TE OGH 2021/9/15 7Ob101/21k

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.09.2021
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Stefula und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** KG, *****, vertreten durch die Stolz & Weiglhofer-Russegger Rechtsanwälte GmbH in Radstadt, gegen die beklagte Partei A*****-AG, *****, vertreten durch Dr. Nikolaus Friedl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Februar 2021, GZ 30 R 9/21w-17, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30. November 2020, GZ 26 Cg 33/20f-13, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil wie folgt zu lauten hat:

„1. Die beklagte Partei hat der klagenden Partei aufgrund und im Umfang des Haftpflichtversicherungsvertrags zur Polizzennummer ***** für den Schadensfall zur Schadennummer ***** aufgrund der Einreichplanung vom 21. Oktober 2016 und der Ausführungsplanung vom 4. Mai 2017 Deckungsschutz zu gewähren.

2. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.184,04 EUR (darin 406,84 EUR USt und 743 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie die mit 2.665,32 EUR (darin 253,72 EUR USt und 1.143 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 2.527,56 EUR (darin 182,76 EUR USt und 1.431 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]            Die Klägerin ist ein Ingenieurbüro, das unter anderem Planungsleistungen erbringt. Sie hat für die B***** GmbH als Bauträgerin ein Mehrfamilienwohnhaus geplant. Die Bauträgerin geht von Planungsfehlern der Klägerin aus und hat Schadenersatzansprüche gegen diese erhoben.

[2]            Die Klägerin ist bei der Beklagten betrieblich haftpflichtversichert. Auf den im Jahr 2015 abgeschlossenen Versicherungsvertrag sind die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 2006) anzuwenden, die auszugsweise wie folgt lauten:

„Artikel 7

Was ist nicht versichert?

[...]

6. Es besteht kein Versicherungsschutz aus Schäden, die zugefügt werden

[…]

6.3 Gesellschaftern des Versicherungsnehmers und deren Angehörigen (Pkt. 6.2);

6.4 Gesellschaften, an denen der Versicherungsnehmer oder seine Angehörigen (Pkt. 6.2) beteiligt sind, und zwar im Ausmaß der prozentuellen Beteiligung des Versicherungsnehmers und seiner Angehörigen (Pkt. 6.2) an diesen Gesellschaften; weiters Gesellschaften, die demselben Konzern (im Sinne des § 15 AktG) wie der Versicherungsnehmer oder seine Angehörigen (Pkt. 6.2) zugehören und zwar im Ausmaß der mittel- und/ oder unmittelbaren prozentuellen Beteiligung des Versicherungsnehmers und seiner Angehörigen (Pkt. 6.2) an diesen Gesellschaften. Bei juristischen Personen, geschäftsunfähigen oder beschränkt geschäftsfähigen Personen werden deren gesetzliche Vertreter und Angehörige dem Versicherungsnehmer und seinen Angehörigen gleichgehalten.“

[3]            Die Klägerin hat zwei Komplementäre, die zu je 50 % Gesellschafter sowie selbstständig vertretungsbefugte Geschäftsführer der Bauträgerin sind. Das Stammkapital der GmbH wird zur Gänze von den Komplementären der Klägerin gehalten.

[4]            Die Klägerin begehrt Versicherungsdeckung für die von der Bauträgerin erhobenen Schadenersatzansprüche. Der Versicherungsvertrag sei nur mit ihr, nicht aber mit den beiden persönlich haftenden Gesellschaftern geschlossen worden. Die Klägerin als Versicherungsnehmerin sei an der geschädigten GmbH nicht beteiligt. Der Risikoausschluss gemäß Art 7.6.4. AHVB 2006 greife daher nicht. Auch der Risikoausschluss gemäß Art 7.6.3. AHVB 2006 liege nicht vor, weil der Schaden im Vermögen der Bauträgerin eingetreten sei.

[5]            Die Beklagte beantragt Klagsabweisung. Der dem Deckungsbegehren zugrundeliegende Schaden sei einer Gesellschaft zugefügt worden, an der die der Klägerin als Versicherungsnehmerin gleichzuhaltenden organschaftlichen Vertreter mit insgesamt 100 % beteiligt seien. Das bewirke einen gänzlichen Risikoausschluss gemäß Art 7.6.4. AHVB 2006. Wegen der Identität der Komplementäre der Klägerin mit den alleinigen Gesellschaftern und Geschäftsführern der geschädigten Bauträgerin, sei auch der Risikoausschluss des Art 7.6.3. AHVB erfüllt.

[6]            Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin als Personengesellschaft könne nur durch ihre vertretungsbefugten Organe handeln, weshalb sie dem in Art 7.6.4. AHVB 2006 umschriebenen Personenkreis unterfalle, bei welchem die gesetzlichen Vertreter in Bezug auf den Risikoausschluss dem Versicherungsnehmer gleichgehalten würden.

[7]            Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Lege man den Risikoausschluss unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks der Bestimmung am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers aus, werde deutlich, dass der verwendete Begriff der „juristischen Person“ auch ein „bloß“ rechtsfähiges Gebilde wie eine Kommanditgesellschaft umfasse. Aufgrund von Art 7.6.4. letzter Satz AHVB 2006 seien daher die jeweils selbständig vertretungsbefugten Komplementäre der Versicherungsnehmerin gleichzuhalten. Da diese an der geschädigten GmbH beteiligt seien, greife der Risikoausschluss.

[8]            Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Klägerin mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[9]            Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10]           Die Revision ist zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den hier strittigen Auslegungsfragen der Art 7.6.3. und 7.6.4 AHVB 2006 fehlt. Sie ist auch berechtigt.

[11]           1. Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) sind nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]; RS0017960). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insb T5, T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RS0050063 [T3]).

[12]           Als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommenen Gefahren einschränken oder ausschließen, dürfen Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert (RS0107031).

[13]           Rechtsbegriffe haben in der Rechtssprache eine bestimmte Bedeutung und sind daher in diesem Sinn auszulegen. Dieser Grundsatz kann allerdings nur dann zur Anwendung kommen, wenn den zu beurteilenden Rechtsinstituten nach herrschender Ansicht ein unstrittiger Inhalt beigemessen wird und sie deshalb in der Rechtssprache eine einvernehmliche Bedeutung haben. Dementsprechendes hat auch für die in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen verwendeten Rechtsbegriffe zu gelten (RS0123773).

[14]           2. Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikobegrenzung. Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Bedarf versichert sind. Auf der zweiten Ebene (sekundäre Risikobegrenzung) kann durch einen Risikoausschluss ein Stück des von der primären Risikobegrenzung erfassten Deckungsumfangs ausgenommen und für nicht versichert erklärt werden. Der Zweck liegt darin, dass ein für den Versicherer nicht überschaubares und kalkulierbares Teilrisiko ausgenommen und eine sichere Kalkulation der Prämie ermöglicht werden soll. Mit dem Risikoausschluss begrenzt also der Versicherer von vornherein den Versicherungsschutz, ein bestimmter Gefahrenumstand wird von Anfang an von der versicherten Gefahr ausgenommen (RS0080166 [T10]; RS0080068).

[15]           3. Bei der Haftpflichtversicherung ist der Versicherer gemäß § 149 VersVG verpflichtet, dem Versicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser aufgrund seiner Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache an einen Dritten zu bewirken hat. Der Versicherungsnehmer hat gegenüber dem Versicherer – im Rahmen des abgeschlossenen Vertrags – einen Befreiungsanspruch, der ihn vor den Folgen der Inanspruchnahme durch den geschädigten Dritten schützen soll (7 Ob 17/21g; 7 Ob 139/18v). Dies schließt Deckungsansprüche des Versicherungsnehmers für eigene Schäden grundsätzlich aus (7 Ob 57/87; Reisinger in Fenyves/Perner/Riedler § 152 VersVG Rz 15). Ein Eigenschaden ist aber nicht nur dann gegeben, wenn der Versicherungsnehmer selbst der Geschädigte ist. Art 7.6. AHVB 2006 enthält Ausschlüsse in Bezug auf Schäden bei einer konkreten Nahebeziehung zum Versicherungsnehmer. Die Haftpflichtversicherung bedarf des Schutzes gegen ungerechtfertigte Inanspruchnahme bei Zusammenfluss oder auch nur einer Annäherung der Interessen des Geschädigten und des Versicherten; es muss genügend Abstand zwischen der Partei des Versicherungsnehmers und derjenigen des Anspruchstellers gewahrt bleiben (7 Ob 55/97g; vgl auch 7 Ob 264/02b). Das Wissen vom Bestehen einer Haftpflichtversicherung würde sonst oft zu Ansprüchen führen, die zu erheben ohne Bestand einer Haftpflichtversicherung niemandem einfallen würde (Reisinger in Fenyves/Perner/Riedler § 152 VersVG Rz 13; Maitz, AHVB/EHVB 2018, 150; Fuchs/Grigg/Schwarzinger, AHVB/EHVB 2005, 186).

[16]           4.1. Nach Art 7.6.4. AHVB 2006 besteht kein Versicherungsschutz aus Schäden, die Gesellschaften zugefügt werden, an denen der Versicherungsnehmer beteiligt ist, und zwar im Ausmaß der prozentuellen Beteiligung des Versicherungsnehmers an diesen Gesellschaften. Im letzten Satz dieser Klausel wird weiters festgehalten, dass bei juristischen Personen deren gesetzliche Vertreter dem Versicherungsnehmer gleichgehalten werden.

[17]           4.2. Im vorliegenden Fall sind die beiden selbständig vertretungsbefugten Komplementäre der versicherten Kommanditgesellschaft zu 100 % an der geschädigten Bauträger-GmbH beteiligt.

[18]           4.3. Eine Kommanditgesellschaft ist zwar ein umfassend rechtsfähiger Personenverband mit allen Rechten und Pflichten einer juristischen Person (§ 161 Abs 2 iVm § 105 Abs 1 Satz 2 UGB; ErlRV 1058 BlgNR 22. GP 15), allerdings ist sie nach herrschender Ansicht keine juristische Person (RS0061385; RS0021388 [zur Rechtslage vor dem HaRÄG]; Artmann in Jabornegg/Artmann3 § 105 UGB Rz 8; U. Torggler in Straube/Ratka/Rauter4 § 105 UGB Rz 33; Zib in Zib/Dellinger § 105 UGB Rz 7; Kraus in U. Torggler, UGB3 § 105 Rz 9; Schauer in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht2 Rz 2/285; Duursma/Duursma-Kepplinger/M. Roth, Handbuch zum Gesellschaftsrecht Rz 198 und 209; Appl in Bergmann/Ratka, Handbuch Personengesellschaften2 Rz 3/22; Aicher in Rummel/Lukas4 § 26 ABGB Rz 15; Schauer in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 26 Rz 12; vgl Eckert in U. Torggler, UGB3 § 124 Rz 2; vgl auch Fuchs/Grigg/Schwarzinger, AHVB/EHVB 2005, 188, die nur Kapitalgesellschaften als Beispiele nennen).

[19]           Die gegenteilige Ansicht (etwa Horn, OG und KG sind juristische Personen!, GesRZ 2014, 93; Koch in KBB6 § 26 ABGB Rz 7; Posch in Schwimann/Kodek5 § 26 ABGB Rz 11 [„Es spricht mehr dafür als dagegen, der OG und damit auch der KG heute die Eigenschaften einer juristischen Person zuzusprechen.“]; Kronthaler in Schwimann/Neumayr, ABGB-TaKom5 § 26 ABGB Rz 7; Dellinger, Rechtsfähige Personengesellschaften in der Liquidation 5 ff [zur Rechtslage vor dem HaRÄG]) wird im Wesentlichen damit begründet, dass die Frage der (umfassenden) Rechtsfähigkeit durch das HaRÄG geklärt worden sei. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.

[20]           Die Materialien legen nur dar, dass die eingetragenen Personengesellschaften Rechte und Pflichten „wie“ eine juristische Person haben sollen. Sie lassen aber die Frage, ob sie auch tatsächlich juristische Personen sind, ausdrücklich offen (vgl ErlRV 1058 BlgNR 22. GP 15), sodass durch das HaRÄG keine Änderung der herrschenden Ansicht eintreten kann. Dafür spricht auch, dass verschiedene gesetzliche Regelungen (zB § 67 Abs 1 IO, § 1 Abs 2 Z 1 KStG) an den Begriff der juristischen Person anknüpfen und gerade nicht die OG (und die KG) miteinschließen wollen und dass die vor dem HaRÄG gegebenen qualitativen Unterschiede in Bezug auf die Haftung für Gesellschaftsschulden und die Verselbständigung des Verbandes gegenüber seinen Mitgliedern (vgl dazu Artmann in Jabornegg/Artmann3 § 105 UGB Rz 6; U. Torggler in Straube/Ratka/Rauter4 § 105 UGB Rz 34), nach wie vor bestehen. Zudem ist eine Einpersonengesellschaft bei Personengellschaften nicht möglich.

[21]           Es mag sein, dass der Zweck des Risikoausschlusses, nämlich die Vermeidung der Annäherung der Interessen des Geschädigten und des Versicherungsnehmers in Form einer Beteiligung der vertretungsbefugten Organe eines rechtsfähigen Gebildes als Versicherungsnehmer an einer geschädigten Gesellschaft, gleichermaßen für juristische Personen wie auch eingetragene Personengesellschaften gilt. Die Anwendung des letzten Satzes in Art 7.6.4. AHVB 2006 auf eingetragene Personengesellschaften scheitert jedoch am nach herrschender Ansicht unstrittigen Inhalt des Begriffs „juristische Person“. Risikoausschlüsse sind, wie dargelegt, nach ständiger Rechtsprechung eng auszulegen. Eine über den Wortlaut hinausgehende (analoge) Anwendung dieses Risikoausschlusses auf eingetragene Personengesellschaften zum Nachteil des Versicherungsnehmers verbietet sich daher. Daraus folgt für die hier zu beurteilende Klausel, dass der in Art 7.6.4. AHVB 2006 verwendete Begriff „juristische Person“ eine Kommanditgesellschaft nicht einschließt.

[22]           4.4. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind Kommanditgesellschaften auch nicht dem in Art 7.6.4. letzter Satz AHVB 2006 verwendeten Begriff der „geschäftsunfähigen Personen“ zu unterstellen, weil damit eindeutig nur natürliche Personen gemeint sind. Dies ergibt sich einerseits aus der weiteren Bezugnahme auf „beschränkt geschäftsfähige Personen“ im selben Satzteil (vgl auch Reisinger in Fenyves/Perner/Riedler § 152 VersVG Rz 19). Andererseits würde sich bei dem von der Beklagten gewünschten Verständnis die ausdrückliche Nennung der „juristischen Personen“ in diesem Satz erübrigen und wäre demgemäß ohne Regelungsinhalt, was nicht unterstellt werden kann.

[23]           4.5. Da somit bei einer Kommanditgesellschaft die gesetzlichen Vertreter nicht der Versicherungsnehmerin gleichzuhalten sind und zwischen einer Kommanditgesellschaft und ihren Gesellschaftern keine Parteiidentität besteht (RS0103898), greift der Risikoausschluss gemäß Art 7.6.4. AHVB 2006 nicht.

[24]           5. Gemäß Art 7.6.3. AHVB 2006 besteht kein Versicherungsschutz aus Schäden, die Gesellschaftern des Versicherungsnehmers zugefügt werden.

[25]           Es mag sein, dass die beiden Komplementäre der Versicherungsnehmerin als 100 %-Gesellschafter der Bauträger-GmbH mittelbar Geschädigte sind (durch Wertverlust oder nicht erfolgte Wertsteigerung des Geschäftsanteils), unmittelbar geschädigt ist jedoch ausschließlich die GmbH (vgl allgemein zu dieser Frage RS0059432 [T3]; 6 Ob 41/18z; Trenker, „Reflexvorteil“ und „Reflexschaden“ im Gesellschaftsrecht, GesRZ 2014, 12). Dass der Risikoausschluss auch auf solche mittelbaren Schäden der Gesellschafter des Versicherungsnehmers anzuwenden ist, ergibt sich nicht hinreichend klar aus Wortlaut und Zweck der Klausel. Diese Unklarheit geht zu Lasten der Beklagten, sodass auch der Risikoausschluss gemäß Art 7.6.3. AHVB 2006 nicht verwirklicht ist.

[26]     6. Die Revision erweist sich daher als berechtigt. Da keiner der behaupteten Risikoausschlüsse vorliegt, war dem Klagebegehren stattzugeben.

[27]           7. Der Kostenzuspruch an den Kläger beruht auf § 41 ZPO (für das Rechtsmittelverfahren in Verbindung mit § 50 ZPO). Die Einwendungen der Beklagten gemäß § 54 Abs 1a ZPO sind berechtigt: Die Mitteilung vom 1. Juli 2020 war zwar aufgetragen, hätte aber mit dem Schriftsatz vom selben Tag verbunden werden können und war daher zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig. Gleiches gilt für die Urkundenvorlage vom 13. Juli 2020, weil die Versicherungspolizze schon ohne Weiteres mit dem vorbereitenden Schriftsatz vorgelegt werden hätte können. Für die mittels Videokonferenz abgehaltene Tagsatzung gebührt nur der einfache Einheitssatz.

Textnummer

E132977

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0070OB00101.21K.0915.000

Im RIS seit

03.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten