Index
E3R E19104000Norm
AsylG 2005 §5 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, den Hofrat Dr. Faber und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Seiler, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. März 2021, W161 2239820-1/5E, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 15. März 2021, W161 2239820-1/7Z, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei: M B in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 15. Jänner 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz in Rumänien.
2 Am 21. Jänner 2021 stellte der Mitbeteiligte einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
3 Mit Schreiben vom 29. Jänner 2021 stimmte Rumänien einem Wiederaufnahmeersuchen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 21. Jänner 2021 mit Hinweis auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung ausdrücklich zu.
4 Mit Bescheid vom 5. Februar 2021 wies das BFA den in Österreich gestellten Antrag des Mitbeteiligten auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück, stellte für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz die Zuständigkeit Rumäniens fest, ordnete die Außerlandesbringung des Mitbeteiligten an und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Rumänien zulässig sei.
5 Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) statt, behob den bekämpften Bescheid und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Begründend führte das BVwG aus, das BFA habe keine Feststellungen zur Lage in Rumänien getroffen. Der Verweis des BFA auf im Akt befindliche Länderinformationen sei nicht zulässig. Die Möglichkeit des Verweisens auf einen Text, der der Partei zugegangen sei, entbinde die Behörde nicht von ihrer Verpflichtung, den im konkreten Fall maßgeblichen Sachverhalt als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens klar und eindeutig darzustellen. Die Feststellungen seien zudem nicht aktuell. Da der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt und festgestellt worden sei, sei nach § 21 Abs. 3 BFA-VG vorzugehen gewesen.
7 Gegen diesen Beschluss wendet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision. Zu ihrer Zulässigkeit bringt sie zum einen vor, der Verweis des BFA im Bescheid auf das im Akt befindliche und dem Mitbeteiligten zugegangene Länderinformationsblatt sei zulässig gewesen. Zum anderen sei das BVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG abgewichen. Das BVwG hätte jederzeit eine Anfrage an die Staatendokumentation richten und den angenommenen Ermittlungsmangel der nicht hinreichend aktuellen Länderfeststellungen rasch und ohne größeren Aufwand selbst beseitigen können.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die außerordentliche Amtsrevision nach Einleitung des Vorverfahrens - der Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
9 Die Revision ist zulässig; sie ist auch begründet.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat jüngst die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG in seinem Erkenntnis vom 8. Juli 2021, Ra 2021/20/0074, mwN, erneut dargelegt. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.
11 Von den im obengenannten Erkenntnis dargestellten hg. Leitlinien ist das BVwG im Revisionsfall abgewichen, indem es nicht dargelegt hat, weshalb es (allfällige) Ermittlungsmängel in der für die Erledigung gebotenen Eile nicht selbst hätte beseitigen können. Dem BVwG stand dabei auch die Möglichkeit gemäß § 5 Abs. 3 BFA-G offen, eine Anfrage an die Staatendokumentation zur aktuellen Lage im Mitgliedstaat (hier: Rumänien) zu richten (vgl. VwGH 15.9.2021, Ra 2021/01/0127, mwN).
12 Die angefochtene Entscheidung war somit wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das übrige Revisionsvorbringen einzugehen war.
Wien, am 7. Oktober 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021190141.L01Im RIS seit
01.11.2021Zuletzt aktualisiert am
11.11.2021