TE Lvwg Erkenntnis 2021/10/21 LVwG-S-2398/001-2021

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Veröffentlicht am 21.10.2021
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Entscheidungsdatum

21.10.2021

Norm

StVO 1960 §1 Abs1
StVO 1960 §4 Abs5

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Wimmer als Einzelrichter über die Beschwerde des A, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom 12. Oktober 2021, Zl. ***, betreffend eine Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, als von der Verhängung einer Geldstrafe abgesehen und unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit des Verhaltens eine Ermahnung erteilt wird.

2.   Es sind keine Kosten für das Beschwerdeverfahren zu entrichten.

3.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§§ 50 und 52 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG

§ 45 Abs. 1 Z 4 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld wurde A („Beschwerdeführer“) Nachstehendes zur Last gelegt:

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Zeit:            05.09.2021, 22:00 Uhr

Ort:             Gemeindegebiet ***, ***

Fahrzeug:  ***, Personenkraftwagen

Tatbeschreibung:

Nicht die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall mit Sachschaden ohne

unnötigen Aufschub verständigt, obwohl das Verhalten am Unfallsort mit dem

Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stand und ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift nicht erfolgte.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 4 Abs.5 StVO idF BGBl. I Nr. 37/2019, § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 idF BGBl. I Nr.

154/2021

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von   falls diese uneinbringlich   Gemäß

ist, Ersatzfreiheitsstrafe

von

€ 150,00            69 Stunden                    § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 idF BGBl.

                                                               I Nr. 154/2021

Vorgeschriebener Kostenbeitrag gemäß § 64 Abs.2

Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), das sind 10% der

Strafe, mindestens jedoch 10 Euro    € 15,00

Gesamtbetrag:           € 165,00“

In der Begründung legt die belangte Behörde dar, dass die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung durch die Anzeige der Polizeiinspektion *** vom 20.9.2021, GZ-P: ***, sowie das Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens erwiesen sei.

Der Beschwerdeführer habe in seiner Rechtfertigung vom 27.9.2021 ausgeführt, dass er die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung im Gemeindegebiet *** am zur Wohnhausanlage *** gehörigen Privatparkplatz begangen habe. Er hätte daraufhin unverzüglich auf einem Zettel seine Daten auf der Windschutzscheibe des beschädigten Fahrzeuges hinterlassen und sein Fahrzeug dahinter eingeparkt. Nachdem er auch nach der langen Wartezeit noch immer keine Rückmeldung erhalten habe, habe er persönlich den Vorfall bei der Polizeiinspektion *** sowie der Versicherung gemeldet. Weiters habe er die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens begehrt, da der Schadensfall auf einem Privatgrundstück erfolgt und die StVO nicht anwendbar sei.

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens sei erwiesen, dass der Beschwerdeführer zur Tatzeit an der angeführten Tatörtlichkeit den Pkw, Kennz.: ***, gelenkt hat und es zu einem Verkehrsunfall mit Sachschaden gekommen ist.

Er hat erst am 17.9.2021 um 15.40 Uhr persönlich die Anzeige über einen Parkschaden mit Sachschaden erstattet.


Zu seinen Angaben, wonach er nach dem Vorfall unverzüglich auf einem Zettel seine Daten auf der Windschutzscheibe des beschädigten Fahrzeuges hinterlassen hätte, wurde dargelegt, dass das Erfordernis des gegenseitigen Identitätsnachweises die persönliche Kontaktaufnahme der beteiligten Fahrzeuglenker bzw. –besitzer zur Voraussetzung hat. Durch Hinterlegung eines Zettels mit Name und Adresse des Beschädigers am beschädigten Wagen könne der in Abs. 5 geforderte Nachweis nicht erbracht werden.

Zum weiteren Vorbringen, dass der Schadensfall auf einem Privatgrundstück erfolgt sei und die StVO nicht anwendbar sei, wurde ausgeführt:

„Gemäß § 1 Abs. 1 StVO gelten als "Straßen mit öffentlichem Verkehr" solche, die

von jedermann unter den gleichen Bedingungen genutzt werden können. Die

Befugnisse der Behörden und Organe der Straßenaufsicht erstrecken sich gemäß

Abs. 2 par. cit. nicht auf "Straßen ohne öffentlichen Verkehr".

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 StVO ist eine "Straße" im Sinne der StVO eine für den

Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr bestimmte Landfläche samt den in ihrem Zuge

befindlichen und diesem Verkehr dienenden baulichen Anlagen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es nicht auf die

Besitz- und Eigentumsverhältnisse am Straßengrund an (VwGH vom 27.05.1992, Zl

92/02/0113; 09.05.1990, Zl 89/03/0197).

Auch ein im Eigentum eines Privaten stehender Parkplatz bzw. eine Privatstraße ist

eine Straße mit öffentlichem Verkehr, wenn nicht durch eine entsprechende

Kennzeichnung oder Abschrankung erkennbar ist, dass das Gegenteil zutrifft. Unter

Benützung für jedermann unter den gleichen Bedingungen ist zu verstehen, dass

irgendeine denkbare Benützung im Rahmen des Fußgänger- oder Fahrzeugverkehrs jedermann offen stehen muss (VwGH vom 13.04.2017, Ro 2017/02/0015).

Eine im Privateigentum stehende Straße ist nur dann nicht als im öffentlichen

Verkehr stehend anzusehen, wenn sie abgeschrankt ist oder ihre Benützung unter

Hinweis auf ihre Eigenschaft als Privatstraße der Allgemeinheit ersichtlich verboten

wird (VwGH vom 31.01.2014, Zl 2013/02/0239; 12.09.2017, Ra 2017/02/0166;

28.11.2008, Zl 2008/02/0228; 15.02.1991, Zl 90/18/0182, 25.04.1990, Zl

89/03/0192; 20.01.1986, Zl 85/02/0192).

Der ggstl. Parkplatz war mit keinem Schranken abgesperrt. Er kann somit uneingeschränkt von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden.

Es waren somit Ihre Rechtfertigungsangaben nicht geeignet den Ihnen zur Last gelegten Tatbestand zu entkräften bzw. einen Strafausschließungsgrund darzustellen.

Hinsichtlich des Verschuldens ist auf § 5 Abs.1 VStG zu verweisen (…)“

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

Dagegen wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben. Der wesentliche Einwand gegen die Bestrafung werde juristisch völlig falsch bewertet. Auf Grund der Tafeln (Fahrverbot / Privatparkplätze - Unberechtigt abgestellte Fahrzeuge werden kostenpflichtig abgeschleppt / Zufahrt nur für Anrainer) bei der Einfahrt zu den Garagen der Wohnhausanlage *** werde klar und deutlich kundgemacht, dass nicht jedermann zu den selben Bedingungen zu- und abfahren darf. Daher sei die StVO an dieser Stelle nicht anwendbar. Er begehre daher die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens und erkenne auf Grund der offensichtlichen Nichtstrafbarkeit eine massive Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gegen seine Person.

Die belangte Behörde legte die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsstrafakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit dem Ersuchen um Entscheidung vor, wobei auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet wurde.

3.   Feststellungen:


Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer am 17.9.2021 bei der Polizeiinspektion *** anzeigte, dass er am 05.09.2021, um 22:00 Uhr, den auf ihn zugelassenen PKW, Toyota Auris, rot lackiert, mit dem behördlichen Kennzeichen ***, in ***, ***, einparkte. Am Privatparkplatz vor der Wohnanlage touchierte er den parkenden PKW mit dem behördlichen Kennzeichen ***. Er hinterließ auf dem beschädigten PKW seine Personalien, doch meldete sich niemand; deshalb erstattete er Selbstanzeige.

An seinem PKW ist am rechten hinteren Kotflügel ein Lackschaden entstanden. Am PKW mit dem KZ *** ist am linken Kotflügel ein Sachschaden entstanden.

Im Bereich des Tatortes ist die Verkehrsbeschränkung „Fahrverbot“ mit der Zusatztafel „Zufahrt nur für Anrainer“ kundgemacht. Auf einem daneben getrennt aufgestellten Ständer ist unter anderem der Hinweis „Privatparkplätze“ angebracht.

4.   Beweiswürdigung:

Die Feststellungen waren einerseits auf Grund der Selbstanzeige des Beschwerdeführers und andererseits anhand im Verwaltungsakt befindlicher Fotos (im Übrigen auch vom Beschwerdeführer vorgelegt), auf welchen die kundgemachten Verkehrsbeschränkungen ersichtlich sind.

5.   Rechtslage:

§ 99 Abs. 3 lit.b StVO lautet:

Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im

Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer in anderer als der in Abs. 2 lit. a bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des
§ 4 verstößt, insbesondere die Herbeiholung einer Hilfe nicht ermöglicht, den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalles nicht Hilfe leistet.

6.   Erwägungen:

Im Gegenstand ist nach Maßgabe des Beschwerdevorbringens lediglich strittig, ob der Verkehrsunfall auf einer Straße mit öffentlichen Verkehr passierte.

Dazu wird vom erkennenden Gericht - ergänzend zu den bereits zutreffenden Darlegungen in der Begründung des Straferkenntnisses - ausgeführt, dass ein Schild mit der Aufschrift „Privatparkplätze“ (im do. Erkenntnis: "Privatstraße") allein nicht die Eigenschaft als Straße mit öffentlichem Verkehr gemäß § 1 Abs. 1 StVO 1960 zu nehmen vermag (vgl. E 20. Juli 2004, 2002/03/0223).

Beim Tatort handelt es sich somit um eine Straße mit öffentlichen Verkehr im Sinne der Straßenverkehrsordnung 1960. Dafür spricht im Übrigen auch, dass Straßenverkehrszeichen nach der Straßenverkehrsordnung 1960 kundgemacht wurden.

Der Beschwerdeführer hat daher die Verwaltungsübertretung objektiv begangen.

Nachdem es sich bei der gegenständlichen Verwaltungsübertretung um ein Ungehorsamsdelikt gemäß § 5 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) handelt und es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung kein Verschulden trifft, hat er die Verwaltungsübertretung nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv zu verantworten.

Strafmildernd konnte neben der bereits von der belangten Behörde berücksichtigten aktenmäßigen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers auch gewertet werden, dass er sich ernstlich bemüht hat, den verursachten Schaden gutzumachen oder weitere nachteilige Folgen zu verhindern (§ 34 Abs. 1 Z. 15 StGB) und vor allem sich selbst gestellt hat, obwohl es wahrscheinlich war, dass er unentdeckt bleiben werde (§34 Abs.1 Z. 16 StGB).

Straferschwerend ist nichts zu werten.

§ 45 Abs. 1 Z 4 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) lautet:

Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

4.die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind.

Insbesondere in Anbetracht des erheblichen Überwiegens der Milderungsgründe gelangt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zum Schluss, dass im Gegenstand die Voraussetzungen für das Absehen von einer Bestrafung vorliegen. Um den Beschwerdeführer von der Begehung gleichartiger Verwaltungsübertretungen abzuhalten, ist jedoch eine Ermahnung erforderlich.

Bei diesem Ergebnis sind keine Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

7.   Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 44 Abs. 3 Z 1 VwGVG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da in der Beschwerde nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat.

8.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Verkehrsrecht; Straßenverkehr; Verwaltungsstrafe; Straße mit öffentlichem Verkehr;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.S.2398.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.10.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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