TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/30 W140 2164277-1

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Veröffentlicht am 30.04.2021
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Entscheidungsdatum

30.04.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §40
B-VG Art133 Abs4
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §35 Abs3

Spruch


W140 2164277-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Alice HÖLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , StA. Serbien, vertreten durch RA Mag. Astrid Wagner, gegen die Anhaltung von 13.07.2017 (08:30 Uhr) bis 13.07.2017 (17:20 Uhr), zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 iVm § 40 BFA-VG abgewiesen.

II. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG iVm § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat der Beschwerdeführer dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF), ein serbischer Staatsangehöriger, trat erstmals 2006 im Bundesgebiet melderechtlich in Erscheinung und war mit kurzen Unterbrechungen bis 2013 durchgehend gemeldet.

Gegen den BF wurde am 13.06.2008 von der XXXX ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Am 03.04.2012 wurde dieses Aufenthaltsverbot mit Berufungsbescheid des XXXX mit der Maßgabe bestätigt, dass das Aufenthaltsverbot auf drei Jahre begrenzt wurde. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.06.2012 abgelehnt.

Der BF wurde im Bundesgebiet mit Urteilen des Landesgerichtes für XXXX vom 13.03.2008, 31.03.2008, und 21.10.2011 wegen Suchtmitteldelikten, Diebstahl, Körperverletzung und Sachbeschädigung strafrechtlich verurteilt.

Der BF stellte am 13.03.2016 einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes. Der BF kam einer Ladung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) für den 28.04.2016 unentschuldigt nicht nach. Das BFA erließ daraufhin am 02.05.2016 einen Ladungsbescheid für den 30.05.2016. Die rechtsfreundliche Vertretung des BF bat zweimal um Verlegung des Termins sowie um Gewährung eines Parteiengehöres.

Mit Schriftsatz vom 06.06.2016 erstattete der BF durch seine Vertretung eine Äußerung. Hierbei gab der BF zusammengefasst an, dass er bereits im Frühjahr 2012 nach Serbien ausgereist sei und sich bis 2014 ununterbrochen in Serbien aufgehalten habe. Dies sei durch die in Vorlage gebrachten Rechnungen und den namhaft gemachten Zeugen dokumentiert. In Österreich lebe seine gesamte Familie und habe er nach dem Tod seiner Großmutter im Jahr 2014 keine sozialen Bindungen mehr zu Serbien. Seine Kinder würden in Österreich leben und er wolle sich als Vater an der Erziehung seiner Kinder beteiligen. Aufgrund seiner bereits 2012 erfolgten Ausreise sei das Aufenthaltsverbot jedenfalls nicht bis 2017 gültig. Das Recht auf Achtung des Familienlebens würde im vorliegenden Fall ungleich schwerer wiegen als allfällige öffentliche Interessen, was bei einer Aufhebung des Aufenthaltsverbotes zu berücksichtigen sei.

Mit Bescheid des BFA vom 23.06.2016 wurde der Antrag auf Aufhebung des mit Bescheides der XXXX vom 13.06.2008 verhängten Aufenthaltsverbotes gemäß § 69 Abs. 2 FPG zurückgewiesen. Begründend ging das BFA davon aus, dass das Aufenthaltsverbot mit der Vorlage der Bestätigung über den Aufenthalt des BF in Serbien am 09.10.2012 sohin bis 09.10.2015 bestand und somit zum Entscheidungszeitpunkt abgelaufen sei.

Der BF wurde mit Ladung vom 23.06.2016 für den 27.07.2016 vor das BFA geladen.

Mit Schreiben des BFA vom 09.09.2016 wurde der BF über die beabsichtigte Erlassung einer Rückkehrentscheidung informiert und ihm die Möglichkeit gegeben, binnen zwei Wochen eine Stellungnahme hierzu abzugeben. Begründend führte die Behörde aus, dass der BF spätestens am 12.03.2016 nach Österreich gereist sei. Das zu diesem Zeitpunkt noch bestehende Aufenthaltsverbot sei infolge späterer Urkundenvorlage als abgelaufen zu werten gewesen. Mittlerweile habe der BF jedoch den sichtvermerkfreien Zeitraum bei Weitem überschritten und sei somit unrechtmäßig aufhältig. Er erscheine nicht bei Ladungen und es liege auch keine Bestätigung über die Ausreise des BF vor. Es sei daher beabsichtigt, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG zu erlassen.

Mit Schreiben vom 28.09.2016 äußerte sich der BF durch seine Vertretung zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung. Hierbei wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass eine Rückkehrentscheidung einen verletzenden Eingriff in das Recht des BF auf Achtung des Privat- und Familienlebens darstellen würde, da er in Österreich aufgewachsen sei, hier 4 leibliche Kinder habe und zudem seine Lebensgefährtin in Österreich lebe. Der BF sei um die Regelung seines Aufenthaltes im Bundesgebiet bemüht und die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen lägen vor. Es werde daher der Antrag gestellt, dem BF eine solche zu erteilten.

Das BFA teilte dem BF mir Verfahrensanordnung vom 04.10.2016 mit, dass der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen persönlich bei der Behörde einzubringen sei und mangels persönlicher Einbringung zurückgewiesen werde.

Der BF kam der persönlichen Einbringung seines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht nach.

Das BFA wies mit Bescheid vom 25.10.2016, dem Arbeitgeber des BF zugestellt am 02.11.2016, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vom 28.09.2016 gemäß § 58 Abs. 5 AsylG 2005 zurück und erließ gegen den BF gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt I.). Unter einem stellte das BFA gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des BF nach Serbien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.) und gewährte dem BF gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt III.). Ferner erkannte es gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IV.). Gegen diesen Bescheid erhob der BF Beschwerde.

Das BFA legte die Beschwerde mit Schriftsatz vom 14.11.2016, eingelangt am 16.11.2016, vor. Das Bundesverwaltungsgericht erkannte der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zu. Einer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 19.05.2017 statt, behob den ersten Satz des Spruchpunkt I. des Bescheides ersatzlos (Spruchpunkt I.) und wies die Beschwerde zu Spruchpunkt I. zweiter Satz des angefochtenen Bescheides sowie zu Spruchpunkt II. des Bescheides als unbegründet ab (Spruchpunkt II.). Ferner behob es die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides und stellte fest, dass Spruchpunkt III. zu lauten hat, dass „die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides beträgt“. Mit Erkenntnis vom 24.11.2017 behob der Verfassungsgerichtshof das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes bezüglich der Spruchpunkte A) II. und III. sowie B) und lehnte die Behandlung der Beschwerde soweit sie sich gegen Spruchpunkt A) I. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, ab. Insoweit wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.05.2018 wurden die Spruchpunkte I. zweiter Satz (Rückkehrentscheidung), II., III., und IV. des angefochtenen Bescheides vom 25.10.2016 aufgehoben.

Das BFA meldete den BF am 21.11.2016 zum Sammeltransport XXXX am 01.12.2016 an. Unter einem erließ es einen Festnahme- und Durchsuchungsauftrag, wonach der BF gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG festzunehmen sei. Für die Erlassung des Festnahmeauftrages sei maßgeblich, dass gegen den BF eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bestehe und er sich im Bundesgebiet aufhalte. Die Abschiebung nach SERBIEN solle am 01.12.2016 mit dem Sammeltransport XXXX um 15:00 Uhr stattfinden. Es werde um Vollziehung der Festnahme von 28.11.2016, 21:00 Uhr bis 01.12.2016, 09:00 Uhr, an der Wohnanschrift des BF in XXXX gebeten.

Der BF konnte jedoch bei mehrmaligen Festnahmeversuchen, zuletzt am 01.12.2016, nicht an seiner aufrechten Meldeadresse angetroffen werden.

Das BFA erließ daraufhin am 15.12.2016 erneut einen Festnahmeauftrag, wonach die Festnahme am 16.12.2016 bei Antreffen des BF vor dem BVwG in XXXX zu vollziehen sei. Aufgrund der kurzfristigen Absage der Verhandlung musste der Festnahmeversuch am 15.12.2016 storniert werden.

Der BF wurde mit Ladung vom 13.06.2017 zur Einvernahme am 28.06.2017 vor das BFA geladen. Das BFA meldete den BF am 21.06.2017 für den Sammeltransport nach XXXX an.

Der BF kam seinem Ladungstermin nicht nach und wurde mit Ladung vom 28.06.2017 neuerlich für den 13.07.2017 vor das BFA geladen. Das BFA meldete den BF am 06.07.2017 für den Sammeltransport nach XXXX an.

Am 12.07.2017 erließ das BFA einen Abschiebeauftrag für die Abschiebung des BF am 13.07.2017 um 17:00 Uhr nach XXXX .

Der BF wurde am 13.07.2017 vor dem BFA zu seinem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen im Sinne des §55 AsylG niederschriftlich einvernommen. Hierbei gab er im Wesentlichen an, seinen Lebensunterhalt durch Notstandshilfe zu finanzieren und, dass im Bundesgebiet seine Mutter, seine Kinder sowie seine Lebensgefährtin lebten. Er verfüge über € 280,-- an Barmittel. Dieser Antrag wurde in weiterer Folge erstinstanzlich rechtskräftig zurückgewiesen.

Der BF wurde im Anschluss an die Einvernahme aufgrund des bestehenden Festnahmeauftrages festgenommen und in das PAZ XXXX überstellt. Bei der Festnahme wurde der serbische Reisepass des BF sichergestellt.

Der BF wurde von 13.07.2017 (08:30 Uhr) bis 13.07.2017 (17:20 Uhr) in Verwaltungsverwahrungshaft angehalten. Diese wurde im PAZ XXXX vollzogen.

Zum Zeitpunkt der Festnahme lag gegen den BF eine durchsetzbare und durchführbare Rückkehrentscheidung nach SERBIEN vor. Der BF wurde am 13.07.2017 um 17:20 Uhr auf dem Landweg abgeschoben. Der BF brachte am 13.07.2017 eine handschriftliche „Schubhaftbeschwerde“ ein. Er führte im Wesentlichen aus, dass er im Inland vier minderjährige Kinder habe und er seit zwei Jahren aufrecht gemeldet sei. Er habe sich nie verborgen gehalten und sei bereit freiwillig auszureisen. Der BF beantragte lediglich seine „Enthaftung“. Ein Kostenersatzanspruch wurde nicht geltend gemacht.

Das BFA legte den Verwaltungsakt am 13.07.2017 vor und erstattete am Folgetag eine Stellungnahme, in der es beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge die Beschwerde als unbegründet abweisen bzw. als unbegründet zurückweisen und den BF zum Ersatz der angeführten Kosten verpflichten.

Das Bundesverwaltungsgericht gewährte dem BF mit Schriftsatz vom 23.08.2018, mit dem Hinweis ergänzende Unterlagen binnen 14 Tagen nach Erhalt des Schreibens vorzulegen, Parteiengehör. Nach mehrmaliger Rücksprache mit der Vertretung des BF langten bis zum Entscheidungszeitpunkt keine weiteren Unterlagen bzw. Stellungnahmen ein. Seitens der Vertretung des BF wurde zuletzt am 03.02.2021 mitgeteilt, dass der BF seit längerer Zeit nicht erreichbar sei.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer führt die im Spruch genannten Personalien, ist Staatsangehöriger Serbiens und verfügt nicht über die österreichische Staatsbürgerschaft.

Der BF wurde im Bundesgebiet mehrmals strafrechtlich verurteilt, kam Ladungsterminen des BFA mehrmals nicht nach und konnte auch bei Festnahmeversuchen an seiner Wohnadresse im Bundesgebiet nicht angetroffen werden.

Ein über den Beschwerdeführer verhängtes Aufenthaltsverbot lief am 09.10.2015 ab.

Der BF war seit 08.04.2016 wieder im Bundesgebiet gemeldet, wo er sich seither - bis zu seiner Abschiebung am 13.07.2017 - durchgehend aufhielt.

Das BFA erließ mit Bescheid vom 25.10.2016 eine Rückkehrentscheidung gegen den BF nach Serbien und erkannte einer Beschwerde gegen den Bescheid die aufschiebende Wirkung ab. Der Bescheid wurde am 02.11.2016 zugestellt. Das BFA legte die Beschwerde mit Schriftsatz vom 14.11.2016, eingelangt am 16.11.2016, vor. Das Bundesverwaltungsgericht erkannte der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zu.

Mit Erkenntnis vom 19.05.2017, Zl. XXXX , wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung ab. Dagegen wurde Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Mit Erkenntnis vom 24.11.2017, XXXX , behob der Verfassungsgerichtshof (VfGH) das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich der Spruchpunkte A) II. und III. sowie B) und lehnte die Behandlung der Beschwerde soweit sie sich gegen Spruchpunkt A) I. des angefochtenen Erkenntnisses richtete, ab. Insoweit wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten, eine Revision an den VwGH wurde jedoch nicht erhoben. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.05.2017, zugestellt am 29.05.2018, wurden die Spruchpunkte I. zweiter Satz (Rückkehrentscheidung), II., III., und IV. des angefochtenen Bescheides vom 25.10.2016 aufgehoben.

Das BFA erließ am 15.12.2016 einen Festnahmeauftrag, wonach der BF gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG festzunehmen und in das PAZ XXXX zu verbringen war.

Am 12.07.2017 erließ das BFA einen Abschiebeauftrag, wonach der BF am 13.07.2017 um 17:00 Uhr zwecks Abschiebung in das XXXX zu überstellen war.

Der Beschwerdeführer wurde am 13.07.2017 aufgrund des vorliegenden Festnahmeauftrages gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG festgenommen und befand sich von 13.07.2017 (08:30 Uhr) bis 13.07.2017 (17:20 Uhr) im Stande der Verwaltungsverwahrungshaft, die im Polizeianhaltezentrum XXXX vollzogen wurde.

Im Zeitpunkt der Festnahme und der Anhaltung lag gegen den BF eine durchsetzbare und durchführbare Rückkehrentscheidung nach Serbien vor.

Der BF wurde am 13.07.2017 um 17:20 Uhr auf dem Landweg nach Serbien abgeschoben.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und dem bisherigen Verfahren ergeben sich aus der Aktenlage.

Die Feststellungen zur Festnahme und der weiteren Anhaltung des BF sowie Abschiebung des BF ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt und entsprechen dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes (Einsicht in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung).

Die Feststellungen zur Straffälligkeit des BF in Österreich ergeben sich aus dem Strafregisterauszug. Die Feststellungen zu den behördlichen Meldungen des BF sind dem Zentralen Melderegister entnommen.

Der Bescheid des BFA vom 25.10.2016 und die Erkenntnisse des BVwG vom 19.05.2017 und 29.05.2018 sowie das Erkenntnis des VfGH vom 24.11.2017 liegen im Akt ein.

Der gegen den BF erlassene Festnahme- sowie der Abschiebeauftrag ergibt sich aus der Aktenlage.


3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit:

Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) idgF erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

„[…] 1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit; [...]“

§ 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr 87/2012 idgF, lautet:

„(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,

2. [...]

3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG, [...]“

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1.       er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2.       er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3.       gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist. (…)“

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 Z. 2 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Zu Spruchpunkt A.I.) Anhaltung von 13.07.2017 (08:30 Uhr bis 17:20 Uhr):

Der mit „Festnahme“ betitelte Abs. 1 des § 40 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 70/2015 lautet:

„(1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen,
1.         gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht,
2.         wenn dieser Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt oder
3.         der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(…)

(4) Das Bundesamt ist ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen. Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen der Abs. 1 Z 2 und 3 und Abs. 2 bis zu 48 Stunden und in den Fällen des Abs. 1 Z 1 bis zu 72 Stunden zulässig; darüber hinaus ist Freiheitsentziehung nur gemäß § 77 Abs. 5 FPG oder in Schubhaft gemäß § 76 FPG möglich. Dem festgenommenen Fremden ist die Vornahme der Festnahme über sein Verlangen schriftlich zu bestätigen. (…)“

Der mit „Festnahmeauftrag“ betitelte § 34 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 70/2015 lautet auszugsweise:

„(...) (3) Ein Festnahmeauftrag kann gegen einen Fremden auch dann erlassen werden,
1.         wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 FPG oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 FPG vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor das Bundesamt erfolgt;
2.         wenn er seiner Verpflichtung zur Ausreise (§§ 52 Abs. 8 und 70 Abs. 1 FPG) nicht nachgekommen ist;
3.         wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll (...)

(5) Der Festnahmeauftrag ergeht in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt; er ist aktenkundig zu machen. Die Anhaltung auf Grund eines Festnahmeauftrages darf 72 Stunden nicht übersteigen und ist nach Durchführung der erforderlichen Verfahrenshandlungen zu beenden. (…)“

Nach Art. 5 Abs. 1 EMRK hat jedermann ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den Fällen des Abs. 1 lit. a bis f und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden. Art. 1 PersFrBVG gewährleistet dieses Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) ebenfalls. Nach Art. 1 Abs. 2 PersFrBVG darf niemand aus anderen als den in diesem BVG genannten Gründen oder auf andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden. Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nach Art. 1 Abs. 3 PersFrBVG nur vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist. Er ist nur zulässig, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht. Nach Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG darf die persönliche Freiheit einem Menschen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

Die gesonderte Anfechtung eines Festnahmeauftrages kommt jedenfalls nach vollzogener Festnahme schon zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten nicht in Betracht (VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0025); bei der Überprüfung der Festnahme ist allerdings zu prüfen, ob die Festnahme rechtswidrig war, weil der zugrundeliegende Festnahmeauftrag nicht hätte ergehen dürfen oder weil er jedenfalls vor seinem Vollzug zu widerrufen gewesen wäre (VwGH 25.10.2012, 2010/21/0378).

Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen der § 40 Abs. 1 Z 1 gemäß Abs. 4 BFA-VG bis zu 72 Stunden zulässig. Dabei handelt es sich aber – wie bei § 39 FPG (vgl. VwGH 12.09.2013, 2012/21/0204) – um eine Maximalfrist. Auch im Bereich fremdenpolizeilicher Festnahmen ist die Behörde schon aus verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtet, die Anhaltedauer so kurz als möglich zu halten und im Interesse einer kurzen Haftdauer die dafür notwendigen und ihr zumutbaren organisatorischen und personellen Maßnahmen zu treffen.

Im Verfahren gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG ist die Frage der Rechtmäßigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme keiner Prüfung zu unterziehen (VwGH 27.03.2007, 2007/21/0019; 31.08.2006, 2004/21/0138), ebenso wenig die Rechtmäßigkeit der Abschiebung. Beachtlich ist vielmehr im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit von Festnahme und Anhaltung, ob die belangte Behörde bei Setzung dieser Maßnahme realistischer Weise mit der tatsächlichen Durchführung der Abschiebung rechnen durfte.

In Maßnahmenbeschwerdeverfahren ist es Aufgabe des BVwG die Maßnahme einer nachträglichen Kontrolle zu unterziehen. Die spätere Behebung einer - zum Zeitpunkt der Setzung der Maßnahme durchsetzbaren Rückkehrentscheidung - ist unerheblich. Denn die Frage, ob die Maßnahme aus damaliger Sicht - in welche die spätere Behebung der Rückkehrentscheidung nicht einbezogen werden konnte – rechtens war, bleibt davon unberührt (vgl. VwGH vom 11.03.2021, Ra 2020/21/0274-12, insb. Rn. 17 und 18).

Das BFA erließ am 15.12.2016 gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG einen Festnahmeauftrag gegen den Beschwerdeführer, in welchem insbesondere ausgeführt wurde: „Die genannte Person ist gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG – Erlassung eines Auftrages zur Abschiebung festzunehmen. (…) Nach Festnahme ist o.G. in das XXXX zu überstellen. (…) Für die Erlassung des Festnahmeauftrages war maßgebend, dass gegen oa Person eine durchsetzbare Rückehrentscheidung besteht und sich der Beschwerdeführer im Bundesgebiet aufhält. Ein Festnahmeversuch an der gemeldeten Adresse schlug bereits fehl. Um Vollziehung der Festnahme bei Antreffen wird gebeten.“

Gemäß § 40 Abs. 4 BFA-VG war die Anhaltung des aufgrund des Festnahmeauftrages festgenommenen BF für eine Dauer von 72 Stunden zulässig. Der BF wurde am 13.07.2017 von 08:30 bis 17:20 in Verwaltungsverwahrungshaft angehalten, was eine Anhaltedauer von 8 Stunden und 50 Minuten ergibt. Gegen den BF bestand ein aufrechter und auf einen Festnahmegrund gestützter Festnahmeauftrag. Die Anhaltung lag daher innerhalb des gesetzlich normierten Rahmens. Die Behörde konnte – im Hinblick auf die bereits geplante Abschiebung – jedenfalls von einer Abschiebung innerhalb der für die Anhaltung im Rahmen der Festnahme vorgesehenen Höchstfrist ausgehen. Der BF wurde am 13.07.2017 (17:20 Uhr) auf dem Landweg nach Serbien abgeschoben. Hinweise auf die Unrechtmäßigkeit des – der Anhaltung zugrunde liegenden – Festnahmeauftrages vom 15.12.2016 und der Festnahme sind nicht hervorgekommen. Insbesondere hatte die spätere Behebung der Rückkehrentscheidung – nach der dargestellten Judikatur – keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der Festnahme, zumal zum Zeitpunkt der Festnahme eine durchsetzbare und auch durchführbare Rückkehrentscheidung vorlag. Ein Abschiebeauftrag war am 12.07.2017 erlassen worden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde abzuweisen.

Zu Spruchpunkt A.II.) Kostenbegehren:

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

Im gegenständlichen Fall wurde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Anhaltung) Beschwerde erhoben.

Es begehrte nur das BFA Kostenersatz entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Die belangte Behörde hat als (vollständig) obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang. Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegener Partei hingegen kein Kostenersatz.

Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

Zu Spruchteil B) Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Es sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Abschiebungsnähe Anhaltung aufrechte Rückkehrentscheidung Befehls- und Zwangsgewalt Dauer Festnahme Festnahmeauftrag Kostentragung Maßnahmenbeschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W140.2164277.1.00

Im RIS seit

29.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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