft ist Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist. So ist eine verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen (VfGH 24.6.2006, B362/06). In diesem Zusammenhang sind die Kriterien des § 76 Abs. 3 FPG zu beachten.

Im gegenständlichen Fall war nach § 76 Abs. 3 Z. 5 FPG insbesondere zu berücksichtigen, dass gegen den BF zum Zeitpunkt als er am 29.07.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand.

Mit Bescheid des BFA vom 10.08.2021 wurde gemäß § 68 Abs. 2 AVG der Bescheid des BFA vom 09.07.2021, mit welchem über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG die Schubhaft zwecks Sicherung der Abschiebung verhängt wurde, aufgehoben, lt. Aktenvorlage deshalb, weil die Rechtsfolgen des Bescheids aufgrund der Strafhaft des BF noch nicht eingetreten waren.

Mit weiterem Bescheid des BFA vom 10.08.2021 wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG über den BF die Schubhaft zwecks Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet, und ausgesprochen, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach Entlassung des BF aus der Strafhaft eintreten.

Der BF wurde folglich am 13.08.2021 aus der Strafhaft entlassen und in Schubhaft genommen.

Wie vom BFA mit Akten- bzw. Beschwerdevorlage vom 19.08.2021 mitgeteilt, war beabsichtigt, den BF aufgrund der Asylantragstellung zeitnah am 12.08.2021 zur Asyleinvernahme in eine Erstaufnahmestelle des BFA zu überstellen, wobei die Überstellung aufgrund Überlastung nicht stattfinden konnte, und ein neuer Termin für den 19.08.2021 vereinbart wurde.

Am 18.08.2021 langte beim BFA die Mitteilung ein, dass das Asylverfahren des BF am 18.08.2021 durch Anordnung der Leitung der zuständigen Erstaufnahmestelle des BFA gem. § 28 AsylG, allerdings ohne Aufenthaltsrecht, zugelassen wurde. Dem BF wurde die Verfahrensanordnung am 18.08.2021 im AHZ, in dem sich der BF befand, zugestellt.

Mit Aktenvermerk vom 18.08.2021 wurde dann festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Schubhaft trotz Zulassung zum Asylverfahren weiterhin vorliegen und diese aufrecht zu erhalten ist.

Wie des Weiteren mit Akten- bzw. Beschwerdevorlage mitgeteilt, ist davon auszugehen, dass der Asylfolgeantrag lediglich zur Umgehung der fremdenrechtlichen Maßnahmen (Außerlandesbringung), sowie zur Entlassung aus der Schubhaft gestellt wurde, und, wäre der BF im Zuge der Strafhaft in der JA nicht erneut straffällig geworden, es längst möglich gewesen wäre, den BF außer Landes zu bringen.

Er verfügt in Österreich über keine Familienangehörigen, keine soziale oder berufliche Verankerung, und keine ausreichenden Existenzmittel zur Finanzierung seines Aufenthaltes bzw. Bestreitung seines Lebensunterhaltes, wodurch auch der Fluchtgefahr-Tatbestand iSv § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG erfüllt ist.

Die Verhängung der Schubhaft über den BF nach § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG mit Bescheid vom 10.08.2021 war zudem auch verhältnismäßig iSv § 76 Abs. 2a FPG, war doch, wie aus seinen den rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden, immer wieder begangenen verschiedenartigen Straftaten zu schließen, von zukünftigen weiteren Straftaten, auch von für die Menschen im Land gefährlichen strafbaren Handlungen in Zusammenhang mit Suchtgift, und einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit für das österreichische Bundesgebiet auszugehen.

Der Mitteilung des BFA mit Aktenvorlage folgend lag ein besonders aggressives Verhalten des BF – auch gegenüber Beamte der Justiz – vor, und hat der BF durch sein strafrechtliches verhalten massiv in besonders geschützte Rechtsgüter (Verurteilung nach dem SMG, schwere Körperverletzung, Sachbeschädigungen, Widerstand gegen die Staatsgewalt) eingegriffen und durch die Brandlegung in einer JA bereits mediale Aufmerksamkeit erlangt.

Hingewiesen wird zudem darauf, dass der BF in der niederschriftlichen zwecks Prüfung von Sicherungsmaßnahmen in der JA durchgeführten Einvernahme des BF vor dem BFA am 09.08.2021 die Frage, ob er freiwillig nach Afghanistan zurückkehren würde, verneinte (angefochtener Bescheid, S. 6), und befragt danach, ob er sich dem weiteren Verfahren zu seiner Außerlandesbringung entziehen werde, Folgendes vorbrachte:

„Ich möchte nicht weglaufen. Sollten Sie mich nach Afghanistan schicken wollen, werde ich nicht weglaufen, aber bitte geben Sie mir 14 Tage Zeit, damit ich in ein anderes Land gehe, wie zB. Italien.“ (angefochtener Bescheid, S. 6).

Im gegenständlichen Fall konnte davon ausgegangen werden, dass sich der BF in Freiheit nicht freiwillig an irgendeiner bestimmten Adresse für die österreichischen Behörden bereithalten, sondern, wie er selbst vor dem BFA zugegeben hat, in einen anderen EU-Mitgliedstaat, wie z.B. Italien, ausreisen würde, weshalb ein gelinderes Mittel iSv § 77 FPG nicht zur Anwendung kommen konnte.

Der Sicherungsbedarf wegen einer beträchtlichen Gefahr des Untertauchens des BF, welcher nur mit der Verhängung der Schubhaft begegnet werden konnte, war somit gegeben.

Der angefochtene Bescheid erging somit zu Recht.

Ab 12.08.2021 hatte sich die Sicherheitslage in Afghanistan zunehmend verschärft.

Die Taliban haben am 12.08.2021 die Stadt Herat und am 14.08.2021 Mazar-e Sharif eingenommen. Am 15.08.2021 besetzten die Taliban die Hauptstadt Kabul.

Der Beschwerde gegen die Anhaltung des BF in Schubhaft ab 13.08.2021 war aufgrund der sich maßgeblich verschlechterten Lage in Afghanistan mit der Einnahme der Stadt Herat durch die Taliban am 12.08.2021 stattzugeben und die Anhaltung des BF in Schubhaft vom 13.08.2021 bis zu seiner Entlassung aus der Schubhaft am 20.08.2021 um 12:00 Uhr für rechtswidrig zu erklären.

An dieser Stelle wird auf eine am Mittwoch, dem 18.08.2021, ergangenen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) hingewiesen, in welcher der VfGH einer Beschwerde eines afghanischen Staatsangehörigen gegen eine Entscheidung des BVwG vom 04.08.2021, womit die Fortsetzung der Schubhaft als weiterhin verhältnismäßig angesehen wurde, die aufschiebende Wirkung zuerkannte und dies wörtlich wie folgt begründete:

„Vor dem Hintergrund der aktuellen Länderinformationen zu Afghanistan ist für den VfGH nicht zu erkennen, dass eine zeitnahe – die gesetzlichen Höchstgrenzen der Anhaltung in Schubhaft berücksichtigende – Abschiebung des Antragstellers in seinen Herkunftsstaat möglich ist. Die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft (und der damit einhergehende Freiheitsentzug) erweisen sich jedoch nur dann als verhältnismäßig, wenn das zu sichernde Verfahren letztlich zu einer Abschiebung führen kann.“ (VfGH-Beschluss E 3115/2021-4 vom 18.08.2021)

Der BF wurde am 20.08.2021 um 12:00 Uhr aus der Schubhaft entlassen.

Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Da sich der BF nicht mehr in Schubhaft befindet, war dies nicht mehr festzustellen.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG konnte trotz Beantragung einer solchen gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde vor dem Hintergrund der aktuellen Länderberichtslage – eindeutig – geklärt erschien und auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im gegenständlichen Fall zu keinem anderen Entscheidungsergebnis führen können hätte.

3.5. Zu einem Kostenersatz

3.5.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 35 Abs. 7 VwGVG ist auf Antrag der Partei Aufwandersatz zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

3.5.2. Das BFA hat einen Antrag auf Kostenersatz im Sinne des § 35 VwGVG gestellt. Für den BF wurde auch ein solcher gestellt, und zwar in einem der Schubhaftbeschwerde nachgefolgten die rechtswidrige Anhaltung des BF in Schubhaft betroffenen anwaltlich verfassten Schreiben vom 19.08.2021.

Aufrechter Rechtsvertreter ist mangels Auflösung des Rechtsvertretungsverhältnisses durch den BF nach wie vor die BBU GmbH.

Sowohl der BF als auch das BFA sind hinsichtlich eines Teiles der zu beurteilenden Schubhaft als endgültig unterlegen zu betrachten, wurde doch die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid als unbegründet abgewiesen, der Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft ab 13.08.2021 hingegen stattgegeben und die Schubhaft vom 13.08.2021 bis zur Entlassung am 20.08.2021 (12:00 Uhr) für rechtswidrig erklärt.

Das steht einem Kostenersatz nach dem gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG auch im Schubhaftbeschwerdeverfahren anwendbaren § 35 VwGVG entgegen (vgl. VwGH vom 26.04.2018, Ra 2017/21/0240). Das Kostenbegehren des BF und des BFA wird daher abgewiesen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufhebung Dauer der Maßnahme mangelnder Anknüpfungspunkt Schubhaft Schubhaftbeschwerde Schubhaftverfahren strafrechtliche Verurteilung Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G304.2244518.2.00

Im RIS seit

03.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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