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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
StbG 1985 §32;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner sowie den Senatspräsidenten Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des W in H, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. M in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 3. August 1994, Zl. 0/92-9196/6-1994, betreffend Feststellung des Verlustes der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde am 5. Dezember 1971 in Hallein geboren; er besaß durch Abstammung seit der Geburt gemäß § 7 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 die österreichische Staatsbürgerschaft.
Mit Bescheid vom 3. August 1994 stellte die belangte Behörde "gemäß §§ 39 und 52 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985", BGBl. Nr. 311 (StbG), fest, daß der Beschwerdeführer "mit Eintritt in den Militärdienst des Staates Kroatien gemäß § 32 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 i.d.g.F. am 15. August 1993 die österreichische Staatsbürgerschaft verloren hat und sie seither nicht mehr besitzt".
In der Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, daß aufgrund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers und "Meldungen sowie Fotoreportagen diverser Medien" als eindeutig erwiesen anzusehen sei, daß der Beschwerdeführer anläßlich seines Aufenthaltes in "Kroatien/Bosnien" ab 15. August 1993 Militärdienst geleistet und an Kampfhandlungen teilgenommen habe. Da kein Hinweis darauf bestehe, daß sich der Beschwerdeführer "unfreiwillig in einen Militärdienst gestellt" habe, bleibe zu prüfen, ob er einen Militärdienst für einen fremden Staat geleistet habe. Der Beschwerdeführer habe nach seinen Angaben von einer Polizeistation in Zagreb Adressen von Anwerbestellen für Ausländer erhalten und sich in der Folge bei einer dieser Stellen gemeldet. Es sei daher davon auszugehen, daß kroatische Behörden über diese Anwerbestellen informiert seien und deren Adressen an Interessierte weiterleiteten. Weiters habe der Beschwerdeführer angegeben, daß der Kommandant seiner Einheit sich regelmäßig bei der "kroatischen Militärpolizei in Mostar" Weisungen für den Einsatz geholt habe. Die Einheit des Beschwerdeführers sei daher in eine Befehlskette innerhalb der kroatischen Militärhierarchie eingebunden gewesen. Aufgrund dieser Umstände sei als erwiesen anzusehen, daß die Handlungen der Einheit des Beschwerdeführers dem Staat Kroatien zurechenbar seien. Somit sei der Militärdienst in dieser Einheit als Militärdienst für den Staat Kroatien anzusehen.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Zunächst ist festzuhalten, daß in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft gemäß § 42 Abs. 3 StbG ein Feststellungsbescheid von Amts wegen erlassen werden kann, wenn ein öffentliches Interesse an der Feststellung besteht. Das öffentliche Interesse an der amtswegigen Feststellung ergibt sich im vorliegenden Fall schon aus dem Interesse des Staates, nicht darüber im Zweifel zu sein, ob eine bestimmte Person Staatsangehöriger ist oder nicht. Das offenbar unrichtige Zitat von § 52 StbG, welche Bestimmung verschiedene Verpflichtungen der Evidenzstelle regelt, an Stelle von § 42 Abs. 3 StbG im Spruch des angefochtenen Bescheides belastet diesen nicht mit einer die Aufhebung nach sich ziehenden Rechtswidrigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1988, Zl. 87/01/0282).
Gemäß § 32 StbG verliert die Staatsbürgerschaft, wer freiwillig in den Militärdienst eines fremden Staates tritt. Der Beschwerdeführer, der seine "Teilnahme am bosnischen Krieg" nicht bestreitet, bringt in der Sachverhaltsdarstellung der Beschwerde vor, er habe aufgrund eines Zeitungsartikels, in dem unrichtigerweise über einen gegen ihn in einem Verfahren nach dem Verbotsgesetz erlassenen Haftbefehl berichtet worden sei, "seinen einzigen Ausweg" darin gesehen, aus Österreich zu flüchten und sich im "Bosnienkrieg zu verdingen". Soweit er sich damit gegen die von der belangten Behörde angenommene Freiwilligkeit seines Dienstes wendet, ist ihm zu entgegnen, daß die Angst vor der Verhaftung aufgrund eines (nach dem Beschwerdevorbringen zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich erlassenen) Haftbefehles keinesfalls eine Notlage darstellt, der er nur durch den Eintritt in den Militärdienst eines fremden Staates entgehen konnte.
Für das Tatbestandsmerkmal des Eintritts in den Militärdienst EINES FREMDEN STAATES ist erforderlich, daß der Betreffende - völkerrechtlich gesehen - die Stellung eines Organes dieses anderen Staates erlangt, seine Handlungen diesem Staat also zuzurechnen sind, wobei es irrelevant ist, ob es sich dabei um "reguläre" Armeeinheiten handelt, oder um Sondereinrichtungen, wie z.B. die "Fremdenlegion" (vgl. Thienel, österreichische Staatsbürgerschaft II., S. 315, mit weiterführenden Hinweisen). Die belangte Behörde hat aus den Umständen, daß der Beschwerdeführer nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid die Adresse der Anwerbestelle für die militärische Einheit mit dem Namen "bestrafende Einheit", in der er den Dienst versah, von einer "Polizeistation" in Zagreb erhalten hat und der Kommandant dieser Einheit sich nach den Angaben des Beschwerdeführers "verschiedentlich Anweisungen bei der kroatischen Militärpolizei in Mostar" geholt hat, geschlossen, die militärischen Aktionen dieser Einheit seien dem Staat Kroatien zuzurechnen.
Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, daß die "bestrafende Einheit" nicht in die militärische Befehlsstruktur der Republik Kroatien eingegliedert gewesen sei. Es habe sich dabei um eine "bewaffnete Verbindung" gehandelt, deren Zweck die Durchführung von Raubzügen im Rahmen des Bürgerkrieges in Bosnien gewesen sei und deren Kommandant in "loser Verbindung" zur kroatischen Bürgerkriegspartei in Bosnien-Herzegowina gestanden sei. Bei der vom Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme erwähnten "kroatischen Militärpolizei" habe es sich lediglich um eine Befehlsstelle der Bürgerkriegspartei der kroatischen Bevölkerungsgruppe in Bosnien-Herzegowina gehandelt.
Auf Grundlage dieses Vorbringens erscheint der Sachverhalt ergänzungsbedürftig:
Aus der Feststellung, daß dem Beschwerdeführer die Adresse der Anwerbungsstelle der "bestrafenden Einheit" von der Polizei in Zagreb bekanntgegeben wurde, kann nicht zwingend geschlossen werden, daß diese Einheit dem kroatischen Staat zuzuordnen ist. Es kann nämlich nicht ohne weitere Erhebungen davon ausgegangen werden, daß die kroatische Polizei dem an einer Anwerbung interessierten Beschwerdeführer nicht (auch) die Adressen der Anwerbungsstellen von militärischen Einrichtungen der (damals) in einen Bürgerkrieg verwickelten kroatischen Bevölkerungsgruppe in Bosnien-Herzegowina bekanntgegeben hat, zumal es sich bei der vom Beschwerdeführer aufgesuchten Anwerbungsstelle nach den Feststellungen der belangten Behörde um eine solche mit einer Adresse in der Nähe von Mostar, einer nicht im kroatischen Hoheitsgebiet gelegenen Stadt, gehandelt hat.
Es braucht daher nicht auf die Frage eingegangen zu werden, ob die Feststellung, dem Beschwerdeführer sei die Adresse der von ihm aufgesuchten Anwerbungsstelle von der kroatischen Polizei genannt worden, aktenwidrig ist, wie dies der Beschwerdeführer behauptet.
Es kann auch nicht ohne weitere Erhebungen davon ausgegangen werden, daß es sich bei der vom Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme als "kroatische Militärpolizei" bezeichneten Stelle in Mostar um eine Einrichtung des kroatischen Staates gehandelt hat. Da Mostar - wie allgemein bekannt - im wesentlichen von einer kroatischen und einer moslemischen Bevölkerungsgruppe bewohnt wird, wird mit der Bezeichnung als "kroatisch" in bezug auf in dieser Stadt befindliche Einrichtungen im allgemeinen Sprachgebrauch häufig nicht eine Zugehörigkeit zum Staat Kroatien, sondern zur kroatischen Bevölkerungsgruppe in Bosnien-Herzegowina - in Abgrenzung zur moslemischen Bevölkerungsgruppe - ausgedrückt.
Daß sich aus dem Bericht über weitere Erhebungen der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg, der sich als dem angefochtenen Bescheid nachfolgende Ordnungszahl im Verwaltungsakt der belangten Behörde befindet, insbesondere aus den darin festgehaltenen Aussagen des Beschwerdeführers, konkrete Anhaltspunkte sowohl für die Annahme, die "bestrafende Einheit" sei dem kroatischen Staat zuzurechnen, als auch dafür, daß der Beschwerdeführer die Adresse dieser Einheit von der Polizei in Kroatien erhalten habe, ergeben, ist entgegen der von der belangten Behörde in der Gegenschrift vertretenen Auffassung nicht von Bedeutung, weil dieses Beweismittel im angefochtenen Bescheid nicht verwertet wurde und eine Heranziehung weiterer Entscheidungsgrundlagen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht möglich ist (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 595 zitierte hg. Rechtsprechung).
Der angefochtene Bescheid war daher aufgrund der Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994010651.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
15.01.2013