TE Vwgh Beschluss 2021/9/30 Ra 2021/14/0016

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Veröffentlicht am 30.09.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofrätinnen Mag. Schindler und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Revisionssache des X Y, vertreten durch Dr. Manfred Schiffner, Rechtsanwalt in 8054 Seiersberg-Pirka, Haushamer Straße 2/4. OG, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2020, W195 2202579-1/9E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 9. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2        Mit Bescheid vom 29. Juni 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 25. Juni 2021, E 2108/2021-5, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

5        In der Folge brachte der Revisionswerber die gegenständliche Revision ein.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Die vorliegende Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG habe dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers die Glaubhaftigkeit in einer antizipierenden Beweiswürdigung abgesprochen, ohne sich inhaltlich mit den im Verfahren vorgelegten Unterlagen zu beschäftigen. Weiters habe das BVwG keine Vor-Ort Recherche durchgeführt und das Parteiengehör des Revisionswerbers mehrfach verletzt, da es von seiner Unglaubwürdigkeit ausgegangen sei, ohne ihm dazu Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Auch sei eine umfassende Erörterung der Gefahren im Falle einer Abschiebung des Revisionswerbers unterblieben.

10       Werden Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungsmängel zum Fluchtvorbringen und damit einhergehend eine antizipierende Beweiswürdigung - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl.VwGH 21.5.2021, Ra 2021/19/0143, mwN).

11       Mit den allgemeinen Verweisen auf im Verfahren beigebrachte - nicht näher genannte - Urkunden und auf - ebenfalls nicht näher genannte - Länderberichte ohne konkreten Bezug zum vorliegenden Fall sowie mit dem unsubstantiierten Vorbringen, das BVwG habe „eine antizipierende Beweiswürdigung über ein vermutetes Ergebnis von noch nicht aufgenommenen Beweisen vorgenommen“, wird die Relevanz der vorgebrachten Verfahrensmängel nicht aufgezeigt (zum Maßstab für das Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung vgl. VwGH 3.3.2020, Ra 2019/18/0447, mwN). Im Übrigen besteht ein allgemeines Recht auf eine fallbezogene Überprüfung des Vorbringens des Asylwerbers durch Recherche im Herkunftsstaat nicht (vgl. VwGH 30.7.2021, Ra 2021/14/0232, mwN).

12       Der behauptete Verstoß gegen das Parteiengehör liegt in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht vor, weil keine Verpflichtung des Verwaltungsgerichts bestand, dem Asylwerber im Wege eines Vorhalts zur Kenntnis zu bringen, dass in seiner Aussage Widersprüche vorhanden seien, die im Rahmen der Beweiswürdigung zu seinem Nachteil ausschlagen würden (vgl. etwa VwGH 29.1.2021, Ra 2021/14/0011, mwN).

13       Sofern die Revision pauschal vorbringt, das BVwG habe eine erschöpfende Erörterung dahingehend unterlassen, ob dem Revisionswerber im Falle einer Abschiebung die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung oder Folter drohe, sowie sein Leben in Gefahr sei, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung für die Gewährung von subsidiärem Schutz die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK nicht ausreichend ist. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, dass exzeptionelle Umstände vorliegen (vgl. VwGH 19.7.2021, Ra 2021/14/0231, mwN). Eine derartige Darlegung von exzeptionellen Umständen enthält die Revision nicht.

14       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 30. September 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021140016.L00

Im RIS seit

01.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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