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10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §33Leitsatz
Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags; kein minderer Grad des Versehens; Zurückweisung der Beschwerde als verspätetSpruch
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
3. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.
Begründung
Begründung:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 5. Dezember 1994, B2171/94, eine vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 8. September 1994 gemäß Art144 B-VG erhobene Beschwerde als verspätet zurückgewiesen, weil die an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, somit an eine unzuständige Stelle adressiert worden war und aufgrund dessen erst nach Ablauf der Frist von sechs Wochen nach Zustellung des Bescheides (§82 Abs1 VerfGG 1953) beim Verfassungsgerichtshof eingelangt war.
2. Nunmehr richtet der Beschwerdeführer an den Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist und erhebt zugleich neuerlich Beschwerde gemäß Art144 B-VG.
Zur Begründung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führt der Beschwerdeführer aus, durch einen Irrtum der Kanzleileiterin der von ihm mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung betrauten Rechtsanwälte sei - nachdem die Beschwerde bereits vom zuständigen Juristen unterfertigt worden sei - das Kuvert an den Verwaltungsgerichtshof anstatt an den Verfassungsgerichtshof adressiert worden. Innerhalb der Kanzlei bestehe die Dienstanweisung, daß bei Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts die beschriebenen Kuverts samt allen Beilagen vor dem Abfertigen nochmals einem Juristen vorzulegen seien. Die Kanzleileiterin habe zwar, wie aus der beigelegten eidesstattlichen Erklärung ersichtlich sei, die Beschwerde zur Abfertigung bereitgemacht, jedoch nicht nochmals dem zuständigen Juristen vorgelegt, sodaß die Beschwerde von einer Arbeitskollegin abgefertigt worden sei, nachdem die Kanzleileiterin bereits die Kanzlei verlassen habe. Dieser Ablauf der Ereignisse stelle ein unvorhersehbares Ereignis für den Beschwerdeführer dar, welches nicht seiner Sphäre zuzuordnen sei.
3.1. Da das VerfGG 1953 in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Gleiches gilt für Verschulden von Kanzleikräften (vgl. etwa VfSlg. 12372/1990).
Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 11706/1988).
3.2. Im vorliegenden Fall liegt ein solcher "minderer Grad des Versehens" nicht vor: Nach dem vom Beschwerdeführer geschilderten Sachverhalt (s. oben Pkt. 1.) war die Beschwerde zunächst durch einen Irrtum der Kanzleileiterin seiner Rechtsvertreter fälschlicherweise an den Verwaltungsgerichtshof anstatt an den Verfassungsgerichtshof adressiert worden. Hernach wurde die Beschwerde samt Kuvert entgegen der bestehenden Dienstanweisung nicht neuerlich einem Juristen vorgelegt, und zwar weder von der Kanzleileiterin selbst, noch von deren Arbeitskollegin, welche die Beschwerde schließlich (an den Verwaltungsgerichtshof adressiert) abgefertigt hat.
Angesichts dieser mehrfachen Verfehlungen kann hier von einem "minderen Grad des Versehens" nicht gesprochen werden; solches wird auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Der Beschwerdeführer vermeint vielmehr, daß der Ablauf der Ereignisse für ihn selbst ein unvorhergesehenes Ereignis darstelle, welches nicht seiner Sphäre zuzuordnen sei. Dabei wird jedoch übersehen, daß das Verhalten der vom Beschwerdeführer beauftragten Rechtsvertreter und deren Kanzleikräfte sehr wohl dem Beschwerdeführer zuzurechnen ist.
Der Antrag war daher mangels der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung abzuweisen (§35 VerfGG 1953 iVm. §§146 ff. ZPO).
4. Aus den angeführten Gründen erweist sich auch die zugleich mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung erhobene Beschwerde als verspätet; sie war daher zurückzuweisen.
5. Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer abweisenden Sachentscheidung oder Ablehnung der Behandlung der Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof in Betracht kommt.
6. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33, zweiter Satz, und §19 Abs3 Z2 litb VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
Schlagworte
VfGH / WiedereinsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:B15.1995Dokumentnummer
JFT_10049772_95B00015_2_00