Entscheidungsdatum
29.09.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W274 2246448-1/7Z
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. LUGHOFER als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichter Professor KommR POLLIRER und Dr. GOGOLA als Beisitzer über die als "Einspruch" bezeichnete Beschwerde des XXXX , gegen den Bescheid der Datenschutzbehörde, Barichgasse 40-42, 1030 Wien, vom 25.06.2021, GZ D124.2488, nach Beschwerdevorentscheidung vom 30.08.2021, Mitbeteiligter XXXX , wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung, in nicht-öffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS:
Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
XXXX (im Folgenden: Mitbeteiligter, MB) erhob per E-Mail vom 07.05.2020 Beschwerde an die Datenschutzbehörde (belangte Behörde) und brachte vor, er wohne in einem Doppelhaus mit einer gemeinsamen Einfahrt. Sein Nachbar habe ohne seine Zustimmung Kameras aufgestellt, um die Einfahrt aufzunehmen. Er weigere sich, diese abzumontieren.
Nach Mängelbehebungsauftrag verbesserte der MB seine Beschwerde dahingehend, er werde im Grundrecht auf Geheimhaltung durch XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer, BF) verletzt. Dieser habe draußen ohne Zustimmung des MB und seiner Frau Kameras aufgestellt. Die Parteien wohnten in einem Doppelhaus mit gemeinsamer Einfahrt. Das Grundstück, auf dem die zwei Doppelhäuser gebaut worden seien, gehöre der Frau des MB und deren Schwester. Die Einfahrt überwache jetzt der Nachbar und Ehemann der Schwester der Frau des MB. Er überwache mit WLAN-Kameras alle Bewegungen sowie die Privatgänge des MB 24 Stunden auf unbestimmte Zeit. Die Parteien hätten sich zerstritten und keinen Kontakt mehr miteinander, was den MB sehr belaste. Zwei Kameras seien auf die Garage montiert, eine am Fenster des Dachbodens (diese schaue direkt zum Einfahrtstor und zur Straße) und eine habe er in der Garage. Diese schaue bei offenem Garagentor direkt zur Hausseite des MB. Der MB wolle nicht, dass der BF wisse, ob er oder seine Frau zu Hause seien, um welche Uhrzeit sie nach Hause kämen und das gleiche gelte für den gemeinsamen vierjährigen Sohn.
Beigelegt waren mehrere Lichtbilder.
Über Aufforderung nahm der BF per E-Mail vom 5.8.2020 ( XXXX ) dahingehend Stellung, die Behauptungen des MB seien unrichtig. Es werde lediglich die Haushälfte des BF überwacht bzw. der Eingang, an dem er und sein Kind reingingen. Die drei Kameras seien notwendig, da der MB den BF einmal körperlich angegriffen habe, was auch polizeilich bekannt sei, der MB die Postpakete des BF mit den Füßen trete und den Inhalt beschädige, in die gemeinsame Einfahrt mit ca. 10 km/h oder mehr vorbeifahre und sein Vater bereits an der Stiege des BF angefahren sei. Er sei nie aufgefordert worden, die Kameras zu entfernen. Der MB habe selber Dummy Kameras, auf die er nicht hinweise. Die Kameras würden daher betrieben, um den Schutz des Eigentums des BF sowie von dessen Kind zu gewährleisten. Aufzeichnungen würden ab und zu gemacht, wenn der BF länger nicht zu Hause sei. Sie würden nach ca. 72 Stunden selbst gelöscht. Vor der Einfahrt befinde sich ein Hinweisschild.
Der BF ersuche, die E-Mail-Adresse nicht an den Nachbarn weiterzuleiten, da dieser die Daten missbräuchlich verwenden könne.
Hiezu äußerte sich der MB zunächst unter Verweis auf seine bisherige Eingabe dahingehend, alle Anschuldigungen abzulehnen. Der BF übertreibe. Der MB bedrohe niemanden.
Über Aufforderung der belangten Behörde äußerte sich der BF neuerlich am 20.10.2020 im Wesentlichen unter Wiederholung seiner bisherigen Ausführungen. Die Kameras seien ca. fünf Jahre montiert und niemand habe sich bis dato beschwert.
Über weitere Aufforderung führte der MB am 25.11.2020 aus, die Behauptungen des BF seien frei erfunden. Der wahre Grund, wieso der BF die Kameras brauche, sei das Finanzamt.
Mit dem bekämpften Bescheid gab die belangte Behörde der Beschwerde statt und stellte fest, der BF habe den MB dadurch im Recht auf Geheimhaltung verletzt, indem der Aufnahmebereich der vom BF betriebenen Kamera "Kamera 1", "Kamera 2" und "Kamera 3" die gemeinsame Hauseinfahrt sowie letztere zudem den öffentlichen Gehweg vor dem Eingangstor erfasse, die der MB benütze. Dem BF werde aufgetragen, innerhalb einer Frist von zwei Wochen den Aufnahmebereich von „Kamera 1“, „Kamera 2“ und „Kamera 3“ derart einzuschränken, dass die gemeinsame Hauszufahrt sowie der öffentliche Gehweg vor dem Eingangstor nicht mehr erfasst werde.
Die belangte Behörde stellte folgenden Sachverhalt fest:
"1. Der MB bewohnt eine Doppelhaushälfte am XXXX . Der BF ist an der Adresse XXXX wohnhaft und bewohnt die zweite Doppelhaushälfte. Beide Doppelhaushälften befinden sich auf einem Grundstück, somit sind die zwei Verfahrensparteien unmittelbare Nachbarn. Beide müssen eine gemeinsame Hauseinfahrt bzw. Durchfahrt zu ihren jeweiligen Doppelhaushälften und den Garagen benutzen."
Die örtliche Situation wurde in weiterer Folge durch einkopierte Fotos dargestellt.
"2. Der BF hat drei Kameras vor ca. fünf Jahren installiert. Diese seien laut Angaben des Beschwerdegegners aufgrund diverser Vorfälle bzw. Zwischenfälle mit dem MB, welcher sich unter anderem auf der gemeinsamen Einfahrt bzw. Durchfahrtstraße und vor der Garage zugetragen haben sollen, angebracht worden, um zukünftig derartige Vorfälle festhalten zu können bzw. zur Anzeige zu bringen. Bis dato wurde seitens des BF jedoch keine Anzeige gegen den MB erhoben.“
In weiterer Folge wurden die Positionen der Kameras wiederum durch Fotos dargestellt.
"Der MB wird durch die Kameras regelmäßig beim Durchschreiten und Durchfahren der gemeinsamen Hauseinfahrt bzw. am öffentlichen Gehweg vor dem Einfahrtstor erfasst."
Hieraus folgerte die belangte Behörde rechtlich:
Der BF überwache mit den verfahrensgegenständlichen Kameras die gemeinsame Hauszufahrt bzw. den Zugangsweg sowie mit Kamera 3 den öffentlichen Gehweg vor dem Zufahrtstor und somit einen Bereich, den der MB regelmäßig benutze. Es seien weder lebenswichtige Interessen des MB noch seine Zustimmung gegeben, weshalb zu prüfen sei, ob überwiegende berechtigte Interessen eines anderen vorlägen. Es stehe der Schutz vor körperlichen Beeinträchtigungen und vor Sachbeschädigungen des BF gegen den Schutz des Privat- und Familienlebens des MB. Im Zuge des Verfahrens habe der BF die Behauptungen, wonach der MB körperliche Angriffe, Sachbeschädigungen etc. begangen habe, nicht belegt. Er habe diesbezüglich auf Nachfrage der belangten Behörde ausgeführt, dass auch keine Anzeige erstattet worden sei. Folglich erscheine die Datenverarbeitung durch drei Kameras nicht in dem Ausmaß erforderlich, dass die gemeinsame Zufahrtsstraße sowie der öffentliche Gehsteig vor dem Einfahrtstor mitaufgezeichnet werde. Der MB, der regelmäßig die Zufahrtsstraße passiere, habe ein überwiegendes berechtigtes Interesse daran, die Zufahrtsstraße zu seiner Doppelhaushälfte derart zu verwenden, dass sein Privat- und Familienleben geschützt und er nicht Aufzeichnungen durch eine Kamera unterworfen werde. Abgesehen davon entspreche der BF durch das teilweise Mitaufzeichnen des öffentlichen Gehsteigs jedenfalls nicht dem Grundsatz der Datenminimierung. Im Ergebnis sei der Beschwerde daher Folge zu geben. Der Eindruck, beobachtet zu werden bzw. der Überwachungsdruck, auf den der BF mehrfach im Gange des Verfahrens hingewiesen habe, wäre auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen gewesen. In Folge dessen sei die Einstellung der Kameras dahingehend einzuschränken, dass der gemeinsame Zufahrtsweg sowie der öffentliche Gehweg nicht mehr gefilmt werde.
Mit Aktenvermerk vom 18.06.2021 hielt die belangte Behörde fest, auf Nachfrage des Sachbearbeiters, ob der BF eine offizielle Anzeige bei der Polizei wegen der behaupteten Vorwürfe gegen den MB eingebracht habe, habe dieser geantwortet, dass er keine offizielle Anzeige eingebracht habe, sondern die Polizei nur über den Vorfall informiert habe.
Die Zustellung des Bescheides an den BF an dessen E-Mail-Adresse XXXX ist mit Zustellungsbestätigung dokumentiert, aus der sich eine Zustellung am 29.06.2021, 11:34:09 ergibt.
Am 30.07.2021 langte ein E-Mail des BF bei der belangten Behörde unter der Bezeichnung "Einspruch gegen Ihr Schreiben vom 29.06.2021" mit folgendem Inhalt ein (Schreibfehler wurden teilweise berichtigt):
"Wie ich Ihnen mehrmals mitgeteilt habe, wurde ich körperlich angegriffen und deshalb bleiben die Kameras so wie sie sind!
Sie haben mich nie nach einem Nachweis gefragt, weder telefonisch oder auf sonstigem Weg, wo zu sehen ist, ob ich körperlich angegriffen wurde (was ich nachweisen kann).
Eine Aufnahme im Anhang, wie er mich dagegen mehrmals in den Bauch schlägt, obwohl ich keine Luft bekomme.
Weiteres wird der Gehsteig in keiner einzigen Sekunde gefilmt oder aufgenommen, da vor der Einfahrt kein Gehsteig besteht, sondern das Grundstück, welches nicht eingezäunt ist. Ein Urteil oder wie Sie es sagen einen Bescheid Spruch zu fällen, ohne sich ein Bild zu machen, ist nicht gerade die hellste Entscheidung.
1. Hinweistafel wurde am 30.08.2019 montiert. Wo auch wieder Ihre Behauptungen falsch sind (Nachweis Kaufrechnung).
2. Es gibt keinen Gehsteig vor der Einfahrt, nur die Einfahrt, die nicht eingezäunt ist. Wo auch wieder Ihre Behauptungen falsch sind.
3. Ich habe Ihnen gesagt am Telefon, dass die Polizei da war vor Ort und dass es einen Videobeweis gebe, woher Ihre Behauptung, dass ich am Telefon gesagt habe, dass die Polizei Leibnitz nur informiert wurde? Wo auch wieder Ihre Behauptungen falsch sind (Rufen Sie mich nicht mehr an, jedes Gespräch wird aufgenommen, gewollt oder ungewollt, meine AGBs auf Google zu meiner Nummer).
4. Ich habe Ihnen auch gesagt, dass der Gegner Kameras montiert hat bei seinem Haus und in der Garage, wo die Globe Kamera in meine Richtung zeigt. Das haben Sie nie erwähnt im Verfahren.
5. Ich beanspruche einen Nachweis Ihrer Kompetenz und Ausbildung!
Beweise
1. Video über Körperverletzung,
2. Gegnerkamera ohne Hinweisschild und zeigt in meine Richtung
Eine Antwort auf dieses Schreiben und weiters richten Sie ausschließlich an meinen Anwalt, E-Mails, Briefe, Anrufe werden nicht angenommen,
XXXX Rechtsanwälte XXXX
Mit freundlichen Grüßen"
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 30.08.2021 wies die belangte Behörde die Beschwerde zurück und führte begründend aus, der bekämpfte Bescheid sei dem BF am 29.06.2021 per E-Mail an die Adresse XXXX zugestellt worden. Eine entsprechende Zustellbestätigung liege dem Akt bei. Der letzte Tag der Beschwerdefrist sei somit der 27.07.2021 gewesen. Der BF habe mit E-Mail vom 30.07.2021 einen "Einspruch“ gegen das Schreiben von 29.06.2021 erhoben, was als Bescheidbeschwerde zu werten gewesen sei. Im vorliegenden Fall habe die Frist zur Beschwerdeerhebung am 27.07.2021 geendet, weshalb sich die am 30.07.2021 per E-Mail übermittelte Beschwerde als verspätet erweise. Der BF sei im Zuge der Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Bescheid über das Erfordernis einer Bescheidbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht belehrt worden.
Mit E-Mail vom 01.09.2021 führte der BF gegenüber der belangten Behörde aus:
"Ich Schreiben wird nicht angenommen mein Einspruch bleibt weiterhin bestehen. Weiters wurden Sie auf meinen Rechtsanwalt verwiesen.
Ihre E-Mail landen ab jetzt im Spam Ordner und werden nicht angenommen.
Weiters wird eine Anzeige gegen den Sachbearbeiter erstattet".
Die belangte Behörde legte den "Einspruch" des BF, das als Vorlageantrag erachtete E-Mail vom 01.09.2021 sowie den elektronischen Akt (teilweise über Nachforderung) einlangend am 16.09.2021 dem Verwaltungsgericht vor und verwies vollinhaltlich auf den Bescheid.
Die Beschwerde des BF ist verspätet:
Folgender Sachverhalt steht fest:
Der Bescheid vom 25.06.2021 wurde dem BF an dessen im Verfahren regelmäßig verwendete E-Mail-Adresse XXXX am 29.06.2021, 11:34:09 Uhr zugesandt.
Der "Einspruch" des BF, erkennbar gegen den Bescheid vom 25.06.2021, langte bei der belangten Behörde per E-Mail am 30.07.2021 ein.
Beweiswürdigung:
Der Zugangszeitpunkt des Bescheides ergibt sich aus der von der belangten Behörde vorgelegten Zustellungsbestätigung.
Das Einbringungsdatum der Beschwerde ergibt sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten E-Mail des BF.
Obwohl dem BF die Überlegungen der belangten Behörde zum Zustellzeitpunkt des Bescheides sowie dem Zeitpunkt der Erhebung des "Einspruchs" außerhalb der Beschwerdefrist aufgrund der Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bekannt sein mussten, brachte der BF in seinem E-Mail vom 01.09.2021 zwar hinreichend zum Ausdruck, dass sein "Einspruch" an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet werden solle. Er äußerte sich aber nicht zu den tatsächlichen und rechtlichen Umständen der von der belangten Behörde angenommenen Verfristung der Beschwerde.
Rechtlich folgt:
Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen.
Sie beginnt
1. in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, …
Wie festgestellt, wurde der Bescheid vom 25.06.2021 dem BF durch Zusendung per E-Mail an dessen im Verfahren regelmäßig verwendete E-Mail-Adresse XXXX am 29.06.2021, 11:34:09 Uhr, zugestellt.
Der "Einspruch" des BF langte bei der belangten Behörde per E-Mail am 30.07.2021 ein.
Ausgehend von einer Zustellung am 29.6.2021 erweist sich die Beschwerde vom 30.7.2021 aufgrund des Fristendes vom 27.7.2021 als verspätet.
Da eine anwaltliche Vollmachtsbekanntgabe bislang offenbar weder gegenüber der belangten Behörde noch dem Verwaltungsgericht erfolgte, kommt den diesbezüglichen Ausführungen des BF „Eine Antwort auf dieses Schreiben und weiters richten Sie ausschließlich an meinen Anwalt, E-Mails, Briefe, Anrufe werden nicht angenommen, XXXX Rechtsanwälte XXXX “ sowie „Weiters wurden Sie auf meinen Rechtsanwalt verwiesen“ keine Relevanz zu.
Eine inhaltliche Prüfung der Beschwerde war daher dem Verwaltungsgericht verwehrt.
Obzwar die belangte Behörde die Beschwerde bereits im Rahmen ihrer Beschwerdevorentscheidung zurückgewiesen hat, ist eine nicht zulässige Beschwerde vom Verwaltungsgericht zurückzuweisen, wobei der Beschluss des Verwaltungsgerichts an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung tritt, dies mit der Wirkung, dass die Rechtskraft des Ausgangsbescheides festgestellt wird (VwGH am 17.12.2015 Ro 2015/08/0026 5.2.).
Eine mündliche Verhandlung hatte bereits aufgrund § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG zu entfallen, weil die Beschwerde zurückgewiesen wurde.
Der Ausspruch der Unzulässigkeit der Revision beruht auf dem Umstand, dass keine revisiblen Rechtsfragen vorliegen.
Schlagworte
Datenschutzverfahren Rechtsmittelfrist Verspätung ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W274.2246448.1.00Im RIS seit
03.11.2021Zuletzt aktualisiert am
03.11.2021