TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/9 W200 2239599-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.2021
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Entscheidungsdatum

09.09.2021

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
BBG §47
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W200 2239599-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 18.01.2021, OB: 38558415000036, mit welchem der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 42 und 47 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. I Nr. 283/1990, idF BGBl. I Nr. 39/2013 iVm § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die beschwerdeführende Partei ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 70 vH und stellte unter Vorlage von medizinischen Unterlagen am 13.11.2020 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ sowie auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung (StVO).

Das vom Sozialministeriumservice eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie vom 23.12.2020, basierend auf einer Begutachtung am selben Tag, ergab Folgendes:
„Anamnese:

Morbus Parkinson

Polyneuropathie

Die letzte Begutachtung erfolgte am 05.06.2019 mit Bestätigung von 70 % GdB Dauerzustand für die Diagnose ‚Oberarmverlust links, Nierenteilresektion wegen Karzinombefund, Hypertonie, Cor hypertonikum mit permanentem Vorhofflimmern und mittelgradiger Aortenklappenstenose, Degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsorgan, Geringgradige Polyneuropathie, Geringgradiges Parkinsonsyndrom‘.

Derzeitige Beschwerden:

Der AW kommt gehend ohne Hilfsmittel in Begleitung der LG, diese hätte ihn mit dem Auto gebracht. AW beantragt die Vornahme einer Zusatzeintragung (Parkausweis).

Er könne keine 50 Meter mehr gehen, es würde der Körper zu zittern anfangen- hauptsächlich die Füße - und er komme nicht mehr weg wegen des Freezings. Dies würde sich trotz Medikamente verschlechtern. Am 14. 12. 2020 sei die letzte Kontrolle bei FÄ Dr. XXXX gewesen, 50 mg Madopar sowie Requip 2mg sind dazugekommen. Das Neupro Pflaster hätte er wegen Schleimhautentzündungen nicht vertragen, deswegen hätte er das Requip. Er spüre noch keinen Effekt.

Hilfsmittel hätte er nicht. Wegen der Polyneuropathie hätte er Schwierigkeiten beim Gehen, er sei gangunsicher.

Im ADL Bereich sei er selbstständig, aber langsamer.

Es bestehe keine SW, er erhalte PG Stufe 1.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel

Behandlungen: keine

Medikamente: Xarelto 20 mg, Exforge 5 mg/160 mg, Divan 160 mg, Madopar 100 mg/25

mg 2x1, Madopar CR 100 mg/25 mg 1x1, Arterin 10 mg, Requip 2mg 1x1

Hilfsmittel: keine

Sozialanamnese:

Verwitwet, wohne mit der LG im 2. Stock ohne Lift. 1 Tochter. Beruf: Pensionist, davor Empfangschef          Nik: 0   Alk: gelegentlich

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Dr XXXX , Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, 04.11.2020

Anamnestisch sind bei dem Patienten ein Parkinsonsyndrom sowie eine Polyneuropathie bekannt. Im Rahmen der Parkinsonsymptomatik immer wieder Auftreten von Freezing, weiters infolge der PNP unsicher ataktisches Gangbild. Herr XXXX kann aufgrund seiner Gangstörung max. 100 Meter weit gehen, öffentliche Verkehrsmittel kann er nicht benützen, da das Ein- und Aussteigen für ihn nicht zu bewerkstelligen ist.

Mitgebrachter Befund: Medikationsverordnungsblatt Dr. XXXX vom 14.12.2020

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: Gut, Ernährungszustand: Gut

Größe: 182,00 cm Gewicht: 87,00 kg Blutdruck:

Klinischer Status – Fachstatus:

Neurologischer Status gemäß COVID-19 Regelung:

wach, voll orientiert, kein Meningismus

Caput: Visus korrigiert, Hypomimie gering, übrige HN unauffällig.

OE: Extremitätenverlust links-Oberarmstumpf. Rechtshändigkeit, Trophik re unauffällig, re Grad 1-2 Rigor, grobe Kraft proximal und distal 5/5 rechts, Vorhalteversuch der Arme: re Spur Haltetremor, sonst unauffällig, Finger-Nase-Versuch: re keine Ataxie, MER (RPR, BSR, TSR) rechts mittellebhaft auslösbar, Eudiadochokinese rechts, Pyramidenzeichen re negativ.

UE: Trophik unauffällig, Tonus seitengleich Grad 1, grobe Kraft proximal und distal 5/5 bis auf KG 4 links für Vorfußheben, Positionsversuch der Beine: unauffällig, Knie-Hacke-Versuch: keine Ataxie, MER (PSR, ASR) seitengleich mittellebhaft auslösbar, Pyramidenzeichen negativ.

Sensibilität: sockenförmig li> re und links. Sprache: unauffällig

Romberg: unauffällig

Unterberger: sehr langsam

Fersengang: links kaum möglich Zehenstand: kurz möglich.

Gesamtmobilität – Gangbild:

Mobilitätsstatus: Gangbild: kleinschrittig gering vorgebeugt mit ca. 10 Wendeschritte (ohne Hilfsmittel), Aufstehen vom Sessel ohne Abstützen gering verlangsamt möglich, Standvermögen: Spur breitbeinig sicher, gering verlangsamter Lagewechsel, beim Aufsetzen von der Liege Hilfe

Führerschein vorhanden (Automatik)

Status Psychicus:

wach, in allen Qualitäten orientiert, Duktus kohärent, Denkziel wird erreicht, Aufmerksamkeit unauffällig, keine kognitiven Defizite, Affekt unauffällig, Stimmungslage ausgeglichen, Antrieb unauffällig, Konzentration normal, keine produktive Symptomatik.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd.

Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

Oberarmverlust links

2

gz Nierenteilresektion wegen Karzinombefund

3

Hypertonie, Cor hypertonikum mit permanentem Vorhofflimmern und mittelgradiger Aortenklappenstenose

4

Degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsorgan

5

Morbus Parkinson

6

Polyneuropathie

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Verglichen mit dem Vorgutachten von 06/2019: keine wesentliche Änderung des Gesamtzustandes

[…] Dauerzustand […]

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Die Grunderkrankung führt zwar zu einer Einschränkung der Gehstrecke, das objektivierbare Ausmaß des Defizits kann jedoch eine maßgebliche Erschwernis der Erreichbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel nicht ausreichend begründen. Kurze Wegstrecken von etwa 300 bis 400 m können aus eigener Kraft, ohne fremde Hilfe und ohne maßgebende Unterbrechung, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe zurückgelegt werden. Hilfsmittel werden nach eigenen Angaben nicht verwendet. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Antragstellers sind ausreichend. Niveauunterschiede können überwunden werden, da die Beugefunktion im Bereich der Hüft-, Knie- und Sprunggelenke ausreichend ist und das sichere Ein- und Aussteigen gewährleistet sind. Bei genügender Funktionsfähigkeit der rechten oberen Extremitäten ist das Festhalten beim Ein- und Aussteigen sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich anzuhalten, genügend, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die beantragte Zusatzeintragung kann gutachterlicherseits nicht empfohlen werden.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein

Gutachterliche Stellungnahme:

Eine maßgebliche Erschwernis der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel konnte im Rahmen der klinisch neurologischen Untersuchung nicht festgestellt werden. Die fachärztlich berichtete und nach eigenen Angaben reduzierte Gehstrecke auf 50 Meter konnte h.o. nicht objektiviert werden. Die Therapie wurde fachärztlich am 14.12.2020 zuletzt erhöht, der Therapieeffekt bleibt abzuwarten, jedenfalls sind eine medikamentöse Anpassung bzw. Optimierung noch unausgeschöpft.“

In der Stellungnahme im gewährten Parteiengehör führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass eine MRT-Untersuchung eine erhebliche Verschlechterung des linken Schultergelenks zeige. Dies ergebe sich aus dem anbei beigelegten Befund vom 22.12.2020. Ständige Schmerzen und in Folge Verspannungen würden seine Ausdauer und Beweglichkeit erheblich beeinflussen und seine Mobilität zusätzlich einschränken. Diesbezüglich seien weitere Untersuchungen und eine Beurteilung des Facharztes vorgesehen, wobei ein operativer Eingriff aus heutiger Sicht unausweichlich sei. Seine Beweglichkeit würde sich immer weiter verschlechtern. Er spüre sehr bald Kraftlosigkeit und Schmerzen, sodass es ihm kaum möglich sei, alltägliche Abläufe ohne Hilfestellung zu bewältigen. Er könne trotz Unterstützung kaum längere Strecken als 100m bewältigen, sodass Pausen von 5 bis 10 Minuten durch Erschöpfung notwendig seien. Er hätte bereits zwei Mal einen Schwächeanfall erlitten. Er könne seine Grundbedürfnisse des täglichen Lebens auch nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erledigen, da ihm die Nutzung dieser nicht zumutbar sei.

Die aufgrund dieses Vorbringens vom Sozialministeriumservice eingeholte Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie vom 13.01.2021 ergab Folgendes:

„Antwort(en):

Der AW ist mit dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens (siehe GA vom 23.12.2020) nicht einverstanden und erhebt am 11.01.2021 Einspruch im Rahmen des Parteiengehörs. […]

Es wird ein neuer Befund vorgelegt: MRT linkes Schultergelenk, 22.12.2020, DZ Meidling(?): Befund nicht sicher leserlich.

Maßgeblich für die Einstufung behinderungsrelevanter Leiden sind anhand der klinischen Untersuchung objektivierbare Funktionseinschränkungen unter Beachtung sämtlicher vorgelegter Befunde. Dabei konnte eine Funktionseinschränkung mäßigen Grades im Rahmen der Grunderkrankungen festgestellt werden (siehe dazu auch Neurologischer Status vom GA).

Im Rahmen der klinischen Untersuchung stellten sich ein guter Allgemeinzustand und ein guter Ernährungszustand dar. In den untersuchbaren Körperteilen lagen keine erheblichen funktionellen Einschränkungen der Gelenke der oberen und unteren Extremitäten vor. Greif- und Haltefunktion rechts gegeben. Das Gangbild stellte sich ohne Verwendung von Hilfsmitteln kleinschrittig, gering vorgebeugt mit ca. 10 Wendeschritte dar, das Aufstehen vom Sessel war gering verlangsamt ohne Abstützen möglich.

Es wurde im Rahmen der Untersuchung die Leiden ‚Oberarm Verlust links, gz Nierenteilresektion wegen Karzinombefund, Hypertonie, Cor hypertonikum mit permanentem Vorhofflimmern und mittelgradiger Aortenklappenstenose, Degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsorgan, Morbus Parkinson, Polyneuropathie‘ bestätigt, es zeigte sich im Vergleich zum Vorgutachtens von 06/2019 keine wesentliche Änderung des Gesamtzustandes.

Zusammenfassend ist die Mobilität aber für das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300-400 m aus eigener Kraft, ohne fremde Hilfe und ohne maßgebende Unterbrechung ausreichend; das Überwinden von Niveauunterschieden, das Be- und Entsteigen sind nicht auf erhebliche Weise erschwert. Insgesamt ist daher, unter Berücksichtigung der objektivierbaren Funktionsdefizite, eine erhebliche Erschwernis der Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel nicht begründbar.

Dem nachgereichten radiologischen Befund wird keine orthopädisch-fachärztliche Stellungnahme beigelegt, bezüglich der im Beschwerdeschreiben angegebenen Schmerzen sind eine adäquate Schmerztherapie, bei Verspannungen z.B. eine Physikalische Therapie begleitend zu einer muskelentspannenden Medikation noch unausgeschöpft. Maßgebliche Einschränkungen der Bewegung konnten im Rahmen der durchgeführten Untersuchung nicht objektiviert werden, somit ergibt sich insgesamt keine Änderung.

Nach nochmaliger Durchsicht sämtlicher Befunde, des Untersuchungsergebnisses und der im Beschwerdeschreiben vom 11.01.2021 angeführten Einwendungen kommt es zu keiner Änderung der getroffenen Einschätzung.“

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des Sozialministeriumservice vom 18.01.2021 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde auf das eingeholte Gutachten vom 23.12.2020 sowie die Stellungnahme vom 13.01.2021 (und 18.01.2021) verwiesen, wonach die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorlägen. Daher könne auch kein Parkausweis ausgestellt werden.

Im Rahmen der dagegen erhobenen Beschwerde wurde im Wesentlichen moniert, dass dem Beschwerdeführer das Aufstehen und Hinsetzen schwerfielen, sein Gangbild kleinschrittig und zittrig sei und er nicht in der Lage sei, längere Strecken zurückzulegen. Er habe oft starke Schmerzen und leide auf Grund einer nicht richtig funktionierenden mechanischen Aortenklappe bei kurzer Belastung unter Atembeschwerden und Erschöpfung, Herzrhythmusstörungen und Vorhofflimmern. Wegen des Verlustes des linken Oberarms könne er keine Gehhilfe verwenden. Er sei auch nicht in der Lage, Einkaufstaschen in einem öffentlichen Verkehrsmittel zu tragen. Ebenfalls könnten weder seine Lebensgefährtin noch seine Tochter ihn regelmäßig unterstützen bzw. begleiten. Die Tatsachen, dass er alleine lebe und keine regelmäßige Unterstützung hätte, seien nicht berücksichtigt worden. Der Beschwerdeführer legte weitere Befunde vor.

Das Bundesverwaltungsgericht holte in weiterer Folge ein Gutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 27.05.2021 ein, basierend auf einer Untersuchung am 27.04.2021, welches Folgendes ergab:

„Sachverhalt: Der Beschwerdeführer ist mit der Einschätzung aus 12/2020 nicht einverstanden und wendet ein (siehe ABL 44 - 46), dass aufgrund der dauernden Gesundheitsschädigungen sehr wohl eine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung vorläge.

allgemeine Krankengeschichte (durchgemachte Erkrankungen und stattgehabte Operationen):

Operationen: Amputation des linken Oberarmes mit Kurzstumpf 1954 nach Sturz und Inflammation des linken Ellbogengelenkes im Alter von 9 Jahren im Wilhelminenspital, Residualbeschwerden: Neuralgie im Bereich des linken Schultergelenkes, welche demnächst im Krankenhaus Göttl. Heiland operiert werden soll (diese Operation ist für den 03.05.2021 geplant), zwischenzeitliche Anwendung von Schmerzpflaster, führte zu keiner wesentlichen Befundbesserung und wurde deshalb auch wieder abgesetzt, derzeit wird Voltaren 100 bei Bedarf angewendet, weitere Operationen: Appendektomie und Tonsillektomie ohne Folgeschaden, Nephrotomie links mit Teilresektion, auf ca. 1/3 der linken Niere wurde wegen Malignom (es wurde ein klarzelliges Nierenzellkarzinom entfernt), die Operation fand im Landeskrankenhaus Graz mit zufriedenstellendem Ergebnis statt, keine postoperative Chemotherapie, die Nachsorge ist abgeschlossen, geringgradige erhöhte Nierenfunktionsparameter laut Befund 03/2021: Kreatinin: 1,18 mg%,

Bluthochdruck seit 30-40 Jahren, aktuelle Medikation: Exforge 5/160 1-0-0, Diovan 100 1-0- 0, Vorhofflimmern seit Jahren bekannt, orale Antikoagulation mit Xarelto 20 1-0-0, laufende Behandlung bei Frau Dr. XXXX im Ambulatorium Strohgasse in 1030 Wien, laut vorliegenden Befunden liegt eine mittelgradige Aortenstenose vor, die jedoch derzeit keine therapeutische Konsequenz hat, laut Auskunft des Antragwerbers finden sich in der Echokardiographie keine massiven Einschränkung der Linksventrikelfunktion, auf Befragen gibt der Beschwerdeführer an, derzeit keine Atembeschwerden zu haben, rückblickend traten die ersten Beschwerden vor etwa 10 Jahren auf, damals wurde von dem Beschwerdeführer ein Druck auf der Brust verspürt, weiters berichtet der Beschwerdeführer, dass er bis vor 3 Jahren aktiv Tennis gespielt hätte,

Parkinson und Polyneuropathie seit 5-6 Jahren bekannt, geringer Befall der rechten Hand jedoch Beeinträchtigung an den Beinen mit Gangstörung und verkürzter Schrittlänge, der Beschwerdeführer berichtet, dass er nur kurze Wegstrecken zurücklegen könne, eine Makroangiopathie wurde im Gefäßbefund ausgeschlossen, weiters berichtet der Beschwerdeführer, dass insbesondere beim Starten aus dem Sitzen Probleme auftreten, aktuelle Medikation zur Behandlung der Parkinsonsymptomatik: Madopar 200 1-1-0, Madopar 200 CR 0-0-1, es wird keine depressive Symptomatik angegeben,

Wirbelsäulen Läsion mit Punctum maximum im HWS und LWS Segment, bekannte Neuroforamenstenose im HWS-Segment jedoch ohne Operationsindikation, physikalische Therapie wurde zuletzt vor 14 Tagen im Franziskusspital angewendet,

Carpaltunnelsyndrom rechts ohne Operationsindikation, durch physikalische Therapie hat sich die Symptomatik gebessert, kein ständiges analgetisches Therapieerfordernis, die Funktionsweise der rechten Hand inklusive der groben Kraft erhalten,

Nikotin: 0 seit 40 Jahren (früher 20/d), Alkohol: Bier + 1/8 Wein abends,

derzeitige Beschwerden:

Im Vordergrund stehen die Beschwerden im linken Schultergelenk, welche auf eine schon länger bestehende Luxation zurückzuführen sind, eine chirurgische Intervention zur operativen Entfernung eines Neurinoms des Nervus axillaris ist für 03.05.2021 im Krankenhaus Göttl. Heiland geplant, Schmerzen in der Wirbelsäule durch Fehlbelastung bei Zustand nach Oberarmamputation links, Beeinträchtigung der Gehleistung mit unsicherem Gangbild und Verkürzung der Schrittlänge bei Morbus Parkinson und Polyneuropathie an beiden Beinen, der Beschwerdeführer berichtet nur kurze Wegstrecken zurücklegen zu können, keine Stürze erinnerlich oder dokumentiert, der Beschwerdeführer verwendet keine Gehhilfen, zuletzt wurde eine physikalische Therapie im Franziskusspital mit Infiltrationen durch den orthopädischen Facharzt Dr. Michel veranlasst,

Behandlungen, Medikamente, Hilfsmittel:

Medikamente: Xarelto 20, Exforge 5/100, Diovan 100, Madopar 200, Madopar CR 100, Arterin 100, Voltaren 100,

Sozialanamnese:

Pensionierter Rezeptionist seit 2006 (58. Lebensjahr), Berufsunfähigkeitspension wegen Wirbelsäulenleiden, verwitwet, ein erwachsenes Kind, Beschwerdeführer lebt alleine in einer Wohnung im 2. Stock ohne Lift, zum Erreichen der Wohnebene sind ca. 56 Stufen zu überwinden, Lebensgefährtin (Pensionistin, 71a) lebt nicht im gemeinsamen Hausverband, Beschwerdeführer bezieht Pflegegeld Stufe 1 seit ca. 20 Jahren,

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

1) neurologischer fachärztlicher Befundbericht vom 04.11.2020 erstellt durch Dr. XXXX in XXXX Wien Siehe ABL 15 =53): bei dem Patienten ist ein Parkinsonsyndrom sowie eine Polyneuropathie bekannt, im Rahmen des Parkinsonsyndroms Auftreten von Freezing, weiters infolge der Polyneuropathie unsicheres ataktisches Gangbild, Reduktion der Gehstrecke auf maximal 100 m, öffentliche Verkehrsmittel nicht benutzbar, da Ein- und Aussteigen nicht zu bewältigen sind,

2) MRT des linken Schultergelenkes vom 22.12.2020 erstellt im Diagnosezentrum Meidling/Ergebnis (ABL 29/30=33/34=48/49): Zeichen einer deutlichen Luxation des Humeruskopfes nach kaudal und anterior mit Arthrosebildung und im kaudalen Teil des Glenoids deutlicher Deformation des Humeruskopfes, deutliches Knochenmarksödem im Bereich des Humeruskopfes, Flüssigkeitsmarkierung im Bereich des subakromialen- /subdeltoidea Raumes, deutliche fettige Atrophiezeichen des Musculus Deltoideus und auch sämtlicher dargestellter Oberarmmuskeln, insbesondere auch des Musculus Infraspinatus im Sinne einer Inaktivitätsatrophie,

3) Magnetresonanzbefund des Gehirnschädels vom 17.01.2018 erstellt im Diagnosehaus 3 (siehe ABL 47), Ergebnis: geringe vaskuläre Enzephalopathie, einige unspezifische Gliosespots, etwas deutlicher links an der zentralen Bindung subcortical, kein Hinweis auf eine rezente Ischämie, kein pathologisches Enhancement, Schleimhautaffektionen an den Nasennebenhöhlen,

4) Echokardiographiebefund vom 30.01.2019 erstellt im Gesundheitszentrum der Wr. Gebietskrankenkasse (siehe ABL 50-52), Zuweisungsdiagnosen: permanentes Vorhofflimmern, arterielle Hypertonie, Aortenklappenstenose-Verlaufskontrolle, Ergebnis: normale globale systolische Linksventrikelfunktion, kein sicherer Hinweis auf eine regionale Wandbewegungsstörung, im Doppler geringgradige Mitralinsuffizienz, minimale Trikuspidalinsuffizienz, kombiniertes Aortenvitium mit mittelgradige Stenose (Vmax 3,4 m/s),

5): Röntgen des linken Schultergelenkes vom 26.11.2020 erstellt im Diagnosehaus 11 (siehe ABL 54), Ergebnis: Bild wie bei Osteopenie, posttraumatisch atypisch konfigurierter Humeruskopf, Luxation im Glenohumeralgelenk nach kaudo-medial, umschriebene Verkalkung der Weichteile lateral des Glenoids, geringgradige Acromioclaviculargelenksarthrose,

6) Laborbefund vom 30.01.2019 erstellt im Gesundheitszentrum der Wr. Gebietskrankenkasse (siehe ABL 56/56): geringe Monozytose, geringe Niereninsuffizienz mit Kreatinin 1,18 mg% (0,67 S 1,17), proBNP: 127 pg/ml (0-100), GGT: 89 U/ml (0-54),

7) Elektromyographischer Befund vom 27.01.2021 erstellt im neurodiagnostischen Labor Dr. XXXX (siehe ABL 57), Beurteilung: der Befund spricht für ein deutlich ausgeprägtes Polyneuropathiesyndrom im Bereich der unteren Extremitäten, ferner für eine mögliche Axillarisläsion links,

8) Echokardiographiebefund vom 06.11.2019 erstellt im Gesundheitszentrum Wien Mitte der Wr. Gebietskrankenkasse (siehe ABL 58-60), Zuweisungsdiagnose: permanentes Vorhofflimmern, arterielle Hypertonie, Aortenklappenstenose-Verlaufskontrolle, Ergebnis: normale globale systolische Linksventrikelfunktion (EF: 62%), minimale Mitralklappeninsuffizienz, minimale Trikuspidalinsuffizienz, kombiniertes Aortenvitium mit mittelgradige Stenose (Vmax 3,6 m/s), Werte gemittelt bei Vorhofflimmern,

9) neurologischer Befundbericht vom 12.02.2019 erstellt durch Dr. XXXX in XXXX Wien (siehe ABL 61), Diagnose: Osteochondrose Typ Modic 2 L4/5 und L5/S1 geringgradige Polyneuropathie,

10) plastisch-chirurgische Ambulanzbrief des Krankenhaus Göttl. Heiland vom 08.01.2021 (siehe ABL 62-63), Diagnose: Neurinom am Oberarm links, Gasbrand postoperativ Oberarm links, Zusammenfassung: die Schmerzen im linken Oberarmes sind im UKH Graz wegen eine Luxation der linken Schulter festgestellt worden, frustraner mehrmaliger Versuch die Luxation einzurichten, ziehende Schmerzen mit Punctum maximum am Übergang der Schulterkapsel distal des Gelenkes, wir schlagen Operation zur Rückkürzung des Neurinoms vor,

11) Elektromyographischer Befund vom 14.11.2018 erstellt durch Dr. XXXX in XXXX Wien (siehe ABL 64), Beurteilung: neurogenes Elektromyogramm aus dem Musculus tibialis anterior rechts,

12) Echokardiographiebefund vom 27.10.2020 erstellt im Gesundheitszentrum Landstraße (siehe ABL 65-67), Ergebnis: normale globale systolische Linksventrikelfunktion (EF: 69%), minimale Mitralklappeninsuffizienz, physiologische Trikuspidalinsuffizienz, kombiniertes Aortenvitium mit mittelgradige Stenose (Vmax 3,5 m/s), geringgradige Insuffizienz, Werte gemittelt bei Vorhofflimmern,

13) Laborbefund vom 27.10.2020 erstellt im Gesundheitszentrum Landstraße (siehe ABL 68- 69) mit geringgradig erhöhten Monotypen, Kreatinin: 1,3 rng% (0,67-1,17), GFR: 57 ml/Min. (60-1000), BUN: 27,2 mg% (7,9-20,1), Harnsäure: 7,5 mg% (3,5-7,2), proBNP: 244 pg/ml (0-100), GGT: 73 U/ml (0-54), Triglyceride: 166 mg% (0-140),

14) Fahrrad-Ergometrie vom 27.02.2019 erstellt an der Herzambulanz des Gesundheitszentrums Wien Mitte der Wr. Gebietskrankenkasse (siehe ABL 70-72), Schlussfolgerungen: kein Hinweis auch Belastungskoronarinsuffizienzzeichen,

15) Elektroneurodiagnostischer Befund vom 24.10.2018 erstellt durch Dr. XXXX in 1070 Wien (siehe ABL 73), Beurteilung: der Befund spricht für ein sensomotorisches, demyelinisierendes Neuropathiesyndrom an den unteren Extremitäten, ein geringgradig ausgeprägtes Carpaltunnelsyndrom rechts und eine sensible Polyneuropathie an der oberen Extremität,

16) Fachärztliche Begutachtung an der Gefäßambulanz des Gesundheitszentrums Wien Mitte der Wr. Gebietskrankenkasse vom 19.02.2019 (siehe ABL 74-75), Diagnosen: Bekannte Polyneuropathie, St. p. Amputation linke Arm 1954 nach Ellbogenfraktur und Gasbrandinfektion, bekanntes permanentes Vorhofflimmern unter oraler Antikoagulation mit Xarelto, chronische Niereninsuffizienz, Zustand nach Nierenteilresektion 08/2014 wegen klarzellingem Nierenzellkarzinom, Medikamente: Xarelto 20, Exforge 5/160, Diovan 160, Arterin, Betmiga 50, Beurteilung: kein Hinweis auf klinisch relevante Makroangiopathien der großen Transportarterien der Extremitäten, kein Hinweis auf Mikroangiopathie über der Großzehe beidseits, kein Hinweis auf Zehenarterienverschluss, kein Hinweis auf Aneurysma der Arteria abdominalis, cerebrale arterielle Verschlusskrankheit im klinischen Stadium I bei hämodynamisch nicht relevanten Plaques,

klinischer Untersuchungsbefund:

guter Allgemeinzustand, guter Ernährungszustand

Körpergröße: 178cm, Körpergewicht: 90kg, Blutdruck: 155/90mmHg, Puls: 74/min

Kopf: Zähne: saniert, Fern- und Lesebrille, soweit beurteilbar Sensorium frei,

Hals: keine Einflussstauung, Schilddrüse schluckverschieblich, Lymphknoten o. B.,

Thorax symmetrisch,

Cor: arrhythmisch, Herztöne rein, keine pathologischen Geräusche,

Pulmo: vesikuläres Atemgeräusch, Basen gut verschieblich, sonorer Klopfschall,

Wirbelsäule: endlagige Einschränkung der Rotation der Halswirbelsäule, linkskonvexe Skoliose am HWS/LWS-Übergang, Gegenschwung an der unteren BWS,

Fingerbodenabstand: ca. 20cm,

Abdomen: über Thoraxniveau, Hepar und Lien nicht palpabel, keine Resistenz tastbar, blande Narbe nach Appendektomie,

Nierenlager: beidseits frei, blande querverlaufende Narbe nach Nephrotomie links,

obere Extremitäten: Verlust des linken Oberarmes mit ca. 15cm langem blanden Stumpf, nur rudimentäre Bewegung im linken Schultergelenk möglich, endlagige Elevationsstörung des rechten Armes, Ellbogen- und Handgelenk rechts beweglich, kein Tremor, Globalfunktion und grobe Kraft an beiden Händen erhalten,

untere Extremität: endlagige schmerzbedingte Flexionsstörung beider Hüft- und Kniegelenke, Varisierung beider Kniegelenke 15°, seitengleicher Umfang beider Kniegelenke von 42cm bei festem Bandapparat, Einschränkung der Dorsalflexion beider Sprunggelenke auf 10°, leichte indurierte Ödeme an beiden Unterschenkeln, im Bereich des linken ventralen medianen. Unterschenkels frische Kruste nach Weichteilverletzung, Umfang des linken Unterschenkels: 38,5cm (rechts: 38cm), keine Beinlängendifferenz, Reflex schwach auslösbar, Babinski negativ, Fersen und Zehengang mühsam demonstriert,

Gesamtmobilität, Gangbild:

leicht unsicheres verlangsamtes Gangbild mit deutlicher Verkürzung der Schrittlänge, keine Gehhilfe, keine objektivierbare Sturzneigung,

Status psychicus:

zeitlich und örtlich orientiert, affizierbar, keine signifikanten kognitiven Einbußen ermittelbar,

Diagnoseliste:

1) Oberarmverlust links,

2) Nierenteilresektion links wegen Karzinom

3) Bluthochdruck, Cor hypertonicum mit permanentem Vorhofflimmern und mittelgradiger Aortenklappenstenose,

4) degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat,

5) Morbus Parkinson,

6) Polyneuropathie,

Beantwortung der Fragen:

ad 1) siehe oben,

ad 2) die Einwendungen des Beschwerdeführers (siehe ABL 44-46) wurden eingesehen. Die ermittelte Mobilitätseinbuße erreicht kein Ausmaß, welches dem Beschwerdeführer verunmöglicht kurze Wegstrecken ohne Unterbrechung, ohne fremde Hilfe, ohne große Kraftanstrengung und ohne große Schmerzen zu überwinden. Es liegen keine objektivieren Befunde über stattgehabte Stürze vor. Die dauernden Gesundheitsschädigungen wirken sich nicht auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens sowie die sichere Beförderung im üblichen Betrieb eines öffentlichen Verkehrsmittels aus.

ad 3) Das geltend gemachte Herzleiden mit nachgewiesener Aortenklappenstenose hat keine maßgebliche Reduktion der Auswurfleistung des Herzens zur Folge. Es darf auf den rezenten Echokardiographiebefund vom 27.10.2020 verwiesen werden, bei dem eine Ejektionsfraktion von 69% ermittelt wurde. Sohin besteht aufgrund des Herzleidens keine ausgeprägte Belastungsstörung, welche eine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel ausreichend begründen könnte.

ad 4) es liegen an den unteren Extremitäten weder erheblichen Einschränkungen der Funktionen vor, noch bestehen behandlungswürdige starke Schmerzen an den unteren Extremitäten, welche eine Auswirkung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel hätten.

ad 5) es liegen keine erheblichen Einschränkungen der psychischen, neurologischen und intellektuellen Funktionen vor, welche eine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel rechtfertigen.

ad 6) es liegt keine hochgradige Immunschwäche vor,

ad 7) gegenüber dem erstinstanzlichen Gutachten (siehe ABL 2-6) als auch gegenüber dem Vergleichsgutachten (siehe ABL 19-23 und der Stellungnahme siehe ABL 36-38) ergibt sich keine Änderung im Kalkül.“

In der Stellungnahme hierzu im gewährten Parteiengehör führte der Beschwerdeführer aus, dass der Gutachter in seinem Gutachten ausführe, dass die Operation für den 03.05.2021 geplant sei. Tatsächlich finde diese jedoch am 04.08.2021 statt. Trotz Erhöhung der Medikamente sei zudem keine Besserung eingetreten. Sein Gesundheitszustand verschlechtere sich derart, dass es ihm nicht mehr möglich sei, öffentliche Verkehrsmittel zu Fuß überhaupt noch zu erreichen. Daher halte er seine Beschwerde aufrecht. Der Beschwerdeführer legte keine neuen Unterlagen vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 70 von Hundert.

1.2.    Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

1.2.1.  Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:

Klinischer Status - Fachstatus:

Guter Allgemeinzustand, guter Ernährungszustand.

Körpergröße: 178cm, Körpergewicht: 90kg, Blutdruck: 155/90mmHg, Puls: 74/min.

Kopf: Zähne: saniert, Fern- und Lesebrille, Sensorium frei.

Hals: keine Einflussstauung, Schilddrüse schluckverschieblich, Lymphknoten o. B.,

Thorax symmetrisch.

Cor: arrhythmisch, Herztöne rein, keine pathologischen Geräusche.

Pulmo: vesikuläres Atemgeräusch, Basen gut verschieblich, sonorer Klopfschall.

Wirbelsäule: endlagige Einschränkung der Rotation der Halswirbelsäule, linkskonvexe Skoliose am HWS/LWS-Übergang, Gegenschwung an der unteren BWS.

Fingerbodenabstand: ca. 20cm.

Abdomen: über Thoraxniveau, Hepar und Lien nicht palpabel, keine Resistenz tastbar, blande Narbe nach Appendektomie.

Nierenlager: beidseits frei, blande querverlaufende Narbe nach Nephrotomie links.

Obere Extremitäten: Verlust des linken Oberarmes mit ca. 15cm langem blanden Stumpf.

Nur rudimentäre Bewegung im linken Schultergelenk möglich, endlagige Elevationsstörung des rechten Armes, Ellbogen- und Handgelenk rechts beweglich, kein Tremor, Globalfunktion und grobe Kraft an beiden Händen erhalten.

Untere Extremitäten: Endlagige schmerzbedingte Flexionsstörung beider Hüft- und Kniegelenke, Varisierung beider Kniegelenke 15°, seitengleicher Umfang beider Kniegelenke von 42cm bei festem Bandapparat, Einschränkung der Dorsalflexion beider Sprunggelenke auf 10°, leichte indurierte Ödeme an beiden Unterschenkeln, im Bereich des linken ventralen medianen. Unterschenkels frische Kruste nach Weichteilverletzung.

Umfang des linken Unterschenkels: 38,5cm (rechts: 38cm), keine Beinlängendifferenz, Reflex schwach auslösbar, Babinski negativ, Fersen und Zehengang mühsam demonstriert.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Leicht unsicheres verlangsamtes Gangbild mit deutlicher Verkürzung der Schrittlänge, keine Gehhilfe, keine objektivierbare Sturzneigung.

Status Psychicus:

Zeitlich und örtlich orientiert, affizierbar, keine signifikanten kognitiven Einbußen ermittelbar.

Funktionseinschränkungen: Oberarmverlust links; Nierenteilresektion links wegen Karzinom; Bluthochdruck, Cor hypertonicum mit permanentem Vorhofflimmern und mittelgradiger Aortenklappenstenose; Degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat; Morbus Parkinson; Polyneuropathie.

1.2.2.  Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Die körperliche Belastbarkeit ist ausreichend vorhanden. Es liegen auch keine erheblichen Funktionsstörungen der oberen und unteren Extremitäten vor.

Zwar führt die Grunderkrankung zu einer Einschränkung der Gehstrecke, das objektivierbare Ausmaß des Defizits kann jedoch eine maßgebliche Erschwernis der Erreichbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel nicht ausreichend begründen. Die Gesamtmobilität des Beschwerdeführers ist ausreichend, um sich im öffentlichen Raum selbständig fortzubewegen und eine kurze Wegstrecke (ca. 300 - 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, ohne Unterbrechung und ohne größere Schmerzen zurückzulegen. Der vorliegende Bewegungsumfang ist ausreichend, um Niveauunterschiede zu überwinden und kurze Gehstrecken zurückzulegen. Bei genügender Funktionsfähigkeit der rechten oberen Extremitäten ist das Festhalten beim Ein- und Aussteigen sowie die Möglichkeit, Haltegriffe zu erreichen und sich anzuhalten, ausreichend und der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln daher gesichert durchführbar. Es liegt eine ausreichend erhaltene Greif- und Haltefunktion vor. Hinsichtlich des Herzleidens mit nachgewiesener Aortenklappenstenose wird festgestellt, dass diese keine maßgebliche Reduktion der Auswurfleistung des Herzens zur Folge hat und somit keine ausgeprägte Belastungsstörung vorliegt, die eine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel ausreichend begründen könnte.

Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich – auch im Zusammenwirken – nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus. Es besteht keine erhebliche Einschränkung der Mobilität durch die festgestellten Funktionseinschränkungen. Es besteht auch keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit. Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Ausstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen.

Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend.

Beim Beschwerdeführer liegen auch keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen.

Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.

2.       Beweiswürdigung:

Zur Klärung des Sachverhaltes war von der belangten Behörde ein neurologisches Sachverständigengutachten vom 23.12.2020 eingeholt worden. Im vorzitierten Gutachten wurde der Zustand des Beschwerdeführers im Detail dargelegt und kein Hindernis für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Demnach führt die Grunderkrankung zwar zu einer Einschränkung der Gehstrecke, das objektivierbare Ausmaß des Defizits kann eine maßgebliche Erschwernis der Erreichbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel jedoch nicht ausreichend begründen. Der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist vielmehr gesichert durchführbar.

Aufgrund der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 12.01.2021 im Rahmen des gewährten Parteiengehör zu diesem Gutachten und der neu vorgelegten Unterlagen wurde eine Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie vom 13.01.2021 eingeholt. Die festgestellten Leiden führen laut Stellungnahme dennoch nachvollziehbar nicht zu Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten, die die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken sowie zu keiner erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bzw. einer Sinnesbeeinträchtigung. Insbesondere wurden auch alle vorgelegten Unterlagen einer Beurteilung unterzogen und die vorliegenden Leiden mitberücksichtigt. Im Rahmen der klinischen Untersuchung konnte vielmehr ein guter Allgemein- und Ernährungszustand festgestellt werden und lagen keine erheblichen funktionellen Einschränkungen der Gelenke der oberen und unteren Extremitäten vor. Die Greif- und Haltefunktion rechts ist gegeben. Das Gangbild stellte sich ohne Verwendung von Hilfsmitteln kleinschrittig, gering vorgebeugt mit ca. 10 Wendeschritten dar, das Aufstehen vom Sessel war gering verlangsamt ohne Abstützen möglich. Eine erhebliche Erschwernis der Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel ist nicht begründbar. Hinsichtlich der genannten Schmerzen wurde festgehalten, dass eine adäquate Schmerztherapie noch unausgeschöpft ist.

In dem - vom BVwG aufgrund des Beschwerdevorbringens in Auftrag gegebenen - Gutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin, vom 27.05.2021 ist ebenfalls ausführlich dargelegt worden, dass sich aus den festgestellten Leiden keine derartige Einschränkung der Gesamtmobilität ergibt, dass kurze Wegstrecken nicht zurückgelegt werden könnten. Insbesondere liegen keine neurologischen Defizite vor und sind eine ausreichende Kraft sowie Stand- und Gangsicherheit dokumentiert.

So hält der Allgemeinmediziner zu den festgestellten Leidenszuständen ausführlich und nachvollziehbar fest, dass die ermittelte Mobilitätseinbuße kein Ausmaß erreicht, das es dem Beschwerdeführer verunmöglichen würde, kurze Wegstrecken ohne Unterbrechung, ohne fremde Hilfe, ohne große Kraftanstrengung und ohne große Schmerzen zu überwinden. Es liegen auch keine objektivierbaren Befunde über stattgehabte Stürze vor. Die dauernden Gesundheitseinschränkungen wirken sich auch laut diesem Gutachten nicht auf Möglichkeit des Ein- und Aussteigens sowie die sichere Beförderung im üblichen Betrieb eines öffentlichen Verkehrsmittels aus.

Zum vom Beschwerdeführer angeführten Herzleiden mit nachgewiesener Aortenklappenstenose führt der Allgemeinmediziner zudem nachvollziehbar aus, dass dieses keine maßgebliche Reduktion der Auswurfleistung des Herzens zur Folge hat und verweist diesbezüglich auf den vorgelegten rezenten Echokardiographiebefund vom 27.10.2020, wonach beim Beschwerdeführer eine Ejektionsfraktion von 69% ermittelt wurde. Sohin besteht auch aufgrund des angeführten Herzleidens keine ausgeprägte Belastungsstörung, die eine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel ausreichend begründen könnte. Es liegen auch an den unteren Extremitäten weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen vor, noch bestehen behandlungswürdige Schmerzen an diesen, die eine Auswirkung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel hätten.

Bei gutem Allgemeinzustand lassen sich somit insgesamt keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit objektivieren. Aus den Gutachten ergeben sich auch keinerlei Hinweise auf maßgebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen.

Eine hochgradige und anhaltende Immunschwäche bzw. anhaltende Störungen des Immunsystems liegen ebenfalls nicht vor.

Eine erhebliche Funktionsbeeinträchtigung, die eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel begründen würde, kann der erkennende Senat somit unter Zugrundelegung der schlüssigen Gutachten beim Beschwerdeführer nicht erkennen.

Dass der Beschwerdeführer keine Hilfsmittel zur Fortbewegung verwendet, wurde sowohl im Gutachten vom 27.05.2021 als auch vom 23.12.2020 nach jeweils erfolgter Untersuchung des Beschwerdeführers festgehalten.

In den eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten wird auf den Zustand des Beschwerdeführers ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich somit ein nachvollziehbares Bild des Zustandes des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer ist den eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten, welche zum gleichen Ergebnis gelangen, nicht auf gleicher fachlicher Ebene ausreichend konkret entgegengetreten bzw. wurden seine vorgelegten Befunde allesamt einer Beurteilung unterzogen. Anhaltspunkte für eine Befangenheit der Sachverständigen liegen nicht vor.

Auch die Stellungnahme des Beschwerdeführers im Rahmen seines Vorlageantrages ist nicht geeignet, eine andere Einschätzung herbeizuführen, da die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Leiden allesamt vom Allgemeinmediziner im Rahmen der Untersuchung des Beschwerdeführers bereits mitberücksichtigt wurden. Der Beschwerdeführer legte auch keine neuen Befunde vor. Festzuhalten ist insbesondere, dass die festgestellten Leiden ausführlich einer Beurteilung unterzogen wurden. Es ergaben sich diesbezüglich keine Hindernisse, auf Grund der die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in erheblicher Weise erschwert wäre.

Zum Vorbringen im Vorlageantrag, wonach der Beschwerdeführer aufgrund seiner Leiden und Leistungsfähigkeit nicht in der Lage wäre, eine Haltestelle aus eigener Kraft zu erreichen, wird auf das Erkenntnis des VwGH vom 27.05.2014, Ro 2014/11/0013 verwiesen:

Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kommt es entscheidend auf die Art und Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände wie die Entfernung zwischen der Wohnung und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel (Hinweis E vom 22. Oktober 2002, 2001/11/0258).

Zum Beschwerdevorbringen, wonach der Beschwerdeführer nicht in der Lage wäre, Einkaufstaschen in einem öffentlichen Verkehrsmittel mitzutragen und nicht berücksichtigt worden wäre, dass er alleine lebe und keine regelmäßige Unterstützung habe, ist auszuführen, dass diese Umstände nicht geeignet sind, eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu begründen. Maßgeblich ist nicht, ob der Beschwerdeführer Gepäck mit sich führt oder alleine lebt, sondern vielmehr die festgestellten gesundheitlichen Funktionseinschränkungen und deren etwaige Auswirkung auf die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln.

Das Beschwerdevorbringen war sohin nicht geeignet, die eingeholten Sachverständigengutachten samt Stellungnahme in Zweifel zu ziehen. Anhaltspunkte für eine Befangenheit der Sachverständigen liegen nicht vor.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen in Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der von der belangten Behörde und vom BVwG eingeholten Sachverständigengutachten. Diese samt Stellungnahme werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:

Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 ist die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-         erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-         erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-         erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder
-         eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-         eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 wird ausgeführt:

Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 200 bis 300 m anzunehmen.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin ist nicht ausreichend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen. Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)

Beim Beschwerdeführer liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen. Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.

Die allfällige Verwendung eines Hilfsmittels zur Fortbewegung außer Haus (Schuheinlagen, Gehstock, Stützkrücke, orthopädische Schuhe) ist - da die Funktionalität der rechten oberen Extremitäten beim Beschwerdeführer ausreichend gegeben ist - zumutbar und bedingt kein relevantes Hindernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Eine allfällige behinderungsbedingte Notwendigkeit der Verwendung einer Gehhilfe konnte jedoch ohnehin nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer verwendet auch keine Hilfsmittel zur Fortbewegung, wie sich aus den dokumentierten Untersuchungen ergibt.

Es ist beim Beschwerdeführer von einer ausreichenden Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates auszugehen, die vorgebrachte Einschränkung der Gehstrecke konnte nicht in einem Ausmaß festgestellt werden, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren. Das geltend gemachte Herzleiden bewirkt, wie bereits festgestellt, ebenfalls keine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar." rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass in weiterer Folge auch nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO vorliegen, zumal die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ im Behindertenpass nach dem Bundesbehindertengesetz Voraussetzung für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO ist.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. (§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist. (§ 24 Abs. 2 Z.1 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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