Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Deschka, Rechtsanwalt in Wien, wegen Löschung einer Streitanmerkung ob der EZ ***** KG *****, infolge des Revisionsrekurses der Einschreiterin N*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Neulinger Mitrofanova Ceovic Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28. April 2021, AZ 46 R 116/21f mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 9. März 2021, TZ 11840/2020, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden an das Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
[1] Die Antragstellerin ist aufgrund eines mit der T***** GmbH am 19. 9. 2019 abgeschlossenen Kaufvertrags Alleineigentümerin einer Liegenschaft. Ihre Rechtsvorgängerin hatte die Liegenschaft ihrerseits mit Kaufvertrag vom 27. 6. 2018 von der Einschreiterin erworben, die seit 30. 8. 2005 Eigentümerin dieser Liegenschaft gewesen war. Alleiniger Geschäftsführer der Einschreiterin ist seit 14. 4. 2005 A*****, der zum Zeitpunkt der Veräußerung der Liegenschaft an die T***** GmbH auch deren Gesellschafter gewesen war.
[2] Mit der Behauptung, A***** habe die Gesellschaftsanteile für sie treuhändig gehalten und mit deren Abtretung und der Veräußerung der Liegenschaft treuwidrig gehandelt, zeigten die beiden Treugeber ihn bei der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue im Zusammenhang mit der Veräußerung der Liegenschaft an die T***** GmbH an. Eine aufgrund dieses Strafverfahrens erfolgte Anmerkung nach § 66 GBG wurde mittlerweile wieder gelöscht.
[3] Aufgrund eines Antrags der nunmehrigen Einschreiterin bewilligte das Erstgericht zu TZ 8466/2020 neuerlich die Streitanhängigkeit gemäß § 66 GBG. Grundlage war (unter anderem) eine Sachverhaltsdarstellung der beiden Treugeber. Demnach habe die Antragstellerin zum Zeitpunkt des Liegenschaftsankaufs vom treuwidrigen Verhalten des A***** gewusst, das Verhalten der Antragstellerin sei strafbar im Sinn des § 3 VbVG gewesen.
[4] Dem gegen die Bewilligung der Anmerkung erhobenen Rekurs der Antragstellerin gab das Rekursgericht nicht Folge.
[5] Nun begehrt die Antragstellerin (derzeitige Liegenschaftseigentümerin) unter Vorlage einer Bestätigung vom 17. 12. 2020, wonach die Staatsanwaltschaft Wien nach der – näher bezeichneten – Anzeige der Treugeber mit Entscheidung vom 19. 11. 2020 von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die Antragstellerin gemäß § 35c StAG abgesehen und kein Ermittlungsverfahren eingeleitet habe, die Löschung der Streitanmerkung gemäß § 66 GBG.
[6] Das Erstgericht bewilligte diesen Antrag.
[7] Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Einschreiterin nicht Folge. Es bejahte dessen Rechtzeitigkeit und die Rekurslegitimation der Einschreiterin. Diese habe die nun gelöschte Anmerkung aufgrund der gegen die Antragstellerin erstatteten Sachverhaltsdarstellung vom 2. 9. 2020 erwirkt. Die Staatsanwaltschaft habe zu dieser Anzeige von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen, was der Einstellung des Strafverfahrens gleichzuhalten sei. Die Löschung der Anmerkung sei daher im Sinn des § 67 letzter Satz GBG auf Antrag der dadurch belasteten Antragstellerin zu löschen gewesen.
[8] Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, zur Frage, ob eine Streitanmerkung gemäß § 66 GBG gelöscht werden dürfe, wenn auch gegen andere Personen als den die Anmerkung erwirkenden vormaligen Buchberechtigten ein Strafverfahren anhängig sei, das die bücherlichen Rechte des von der Anmerkung Betroffenen berührt, fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung.
[9] In ihrem – nach dem am 19. 5. 2021 dem Erstgericht angezeigten Vollmachtswechsel von einem anderen rechtsfreundlichen Vertreter erhobenen – Revisionsrekurs strebt die Einschreiterin die Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen dahin ab, dass der Löschungsantrag zurück-, hilfsweise abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[10] Die Antragstellerin äußerte in einem an das Erstgericht gerichteten Schriftsatz Zweifel an einer wirksamen Bevollmächtigung des nunmehrigen Rechtsfreundes der Einschreiterin und regte eine amtswegige Prüfung an, ob für die Einbringung des Revisionsrekurses ein wirksamer Auftrag der Einschreiterin vorliege bzw wer die Einbringung dieses Schriftsatzes im Namen der Einschreiterin beauftragt habe. Eine solche Prüfung ist nach der Aktenlage nicht erfolgt, allerdings erforderlich, um Zweifel an der wirksamen Bevollmächtigung des nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertreters der Einschreiterin auszuräumen. Die Akten sind aus diesem Grund an das Erstgericht zurückzustellen.
Rechtliche Beurteilung
[11] 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Fachsenats (RIS-Justiz RS0035804) ist hinsichtlich der Einschreitervollmacht auch in Grundbuchsachen § 30 Abs 2 ZPO anzuwenden. Der als Vertreter der Antragsteller einschreitende Rechtsanwalt, der sich gemäß § 8 RAO, § 30 Abs 2 ZPO sowie § 77 GBG auf die ihm erteilte Vollmacht zur Anbringung von Grundbuchgesuchen beruft, hat durch diese Berufung seine Bevollmächtigung zur Anbringung eines Gesuchs dargetan (vgl RS0035804 [T8]). Wenn allerdings Zweifel an der Bevollmächtigung eines einschreitenden Rechtsanwalts bestehen, kann ihm die Vorlage der ihm erteilten Einschreitervollmacht im Sinn des auch in Grundbuchsachen geltenden § 37 ZPO aufgetragen werden (5 Ob 10/02k). Zur Rechtsanwalts-GmbH und der Rechtsanwaltspartnerschaft sprach der Fachsenat bereits aus, dass sich auch diese grundsätzlich auf § 30 Abs 2 ZPO berufen können und – vom Fall begründeter Zweifel abgesehen – weder die organschaftlichen Vertreter benennen noch für diese einen schriftlichen Vollmachtsnachweis vorlegen müssen (5 Ob 242/05g). Grundsätzlich gilt die Erleichterung für den Rechtsanwalt (und den Notar) in Bezug auf die Vorlage eines schriftlichen Vollmachtsnachweises daher nur dann, wenn nicht begründete Zweifel an der Bevollmächtigung bestehen (vgl RS0035804 [T17]). Solche Zweifel sind nach der Aktenlage hier angebracht:
[12] 2. Die Vertreter der Einschreiterin haben sich in ihrem Antrag auf Akteneinsicht vom 19. 5. 2021 auf eine von dieser erteilte Vollmacht berufen. Nach dem Firmenbuch ist der alleinige Geschäftsführer der Einschreiterin A*****, eine Bevollmächtigung ihres nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertreters durch die Einschreiterin hätte daher durch ihn als Organ erfolgen müssen. Die Argumentation des Revisionsrekurses lässt allerdings Zweifel an einer derartigen Vollmachtserteilung aufkommen.
[13] 3. Inhaltlich übernehmen die Ausführungen des Revisionsrekurses diejenigen in der Anzeige der beiden Treugeber, die (unter anderem) gegen den Alleingeschäftsführer der Einschreiterin erstattet wurde. Ausdrücklich führt diese – zur Relevanz eines behaupteten Mangels des Rekursverfahrens – sogar aus, sie hätte bei Gewährung von Parteiengehör vorgebracht, dass nach den bisherigen Ermittlungen A***** im Verdacht stehe, am 27. 6. 2018 als damaliger Treuhänder und Geschäftsführer seine Befugnis über fremdes Vermögen zu verfügen wissentlich missbraucht und dadurch die Treugeber in einer noch festzustellenden Höhe geschädigt zu haben, indem sie die Liegenschaft in W***** treuwidrig an die T***** GmbH zu einem Preis von 1.700.000 EUR veräußerte und letztere die Liegenschaft um 4.090.000 EUR an die Antragstellerin weiterverkaufte. Rechtlich sei davon auszugehen, dass gegen A***** eine Anklage und Verurteilung wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 StGB möglich und die Löschung der Streitanmerkung nach § 66 GBG daher unzulässig sei. Insgesamt legen die Ausführungen des Revisionsrekurses nahe, nicht der – dadurch explizit belastete – Geschäftsführer der Einschreiterin A*****, sondern andere Personen mit gegenläufigen Interessen hätten diesen möglicherweise beauftragt.
[14] 4. Damit ist vor einer inhaltlichen Behandlung des Revisionsrekurses zunächst abzuklären, ob es tatsächlich zu einer wirksamen Vollmachtserteilung der Einschreiterin an ihren nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertreter gekommen ist. Zweckmäßigerweise hat diese Erhebungen dea Erstgericht vorzunehmen, bei dem die Antragstellerin selbst dies bereits angeregt hat. Die Akten waren daher an das Erstgericht zurückzustellen. Sollte sich herausstellen, dass eine wirksame Bevollmächtigung der rechtsfreundlichen Vertreter der Einschreiterin erfolgte, wären die Akten wieder dem Obersten Gerichtshof vorzulegen. Sollte es hingegen an einer wirksamen Vollmachtserteilung fehlen und dieser Mangel auch nicht verbessert werden können, wird gemäß § 126 Abs 2 Satz 2 GBG der Revisionsrekurs bereits vom Erstgericht als unzulässig zurückzuweisen sein.
Textnummer
E132814European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00125.21Z.0823.000Im RIS seit
30.10.2021Zuletzt aktualisiert am
30.10.2021