TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/28 W241 2235022-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.04.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

28.04.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
B-VG Art133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs4

Spruch


W241 2235022-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HAFNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch die BBU gegen die Spruchpunkte IV., V. und VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.08.2020, Zahl: 1266664509/200644393, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt V. wird als unzulässig zurückgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. wird als unbegründet abgewiesen.

III. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. wird stattgegeben und das Einreiseverbot ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) ist ein volljähriger Staatsangehöriger Serbiens und reiste am 10.07.2020 in das Bundesgebiet ein.

Er wurde am 26.07.2020 von Beamten der Landespolizeidirektion Wien im Zuge eines Lenker- und Fahrzeugkontrolle aufgehalten, wobei er sich lediglich mit einem serbischen Führerschein legitimieren konnte.

Da der BF seinen Reisepass nicht vorweisen konnte und an der Adresse seiner in Wien aufhältigen Lebensgefährtin nicht behördlich gemeldet war, wurde er festgenommen und in das Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel überstellt.

Am 26.07.2020 wurde der BF durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen und danach enthaftet.

Am 31.07.2020 legte der BF seinen nunmehr aufgefundenen Reisepass vor.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.) und gegen ihn gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG iVm § 10 Abs. 2 und § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.). Ferner wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Serbien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Weiters wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von achtzehn Monaten befristetes Einreiseverbot gegen den BF verhängt (Spruchpunkt VI.).

Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der BF durch seinen Aufenthalt in Österreich die Einwanderungsvorschriften missachtet habe, da er nicht die Bedingungen für den visumsfreien Aufenthalt erfülle, sodass dieser trotz legaler Einreise illegal geworden sei. Da er seit spätestens 26.07.2020 über keine wesentlichen Geldmittel verfüge und auf eine Finanzierung durch seine Lebensgefährtin angewiesen sei sowie gegen die Meldevorschriften verstoßen habe, gefährde er durch sein Verhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit und sei daher ein Einreiseverbot zu erlassen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit seinem persönlichen Interesse an einem Verbleib in Österreich überwiege. Da der BF sein rechtsuntreues Verhalten einsehe und erstmalig negativ in Erscheinung getreten sei, könne mit einem auf 18 Monate befristeten Einreiseverbot das Auslangen gefunden werden.

3. Die Abschiebung des BF nach Serbien erfolgte am 13.08.2020.

4. Gegen die Spruchpunkte IV., V. und VI. des Bescheides richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 04.09.2020.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Behörde das Einreiseverbot ausschließlich mit der Mittellosigkeit des BF begründet habe. Dieser habe sich aber, abgesehen von seinem illegalen Aufenthalt, in Österreich nichts zuschulden kommen lassen, das Einreiseverbot erweise sich als unverhältnismäßig. Auch seien die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde und die Nichtzuerkennung einer Frist für die freiwillige Ausreise unzureichend begründet worden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger Serbiens und führt die im Spruch angeführten Personalien; seine Identität steht fest. Er reiste am 10.07.2020 in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein und hielt sich bis zu seiner Rückkehr nach Serbien am 13.08.2020 durchgehend hier auf.

Der BF hat acht Jahre die Grundschule besucht. Er arbeitet saisonal im Sommer in der Landwirtschaft und lebt im Winter von Sozialhilfe.

In Serbien sind die Eltern, zwei Söhne und eine Tochter aufhältig. In Österreich befindet sich die Lebensgefährtin des BF sowie ein Bruder.

1.2. Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.

Er weist im Zentralen Melderegister vom 26.06.2019 bis 12.11.2019 einen Nebenwohnsitz und vom 02.03.2020 bis 10.03.2020 einen Hauptwohnsitz in Österreich auf. Nach seiner Einreise am 10.07.2020 hat sich der BF behördlich nicht gemeldet, er verfügte jedoch über eine Unterkunft bei seiner Lebensgefährtin in Wien.

Der BF ging in Österreich bisher keiner legalen Beschäftigung nach und verfügt über keinen Aufenthaltstitel in Österreich. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF über einen Aufenthaltstitel oder eine Arbeitserlaubnis in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union verfügt.

Der BF war zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung mittellos und nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt aus eigenem zu bestreiten bzw. Mittel zur Finanzierung seines Aufenthalts rechtmäßig zu erlangen.

Der Lebensmittelpunkt des BF lag bisher in Serbien, wo auch die meisten seiner Familienangehörigen leben.

1.4. Die im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 4 FPG ausgesprochene Rückkehrentscheidung sowie die gemäß § 52 Abs. 9 leg.cit. erfolgte Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Serbien sind infolge insofern ungenutzten Ablaufs der Rechtsmittelfrist in Rechtskraft erwachsen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung zur Identität und Staatsangehörigkeit des BF ergibt sich aus dem unstrittigen Akteninhalt, den diesbezüglichen Angaben des BF vor der belangten Behörde und in der Beschwerde sowie dem im Verwaltungsakt ersichtlichen serbischen Reisepass, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel entstanden sind.

Die Feststellung zur Einreise des BF in das Bundesgebiet ergibt sich aus dem Reisepass, der darin angebrachte Einreisestempel weist das Datum 10.07.2020 auf.

Aus der Aktenlage geht nicht hervor, dass der BF jemals über eine Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet verfügt hätte. Im Zentralen Fremdenregister scheinen keine diesbezüglichen Vermerke auf und wurde vom BF auch nichts Gegenteiliges vorgebracht.

Die Unbescholtenheit ergibt sich aus einem Strafregisterauszug, die bisherigen Wohnsitzmeldungen aus dem Zentralen Melderegister.

Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen und persönlichen Lebensumständen des BF in Serbien und Österreich und zu seinen dortigen familiären Bezügen ergeben sich aus dem Akteninhalt und den Angaben des BF.

Die Abschiebung des BF in sein Heimatland geht aus dem Abschiebeauftrag vom 13.08.2020 hervor.

Die Feststellung, dass fallgegenständlich lediglich das ausgesprochene Einreiseverbot sowie die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und die Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise in Beschwerde gezogen wurden und die übrigen Spruchteile unangefochten in Rechtskraft erwachsen sind, ergibt sich aus dem Wortlaut des Beschwerdeschriftsatzes sowie der Stellungnahme vom 18.12.2020.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die verfahrensgegenständliche Beschwerde richtet sich ausdrücklich ausschließlich gegen das in Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides für die Dauer von achtzehn Monaten gegen den BF ausgesprochene Einreiseverbot, die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde und der Nichtzuerkennung einer Frist für die freiwillige Ausreise. Die übrigen Spruchteile (Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG sowie Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 52 Abs. 9 FPG) erwuchsen demnach mit insofern ungenutztem Ablauf der vierwöchigen Beschwerdefrist in Rechtskraft, sodass sich die folgenden Ausführungen auf die Frage der Rechtmäßigkeit des gegen den BF verhängten Einreiseverbotes, der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde und der Nichtzuerkennung einer Frist für die freiwillige Ausreise (vgl. zur Trennbarkeit dieser Spruchpunkte VwGH 15.05.2012, 2012/18/0029 u.a.; 22.05.2013, 2011/18/0259; 24.05.2018, Ra 2017/19/0311) zu beschränken haben.

Zu Spruchteil A)

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Da keine Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung erhoben wurde, kommt eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung nicht in Betracht, ebensowenig die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

3.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids:

Da der Beschwerde vom BFA die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde und die Beschwerde dagegen zurückgewiesen wurde, ist gemäß § 55 Abs. 4 FPG das Absehen von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise rechtskonform. Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids ist daher nicht korrekturbedürftig.

3.4. Zu Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids - Behebung des Einreiseverbotes:

3.4.1. Der mit „Einreiseverbot“ betitelte § 53 FPG i.d.g.F. lautet auszugsweise:

„§ 53 (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3.       ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4.       ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

7.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet;

8.       ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder

9.       der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt. (4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

…“

3.4.2. Gemäß § 53 FPG kann das BFA mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands), Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig von seinem bisherigen Verhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 53 Abs. 2 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert. Dies ist demnach z.B. dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (§ 53 Abs. 2 Z 6 FPG). In diesem Fall kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden.

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden, sondern steht im Ermessen der Behörde. Es soll bestimmte, mit dem Aufenthalt des betroffenen Fremden potentiell verbundene Gefährdungen öffentlicher Interessen hintanhalten. Dabei ist im Rahmen einer Interessensabwägung zu prüfen, inwiefern private und familiäre Interessen des Fremden der Verhängung des Einreiseverbots in der konkreten Dauer allenfalls entgegenstehen. Ein Einreiseverbot ist dann zu verhängen, wenn die Gefährdungsprognose eine zukünftige Gefährdung relevanter öffentlicher Interessen ergibt und eine Interessensabwägung nach Art. 8 EMRK zu Lasten des betroffenen Drittstaatsangehörigen ausgeht (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10 ff; VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0062).

Im Zusammenhang mit der Prüfung ausreichender Unterhaltsmittel muss der Unterhalt für die beabsichtigte Dauer des Aufenthalts gesichert sein, wobei diese Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen dürfen (siehe VwGH 29.04.2010, 2007/21/0262). Es ist initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass der oder die Fremde nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung des Unterhalts verfügt, sondern der Unterhalt für die beabsichtigte Aufenthaltsdauer und die Rückreise gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass ein Rechtsanspruch darauf besteht und die Mittel nicht aus illegalen Quellenstammen (VwGH 19.12.2018, Ra 2018/20/0309).

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden (vgl. VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0207). Es ist dann zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung seiner Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt ist. Es ist zudem im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen des Betroffenen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; vgl auch VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289; 22.08.2019, Ra 2019/21/0062).

Der bloße unrechtmäßige Aufenthalt stellt nach dem System der Rückführungsrichtlinie noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung dar, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbotes gebieten würde (VwGH 24.05.2018, Ra 2018/19/0125).

Der Verwaltungsgerichtshof hielt dazu in seiner Entscheidung vom 04.08.2016, Ra 2016/21/0207, fest: „Mit dem FNG-Anpassungsgesetz 2014 wurde die Anordnung, dass mit einer Rückkehrentscheidung stets ein Einreiseverbot einherzugehen hat, eliminiert; außerdem wurde die 18-monatige Mindestdauer eines Einreiseverbotes beseitigt. Ausschlaggebend dafür waren gemäß den ErläutRV (2144 BlgNR 24. GP 23 f) die Überlegungen in den E vom 15. Dezember 2011, 2011/21/0237, und vom 15. Mai 2012, 2012/18/0029. Nach dieser Judikatur stellt jedenfalls der bloße unrechtmäßige Aufenthalt nach dem System der Rückführungs-RL noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung dar, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbotes gebieten würde. Zwar kann eine Rückkehrentscheidung dessen ungeachtet mit einem Einreiseverbot einhergehen, eine zwingende Mindestdauer von 18 Monaten – mag sie auch häufig gerechtfertigt sein – in jedem Fall wird der Anordnung, wonach die Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu erfolgen hat, jedoch nicht gerecht. Letztere – zweifellos unmittelbar anwendbare – Richtlinienbestimmung steht daher § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 insoweit entgegen, als dort – ohne Ausnahme – die Festsetzung eines Einreiseverbotes für die Dauer von 18 Monaten vorgesehen ist. Umgekehrt kennt das FrPolG 2005 keine kürzere Frist für das Einreiseverbot. Es ist daher davon auszugehen, dass gegebenenfalls, wenn sich das Fehlverhalten des Drittstaatsangehörigen auf den unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet beschränkt und fallbezogen ausnahmsweise (etwa auf Grund seiner kurzen Dauer oder der dafür maßgebenden Gründe) nur eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens darstellt, überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen ist. Immer dann, wenn auf Grund des die öffentliche Ordnung (oder Sicherheit) bloß geringfügig beeinträchtigenden Fehlverhaltens des Drittstaatsangehörigen die Erlassung eines Einreiseverbotes für die Dauer von 18 Monaten nicht gerechtfertigt ist, ist überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen.“

Zwar hat sich die belangte Behörde zutreffend auf die Mittellosigkeit des BF gestützt, diese stellt jedoch ob des äußerst kurzen Aufenthaltes von ca. einem Monat lediglich eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dar. Der BF ist während seines Aufenthaltes weder strafgerichtlich in Erscheinung getreten, noch wurde er wegen Verwaltungsübertretungen bestraft. Ferner verfügte er über eine Unterkunft bei seiner Lebensgefährtin, welche ihn finanziell unterstützte. Auch während seiner vorangegangenen Aufenthalte in Österreich ist der BF weder straf- noch fremdenrechtlich in Erscheinung getreten und war beide Male aufrecht im Bundesgebiet gemeldet (vom 26.06.2019 bis 12.11.2019 mit einem Nebenwohnsitz und vom 02.03.2020 bis 10.03.2020 mit einem Hauptwohnsitz).

Im Ergebnis zeigt sich daher, dass vor dem Hintergrund der vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Judikatur im gegenständlichen Fall ein Einreiseverbot zusätzlich zur Rückkehrentscheidung nicht notwendig erscheint, um der vom BF ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit wirksam zu begegnen. Daher kann ausnahmsweise von der Erlassung eines Einreiseverbots abgesehen werden.

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. war sohin stattzugeben und dieser Spruchpunkt zu beheben.

4. § 21 Abs. 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung sogar dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt anhand der Aktenlage und des Beschwerdevorbringens geklärt werden konnte, kann die Beschwerdeverhandlung entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.


Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall Einreiseverbot ersatzlose Teilbehebung freiwillige Ausreise Frist Gefährdungsprognose illegaler Aufenthalt Meldeverpflichtung Mittellosigkeit Teilstattgebung Unbescholtenheit Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W241.2235022.1.00

Im RIS seit

29.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten