TE Vwgh Beschluss 2021/10/1 Ra 2021/14/0236

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Veröffentlicht am 01.10.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte

Norm

B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2021/14/0237
Ra 2021/14/0238
Ra 2021/14/0239

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Revisionssache 1. des A B, 2. der C D, 3. des E F, 4. des G H, alle vertreten durch Rast & Musliu Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 23/14, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts jeweils vom 28. Juni 2021, 1. W195 2162326-6/7E, 2. W195 2221162-4/7E, 3. W195 2162329-6/8E und 4. W195 2161642-6/9E, jeweils betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet und die Eltern der minderjährigen Dritt- und Viertrevisionswerber. Sämtliche Revisionswerber sind Staatsangehörige von Bangladesch und Angehörige der Volksgruppe der Bengalen. Die Erst- bis Drittrevisionswerber stellten am 11. April 2016 bzw. am 17. August 2016 (für den Drittrevisionswerber) Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Diese Anträge wurden im Beschwerdeverfahren mit den mündlich verkündeten Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Dezember 2017 (schriftliche Ausfertigungen vom 19. Februar 2018) vollinhaltlich abgewiesen. Die dagegen erhobenen Revisionen wies der Verwaltungsgerichtshof mit den Beschlüssen jeweils vom 27. April 2018 als unzulässig zurück. Am 22. Juni 2018 stellten die Erst- bis Drittrevisionswerber Folgeanträge auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005. Für den Viertrevisionswerber wurde am 3. Jänner 2019 ein Antrag auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 gestellt.

2        Mit den Bescheiden jeweils vom 30. März 2021 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diese Anträge ab, erteilte den Revisionswerbern keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Es erließ gegen die Erst- und Zweitrevisionswerber ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot.

3        Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobenen Beschwerden nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Die Revisionen bringen zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das Bundesverwaltungsgericht sei willkürlich von der Unglaubwürdigkeit des Erstrevisionswerbers ausgegangen und habe sich bezüglich der Echtheit der asylrelevanten Unterlagen nicht mit dem bengalischen Rechtsanwalt des Erstrevisionswerbers in Verbindung gesetzt. Weiters habe es unrichtigerweise festgestellt, dass die Revisionswerber dem sunnitischen Glauben angehörten. Zudem seien die Revisionswerber seit fünf Jahren im Bundesgebiet, gut integriert und es seien die minderjährigen Dritt- und Viertrevisionswerber im Bundesgebiet geboren worden, weshalb es verfehlt sei, in Bezug auf die Dritt- und Viertrevisionswerber nicht von einer tiefgreifenden Integration zu sprechen.

8        Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 15.6.2021, Ra 2020/14/0454, mwN).

9        Das Bundesverwaltungsgericht hat sich im Zuge einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von den Erst- und Zweitrevisionswerbern verschafft und sie zu den Gründen ihrer Flucht befragt. Mit näherer Begründung ist das Bundesverwaltungsgericht in einer Gesamtschau der Aussagen zur Auffassung gelangt, dass das Vorbringen der Revisionswerber zu den Gründen ihrer Flucht unglaubwürdig sei und stützte sich dabei auch auf Ergebnisse der vorgelagerten Asylverfahren, wonach bereits damals dem - identen - Fluchtvorbringen kein Glaube geschenkt worden sei. Bezüglich der minderjährigen Kinder sei ebenfalls kein konkretes Vorbringen erstattet sondern unsubstantiiert angeführt worden, die Kinder würden in Bangladesch entführt werden.

10       Sofern die Revision vorbringt, das Bundesverwaltungsgericht sei willkürlich von einer Unglaubwürdigkeit der Revisionswerber ausgegangen, zeigt sie mit diesem pauschalen Vorbringen im konkreten Fall keine Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts auf.

11       Weiters wenden sich die revisionswerbenden Parteien unter dem Aspekt von Ermittlungs- und Begründungsmängeln gegen die Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts.

12       Werden - wie hier - Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 19.7.2021, Ra 2021/14/0230, mwN; 21.6.2021, Ra 2021/20/0024, mwN). Diesen Anforderungen wird die Revision mit ihren bloß allgemeinen Ausführungen in der Zulassungsbegründung, wie das Bundesverwaltungsgericht hätte sich mit dem bengalischen Rechtsanwalt in Verbindung setzen und die Echtheit der asylrelevanten Unterlagen überprüfen müssen, nicht gerecht. Ebenfalls lässt die Revision offen, welche konkreten Feststellungen das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der behaupteten unrichtig festgestellten Glaubensrichtung hätte treffen sollen und welche Entscheidungsrelevanz diesen zukämen.

13       Soweit sich die Revisionswerber gegen die Rückkehrentscheidungen wenden, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 21.06.2021, Ra 2021/14/0096, mwN).

14       Das Bundesverwaltungsgericht hat entgegen dem Vorbringen in den Revisionen im vorliegenden Fall sämtliche bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände einbezogen, auch die Dauer des Aufenthalts der Revisionswerber sowie die Geburt der minderjährigen Dritt- und Viertrevisionswerber in Österreich in seine Abwägung einbezogen. Mit dem unkonkreten Vorbringen, es liege ein zu berücksichtigendes Privat- und Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK vor und das Bundesverwaltungsgericht habe bei der Interessenabwägung das Vorbringen zur Integration und Schutzwürdigkeit des Privatlebens der Revisionswerber unzureichend gewichtet, gelingt es der Revision nicht, aufzuzeigen, dass das Bundesverwaltungsgericht bei seinen im Rahmen der Interessenabwägung vorgenommenen Erwägungen die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien nicht beachtet oder in unvertretbarer Weise zur Anwendung gebracht hätte. Der Hinweis der Revisionswerber auf eine - zu § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 ergangene - Entscheidung eines angeblich ähnlich gelagerten Sachverhalts führt schon vor dem Hintergrund der vorzunehmenden Einzelfallprüfung nicht zum Erfolg.

15       In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 1. Oktober 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021140236.L00

Im RIS seit

01.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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