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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Abweisung einer Berufung gegen die Zurückweisung von Anträgen auf Unterbrechung des grundverkehrsbehördlichen Verfahrens sowie Beiziehung zum Verfahren; keine Parteistellung der Beschwerdeführer im grundverkehrsbehördlichen Verfahren mangels Beteiligung an dem den Gegenstand des Verfahrens bildenden Rechtsgeschäft; keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter infolge unrichtiger Zusammensetzung der nach dem Tir GVG 1993 zuständigen Landes-GrundverkehrskommissionSpruch
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. A.L. verkaufte mit Vertrag vom 19. November 1992 einen geschlossenen Hof im Sinne des Tiroler Höfegesetzes in Baumkirchen und ein walzendes Grundstück an F.F. (Den geschlossenen Hof hatte A.L. - unter bestimmten Bedingungen - mit Übergabsvertrag von J P erworben. Dieser Übergabsvertrag wurde von J P und nach deren Ableben von der Verlassenschaft nach J P angefochten.) IZm. dem genannten Kaufvertrag wurde am 20. November 1992 der Antrag gestellt, dem davon umfaßten Rechtserwerb die grundverkehrsbehördliche Zustimmung zu erteilen. Im Zuge des grundverkehrsbehördlichen Verfahrens beantragten die "Verlassenschaft nach J P, ..., vertreten durch den erbserklärten Erben Dr. H R, Rechtsanwalt und Landwirt, ..., bzw. Dr. H R als erbserklärter Erbe im Verlassenschaftsverfahren nach J P", das grundverkehrsbehördliche Verfahren zu unterbrechen bzw. erst dann einer Entscheidung zuzuführen, wenn die von ihnen hinsichtlich des Übergabsvertrages initiierten Verfahren auf Wiederaufnahme vor der Agrarbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung sowie vor dem Landesgericht Innsbruck rechtskräftig abgeschlossen seien. Ferner wurde beantragt, "zu allen Terminen geladen zu werden und daß die Zustellungen auch an ihn (Rechtsanwalt Dr. R) erfolgen" sollten; den Einschreitern komme Parteistellung zu. Dieser Antrag wurde von der Grundverkehrsbehörde Baumkirchen mit Bescheid vom 12. August 1993 unter Anwendung des §13 Abs3 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 18. Oktober 1983 über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 und des Landesgesetzes LGBl. für Tirol 74/1991 (im folgenden: GVG 1983), iVm. §8 AVG mangels Parteistellung zurückgewiesen.
Die dagegen von "der Verlassenschaft nach J P, ..., bzw. dem erbserklärten Erben Dr. H R, Rechtsanwalt, ..." erhobene Berufung wurde von der Landes-Grundverkehrskommission (vgl. §28 iVm. §40 und §41 Abs1 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes, LGBl. für Tirol 82/1993 (im folgenden: GVG 1993)) mit Bescheid vom 8. Juni 1994 gemäß §66 Abs4 AVG als unbegründet abgewiesen und der Spruch des Bescheides dahingehend abgeändert, daß "die Anträge der Verlassenschaft nach J P, vertreten durch den erbserklärten Erben Dr. H R,
1)
das grundverkehrsbehördliche Verfahren zu unterbrechen sowie
2)
die Verlassenschaft nach J P bzw. den erbserklärten Erben Dr. H R diesem grundverkehrsbehördlichen Verfahren beizuziehen,
... gemäß §8 AVG in Verbindung mit §13 Abs3 des Grundverkehrsgesetzes 1983 (GVG 1983), LGBl. Nr. 69, zuletzt geändert durch das Gesetz LGBl. Nr. 74/1991, in Verbindung mit §40 Abs3 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes, LGBl. Nr. 82/1993, mangels Parteistellung zurückgewiesen" werden.
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof begehrt wird.
3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Eine der beteiligten Parteien schloß sich in einer Äußerung der Ansicht der belangten Behörde an. Die Erstbeschwerdeführerin informierte in einem "weiteren Vorbringen" über Vorgänge im Bereich der Grundverkehrsbehörde, die ihrer Ansicht nach "im engsten Zusammenhang mit dem gegenständlichen Grundverkehrsverfahren" stünden.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985, 11405/1987).
Eine Verletzung dieses Rechtes ist insbesondere auch dann gegeben, wenn eine an sich zuständige, aber nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzte Kollegialbehörde entschieden hat (zB VfSlg. 8731/1980, 10022/1984, 11350/1987).
2. Die Beschwerdeführer vermeinen, deshalb in diesem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt zu sein, weil die Frage der Parteistellung nicht von der Landes-Grundverkehrskommission als Berufungsbehörde, sondern "von der an sich allgemein zuständigen Rechtsabteilung zu behandeln" gewesen wäre. Weiters hätte gemäß §40 Abs3 und 4 GVG 1993 das - bei dessen Inkrafttreten bereits anhängige - Verfahren nicht nur nach den materiellen Bestimmungen des GVG 1983 zu Ende geführt werden müssen, sondern auch die durch das GVG 1983 geschaffene Landesgrundverkehrsbehörde statt der Landes-Grundverkehrskommission im Sinne des GVG 1993 beim Amt der Tiroler Landesregierung zu entscheiden gehabt. Abgesehen davon habe die Zusammensetzung der belangten Behörde nicht dem §28 GVG 1993 entsprochen, da sich deren Vorsitzender "bisher im Rahmen seiner Tätigkeit beim Amt der Tiroler Landesregierung nicht mit Fragen des Grundverkehrsgesetzes auseinanderzusetzen hatte". Ferner wird in der Beschwerde ausgeführt, daß "die einzelnen Mitglieder der Kommission in keiner Weise einen Richterstatus an sich einnehmen. Es handelt sich dabei großteils um weisungsgebundene Beamte, sodaß die Landesgrundverkehrskommission von vornherein unrichtig und verfassungswidrig zusammengesetzt ist ...". Vor allem aber wird behauptet, daß das grundverkehrsbehördliche Verfahren, in dessen Rahmen die Beschwerdeführer Parteistellung begehrten, die Rechte der Beschwerdeführer berühre, sodaß ihre Anträge zu Unrecht zurückgewiesen worden seien.
3.1. Sollte dieses weitgehend unklare Beschwerdevorbringen dahin zu verstehen sein, daß gegen die von der belangten Behörde herangezogenen Bestimmungen des §28 iVm. §40 GVG 1993 verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, ist ihm die bisherige ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entgegenzuhalten (vgl. die im folgenden unter II.4.2. zitierte Rechtsprechung, ferner zu §28 iVm. §40 GVG 1993 VfGH 27.9.1994, B233/94, u.a.m.). Bedenken sind beim Verfassungsgerichtshof auch aus Anlaß dieser Beschwerde nicht entstanden, zumal die Beschwerde nichts Neues vorbringt.
3.2. Die Beschwerdeführer wurden deshalb nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.
4.1. Dem Vorwurf, die Landes-Grundverkehrskommission habe unzuständigerweise eine Entscheidungskompetenz wahrgenommen, ist zu entgegnen, daß aus §40 Abs2 GVG 1993 eindeutig hervorgeht, daß mit Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Jänner 1994 (s. §41 Abs1 leg.cit.) ausschließlich die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung als Grundverkehrsbehörde II. Instanz tätig zu werden hat.
Zum von vorneherein abwegigen Beschwerdevorbringen, für die Erledigung sei die "allgemein zuständige Rechtsabteilung" zuständig gewesen, genügt der Hinweis, daß die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Berechtigung zur Teilnahme an einem bestimmten Verwaltungsverfahren den zur Sachentscheidung berufenen Behörden zukommt (s. schon VfSlg. 5685/1968).
Auch die Behauptung, die Zusammensetzung der belangten Behörde habe §28 GVG 1993 nicht entsprochen, geht ins Leere. Der Umstand, daß sich der Vorsitzende der belangten Behörde "bisher im Rahmen seiner Tätigkeit beim Amt der Tiroler Landesregierung nicht mit Fragen des Grundverkehrsgesetzes auseinanderzusetzen hatte", tut nicht dar, daß dieser die Voraussetzungen einer "mit den Angelegenheiten des Grundverkehrs vertrauten Persönlichkeit" im Sinne des §28 Abs1 lita Z1 GVG 1993 nicht erfülle. Bei Einrichtung einer Kollegialbehörde gemäß Art133 Z4 B-VG (iVm. Art20 Abs2 B-VG) ist es außerdem nur unabdingbar, daß wenigstens ein Mitglied der Behörde zum Zeitpunkt seiner Bestellung aktiver Richter ist (vgl. VfSlg. 11933/1988). Das Bild des "Tribunals" im Sinne des Art6 EMRK aber verlangt keineswegs den auf Lebenszeit bestellten, hauptberuflichen Richter, sondern lediglich solche Organwalter, deren Unabhängigkeit und Unparteilichkeit (subjektiv und objektiv) gewährleistet ist (vgl. VfSlg. 12074/1989, 13209/1992). Dem Kollegium gehör(t)en jedoch keine Beamten an, die in ihrer sonstigen beruflichen Tätigkeit als Verwaltungsbeamte in funktioneller oder dienstlicher Unterordnung zu einer Verfahrenspartei stehen (vgl. hiezu zB VfSlg. 11786/1988).
4.2. Schließlich trifft auch das Bedenken, die belangte Behörde habe zu Unrecht eine Sachentscheidung abgelehnt, nicht zu.
Über die Parteistellung enthält das GVG 1983 keine ausdrücklichen Bestimmung. Somit ist die Frage der Parteistellung in einem grundverkehrsbehördlichen Verfahren an Hand des §8 AVG zu beantworten. Dafür, wann und inwieweit im einzelnen Fall eine Beteiligung vermöge eines Rechtsanspruches oder vermöge eines rechtlichen Interesses im Sinne der zitierten Bestimmung gegeben ist, sind die in der betreffenden Verwaltungsangelegenheit anzuwendenden Verwaltungsvorschriften maßgeblich (VfSlg. 6257/1970, 6908/1972; vgl. auch VfSlg. 10150/1984, 12102/1989).
§8 AVG macht keinen Unterschied, ob das zu wahrende Interesse dem öffentlichen oder dem Privatrecht zugehört, sodaß Partei im Sinne dieser Gesetzesstelle auch eine Person sein kann, die durch die Erledigung eines anhängigen Verwaltungsverfahrens in einem Privatrecht beeinträchtigt werden kann (VfSlg. 2698/1954). Parteistellung kommt allen Personen zu, deren subjektive Rechtssphäre im Verfahren unmittelbar berührt wird (vgl. VfSlg. 8232/1978). Wirtschaftliche Interessen ohne eine in der Rechtsordnung begründete persönliche Beziehung zu einer Verwaltungsangelegenheit geben jedoch keine Parteistellung im Verwaltungsverfahren (VwSlgNF 495 A/1948, 7662 A/1969; VfSlg. 9000/1980).
Gegenstand des grundverkehrsbehördlichen Verfahrens und damit Sache im Sinne des §8 AVG ist im Falle einer rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung nach dem GVG 1983 die Genehmigung des Rechtsgeschäftes unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Interessen an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes und der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes (vgl. VfSlg. 12861/1991). Gegenstand ist jedoch immer nur jener Rechtsübergang, der der Behörde zur grundverkehrsbehördlichen Zustimmung bzw. zur Ausstellung einer sogenannten Negativbestätigung vorgelegt wird; dies erhellt schon daraus, daß dieses Verfahren immer nur über Antrag, nicht jedoch von Amts wegen eingeleitet werden kann. In einem solchen Verfahren sind keineswegs sämtliche nur denkbaren zivilrechtlichen Aspekte zu durchleuchten (s. VfSlg. 13280/1992).
Die belangte Behörde hat zu Recht die Parteistellung der Beschwerdeführer verneint und deren Anträge zurückgewiesen, bestehen doch in jener Sache, die Gegenstand des einleitend erwähnten grundverkehrsbehördlichen Verfahrens ist, keine objektivierten rechtlichen Interessen der Beschwerdeführer, da sie an dem den Gegenstand des grundverkehrsbehördlichen Verfahrens bildenden Rechtsgeschäft überhaupt nicht beteiligt sind.
Dieses Ergebnis wird insoferne bestätigt, als sich die Beschwerdeführer schon in ihrem Antrag an die Grundverkehrsbehörde I. Instanz gegen die Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung ausgesprochen haben. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann aber nur durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung eine Verletzung von subjektiven Rechten erfolgen, durch die grundverkehrsbehördliche Genehmigung eines Rechtserwerbes findet hingegen kein öffentlich-rechtlicher Eingriff in die Privatrechtssphäre statt (vgl. VfSlg. 8992/1980, 12524/1990, 13212/1992).
Die Beschwerdeführer wurden deshalb nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
5. Eine Verletzung der Beschwerdeführer in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten ist damit ausgeschlossen (vgl. zB VfSlg. 10374/1985, VfGH 28.9.1993, B517/93, 27.9.1994, B167/94, G29/94).
6. Die Beschwerde, deren Erhebung in der vorliegenden Form als mutwillig zu qualifizieren ist, war deshalb als unbegründet abzuweisen.
7. Der Antrag der Beschwerdeführer, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war abzuweisen, da es sich bei der belangten Behörde um eine Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG handelt (s. §28 GVG 1993) und eine Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vorgesehen ist.
III. Diese Entscheidung konnte
gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Grundverkehrsrecht, Behördenzuständigkeit, Kollegialbehörde, Verwaltungsverfahren, Parteibegriff, Parteistellung GrundverkehrsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:B1536.1994Dokumentnummer
JFT_10049772_94B01536_00