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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §8 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätinnen Mag. Schindler und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Revisionssache des X Y, vertreten durch Mag. Moritz Salzgeber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Sterngasse 13, als bestellter Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch Dr. Erich Gemeiner, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Apostelgasse 36/10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Juni 2021, I413 2201493-1/29E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte am 3. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Mit Bescheid vom 3. Juli 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in den Irak zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem nunmehr bekämpften Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und nach Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Bereich der Psychiatrie mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat, dass dem Revisionswerber eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde, und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ob bei Vorliegen von Anzeichen einer psychischen Erkrankung ein Sachverständigengutachten einzuholen sei. Das BVwG habe trotz Vorliegens von Beweismitteln, die eine psychische Erkrankung des Revisionswerbers belegen würden, ohne tatsächlicher Einholung eines entsprechenden neurologischen psychiatrischen Sachverständigengutachtens mit entsprechender Untersuchung des Revisionswerbers durch den Sachverständigen, sohin ohne vollständige Aufklärung des Sachverhaltes, eine negative Entscheidung gefällt. Eine Behandlung von Personen mit psychischen Erkrankungen im Irak sei nicht gewährleistet.
8 Soweit die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit pauschal und ohne einen Bezug zum konkreten Fall herzustellen, fehlende Rechtsprechung zur Frage, „ob bei Vorliegen von Anzeichen einer psychischen Erkrankung ein Sachverständigengutachten einzuholen sei“, rügt, vermag die Revision damit eine Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG schon deswegen nicht aufzuzeigen, weil darauf in den Revisionsgründen nicht mehr zurückgekommen wird (vgl. VwGH 29.3.2021, Ra 2021/20/0065, mwN).
9 Soweit die Revision die Unterlassung von Ermittlungen durch Einholung eines „richtigen“ Sachverständigengutachtens behauptet, ist darauf zu verweisen, dass der im Verfahren bestellte Sachverständige für das Fachgebiet Psychiatrie durch Untersuchung des Revisionswerbers mit Zustimmung von dessen Rechtsvertreter am Tag der mündlichen Verhandlung am 16. April 2021 eine Befundaufnahme durchführte. Der Sachverständige nahm weiters Einsicht in die aufliegenden Befundberichte vom 29. September 2020 und vom 11. Juli 2018 und erstattete im Rahmen der mündlichen Verhandlung Befund und Gutachten, wobei dem anwesenden Rechtsvertreter auch Gelegenheit zur Fragestellung an den Sachverständigen gegeben wurde, diese Gelegenheit aber nicht wahrgenommen wurde. Die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes eines Ermittlungsverfahrens ein ausreichend ermittelter Sachverhalt vorliegt oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, stellt regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung dar (vgl. VwGH 31.8.2021, Ra 2020/14/0061, mwN). Das Bundesverwaltungsgericht ist durch Beiziehung eines Sachverständigen seiner Ermittlungstätigkeit nachgekommen. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, dass im vorliegenden Fall ein krasser, die Rechtssicherheit beeinträchtigender und daher eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfender Verfahrensfehler vorliegt.
10 Werden Verfahrensmängel - wie Ermittlungs- und Begründungsmängel hinsichtlich der Versorgungslage von psychisch Erkrankten im Zusammenhang mit der Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz und der Erteilung eines Aufenthaltstitels - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden (vgl. VwGH 30.3.2021, Ra 2020/14/0148, mwN). Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten. Das bloß pauschal gehaltene Vorbringen, eine Behandlung sei nicht gewährleistet, genügt dem nicht.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem bereits wiederholt festgehalten, dass für die Gewährung von subsidiärem Schutz die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK nicht ausreichend ist. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung nach Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, dass exzeptionelle Umstände vorliegen (vgl. VwGH 26.4.2021, Ra 2021/20/0006, mwN).
12 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 4. Oktober 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021140217.L00Im RIS seit
03.11.2021Zuletzt aktualisiert am
03.11.2021