TE Bvwg Beschluss 2021/8/30 W240 2245782-1

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Veröffentlicht am 30.08.2021
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Entscheidungsdatum

30.08.2021

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs3 Satz2
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch


W240 2245782-1/3E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter über die Beschwerde von, XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.08.2021, Zl. 1201792202/211008638, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge auch BF), ein syrischer Staatsangehöriger, gelangte nach Österreich und stelle am 23.07.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

Bei der Erstbefragung am 23.07.2021 gab der BF im Wesentlichen an, seine Eltern seien in Syrien, seine Ehefrau sowie seine minderjährigen Kinder seien in Katar. Seine namentlich bezeichnete Schwester lebe in Österreich. Seinen Reisepass habe er verloren. Er verfüge über eine Fotokopie seines Reisepasses. Die Identitätskarte, die er in Syrien zurückgelassen habe, könnte ihm sein Vater nachschicken. Er sei nach rund sechs Tagen in der Türkei rund 45 Tage in Bulgarien gewesen, bevor er am 22.07.2021 nach Österreich gelangt sei. Er habe in Bulgarien, wo er ab dem 01.06.201 gewesen sei, oder einem anderen Land keinen Asylantrag gestellt, es seien ihm in Bulgarien einzig Fingerabdrücke abgenommen worden. Er wolle in Österreich bleiben und nicht nach Bulgarien zurück. Er habe kein Visum oder einen Aufenthaltstitel für ein Land erhalten. Er habe 2018 für sich, seine Ehefrau und seine beiden Kinder einen Visumsantrag an Österreich gestellt, dieser Antrag sei abgelehnt worden. Er habe angegeben, dass er als Tourist nach Österreich gelangen wolle, tatsächlich habe er aber einen Asylantrag in Österreich stellen wollen. Seine Schwester sei bereits seit rund fünf Jahren in Österreich.

Betreffend den Beschwerdeführer liegt zu Bulgarien eine EURODAC-Treffermeldung vom 24.06.2021 (Kategorie 1, Asylantragstellung) zu Bulgarien vor.

Das BFA richtete am 27.07.2021 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Bulgarien.

Mit Schreiben vom 29.07.2021 stimmte Bulgarien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO der Rückübernahme des Beschwerdeführers zu.

Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 10.08.2021 gab der BF im Wesentlichen zusammengefasst an:

„(…)

F: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage der Einvernahme zu folgen?

A: Ja

F: Sie wurden zu diesem Antrag auf int. Schutz bereits durch die Polizei erstbefragt. Entsprechen die dabei von Ihnen gemachten Angaben der Wahrheit?

A: Ja dort habe ich die Wahrheit gesagt.

F: Haben Sie in Österreich, im Bereich der Europäischen Union, in Norwegen, Island, Liechtenstein oder der Schweiz, Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

A: Ich habe 1 Cousine 1 Schwester 2 Brüder und 6 Cousins

F: Besteht zu ihren Angehörigen ein Unterstützungs- bzw. Abhängigkeitsverhältnis ?

A: Nein

F: Welchen Aufenthaltstitel haben ihre Verwandten?

A: Alle sind Asylberechtigte

F: Haben Sie Kinder?

A: 2 Töchter

F: Wo sind ihre Töchter aufhältig?

A: Sie befinden sich in Katar auf Besuch, bei der Familie meiner Frau Meine Frau ist auch dort.

2018 haben wir in Riad beim österreichischen Konsulat dort die Fingerabdrücke abgegeben, samt Familie weil wir ein Schengen Visum wollten Wir haben es aber nicht bekommen.

F: Sind sie erstmals in Österreich?

A: Ja

F: Österreich hat mit Bulgarien ein Konsultationsverfahren eingeleitet und ersucht Ihr Asylverfahren durchzuführen. Bulgarien stimmte in Ihrem Fall gem der Dublin-Verordnung zu. Damit ist Bulgarien verpflichtet, Sie aufzunehmen und über Ihren Antrag auf internationalen Schutz zu entscheiden.

Daher wird beabsichtigt, Ihren in Österreich gestellten Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen und die Außerlandesbringung nach Bulgarien zu veranlassen.

F: Haben Sie alles verstanden?

A: Ich will auf keinen Fall zurück nach Bulgarien. Auch wenn sie mir gleich die bulgarische Staatsbürgerschaft geben würden. Ich wurde in Bulgarien von der Polizei angehalten. Die haben verlangt, dass ich meine Fingerabdrücke abgeben. Ich habe das verweigert weil ich nach Österreich wollte zu meiner Familie. Dann kamen zwei Polizisten und schlugen mich 1/2 Stunde aber ich blieb dabei, dass ich keine Fingerabdrücke abgebe. Danach haben die einen Dolmetscher angerufen, das war ein Araber und der redete mit mir hart am Telefon. Der sagte, das soll ich schon machen, die wollen nur mit den Fingerabdrücken nachschauen ob ich was in Bulgarien angestellt habe. Dann haben sie uns zu einem Camp gebracht etwas Ähnliches wie Quarantäne aber der Zustand war sehr sehr schlecht dort. Meiner Frau ist es schlecht gegangen weil sie 10 Tage nicht wußte, wo ich bin. Das Camp bestand nur aus 6 oder 7 Zimmern aber wir waren 300 Leute dort und um 21 Uhr haben sie immer zugestimmt. Wir waren 25 bis 30 Leute in einem Zimmer. Wenn die Leute nach 21 h aufs Klo wollten haben sie dann das gleich im Zimmer erledigt, in Flaschen und so. Das Essen war nur grauslich auch.

F: Haben sie in Bulgarien Anzeige bei der Polizei erstattet, oder kontaktierten sie Hilfsorganisationen oder ähnliches in Bulgarien?

A: Warum soll ich bei der Polizei Anzeige erstatten, ich wurde von der Polizei selber geschlagen. Sie haben uns leider auch das Handy weggenommen sonst hätte ich alles als Beweismittel gefilmt.

F: Wie organisierten und finanzierten sie die Weiterreise aus Bulgarien?

A:. Von Bulgarien nach Österreich fuhr ich weiter mit dem selben Schlepper der die ganze Reise organisiert hat

F: Wie lange waren sie insgesamt in Bulgarien aufhältig?

A: 45 Tage ca.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

F: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst? Wurde alles richtig und vollständig protokolliert?

A: Ich habe keine Einwände. Alles wurde richtig und vollständig protokolliert.

F: Wünschen Sie die Ausfolgung einer schriftlichen Ausfertigung der Einvernahme?

A: Ja.

Anmerkung: Dem ASt. wird eine schriftliche Ausfertigung dieser Niederschrift ausgefolgt.

LA: Bestätigen Sie nunmehr durch Ihre Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift und die erfolgte Rückübersetzung!

(…)“

Mit Schreiben vom 29.07.2021 verzichtete der BF freiwillig auf Leistungen der Grundversorgung.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.08.2021 wurde I. der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Bulgarien gemäß Art. 18 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates für die Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.). Weiters wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bulgarien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Begründend wurde betreffend den BF ausgeführt, dass dieser volljährig sei. Er leide an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheit. Es könne nicht festgestellt werden, dass er seit der Asylantragstellung das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wieder länger als drei Monate verlassen habe. Seine Gattin und seine Kinder würden in Katar leben. Er sei allein nach Österreich gereist.

Andere berücksichtigungswürdige Anknüpfungspunkte zu in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen hätten nicht festgestellt werden können. Der BF habe auf Schwester, Brüder, Cousinen und Cousins verwiesen. Sie sei auch nunmehr nach Österreich illegal eingereist. Berücksichtigungswürdigen privaten oder familiären Bezug in Österreich habe er nicht und sei er auch erstmals in Österreich. Im gegenständlichen Fall wurde vom BFA auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich Bulgarien aufgrund der Dublin-Verordnung zur Übernahme bereit erklärt habe und somit europarechtlich zur Prüfung (weitere Asylantragstellung) des Asylantrages verpflichtet sei. Ebenso habe Bulgarien die Statusrichtlinie, die Verfahrensrichtlinie und die Aufnahmerichtlinie anzuwenden, ein den dort genannten Anforderungen entsprechendes Asylverfahren zu führen, beim Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen Schutz zu gewähren und für die Dauer des Verfahrens eine entsprechende Grundversorgung zu bieten.

3. In der gegen nunmehr angefochtene Bescheide erhobenen Beschwerde wurde zusammengefasst ausgeführt, dass dem BF gewaltsam Fingerabdrücke abgenommen worden seien und er eine halbe Stunde lang geschlagen worden sei. Man hätte ihn zu einem Camp gebracht, wo dreihundert Leute auf sechs oder sieben Zimmer aufgeteilt gewesen wären. Fünfundzwanzig bis dreißig Leute seien in einem Zimmer gewesen und hätten ihre Notdurft in Flaschen etc. erledigt. Da er von den Polizisten geschlagen worden sei, hätte er keine Anzeige erstatten können. Im Fall einer Rückkehr würde ihn eine sechsmonatige Haft erwarten. Das BFA habe seine Ermittlungspflichten in eklatanter Weise verletzt. Die Voraussetzungen für ein Selbsteintrittsrecht gemäß Artikel 17 seien im gegenständlichen Fall gegeben.

Aufgrund des äußerst emotionalen Ausbruchs des BF hätte das BFA hinterfragen müssen, was denn so Schlimmes in Bulgarien passiert sei und wie sich dieses Erlebnis auf die gesundheitliche Lage des Beschwerdeführers ausgewirkt habe. Bei entsprechender Befragung hätte der Beschwerdeführer darlegen können, dass er seit den Schlägen in Bulgarien regelrechte Angstzustände bekomme, wenn er an eine Rückkehr nach Bulgarien denke. Der Beschwerdeführer leide seither an Angstzuständen sowie starken Depressionen. Beantragt wurde die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer seit seinem Aufenthalt in Bulgarien an starken psychischen Beschwerden leidet, die eine Abschiebung im Sinne des Art. 3 EMRK unmöglich machen. Ausgeführt wurde zudem, dass der BF in Bulgarien derart stark getreten worden sei, dass er einen Knochenriss im Oberschenkel erlitten habe. Auch diese Verletzung sei ein Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer in Bulgarien in gröbster Weise verletzt worden sei, beantragt wurde die Einholung eines orthopädischen Gutachtens zum Beweis dafür einzuholen, dass der Beschwerdeführer in Bulgarien von den Sicherheitsorganen schwer am Körper verletzt worden sei. Bei richtiger Würdigung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde erkennen müssen, dass eine Überstellung nach Bulgarien Art 3 EMRK verletzt.

Moniert wurde in der Beschwerde zudem, dass sich das BFA überhaupt nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt habe, dass der Beschwerdeführer über zahlreiche (Familien)Angehörige in Österreich verfüge. Auf Befragen habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er eine Cousine, eine Schwester, zwei Brüder sowie sechs Cousins in Österreich habe (Bescheid Seite 3). Das BFA habe jedoch mit einer äußerst formalistischen und im Juristendeutsch gehaltenen Frage belassen, ob ein „Unterstützungs- oder Abhängigkeitsverhältnis“ bestehe. Der Beschwerdeführer habe die Frage überhaupt nicht verstanden. Tatsächlich verfüge der Beschwerdeführer, wie bereits dargestellt, über sehr viele Familienangehörige in Österreich, zu denen eine sehr intensive emotionale Abhängigkeit bestehe. Darüber hinaus seien alle seine Familienangehörigen in Österreich bereit, ihn nach Möglichkeit zu unterstützen und wurde in der Beschwerde darauf verwiesen, dass diese Familienangehörigen ihre Bereitschaft, den Beschwerdeführer zu unterstützen, auch schriftlich festgehalten hätten.

Zusammen mit der Beschwerde wurden schriftliche Erklärungen von sieben Verwandten des BF samt Meldezettel übermittelt. In den schriftlichen Erklärungen wurde ausgeführt, dass sich die Verwandten bereit erklären, den BF nach Kräften zu unterstützen und sich für den Verbleib des BF einsetzen, damit das Familienleben fortgesetzt werden könne.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der BF, ein syrischer Staatsangehöriger, gelangte nach Österreich und stelle am 23.07.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

Betreffend den Beschwerdeführer liegt zu Bulgarien eine EURODAC-Treffermeldung vom 24.06.2021 (Kategorie 1, Asylantragstellung) zu Bulgarien vor.

Das BFA richtete am 27.07.2021 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Bulgarien.

Mit Schreiben vom 29.07.2021 stimmte Bulgarien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO der Rückübernahme des Beschwerdeführers zu.

Der BF wurde nicht nach seiner gesundheitlichen Verfassung durch das BFA befragt, in der Beschwerde wurden psychische und physische Probleme des BF angeführt und beantragt Sachverständigengutachten über den psychischen und physischen Gesundheitszustand des BF festzustellen.

Der BF hatte angeführt, dass er in Österreich eine Cousine, eine Schwester, zwei Brüder und sechs Cousins habe, welche in Österreich Asylberechtigte laut BF sind. Zusammen mit der Beschwerde wurden schriftliche Erklärungen von sieben Verwandten des BF samt Meldezettel übermittelt. In den schriftlichen Erklärungen wurde ausgeführt, dass sich die Verwandten bereit erklären, den BF nach Kräften zu unterstützen und sich für den Verbleib des BF einsetzen, damit das Familienleben fortgesetzt werden könne.

Im nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10.08.2021 wurde ausgeführt, dass der BF an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheit leide. Andere berücksichtigungswürdige Anknüpfungspunkte zu in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen hätten nicht festgestellt werden können.

Die belangte Behörde hat keine abschließende Beurteilung der familiären und privaten Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers sowie des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers mit dem Ziel vorgenommen, eine Grundlage für die Entscheidung zu schaffen, ob eine Überstellungsfähigkeit des Beschwerdeführers nach Bulgarien gegeben ist und um eine Gefährdung ihrer durch Art. 3 EMRK und Art. 8 EMRK geschützten Rechte auszuschließen. Insbesondere ist die Feststellung, dass keine berücksichtigungswürdigen Anknüpfungspunkte zu in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen festgestellt werden können, vor den Hintergrund der zahlreichen in Österreich aufhältigen Verwandten und mangels weiterer Ermittlungen sowie weiterer Ausführungen zu diesen nicht nachvollziehbar.

In der gegen nunmehr angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde insbesondere auf die verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte sowie ein Privat- und Familienleben iSd Art. 8 EMRK verwiesen. Moniert wurde in der Beschwerde, dass sich das BFA überhaupt nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt habe, dass der Beschwerdeführer über zahlreiche (Familien)Angehörige in Österreich verfüge. Auf Befragen habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er eine Cousine, eine Schwester, zwei Brüder sowie sechs Cousins in Österreich habe (Bescheid Seite 3). Das BFA habe jedoch einzig mit einer äußerst formalistischen und im Juristendeutsch gehaltenen Frage belassen, ob ein „Unterstützungs- oder Abhängigkeitsverhältnis“ bestehe. Der Beschwerdeführer habe die Frage überhaupt nicht verstanden. Tatsächlich verfüge der Beschwerdeführer, wie bereits dargestellt, über sehr viele Familienangehörige in Österreich, zu denen eine sehr intensive emotionale Abhängigkeit bestehe. Darüber hinaus seien alle seine Familienangehörigen in Österreich bereit, ihn nach Möglichkeit zu unterstützen und wurde in der Beschwerde darauf verwiesen, dass diese Familienangehörigen ihre Bereitschaft, den Beschwerdeführer zu unterstützen, auch schriftlich festgehalten hätten. Zusammen mit der Beschwerde wurden schriftliche Erklärungen von sieben Verwandten des BF samt Meldezettel übermittelt. In den schriftlichen Erklärungen wurde ausgeführt, dass sich die Verwandten bereit erklären, den BF nach Kräften zu unterstützen und sich für den Verbleib des BF einsetzen, damit das Familienleben fortgesetzt werden könne.

Weiters ist festzuhalten, dass dem BF keine Fragen zu seinem Gesundheitszustand im gegenständlichen Verfahren gestellt wurden. IN der Beschwerde wurde ausgeführt, dass der BF bei entsprechender Befragung darlegen hätte können, dass er seit den Schlägen in Bulgarien regelrechte Angstzustände bekomme, wenn er an eine Rückkehr nach Bulgarien denke. Der Beschwerdeführer leide seither an Angstzuständen sowie starken Depressionen. Beantragt wurde die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer seit seinem Aufenthalt in Bulgarien an starken psychischen Beschwerden leidet, die eine Abschiebung im Sinne des Art. 3 EMRK unmöglich machen. Ausgeführt wurde zudem, dass der BF in Bulgarien derart stark getreten worden sei, dass er einen Knochenriss im Oberschenkel erlitten habe. Auch diese Verletzung sei ein Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer in Bulgarien in gröbster Weise verletzt worden sei, beantragt wurde die Einholung eines orthopädischen Gutachtens zum Beweis dafür einzuholen, dass der Beschwerdeführer in Bulgarien von den Sicherheitsorganen schwer am Körper verletzt worden sei. Bei richtiger Würdigung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde erkennen müssen, dass eine Überstellung nach Bulgarien Art 3 EMRK verletzt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Reiseweg des Beschwerdeführers sowie zu seinen persönlichen Verhältnissen ergeben sich im Speziellen aus dem eigenen Vorbringen in Zusammenhang mit der vorliegenden Aktenlage.

Aus der Aktenlage ist nicht schlüssig nachvollziehbar, aus welchen Gründen die erstinstanzliche Behörde keine abschließende Beurteilung der familiären Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers und des Gesundheitszustands des Beschwerdeführers durchgeführt hatte.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vermag nicht nachvollziehbar darzutun, warum es von der Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 ausgegangen ist. Insbesondere liegt keine abschließende Beurteilung des Privat- und Familienlebens sowie des Gesundheitszustands des Beschwerdeführers vor.

Die im nunmehr angefochtenen Bescheid betreffend den Beschwerdeführer erfolgte Beweiserhebung – insbesondere hinsichtlich der familiären und privaten Anknüpfungspunkte und betreffend den Gesundheitszustand - stellt somit keine geeignete Ermittlungstätigkeit dar, um eine Gefährdung der durch Art. 3 EMRK und Art. 8 EMRK geschützten Rechtspositionen ausschließen zu können.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) lauten:
„§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zu-ständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) […]

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten:

§ 21 Abs. 3 BFA-VG: „Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.“

Im vorliegenden Fall ist gemäß ihres Art. 49 (Inkrafttreten und Anwendbarkeit) die Dublin III-VO anzuwenden:

Art. 49

Inkrafttreten und Anwendbarkeit

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Die Verordnung ist auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor diesem Datum eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Verordnung (EG) Nr. 343/2003.

Die in dieser Verordnung enthaltenen Verweise auf die Verordnung (EU) Nr. 604/2013, Richtlinie 2013/32/EU und Richtlinie 2013/33/EU gelten, bis zu ihrer jeweiligen Anwendbarkeit, als Verweise auf die Verordnung (EG) Nr. 2725/2000, Richtlinie 2003/9/EG bzw. Richtlinie 2005/85/EG.

Da die Dublin III-VO am 29.06.2013 im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde, trat sie am 19.07.2013 in Kraft und gilt jedenfalls für Anträge wie die vorliegenden, die nach dem 01.01.2014 (nach dem ersten Tag des sechsten Monats nach Inkrafttreten der VO) gestellt wurden.

Die gegenständliche Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl war aufgrund folgender Erwägungen nach § 21 Abs. 3 BFA-VG zu beheben:

Zwar ist hinsichtlich der Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung des gegenständlichen Asylverfahrens dem Bundesamt beizupflichten, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Bulgariens ergibt. Nichtsdestotrotz gibt es Gründe, die einer Überstellung der Beschwerdeführer nach Bulgarien entgegenstehen.

3.3. Im gegenständlichen Verfahren ging das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter Zugrundelegung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zutreffend davon aus, dass in materieller Hinsicht die Zuständigkeit Bulgariens zur Prüfung des in Rede stehenden Antrages auf internationalen Schutz in Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO grundsätzlich begründet ist. Betreffend den Beschwerdeführer liegt zu Bulgarien eine EURODAC-Treffermeldung vom 24.06.2021 (Kategorie 1, Asylantragstellung) zu Bulgarien vor. Mit Schreiben vom 29.07.2021 stimmte Bulgarien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO der Rückübernahme des Beschwerdeführers zu.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH vom 17.06.2005, B336/05 sowie vom 15.10.2004, G237/03) und des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 17.11.2015, Ra 2015/01/0114, vom 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949 sowie vom 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht in den gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

Hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers in der Beschwerde im Zusammenhang mit seinem Gesundheitszustand, welcher von BFA nicht ermittelt worden war, ist auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 3 EMRK im Zusammenhang mit der Abschiebung von Kranken zu verweisen. Demnach haben im Allgemeinen Fremde kein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn sie an einer schweren Krankheit leiden oder selbstmordgefährdet sind. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver sei, sei unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gebe. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führe die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche lägen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben. Bei der Ausweisung und Abschiebung Fremder in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union werde auch zu berücksichtigen sein, dass dieser zur Umsetzung der Aufnahmerichtlinie verpflichtet sei. Gemäß Art. 15 dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass Asylwerber die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst bzw. dass Asylwerber mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe erlangen. Dennoch könnte der Transport vorübergehend oder dauernd eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, etwa bei fortgeschrittener Schwangerschaft oder der Erforderlichkeit eines ununterbrochenen stationären Aufenthalts (EGMR 22.06.2010, 50068/08, Al-Zawatia; EGMR Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N./Vereinigtes Königreich, Rn. 42ff; EGMR 03.05.2007, 31246/06, Goncharova & Alekseytsev; 07.11.2006, 4701/05, Ayegh; 04.07.2006, 24171/05, Karim; 10.11.2005, 14492/03, Paramsothy; VfGH 21.09.2009, U 591/09; 06.03.2008, B 2400/07; VwGH 31.03.2010, 2008/01/0312; 23.09.2009, 2007/01/0515).

In seiner rezenten Entscheidung im Fall „Paposhvili vs. Belgium“ (EGMR, Große Kammer, 13.12.2016, 41738/10) hat der EGMR das Vorliegen von „ganz außergewöhnlichen Fällen“ näher präzisiert. Demnach ist der Gerichtshof der Ansicht, dass die Abschiebung eines schwer kranken Menschen auch dann vom nach Art. 3 EMRK geschützten Bereich umfasst sein könnte - auch wenn dieser sich nicht in unmittelbarer Lebensgefahr befindet - wenn wegen des Fehlens einer geeigneten Heilbehandlung im Zielstaat oder wegen des mangelnden Zugangs zu einer solchen Heilbehandlung eine ernste, schnelle und irreversible Verschlechterung des Gesundheitszustands, die ein starkes Leid zur Folge hätte, oder diese Person eine erhebliche Verringerung der Lebenserwartung zu erfahren hätte, einer realen Gefahr ausgesetzt wäre (RN 183). Weiters stellt der Gerichtshof fest, dass es hier um die negative Verpflichtung, Personen nicht der Gefahr einer durch Art. 3 EMRK verbotenen Behandlung auszusetzen, handelt (RN 188). Was die zu berücksichtigten Faktoren betrifft, müssen die Behörden des abschiebenden Staates im Einzelfall prüfen, ob die im Zielstaat allgemein verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten in der Praxis ausreichend und geeignet für die Behandlung der Krankheit des Betroffenen sind, um zu verhindern, dass dieser einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wird. Dabei gehe es jedoch nicht darum, zu ermitteln, ob die Heilbehandlung im Zielstaat gleichwertig oder schlechter wäre als die durch das Gesundheitswesen des abschiebenden Staates zur Verfügung gestellte Heilbehandlung (RN 189). Jedenfalls muss der abschiebende Staat, wenn nach Prüfung der relevanten Informationen ernsthafte Zweifel über die Auswirkungen der Abschiebung der betreffenden Person bestehen bleiben, sei es wegen der allgemeinen Lage im Zielstaat oder wegen der individuellen Situation der Betroffenen, als Vorbedingung der Abschiebung, vom Zielstaat eine individuelle und ausreichende Zusicherung einholen, das eine geeignete medizinische Versorgung für die betroffene Person verfügbar und zugänglich sein wird, sodass sie sich nicht in einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Situation befindet (RN 191).

Gerade zur Beurteilung der Frage, ob beim Beschwerdeführer eine solche ganz außergewöhnliche Situation gegeben ist, die einer Überstellung nach Bulgarien widersprechen würde, hat die belangte Behörde keine abschließenden Beweiserhebungen zur Feststellungen des Sachverhalts getroffen.

Der BF wurde nicht nach seiner gesundheitlichen Verfassung durch das BFA befragt, in der Beschwerde wurden psychische und physische Probleme des BF angeführt und beantragt Sachverständigengutachten über den psychischen und physischen Gesundheitszustand des BF festzustellen.

Somit bedarf es im gegenständlichen Fall aktueller Feststellungen zum psychischen und physischen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers, um eine Grundlage für eine Entscheidung zu schaffen, ob eine Überstellungsfähigkeit des Beschwerdeführers nach Bulgarien gegeben ist und um eine Gefährdung der durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers ausschließen zu können. Dem Bundesverwaltungsgericht ist es zum Entscheidungszeitpunkt jedoch nicht möglich, aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen zu beurteilen, ob außergewöhnliche Umstände vorliegen, die bei einer Überstellung des Beschwerdeführers zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen könnten.

Das Bundesamt wird daher im fortgesetzten Verfahren hinsichtlich des Beschwerdeführers weitere Ermittlungen anzustellen haben zum Gesundheitszustandes und allenfalls durch die Veranlassung der Einholung entsprechender medizinischer Gutachten, welche aufgrund einer persönlichen Untersuchung zu erstellen sind, abzuklären haben, ob bei ihm tatsächlich eine ganz außergewöhnliche Fallkonstellation vorliegt, die im Falle einer Überstellung nach Bulgarien – auch wenn sich diese nicht in unmittelbarer Lebensgefahr befindet – eine ernste, schnelle und irreversible Verschlechterung seines Gesundheitszustandes, die ein starkes Leid zur Folge hätte. Im Besonderen wird – auch vor dem Hintergrund aktueller Länderberichte zur Versorgungssituation von physisch und psychisch Asylwerbern in Bulgarien - der erforderliche medizinische Behandlungsbedarf des Beschwerdeführers konkret festzustellen sein und festzustellen sein, ob die konkret erforderlichen Medikamente und die Behandlungen in Bulgarien gesichert vorhanden ist.

Wie bereits ausgeführt, hatte der BF angeführt, dass er in Österreich eine Cousine, eine Schwester, zwei Brüder und sechs Cousins habe, welche in Österreich Asylberechtigte laut BF sind. Zusammen mit der Beschwerde wurden schriftliche Erklärungen von sieben Verwandten des BF samt Meldezettel übermittelt. In den schriftlichen Erklärungen wurde ausgeführt, dass sich die Verwandten bereit erklären, den BF nach Kräften zu unterstützen und sich für den Verbleib des BF einsetzen, damit das Familienleben fortgesetzt werden könne.

Im nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10.08.2021 wurde ausgeführt, dass der BF an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheit leide. Andere berücksichtigungswürdige Anknüpfungspunkte zu in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen hätten nicht festgestellt werden können.

Die belangte Behörde hat keine abschließende Beurteilung der familiären und privaten Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers sowie des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers mit dem Ziel vorgenommen, eine Grundlage für die Entscheidung zu schaffen, ob eine Überstellungsfähigkeit des Beschwerdeführers nach Bulgarien gegeben ist und um eine Gefährdung ihrer durch Art. 3 EMRK und Art. 8 EMRK geschützten Rechte auszuschließen. Insbesondere ist die Feststellung, dass keine berücksichtigungswürdigen Anknüpfungspunkte zu in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen festgestellt werden können, vor den Hintergrund der zahlreichen in Österreich aufhältigen Verwandten – insbesondere im Hinblick auf die in Österreich lebenden Geschwister - und mangels weiterer Ermittlungen sowie weiterer Ausführungen zu diesen nicht nachvollziehbar.

Im vorliegenden Beschwerdefall ist eine Gesamtbetrachtung aller oben angeführten Umstände erforderlich, um die Frage einer allfälligen Verletzung von
Art. 3 und Art. 8 EMRK im Falle der Überstellung des Beschwerdeführers und damit verbunden der Verpflichtung zu einem Selbsteintritt zutreffend zu beurteilen.

An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass der Erwägungsgrund 14 der Dublin III-Verordnung betont, dass die Achtung des Familienlebens eine vorrangige Erwägung der Mitgliedstaaten sein soll. Dementsprechend hält Erwägungsgrund 17 leg. cit. auch fest, dass die Mitgliedstaaten insbesondere aus humanitären Gründen oder in Härtefällen von den Zuständigkeitskriterien abweichen können sollen, um Familienangehörige, Verwandte oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung, zusammenzuführen und deren Anträge auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn sie für eine solche Prüfung nach den in der Dublin III-VO festgelegten verbindlichen Zuständigkeitskriterien nicht zuständig sind (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0192ua). Das gilt grundsätzlich auch für das Familienleben unter Erwachsenen.

Im vorliegenden Fall kann zum Entscheidungszeitpunkt des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund der mangelnden Sachverhaltserhebungen durch die erstinstanzliche Behörde nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, ob beim BF eine reale Gefährdung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigten im Falle ihrer Überstellung nach Bulgarien vorliegt bzw. ob ihm aufgrund der ihm gegenüber ausgesprochenen Außerlandesbringung ein unzulässiger Eingriff in 8 EMRK droht.

3.4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird daher im fortgesetzten Verfahren den aktuellen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund aktueller Länderbericht zu Bulgarien zu erheben haben. Überdies wird das BFA im fortgesetzten Verfahren auch die Beziehungsintensität des Beschwerdeführers zu den in Österreich lebenden Verwandten zu überprüfen sowie zu berücksichtigen haben.

Sodann wird es sich auf der Grundlage zeitnaher, die aktuellen Entwicklungen berücksichtigenden Berichte, mit der aktuellen Lage in Bulgarien unter Berücksichtigung des Vorbringens des BF zu seinem Aufenthalt in Bulgarien auseinander zu setzen und ausgehend davon die Frage zu klären haben, ob der konkrete Fall des Beschwerdeführers einen Selbsteintritt Österreichs zur Vermeidung einer Grundrechtsverletzung nach Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC gebietet.

Dem angefochtenen Bescheid haften daher Feststellungsmängel an. Im gegenständlichen Fall erweist sich das den angefochtenen Bescheid des BFA und das diesem zugrunde liegende Verfahren im Ergebnis als so mangelhaft, dass weitere Ermittlungen unvermeidlich erscheinen. Der maßgebliche Sachverhalt stellt sich mangels entsprechender Ermittlungen - auch in Verbindung mit der Beschwerde - als ungeklärt dar. Das Verfahren vor der belangten Behörde ist mit den oben dargestellten Mängeln behaftet. Weitreichende Erhebungen, welche grundsätzlich von der belangten Behörde durchzuführen sind, wären demnach durch das Verwaltungsgericht zu tätigen. Das Unterlassen von Ermittlungen macht eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung der angezeigten Ermittlungen nötig.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht können – im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes – nicht im Sinne des Gesetzes liegen.

Im vorliegenden Fall kann zum Entscheidungszeitpunkt des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund der mangelnden Sachverhaltserhebungen durch die erstinstanzliche Behörde nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, ob beim Beschwerdeführer eine reale Gefährdung ihrer durch Art. 3 und Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte aufgrund der zahlreichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der Anknüpfungspunkte in Form von zahlreichen Verwandten des Beschwerdeführers im Falle seiner Überstellung nach Bulgarien vorliegt.

3.5. Wie dargelegt wurde im gegenständlichen Fall der entscheidungsrelevante Sachverhalt trotz bestehender Möglichkeiten nicht ausreichend ermittelt, weshalb gemäß § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG zwingend vorzugehend war.

3.6. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung und kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als uneinheitlich zu beurteilen wäre. Kern der getroffenen zurückverweisenden Entscheidung ist die mangelhafte Ermittlung von relevanten Sachverhaltselementen im Rahmen eines ordnungsgemäßen Verfahrens entsprechend den insofern eindeutigen Verfahrensvorschriften durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie die daran anknüpfende Konsequenz des § 21 BFA-VG. Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage sind sohin nicht zu erblicken.

Schlagworte

aktuelle Länderfeststellungen Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht Gesundheitszustand individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W240.2245782.1.00

Im RIS seit

03.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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