TE Vwgh Beschluss 2021/10/7 Ra 2021/06/0100

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Veröffentlicht am 07.10.2021
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

ZustG §26a Z1 idF 2020/I/042

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, in der Revisionssache des K W in S, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 6. April 2021, 405-3/729/1/27-2021 und 405-3/729/2/2-2021, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist und Zurückweisung einer Beschwerde (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Mit dem angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde der Antrag des Revisionswerbers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist als unbegründet abgewiesen und dessen Beschwerde gegen das wegen Übertretung des Salzburger Baupolizeigesetzes ergangene Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 19. Juni 2020 als verspätet zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen diesen Beschluss eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Straferkenntnis am 23. Juni 2020 in den Briefkasten der G. GmbH, deren Geschäftsführer der Revisionswerber sei, eingelegt und damit gemäß § 26a Z 1 Zustellgesetz wirksam (kontaktlos) zugestellt worden sei. Das festgestellte Unterbleiben der Verständigung von der Zustellung verhindere die Wirksamkeit der Zustellung nicht. Ausgehend von der wirksamen Zustellung am 23. Juni 2020 erweise sich die am 22. Juli 2020 erhobene Beschwerde als verspätet.

6        Zudem habe der Revisionswerber keinen Wiedereinsetzungsgrund darzulegen vermocht. Dessen Rechtsvertreter hätte hinterfragen müssen, ob es sich bei dem Tag, an dem die Sendung mit dem Eingangsstempel 24. Juni 2020 versehen worden sei, um den Tag handle, an dem die Zustellung im Sinn des Zustellgesetzes erfolgt sei. Es gehöre zu den Pflichten eines Rechtsanwaltes, die maßgeblichen Daten für die Einhaltung der Rechtsmittelfrist festzustellen; insbesondere sei auch das entsprechende Zustellkuvert der Sendung zu prüfen. Würden solche Schritte unterlassen und verlasse sich ein Rechtsanwalt ungeprüft auf die Angaben einer (rechtsunkundigen) Partei, hindere dies die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sofern fallbezogen das vom Zusteller angebrachte „Datum der Übernahme 23.6.2020“ allenfalls nicht mehr ausreichend ersichtlich gewesen wäre oder das Kuvert der Zustellsendung in Verstoß geraten wäre, wäre der Rechtsvertreter gehalten gewesen, von sich aus entsprechende Nachforschungen bei der Behörde einzuholen, um das exakte Zustelldatum zu erfragen. Bei entsprechender Nachschau am 23. Juni 2020 im Postkasten, bei Abgleich mit dem Datum am Kuvert der Sendung und/oder bei entsprechender Rückfrage bei der Behörde hätte der Revisionswerber von der Zustellung am 23. Juni 2020 Kenntnis erlangen können.

7        In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird vorgebracht, dass Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung in zweierlei Hinsicht vorlägen. Einerseits im Hinblick auf die Auslegung des § 26a Zustellgesetz über die sogenannte kontaktlose Zustellung, wenn der Empfänger an der Abgabestelle anwesend gewesen sei, der Briefkasten an der Abgabestelle einmal täglich geleert werde, der Zusteller jedoch keine Verständigung vorgenommen und die Gründe dafür auch nicht beurkundet habe. Andererseits in Bezug auf den Sorgfaltsmaßstab den ein Rechtsanwalt hinsichtlich der Berechnung von Rechtsmittelfristen anhand von zweifelsfreien Angaben von Unternehmern oder sonstigen Personen, welche selbst über eine entsprechende Büroorganisation zum Fristvormerk führen müssten, anzulegen habe.

8        Die erste Frage ist durch die hg. Rechtsprechung, auf welche der Revisionswerber selbst verweist, bereits ausreichend geklärt. Aus dieser ergibt sich, dass eine unterbliebene Verständigung der Wirksamkeit der Zustellung nach § 26a Z 1 Zustellgesetz nicht entgegensteht (vgl. VwGH 16.11.2020, Ra 2020/09/0058); dies gilt umso mehr für den Fall, dass der Empfänger - wie im Revisionsfall - zum Zeitpunkt der Zustellung an der Abgabestelle anwesend war und somit rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. Ein Vorbringen, wonach der Revisionswerber die gegenständliche Sendung nicht erhalten habe (vgl. dazu VwGH 25.3.2021, Ro 2021/21/0001), wurde fallbezogen nicht erstattet; vielmehr ergibt sich aus den insoweit unbestrittenen Ausführungen im angefochtenen Beschluss, dass das Postfach regelmäßig täglich jeweils vor dem Zeitpunkt der Zustellung durch den Zusteller entleert und so auch die gegenständliche Sendung im Postfach am Tag nach deren Zustellung aufgefunden wurde. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung wird somit insoweit nicht aufgezeigt.

9        Im Hinblick auf die zweite, vom Revisionswerber aufgeworfene Frage hat das Verwaltungsgericht im Einklang mit der hg. Judikatur ausgeführt, dass es zu den Pflichten eines Rechtsanwaltes gehöre, die maßgeblichen Daten für die Einhaltung der Rechtsmittelfrist, somit grundsätzlich den exakten und richtigen Zeitpunkt der Zustellung der anzufechtenden Entscheidung, durch Befragung der Partei oder durch Ermittlungen bei der Post und/oder bei der Behörde festzustellen und insbesondere das Zustellkuvert der Sendung zu prüfen. Dass diese in der hg. Judikatur entwickelten Grundsätze nicht gelten sollen, wovon der Revisionswerber offenbar ausgeht, wenn es sich bei dem Klienten, der die Einbringung eines Rechtsmittels durch einen Rechtsanwalt wünscht, um ein Unternehmen oder eine sonstige Person handelt, welche selbst über eine entsprechende Büroorganisation zum Fristenvormerk verfügen müsse, ergibt sich aus den vom Revisionswerber zitierten hg. Erkenntnissen nicht. In dem dem Erkenntnis VwGH 17.1.1995, 94/11/0352, zugrunde liegenden Sachverhalt kam entscheidend hinzu, dass die Zustellung der betreffenden Sendung durch persönliche Aushändigung des Schriftstückes durch ein Zustellorgan der Post und eben nicht durch Hinterlegung oder - wie fallbezogen auch durch einen handschriftlichen Vermerk bei der Eingangsstampiglie ersichtlich gemacht - per Post erfolgt ist, sodass unter Bedachtnahme auf den im dortigen Unternehmen etablierten Bürobetrieb kein Anlass bestanden habe, an der Richtigkeit dieser Angabe zu zweifeln. Auch aus dem weiteren, vom Revisionswerber zitierten Erkenntnis VwGH 11.3.2021, Ra 2020/21/0408, ist für ihn nichts zu gewinnen, weil der diesem zugrunde liegende Sachverhalt mit dem vorliegenden Revisionsfall nicht vergleichbar ist. Dort handelte es sich um einen Wechsel des Rechtsvertreters und es war die Frage zu klären, ob der nachfolgende Rechtsvertreter auf die angebrachte Eingangsstampiglie der zuvor tätigen und als „etabliert“ angesehenen Rechtsanwaltskanzlei vertrauen durfte, wenn keine Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit dieser Angabe vorgelegen hätten. Im Revisionsfall wurde die in Rede stehende Eingangsstampiglie hingegen nicht von einer Rechtsanwaltskanzlei angebracht. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung wird damit nicht aufgezeigt.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 7. Oktober 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021060100.L00

Im RIS seit

01.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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