TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/24 W205 2239793-2

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Veröffentlicht am 24.03.2021
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Entscheidungsdatum

24.03.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W205 2239793-2 /4Z

Teilerkenntnis:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. SCHNIZER-BLASCHKA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ghana, gegen Spruchpunkt VII. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 03.02.2021, 1265728002/200542213, zu Recht:

A)

Der Beschwerde gegen gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung des angefochtenen Bescheides (Spruchpunkt VII.) wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Ghanas, stellte am 29.06.2020 in Österreich den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, zu diesem Zeitpunkt befand sie sich im Stadium einer fortgeschrittenen Schwangerschaft, wobei der Vater des Kindes, damals ein Staatsbürger von Ghana, in Österreich über den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“, verfügte. Begründet wurde der Antrag von der Beschwerdeführerin im Wesentlichen damit, im Herkunftsstaat bedroht zu sein, weil ihr Onkel sie mit einem alten Mann verheiraten wolle und sie für den Fall, dass sie nicht gehorchen sollte, enterbt und gefoltert würde. Im Falle einer Rückkehr befürchte sie, von ihrem Onkel und die Familienmitglieder jener Familie, in welche sie einheiraten hätte sollen, sie umbringen würden. Diese Bedrohung führte sie in den folgenden Einvernahmen vom 14.07.2020 und 23.09.2020 näher aus.

2. Am 14.07.2020 kam die Tochter der Beschwerdeführerin zur Welt, diese verfügte zum Zeitpunkt der letzten Einvernahme der Beschwerdeführerin über eine Rot-Weiss-Rot-Karte. Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 16.12.2020 wurde dem Vater der gemeinsamen Tochter die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen und die Verleihung auf die Tochter der Beschwerdeführerin erstreckt.

3. Das Bundesamt wies mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2°Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 6 AsylG (Spruchpunkt II.) ab, erkannte der Beschwerdeführerin einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht zu (Spruchpunkt III.), erließ im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Ghana zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gewährte gemäß § 55 Absatz 1a FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI).

In Spruchpunkt VII. wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Das Bundesamt führte im Wesentlichen – unter näheren beweiswürdigenden Ausführungen - begründend aus, die Beschwerdeführerin sei in Ansehung des konkreten Fluchtvorbringens unglaubwürdig, selbst bei Wahrunterstellung der vorgebrachten Verfolgung könne nicht von einer fehlenden Schutzfähigkeit oder Schutzwilligkeit des Staates Ghana ausgegangen werden, weswegen sich das Vorbringen nicht als asylrelevant erweise. Mangels Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringen habe auch nicht festgestellt werden können, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Ghana für die Beschwerdeführerin eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Die Angaben der Beschwerdeführerin zum Privat- und Familienleben wurden zugrunde gelegt und im Rahmen der Interessensabwägung ua folgendes ausgeführt:

„Nach § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung ausdrücklich zulässig, wenn das aus den in Art. 8 Abs 2 EMRK genannten Gründen dringend geboten ist. Nicht der Eingriff in den Schutzbereich des nach Art 8 EMRK gewährten Grundrechts macht die Erlassung einer Rückkehrentscheidung demzufolge unzulässig, sondern allein dessen Verletzung. Die bloße Tatsache, dass wie in Ihrem Fall ein Familienleben vorliegt, vermag für sich gesehen die Erteilung eines Aufenthaltstitels daher nicht zu rechtfertigen. Im Rahmen der hier vorzunehmenden Interessensabwägung ist in besonderer Weise Bedacht auf die ob zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251, uva). zu nehmen, der zufolge den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, eine hohe Bedeutung zukommt. Würde das bloße Vorliegen eines kurzfristigen Familienlebens – wenngleich der Wert eines Familienlebens an sich nicht zu verkennen ist - ohne tiefgreifende sonstige Integration wie in Ihrem Fall so schwer wiegen, dass eine Rückkehrentscheidung unzulässig ist und ein Aufenthaltstitel zu erteilen wäre, so würde dies zu einem zweckfremden Unterlaufen des gesamten Asylsystems führen und der Weg über den im Ergebnis unberechtigten Asylantrag zum Normalfall werden, um ein gemeinsames Familienleben in Österreich zu begründen. Mit Verweis auf die ob zitierte Rechtsprechung (EGMR 28.11.1996, Ahmut v. Niederlande) gewährt Art 8 EMRK aber eben gerade nicht das Recht auf die freie Wahl des Ortes des gemeinsamen Familienlebens. Nicht umsonst führt § 9 Abs 2 BFA-VG über das tatsächlich bestehende Familienleben hinaus noch weitere in der Interessensabwägung besonders zu berücksichtigende Punkte an. Der Wille des Gesetzgebers ist es daher offensichtlich gerade nicht, dass allein der Umstand, dass ein Familienleben vorliegt, ohne Hinzutreten weiterer Aspekte zur Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung und zur Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG führt.

Laut eigenen Angaben haben Sie Ihren Lebensgefährten in Hamburg kennengelernt und sind von ihm schwanger geworden, weshalb Sie zu ihm nach Österreich gereist wären. Es ist somit offenkundig, dass Sie bereits mit der Absicht in das Bundesgebiet eingereist sind, die Regelungen über eine geordnete Zuwanderung zu umgehen und mit Ihrem Verhalten von Anbeginn versucht haben, in Bezug auf Ihren Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Aus diesem Grund wäre die Erteilung eines Titels nach § 55 AsylG mit Bezugnahme auf Art 8 EMRK in Ihrem Fall zweckfremd und systemwidrig.

Ihnen steht es aber frei, ein gemeinsames Familienleben in Österreich mit dem dafür tatsächlich vorgesehen Rechtsinstitut zu begründen. Hierzu ist auf die Bestimmungen über die Familienzusammenführung nach § 46 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zu verweisen. Hierbei ist darauf zu verweisen, dass die Ausreise für die Dauer eines solchen Verfahrens zumutbar ist (vgl. VwGH v. 18.10.2012 2011/23/0503). Darüber hinaus steht Ihrem Gatten der regelmäßige Besuch in Ghana frei.“

4 Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Die Beschwerdeführerin bekämpft den angefochtenen Bescheid vollumfänglich und führte unter Beantragung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung in der Begründung im Wesentlichen aus, aus dem glaubwürdigen Vorbringen der Beschwerdeführerin und übereinstimmenden einschlägigen Länderberichten ergebe sich, dass sie im Fall ihrer Rückkehr einer Zwangsverheiratung ausgesetzt wäre. Diesem Umstand Rechnung tragend, erfülle die Beschwerdeführerin die Definition eines Flüchtlings im Sinne der GFK, weil sich die Verfolgungshandlungen und asylrelevanten Diskriminierungen unter Art 10 Abs 1 der Statusrichtlinie subsumieren ließen. Hinzu komme, dass sich schon aus der Erzählung der Beschwerdeführerin ergebe, dass der ghanaische Staat nicht in der Lage bzw. willens ist, diese Gefahr zu bannen. Auch eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe nicht.

Weiters führt die Beschwerde aus, im Fall einer Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Ghana wäre die mj österreichische Tochter gezwungen, mit ihrer Mutter das Land zu verlassen.

5. Die gegenständliche Beschwerde langte samt Verwaltungsakt am 17.03.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Der für die gegenständliche Entscheidung relevante § 18 BFA-VG lautet:

„Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 18.

(1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2.

schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3.

der Asylwerber das Bundesamt durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit zu täuschen versucht hat,

4.

der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5.

das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6.

gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7.

der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

( ….)

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.“

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging in der Bescheidbegründung davon aus, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht glaubwürdig sei bzw. Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit des Staates Ghana bestehe, und kam weiters zu dem Ergebnis, dass eine Rückkehrentscheidung bzw. Abschiebung der Beschwerdeführerin sie nicht in ihren von der EMRK geschützten Rechten verletzen würde.

Eine abschließende Beurteilung dieser Fragen ist jedoch nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes erst nach eingehenderer Prüfung des Beschwerdefalles möglich.

Der Beschwerde war daher hinsichtlich Spruchpunkt VII. statt zu geben und dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Soweit sich die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides richtet, wird darüber abgesondert entschieden werden.

2. Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten, vielmehr handelt es sich bei dieser um eine der Sachentscheidung vorgelagerte Entscheidung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen scheint, dass die Angaben des Beschwerdeführers als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

3. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte zur Beurteilung der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen.

4. § 18 Abs. 5 BFA-VG 2014 verpflichtet das Bundesverwaltungsgericht dazu, über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG 2014 bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheides binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde mit (Teil-)Erkenntnis abzusprechen (VwGH vom 19.10.2017, Ra 2017/18/0278.). Es war daher mit Teilerkenntnis zu entscheiden.

Zu B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eine Frage des Einzelfalles ist, der grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung Teilerkenntnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W205.2239793.2.00

Im RIS seit

29.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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