TE Vwgh Erkenntnis 2021/10/6 Ra 2020/17/0133

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Veröffentlicht am 06.10.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
GSpG 1989 §52 Abs2
VStG §16
VStG §19
VStG §22 Abs2
VStG §64
VwGG §41
VwGVG 2014 §38
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner und den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des J S in W, vertreten durch die Hochstöger Nowotny Wohlmacher Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Breitwiesergutstraße 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 6. Februar 2020, LVwG-S-1831/001-2019, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 11. Juli 2019 wurde der Revisionswerber der Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild Glücksspielgesetz - GSpG mit drei Glücksspielgeräten schuldig erkannt. Es wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 7.500,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Weiters wurden ihm Kosten gemäß § 64 Abs. 2 VStG in der Höhe von EUR 750,-- vorgeschrieben. Der Revisionswerber habe an die F Kft. einen Nebenraum seines Lokals zur Aufstellung der Eingriffsgegenstände vermietet. Er habe auch täglich nach Betriebsschluss die Eingriffsgegenstände heruntergefahren und am nächsten Tag mittels Fernbedienung wieder hochgefahren.

2        Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG).

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das LVwG die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens wurden mit EUR 1.500,-- bestimmt (Spruchpunkt 1.). Das LVwG erklärte die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig (Spruchpunkt 2.).

4        Mit Beschluss vom 21. September 2020, E 1737/2020-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der vom Revisionswerber dagegen erhobenen Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

5        Der Revisionswerber brachte gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die vorliegende außerordentliche Revision ein.

6        Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7        Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision u.a. vor, das LVwG habe es entgegen näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterlassen, das angefochtene Erkenntnis nach Schluss der mündlichen Verhandlung zu verkünden.

8        Die Revision erweist sich schon aus diesem Grunde als zulässig und begründet:

9        Gemäß § 47 Abs. 4 letzter Satz VwGVG sind in Verfahren in Verwaltungsstrafsachen nach dem Schluss der Verhandlung der Spruch des Erkenntnisses und seine wesentliche Begründung nach Möglichkeit sofort zu beschließen und zu verkünden.

10       Die Verkündung der Entscheidung direkt nach der Verhandlung stellt den gesetzlichen, wenn auch in der Praxis nicht immer umsetzbaren, Regelfall dar. Ist eine anschließende Verkündung nicht möglich, etwa wegen der Komplexität der Sach- oder Rechtslage, hat die Entscheidung schriftlich zu ergehen. Bedarf die Fällung des Erkenntnisses (etwa die Beweiswürdigung) reiflicher Überlegung, so kann das Verwaltungsgericht von der sofortigen Verkündung Abstand nehmen, andernfalls belastet die rechtswidrige Unterlassung der Verkündung durch das Verwaltungsgericht das Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. VwGH 9.4.2021, Ra 2021/17/0025, mwN).

11       Im Revisionsfall hat das LVwG weder nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung noch im schriftlichen Erkenntnis begründet, warum es ihm nicht möglich (gewesen) sei, das Erkenntnis nach Schluss der Verhandlung sofort zu beschließen und zu verkünden. Im Revisionsfall ist auch nicht offensichtlich, dass die Verkündung des Spruches des Erkenntnisses und seiner wesentlichen Begründung nach dem Schluss der Verhandlung nicht möglich gewesen wäre (vgl. wieder VwGH 9.4.2021, Ra 2021/17/0025, mwN).

12       Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung zu § 47 Abs. 4 letzter Satz VwGVG hat das LVwG durch das unbegründete Unterlassen der Verkündung des Erkenntnisses nach Schluss der mündlichen Verhandlung in einer Verwaltungsstrafsache das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Dieses war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

13       Im fortzusetzenden Verfahren wird zu beachten sein, dass bei Verhängung einer Gesamtstrafe nicht erkennbar ist, wie hoch das Ausmaß der Strafe für jede einzelne der selbständigen Handlungen ist, sodass keine nachprüfende Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes in die Richtung möglich ist, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm bei der Strafbemessung zustehenden Ermessen hinsichtlich jeder der einzelnen Übertretungen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (VwGH 14.6.2018, Ra 2018/17/0055, mwN).

14       In diesem Zusammenhang wird auf das (auch von der Revision angeführte) hg. Erkenntnis vom 6. Mai 2020, Ra 2020/17/0001, hingewiesen. In diesem hat der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH vom 12. September 2019, C-64/18 u.a., Maksimovic u.a., mit näherer Begründung ausgesprochen, dass das Unionsrecht der uneingeschränkten Anwendbarkeit des § 52 Abs. 2 erster Strafsatz GSpG, des § 16 VStG sowie des § 64 VStG nicht entgegensteht. Diese Rechtsansicht wurde durch zahlreiche weitere Entscheidungen bekräftigt (vgl. etwa jüngst VwGH 31.3.2021, Ra 2019/17/0103). Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auch durch das nunmehrige Revisionsvorbringen nicht veranlasst, von dieser Rechtsprechung abzugehen.

15       Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

16       Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 5 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 6. Oktober 2021

Schlagworte

Ermessen VwRallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020170133.L00

Im RIS seit

01.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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