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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des T J in S, vertreten durch Dr. Katja Kaiser, Rechtsanwältin in 6365 Kirchberg, Hauptstraße 11, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 7. April 2021, LVwG-2020/13/0105-2, betreffend Übertretung des KFG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis vom 12. November 2019 wurde von der belangten Behörde über den Revisionswerber wegen einer näher konkretisierten Übertretung des § 82 Abs. 8 KFG gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geld- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass es eine rechtskräftige Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes zur Frage der überwiegenden Verwendung des Kraftfahrzeuges des Revisionswerbers gebe. Dieses werde seit September 2015 überwiegend im Inland verwendet. Der Revisionswerber habe seinen Hauptwohnsitz seit September 2015 in Österreich; er habe in den Jahren 2015 bis 2017 in Österreich eine nichtselbständige Arbeit ausgeübt, 2017 habe er auch Kranken- und Arbeitslosengeld bezogen. 2018 habe er ausschließlich Kranken- und Arbeitslosengeld bezogen. 2019 und 2020 habe er lediglich wenige Tage eine nichtselbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt. Vor seinem Zuzug nach Österreich habe der Revisionswerber in der Schweiz gelebt, das Fahrzeug dort erworben und zugelassen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Revisionswerber in Deutschland über einen weiteren Wohnsitz verfüge und sich dort sein Mittelpunkt der Lebensinteressen befinde; ebensowenig habe festgestellt werden können, dass das Kraftfahrzeug überwiegend im Ausland verwendet worden sei.
4 Weiters begründete das LVwG seine Beweiswürdigung, die rechtlichen Erwägungen sowie die Strafbemessung.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, welche Anforderungen an den gemäß § 82 Abs. 8 KFG zulässigen Gegenbeweis gestellt würden. Der Revisionswerber habe im Verfahren „darauf verwiesen“, dass sich weder der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Österreich befinde noch das Fahrzeug überwiegend in Österreich verwendet werde. Das LVwG habe sich mit diesem Vorbringen „nicht befasst“, sondern aus dem Bezug von Kranken- und Arbeitslosengeld den Lebensmittelpunkt des Revisionswerbers in Österreich abgeleitet. Die Übertragung der Beweislast an die betroffene Partei stelle eine Ausnahme vom Regelfall dar. Es gebe keine Rechtsprechung, welche Anforderungen in dieser Situation an die mit dem Gegenbeweis belastete Partei gestellt werden dürfe.
10 Damit wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargetan:
11 Zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Voraussetzungen ein Fahrzeug mit ausländischem Kennzeichen im Inland zuzulassen ist, richtet sich danach, ob es über einen dauernden Standort im Ausland oder im Inland verfügt (vgl. § 79 und § 82 Abs. 8 KFG). Bei der Bestimmung des dauernden Standortes (vgl. § 40 Abs. 1 zweiter Satz KFG) kommt es darauf an, von wem das Fahrzeug im Inland verwendet wird. Wird das Fahrzeug beispielsweise durch eine natürliche Person ohne Hauptwohnsitz im Inland verwendet, so kommt § 79 Abs. 1 KFG (mit seiner Jahresregel) zum Tragen. Wird das Fahrzeug hingegen durch eine natürliche Person mit Hauptwohnsitz im Inland verwendet, so ist dies nach § 82 Abs. 8 KFG zu beurteilen (vgl. VwGH 22.6.2021, Ra 2019/11/0051, mwN).
12 Gemäß § 82 Abs. 8 erster Satz KFG sind Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu ausgesprochen, dass gegen die in § 82 Abs. 8 erster Satz KFG vorgesehene Vermutung, ein Kraftfahrzeug, das von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet wird, habe seinen dauernden Standort im Inland, ausdrücklich der Gegenbeweis zulässig ist („bis zum Gegenbeweis“). Damit handelt es sich um eine widerlegliche Rechtsvermutung, die der Person, die das Fahrzeug in das Bundesgebiet eingebracht hat, die Möglichkeit einräumt, den Gegenbeweis zu erbringen, dass das Fahrzeug seinen dauernden Standort tatsächlich nicht im Inland hat. Um diesen Gegenbeweis erbringen zu können, hat diese Person dabei von sich aus initiativ und umfassend darzulegen, aus welchen Gründen das Fahrzeug nicht als ein Fahrzeug mit dauerndem inländischem Standort anzusehen ist, und dafür auch die erforderlichen Beweise anzubieten (vgl. VwGH 3.10.2016, Ra 2016/02/0151; VwGH 30.1.2020, Ra 2019/16/0215; VwGH 27.4.2020, Ra 2019/02/0240).
14 Entgegen dem Revisionsvorbringen besteht daher bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der in § 82 Abs. 8 KFG vorgesehenen Rechtsvermutung und der Möglichkeit des Gegenbeweises. Die Beurteilung, ob ein bestimmtes Fahrzeug mit ausländischem Kennzeichen nach dieser Bestimmung als Fahrzeug mit dem „dauernden Standort im Inland“ anzusehen ist, kann jedoch nur jeweils anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls erfolgen und stellt bereits aus diesem Grund keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar (vgl. VwGH 12.9.2017, Ra 2017/02/0100).
15 Die Revision behauptet in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nun aber gerade nicht, dass das LVwG im vorliegenden Fall bei dieser Beurteilung von den Leitlinien der dargestellten Rechtsprechung abgewichen wäre oder dass die seiner Beurteilung zu Grunde liegende Beweiswürdigung unvertretbar wäre.
16 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 1. Oktober 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021020150.L00Im RIS seit
01.11.2021Zuletzt aktualisiert am
15.11.2021