TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/16 W128 2246139-1

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Veröffentlicht am 16.09.2021
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Entscheidungsdatum

16.09.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
SchUG §25
SchUG §71 Abs2 litc
SchUG §71 Abs2a
VwGVG §28 Abs5

Spruch


W128 2246139-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael FUCHS-ROBETIN als Einzelrichter über die Beschwerde der mj. XXXX , vertreten durch die Erziehungsberechtigte XXXX , beide vertreten durch Mag. Alexander TODOR-KOSTIC, LL.M., Mag. Silke TODOR-KOSTIC, 9220 Velden am Wörthersee, Karawankenplatz 1, gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Steiermark vom 09.08.2021, Zl. IVEa15/3-2021, zu Recht:

A)

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Klassenkonferenz der Klasse 2CM des BG/BRG/MG XXXX (Schule) sprach in ihrer Entscheidung vom 05.07.2021, dass XXXX zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe nicht berechtigt sei. Begründet wurde dies damit, dass die Beschwerdeführerin in den Pflichtgegenständen Deutsch, Englisch, Geschichte und Sozialkunde, Geographie und Wirtschaftskunde, Mathematik, Biologie und Umweltkunde, Physik, Musikerziehung sowie Bewegung und Sport „nicht beurteilt“ worden sei.

2. Am 09.07.2021 schrieb die Erziehungsberechtigte ein E-Mail an die Direktorin der Schule, in dem sie mitteilte, dass sie „die ‚Nicht beurteilt‘ und ‚Nicht genügend‘ im Zeugnis ihrer Tochter beeinspruchen“ möchte. Ihre Tochter wolle die Prüfungen nachholen.

Am selben Tag schrieb die Direktorin der Schule zurück und teilte der Erziehungsberechtigten mit, dass wie im Bescheid angeführt sei, das Einbringen des Widerspruchs in jeder technischen Form, nur nicht als E-Mail möglich sei. Sie empfehle daher als Vorgangsweise, dass die Erziehungsberechtigte ein Schreiben gleichen Inhalts verfasse, dieses unterzeichne, scanne und es als PDF-Datei per Mail übermittle. Ihre Unterschrift sei ein wesentliches Kriterium auf diesem Dokument. Selbstverständlich könne sie das Schreiben auch per Post übermitteln oder persönlich in der Schule abgeben.

Am Abend desselben Tages übermittelte die Erziehungsberechtigte ein E-Mail, dem ein PDF-Dokument – mit demselben Text, wie das ursprüngliche E-Mail und einer Unterschrift – angefügt war.

3. Mit dem bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde das Begehren der Beschwerdeführerin ab. In der Begründung führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass sie aufgrund der von der Schule vorgelegten Unterlagen, entsprechende Gutachten vom zuständigen Schulqualitätsmanager eingeholt habe. Die Unterlagen hätten ausgereicht, um eine sichere Überprüfung zu ermöglichen und die Gutachten seien schlüssig und nachvollziehbar gewesen. Demnach sei die Beschwerdeführerin aus eigenem Verschulden nicht zu den berechtigterweise anberaumten Feststellungsprüfungen angetreten, weshalb sie zu Recht nicht beurteilt worden sei.

4. Mit Schriftsatz vom 23.08.2021 erhob die Beschwerdeführerin durch ihre rechtsfreundliche Vertretung die gegenständliche Beschwerde und monierte die materielle Rechtswidrigkeit des Bescheides samt sekundärer Feststellungsmängel. Inhaltlich werde eine rechtwidrig vorgenommene Leistungsbeurteilung in den einzelnen Gegenständen sowie die Rechtswidrigkeit der anberaumten Feststellungsprüfungen gerügt. Auch können von keinem Verschulden beim Fernbeleiben von den Feststellungsprüfungen gesprochen werden.

5. Mit Schreiben vom 02.09.2021 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebraucht zu machen.

6. Mit E-Mail vom 14.09.2021 übermittelte die Direktorin der Schule dem Bundesverwaltungsgericht den mit der Erziehungsberechtigten geführten E-Mail-Verkehr betreffend die Einbringung des Widerspruchs.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin war im Schuljahr 2020/2021 Schülerin der Klasse 2CM des BG/BRG/MG XXXX . Die Klassenkonferenz sprach in ihrer Entscheidung vom 05.07.2021 aus, dass die Beschwerdeführerin zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe nicht berechtigt ist. Die Entscheidung wurde am 08.07.2021 zugestellt.

Am 09.07.2021 um 11:09 Uhr schrieb die Erziehungsberechtigte ein E-Mail an die Direktorin der Schule, in dem sie mitteilte, dass sie „die ‚Nicht beurteilt‘ und ‚Nicht genügend‘ im Zeugnis ihrer Tochter beeinspruchen“ möchte. Ihre Tochter wolle die Prüfungen nachholen.

Am 09.07.2021 um 11:49 Uhr schrieb die Direktorin der Schule zurück und teilte der Erziehungsberechtigten mit, dass wie im Bescheid angeführt sei, das Einbringen des Widerspruchs in jeder technischen Form, nur nicht als E-Mail möglich sei. Sie empfehle daher als Vorgangsweise, dass die Erziehungsberechtigte ein Schreiben gleichen Inhalts verfasse, dieses unterzeichne, scanne und es als PDF-Datei per Mail übermittle. Ihre Unterschrift sei ein wesentliches Kriterium auf diesem Dokument. Selbstverständlich könne sie das Schreiben auch per Post übermitteln oder persönlich in der Schule abgeben.

Am 09.07.2021 um 20:01 Uhr übermittelte die Erziehungsberechtigte ein weiteres E-Mail, dem ein PDF-Dokument – mit demselben Text, wie das ursprüngliche E-Mail und einer Unterschrift – angefügt war.

Gegen die Entscheidung vom 05.07.2021 der Klassenkonferenz der Klasse 2CM des BG/BRG/MG XXXX wurde bei der Schule innerhalb von fünf Tagen schriftlich (in jeder technisch möglichen Form, nicht jedoch mit E-Mail) kein fristgerechter Widerspruch eingebracht. Die Entscheidung erwuchs am 13.07.2021 in Rechtskraft.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum verfahrensmaßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem dahingehend unbedenklichen Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde. Der Sachverhalt konnte auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei festgestellt werden. Der persönliche E-Mailverkehr zwischen der Erziehungsberechtigten und der Schule ist unbedenklich als richtig anzusehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu A)

3.2.1. Gemäß § 25 Abs. 1 SchUG, BGBl. Nr. 472/1986, idgF, ist ein Schüler zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt, wenn er die Schulstufe erfolgreich abgeschlossen hat. Eine Schulstufe ist erfolgreich abgeschlossen, wenn das Jahreszeugnis in allen Pflichtgegenständen eine Beurteilung aufweist und in keinem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält. Eine Schulstufe gilt auch dann als erfolgreich abgeschlossen, wenn bei Wiederholen von Schulstufen das Jahreszeugnis in höchstens einem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält und dieser Pflichtgegenstand vor der Wiederholung der Schulstufe zumindest mit „Befriedigend“ beurteilt wurde.

Gemäß Abs. 2 leg.cit. ist ein Schüler ferner zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt, wenn das Jahreszeugnis zwar in einem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält, aber

a) der Schüler nicht auch schon im Jahreszeugnis des vorhergegangenen Schuljahres in demselben Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ erhalten hat,

b) der betreffende Pflichtgegenstand - ausgenommen an Berufsschulen - in einer höheren Schulstufe lehrplanmäßig vorgesehen ist und

c) die Klassenkonferenz feststellt, dass der Schüler auf Grund seiner Leistungen in den übrigen Pflichtgegenständen die Voraussetzungen zur erfolgreichen Teilnahme am Unterricht der nächsthöheren Schulstufe im Hinblick auf die Aufgabe der betreffenden Schulart aufweist.

Gemäß § 71 Abs. 2 lit. c SchUG ist gegen die Entscheidung, dass der Schüler zum Aufsteigen nicht berechtigt ist oder die letzte Stufe der besuchten Schulart nicht erfolgreich abgeschlossen hat (Entscheidung gemäß § 20 Abs. 6, 8 und 10, Entscheidung nach Ablegung von einer oder zwei Wiederholungsprüfungen, jeweils in Verbindung mit § 25), ein Widerspruch an die zuständige Schulbehörde zulässig. Der Widerspruch ist schriftlich (in jeder technisch möglichen Form, nicht jedoch mit E-Mail) innerhalb von fünf Tagen bei der Schule, im Falle der Externistenprüfungen bei der Prüfungskommission, einzubringen. Der Schulleiter (der Vorsitzende der Prüfungskommission) hat den Widerspruch unter Anschluss einer Stellungnahme der Lehrer (Prüfer), auf deren Beurteilungen sich die Entscheidung gründet, sowie unter Anschluss aller sonstigen Beweismittel unverzüglich der zuständigen Schulbehörde vorzulegen.

Gemäß Abs. 2a leg.cit. tritt mit Einbringen des Widerspruches die (provisoriale) Entscheidung der Organe in den Angelegenheiten des § 70 Abs. 1 und des § 71 Abs. 2 außer Kraft. In diesen Fällen hat die zuständige Schulbehörde das Verwaltungsverfahren einzuleiten und die Entscheidung mit Bescheid zu treffen.

3.2.2. Ist die Einbringung von Anbringen mittels E-Mail nicht vorsehen, kommt einer E-Mail nicht die Eigenschaft einer Eingabe zu, wobei es sich nicht einmal um eine einem Formgebrechen unterliegende, der Mängelbehebung zugängliche Eingabe handelt. Ein mit einer E-Mail eingebrachtes Anbringen löst weder eine Entscheidungspflicht der Behörde aus, noch berechtigt es die Behörde, eine bescheidmäßige Entscheidung zu fällen, die von einem Anbringen abhängig ist, etwa eine Entscheidung der Behörde zweiter Instanz zu fällen, die von einem Rechtmittel abhängt. Die Behörde ist nicht einmal befugt, das "Anbringen" als unzulässig zurückzuweisen, weil es sich bei einer solchen E-Mail eben nicht um eine Eingabe an die Behörde handelt. Die Übermittlung eines Textes einer Beschwerde in Form eines einer E-Mail angehängten PDF-Dokumentes ist vom Gesetz nicht vorgesehen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass in dem vom Organwalter ausgedruckten Anhang zur E-Mail ein Papier mit dem Aussehen vorliegt, welches durchaus auch einem ausgedruckten Telefax gleich ist. Der Gesetzgeber schreibt nicht ein bestimmtes Erscheinungsbild des letztlich vorliegenden Schriftstückes vor, sondern den Weg der Einreichung. (vgl. VwGH vom 27.09.2012, 2012/16/0082)

3.2.3. § 71 Abs. 2 SchUG regelt unmissverständlich, dass ein Widerspruch an die zuständige Schulbehörde zulässig ist und dieser schriftlich (in jeder technisch möglichen Form, nicht jedoch mit E-Mail) innerhalb von fünf Tagen bei der Schule einzubringen ist. Eine entsprechende Belehrung findet sich auch auf der verfahrensgegenständlichen Entscheidung der Klassenkonferenz vom 05.07.2021. Im Beschwerdefall löste daher der per E-Mail eingebrachte Widerspruch weder eine Entscheidungspflicht der belangten Behörde aus noch war die Behörde berechtigt den angefochtenen Bescheid zu erlassen.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Schulleiterin im Rahmen ihres „Verbesserungsauftrages“ (§ 13 Abs. 3 AVG ist gemäß § 70 Abs. 1 SchUG nicht anzuwenden) als Einbringungsart unter anderem auch das Zusenden eines PDF-Dokuments per E-Mail vorgeschlagen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu bereits judiziert, dass selbst eine allfällige Verletzung der Manuduktionspflicht betreffend die Art der Übermittlung eines Rechtsmittels nichts daran zu ändern vermag, dass ein auf einem rechtlich nicht zugelassenen Weg (per E-Mail) übermitteltes Rechtsmittel als nicht (rechtzeitig) eingebracht gilt und daher nicht einmal verbesserungsfähig ist [ siehe Hengstschläger/Leeb, AVG § 13a Rz 10 (Stand 1.1.2014, rdb.at) samt der zitierten Judikatur].

Somit durfte die Behörde nicht davon ausgehen, dass ein wirksamer Widerspruch eingebracht worden ist, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG aufzuheben ist.

3.2.4. Eine mündliche Verhandlung – sie wurde von der rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführerin nicht beantragt – kann gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da, wie oben ausgeführt, bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der bekämpfte Bescheid aufzuheben ist.

3.3. Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen – unter Punkt 3.2. dargestellten – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufstieg in nächsthöhere Schulstufe Bescheidbehebung E - Mail Einbringung Formmangel Rechtswidrigkeit Widerspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W128.2246139.1.00

Im RIS seit

03.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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