TE Vwgh Beschluss 2021/10/6 Ro 2021/01/0021

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Veröffentlicht am 06.10.2021
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

VwGG §25a Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des G Z in F, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 30. September 2020, Zl. LVwG 20.3-947/2020-40, betreffend Maßnahmenbeschwerde betreffend Identitätsfeststellung nach § 118 StPO und nachfolgende Festnahme (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde über die Beschwerde des Revisionswerbers wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wie folgt entschieden:

„Die Beschwerde wegen der Festnahme des“ Revisionswerbers „am 14. März 2020“ an einem näher bezeichneten Ort „durch Polizeibeamte war rechtswidrig, insbesondere die Handfesselung am Rücken, die Fußfesselung und der Abtransport mit der Decke über den Kopf“ (Spruchpunkt A.), der Antrag „das Verlangen sich auszuweisen für rechtswidrig zu erklären“ wurde abgewiesen (Spruchpunkt B.), der Antrag, die Ehefrau des Revisionswerbers „aus dem Raum zu entfernen“, wurde zurückgewiesen (Spruchpunkt C.), der Antrag „die Anhaltung im Arrest in Hartberg bis 14.00 Uhr des 14. März 2020“ wurde ebenfalls zurückgewiesen (Spruchpunkt D.). Zuletzt wurde die Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld gemäß § 35 VwGVG zum Ersatz der „Kosten des Verfahrens“ verpflichtet (Spruchpunkt E.).

2        Einen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision (§ 25a Abs. 1 VwGG) enthält der Spruch des angefochtenen Erkenntnisses nicht.

3        Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber sei an einem näher bezeichneten Ort in der Nacht vom 13. März 2020 auf den 14. März 2020 nach einer tätlichen Auseinandersetzung mit einer anderen Person durch zwei uniformierte Polizeibeamte zur Ausweisleistung aufgefordert worden, da der Verdacht des Raufhandels (§ 91 StGB) bzw. der Körperverletzung (§§ 83 ff StGB) bestanden habe.

4        Nachdem der Revisionswerber diese Aufforderung negiert und mit seinen Händen die Hand eines Polizeibeamten weggeschlagen habe, sei gegen den Revisionswerber Pfefferspray eingesetzt und er festgenommen und nach Überstellung zur Polizeiinspektion H angehalten worden.

5        Der Einsatz von Pfefferspray sei noch zulässig und verhältnismäßig gewesen. Das weitere Anlegen von Handfesseln am Rücken und von Fußfesseln sowie das Überstülpen einer Decke über den Kopf seien nicht mehr gerechtfertigt bzw. völlig unverhältnismäßig gewesen. Bereits eine unzulässige Maßnahme ziehe die Rechtswidrigkeit der gesamten Amtshandlung nach sich. Somit sei „die Verbringung“ des Revisionswerbers in die Polizeiinspektion H grundlegend als unverhältnismäßig bzw. „gerade als menschenverachtend“ zu werten.

6        Soweit der Revisionswerber in der Beschwerde vermeine, die Ausweisleistung „seiner Person gegenüber“ sei rechtwidrig gewesen, stehe dem § 118 StPO entgegen, der die Kriminalpolizei zur Identitätsfeststellung ermächtige, falls der Betroffene verdächtigt werde, „einer Straftat beteiligt zu sein“. Es stehe fest, dass „die Polizei“ wegen des Verdachts der Körperverletzung bzw. des Raufhandels gerufen worden sei und Umstände, wie die blutende Lippe des Opfers, von den Polizeibeamten wahrgenommen worden seien, die zur Ausweisleistung ermächtigten. Die einschreitenden Polizisten hätten ohne Anordnung der Staatsanwaltschaft gehandelt. Daher seien die getroffenen Zwangsmaßnahmen beim Verwaltungsgericht bekämpfbar.

7        Soweit (in der Beschwerde) die Rechtswidrigkeit der Entfernung der Ehefrau (des Revisionswerbers) aus dem Gastzimmer beantragt worden sei, sei zu beachten, dass hierbei primär die subjektiven Rechte der Ehefrau berührt seien und folglich in einem eigenen Verfahren zu klären wären.

8        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Mit Beschluss vom 8. Juni 2021, E 3942/2020-9, lehnte der VfGH die Behandlung der Beschwerde ab und trat die Beschwerde über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 15. Juli 2021, E 3942/2020-11, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

9        Sodann erhob der Revisionswerber die vorliegende Revision an den Verwaltungsgerichtshof, in der unter anderem erklärt wird, Spruchpunkt A, D und E des Erkenntnisses blieben unangefochten.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12       Im Hinblick auf das Fehlen eines Ausspruchs gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist die Revision als ordentliche Revision zu werten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Revisionswerber auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision gesondert darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa VwGH 22.3.2021, Ro 2020/01/0012, mwN).

13       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht sei von (näher bezeichneter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es dem vom Revisionswerber gestellten Beweisantrag zum Einsatz von Pfefferspray nicht nachgekommen sei.

14       Mit diesem Vorbringen kann eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nach Art. 133 Abs. 4 B-VG schon deshalb nicht dargetan werden, weil der Einsatz von Pfefferspray - wie dem angefochtenen Erkenntnis zu entnehmen ist (arg.: „insbesondere“) - eine Modalität der in Spruchpunkt A. des angefochtenen Erkenntnisses für rechtswidrig erklärten Festnahme des Revisionswerbers darstellt und daher das rechtliche Schicksal der Revision (die sich im Übrigen nicht gegen Spruchpunkt A. richtet) von dieser Frage nicht „abhängt“ (vgl. zur Modalität einer Maßnahme etwa VwGH 19.4.2016, Ra 2015/01/0232, mwN; vgl. zum rechtlichen Schicksal der Revision etwa VwGH 21.9.2018, Ra 2017/17/0720, mwN).

15       Im Übrigen wird in der Zulässigkeitsbegründung lediglich näher die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses behauptet und werden darin somit Revisionsgründe nach § 28 Abs. 1 Z 5 VwGG vorgebracht, welche eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht darzutun vermögen.

16       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 6. Oktober 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RO2021010021.J00

Im RIS seit

01.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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