TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/14 W205 2240867-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.05.2021
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Entscheidungsdatum

14.05.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §18
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch


W205 2240867-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SCHNIZER-BLASCHKA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Kamerun, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.02.2021, Zl. 1270743505-201102416, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. wird gemäß § 57 und § 61 FPG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt III. zu lauten hat: „Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG wird Ihnen nicht erteilt.“

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird insofern stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbotes auf ein Jahr herabgesetzt wird.

III. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben.

IV. Die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Kamerun, stellte nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 06.11.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der am 07.11.2020 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung gab die Beschwerdeführerin an, ledig zu sein, exzellent Englisch und gut Französisch zu sprechen, der Volksgruppe der Ewondo und der Religion des Christentums anzugehören. Sie habe die Grundschule, eine allgemeinbildende höhere Schule sowie die Universität besucht und eine Informatikausbildung absolviert. Eine Schwester lebe in Frankreich, Verwandte oder Familienangehörige in Österreich habe sie nicht. Ihr Vater, ihre zwei Brüder und ihre siebenjährige Tochter seien in ihrem Herkunftsland aufhältig, ihre Mutter sei bereits verstorben. Ihre Tochter würde bei einer Freundin wohnen, sie selbst würde aber alles entscheiden. Sie sei mit dem Flugzeug am 27.04.2018 aus ihrem Herkunftsland ausgereist und habe als Zielland die Ukraine gehabt, da sie von einer Freundin dahin eingeladen worden sei. Ihr Reisepass sei bei der österreichischen Polizei. Sie habe sich anschließend zwei Jahre in der Ukraine und bis 05.11.2020 in Ungarn aufgehalten, bevor sie nach Österreich gereist sei. In Budapest habe sie eine Ausbildung gemacht und habe nach Frankreich fahren wollen, um dort bei der Botschaft ihren Pass erneuern zu lassen. Sie habe in keinem anderen Land um Asyl angesucht, habe in Ungarn einen Aufenthaltstitel, gültig bis 11.10.2020, erhalten. Von der Ukraine habe sie einmal ein Visum erhalten.

Als Fluchtgrund gab die Beschwerdeführerin an: „Meine Eltern waren getrennt. Es hat sich nur meine Mutter um uns gekümmert. Meine Mutter und meine ältere Schwester sind gestorben. Ein Onkel hat danach gesagt, wir können bei ihm bleiben. Er hat mich aber bedroht und gesagt, er will mit mir schlafen. Ich habe das meiner Tante erzählt und sie hat dann behauptet, ich sei eine Hexe. Ich habe dann den Vater meiner Tochter getroffen. Als meine Familie das erfahren hat, haben sie mich zurückgeholt und schlecht behandelt. Ich habe eine Freundin kennen gelernt, die mir geholfen hat, die Papiere nach Ukraine zu bekommen. Sie hat das für mich übernommen und bezahlt und ich habe gesagt, ich zahle ihr alles zurück. Als ich in der Ukraine war, hat mein Vater begonnen, mich zu suchen. Die Familie meiner Mutter hat mich als Schuldige für alles hingestellt.“ Im Fall der Rückkehr befürchte sie, dass ihre Familie ihr das Leben schwer machen würde.

Es wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zunächst ein Dublinverfahren mit Ungarn eingeleitet. Die ungarischen Behörden lehnten die Behandlung des Asylantrages mit Schreiben vom 24.11.2020 allerdings ab.

Am 22.02.2021 wurde die Beschwerdeführerin vom BFA von einer Referentin unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprachen Englisch und Französisch niederschriftlich einvernommen. Die Einvernahme verlief iW wie folgt:

„(…)

F: Sie wurden am 05.11.2020 von der PI Salzburg Fremdenpolizei von der deutschen Bundespolizei aufgrund einer Einreiseverweigerung rückübernommen. Sie wiesen sich dabei mit einem gültigen kamerunischen Reisepass und einem abgelaufenen ungarischen Aufenthaltstitel aus.

Sie wurden am 05.11.2020 um 16:10 Uhr von der Polizei festgenommen.

Sie wurden am 05.11.2020 erkennungsdienstlich behandelt und zur möglichen Schubhaftverhängung einvernommen. Diese Einvernahme gestaltete sich wie folgt: Dabei gaben Sie an, dass Sie gesund wären, keinen Wohnsitz in Österreich, jedoch in Ungarn hätten, keine Angehörigen in Österreich, jedoch eine Schwester in Frankreich leben würde, Sie keine Personen in Österreich kennen würden, bei denen Sie wohnen würden, und Ihnen niemand Geld leihen würde, Sie zwei Kreditkarten mit sich führen würden, wobei auf einer EUR 200,-- befindlich wären, Sie keinen Asylantrag in Österreich oder einem Mitgliedsstaat gestellt hätten, Sie kein Zeuge oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitender Prostitution seien, einen Aufenthaltstitel des Mitgliedsstaates Ungarn besitzen würden, der am 11.10.2020 abgelaufen ist, im Falle der Haftentlassung nach Ungarn zurückkehren wollen würden und gegen die Schubhaft spräche, dass Sie nächste Woche einen Termin bei der ungarischen Einwanderungsbehörde hätten, um Ihren Aufenthaltstitel zu verlängern.

Das PKZ Nickelsdorf beantwortete die Anfrage am 05.11.2020 dahingehend, dass Ihr Titel abgelaufen ist und Ihnen eine Einreise nach Ungarn nicht gestattet wird.

Am 06.11.2020 stellten Sie einen Asylantrag.

Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben.

A.: Ich kann mir das nicht erklären. Ich war beim Immigration Office in Budapest, das war im Juli 2020, ich habe dort meinen Mietvertrag und den Meldezettel vorgelegt. Der Meldezettel wurde sogar abgestempelt. Mein Arbeitgeber erklärte mir, ich möge beim Immigration Office vorsprechen, um eine korrekte Aufenthaltsgenehmigung zu erwirken. Er hat mir alles gesagt, was ich mitnehmen soll. Ich habe wohl nicht alles richtig verstanden. Ich sehe ein, dass auf der Aufenthaltskarte das Ablaufdatumdatum 11.10.2020 steht. Im Reisepass steht aber etwas Anderes (08.01.2021). Ich dachte, dass im Pass der 08.01.2021 steht und ich trotzdem reisen könne.

Ich wollte in Deutschland meinen Reisepass verlängern lassen. Ich sprach bei der Botschaft der Rep. Kamerun in Berlin vor – ich beantragte dort die Neuausstellung meines Reisepasses. Den entsprechenden Abschnitt vom 16.09.2020 lege ich vor. Ich sollte für die Verlängerung meines Aufenthaltstitels einen neuen (für längere Zeit gültigen Reisepass der Rep. Kamerun) vorlegen. Ich konnte von der Botschaft der Rep. Kamerun in Berlin nicht per Post den Reisepass erhalten, sondern ich sollte den Reisepass persönlich abholen. Ich war am 16.09.2020 in Berlin und habe dort den neuen Reisepass beantragt. Ich bin noch am selben Tag nach Budapest zurückgekehrt. Ich wusste, dass ich nur mehr sehr wenig Zeit hatte, meinen Aufenthaltstitel in Ungarn zu verlängern.

Ich habe meine Schwester in Frankreich angerufen, meine Schwester hat mir gesagt, dass die Botschaft der Rep. Kamerun in Paris schneller sei. So wollte ich eigentlich zuletzt im am 05.November 2020 nach Paris reisen, denn dort hätte ich meinen Reisepass schneller erhalten. Da wurde ich aber von der Polizei in München aufgehalten und so strandete ich nun in Österreich. Es blieb mir nichts Anderes übrig, als in Österreich einen Asylantrag zu stellen.

Ich kann nicht nach Kamerun zurück, dort habe ich Probleme. Ich bin in die Ukraine gegangen um Philologie zu studieren. Ich wollte so einer traumatisierenden Situation entfliehen, die ich dort erlebte. Aus diesem Grund kann ich nicht zurück nach Kamerun um meinen Reisepass dort zu verlängern.

F.: Haben Sie gegen eine der anwesenden Personen aufgrund einer möglichen Befangenheit oder aus sonstigen Gründen irgendwelche Einwände.

A.: Nein.

F.: Haben Sie Dokumente, welche Ihre Identität beweisen.

A.: Ich habe meinen abgelaufenen Reisepass der Rep. Kamerun in Vorlage gebracht.

(…)

F.: Wie geht es Ihnen gesundheitlich.

A.: Gut.

F.: Befinden Sie sich in ärztlicher Behandlung oder sonst in Therapie.

A.: Nein.

F.: Nehmen Sie Medikamente.

A.: Nein.

F.: Sind sie einvernahmefähig. Sind Sie geistig und körperlich in der Lage heute die Einvernahme durchzuführen.

A.: Ja.

F.: Können Sie die lateinische Schrift lesen.

A.: Ja.

F.: Können Sie Deutsch.

A.: Nein.

F.: Verstehen Sie den Dolmetsch einwandfrei.

A.: Ja, ich spreche englisch und französisch und bin damit einverstanden, dass die Einvernahme heute in der Sprache Englisch durchgeführt wird.

F.: Welche Sprachen, außer den Genannten sprechen Sie noch.

A.: Ich spreche sonst keine Sprache.

(…)

Danach gefragt, gebe ich an, ich bin Staatsbürgerin von Kamerun, gehöre der Volksgruppe der Ewondo und dem Christentum an. Ich bin ledig und habe eine Tochter namens XXXX , geboren am XXXX .

Auf Nachfrage gebe ich an, meine Tochter lebt bei XXXX , an der Adresse XXXX . Sie hat ein Haus gemietet, es handelt sich um ein mittelgroßes Haus mit drei Schlafzimmern, einem Wohnzimmer und einer Küche. Die Toilette befindet sich außerhalb.

Meine Freundin ist verheiratet und hat vier Söhne und eine Tochter und von Beruf teilweise in der Bar (Inhaberin) und verkauft Kleidung.

F.: Stehen Sie in Kontakt mit Ihrer Tochter.

A.: Wir stehen telefonisch in Kontakt. Vergangene Woche habe ich mit meiner Tochter telefoniert.

F.: Welche Ausbildung erhält Ihre Tochter in der Heimat.

A.: Sie besucht die Grundschule, ich sendete Geld in die Heimat. Ich habe seit Oktober 2020 kein Geld mehr in meine Heimat gesandt. Nachdem ich im Oktober meine Arbeit verlor, konnte ich kein Geld mehr in meine Heimat senden. Meine Freundin sagte, dann würde meine Tochter nicht mehr in die Schule gehen können.

F.: Wer ist der Vater Ihrer Tochter (Name, Geb.datum, Beruf, Wohnort).

A.: Er heißt XXXX , ich kenne sein Lebensalter nicht, er ist einige Jahre älter als ich. Ich kenne seinen Aufenthaltsort nicht, da ich zu ihm keinen Kontakt habe. Er ist von Beruf Maurer.

F.: Ist er zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet.

A.: Nein. Er kümmert sich auch nicht um sein Kind.

F.: Haben Sie mit ihm zusammengelebt.

A.: Ich lebte von August 2012 bis Mai 2013 in XXXX mit ihm zusammen. Mein Onkel mit dem Namen XXXX , der Bruder meiner Mutter, hat mich nach Hause zurückgeholt. Er lebt in XXXX und ist von Beruf XXXX im Palais des Präsidenten. Er ist nicht traditionell verheiratet, sondern lebt mit einer Frau namens XXXX (Familiennamen unbekannt) zusammen. Sie haben keine Kinder. Mein Onkel hat keine Kinder, weder von dieser Frau noch von einer anderen.

F.: Aus welchem Gebiet/welcher Region Ihres Heimatlandes kommen Sie.

A.: Ich wurde in XXXX , Kamerun geboren und bin dort aufgewachsen.

F.: Sind Ihre Eltern Staatsbürger Kameruns.

A.: Ja, auf Nachfrage gebe ich an, mein Vater heißt XXXX und meine Mutter heißt XXXX .

F.: Seit wann halten Sie sich in Österreich auf.

A.: Ich habe meinen Hauptwohnsitz an der Adresse ulloi utca 52b. 1082 Budapest, Ungarn. Ich habe meine Heimat Kamerun am 27.04.2018 verlassen. Ich ging in die Ukraine, wo ich mich zwei Jahre lang, bis 05.11.2020, aufhielt und dann ging ich nach Ungarn und lebe seither in Ungarn. Ich habe einen Aufenthaltstitel für Ungarn.

F.: Wenn Sie im Besitz von Beweismitteln bzw. Identitätsdokumenten sind, legen Sie diese bitte vor.

A.: Ich habe alles vorgelegt.

F.: Welche Schul- bzw. Berufsausbildung haben Sie, welchen Beruf haben Sie.

A.: Ich habe im Alter von 3 Jahren den Kindergarten und die Grundschule in XXXX besucht und zwar bis 2003, als ich neun Jahre alt war habe ich die Sekundarschule begonnen – in XXXX . Dort war ich bis 2015 und habe das Probatoire (niveau Première) abgelegt und dann 2015 das Baccalauréat (niveau terminale), welches den Zugang zur Universität ermöglicht, abgelegt.

Dann ging ich auf die Universität in Mariupol in der Ukraine und habe dort von 2018 bis 2020 die Universität für Philologie besucht.

Auf Nachfrage gebe ich an, meine Ausbildung in Kamerun wurde von meinem Onkel XXXX finanziert und die Ausbildung in der Ukraine wurde von einer Freundin mit dem Namen XXXX finanziert. Sie hat mir das Geld für das das Visum für die Ukraine gegeben.

Sie ist Mitarbeiterin von MTN (Telefonunternehmen). In der Ukraine habe ich auch gearbeitet um etwas mehr Geld zu haben. Ich habe in Mariupol in diversen Restaurants gearbeitet (illegal), im Jahr 2019. Ich habe auch in einem Supermarkt namens XXXX gearbeitet (Reinigungskraft), auch 2019. Ich habe in der Ukraine auch bei XXXX gearbeitet (einige Monate im Jahr 2019). Von November 2019 bis Jänner 2020 habe ich in der Snak-Bar XXXX gearbeitet. Ich habe Preisschilder an Kleidungsstücken angebracht, im Jahr 2020, von Jänner bis März.

Dann habe ich mich von der Ukraine aus um ein Visum für Ungarn beworben, dieses auch erhalten. Ich lebte dann ab 18.06.2020 in Budapest an der Adresse bis Oktober 2020, dann ging ich nach Österreich. Ich habe immer noch die Wohnung in Budapest an der Adresse ulloi utca 52b. 1082 Budapest, Ungarn. Ich zahle dort immer noch die Miete.

F.: Woher haben Sie das Geld für die Miete.

A.: Meine Freunde in der Ukraine haben mir Geld für die Miete der Wohnung in Budapest gegeben, eingangs 500 Euro. Eine Studentenorganisation in Budapest mit dem Namen XXXX , diese Organisation ist weltweit tätig und vermittelt Studentenjobs, hat mir eine Arbeit als Beraterin in der französischen Sprache für die Firma XXXX beschafft. Dort arbeitete ich und konnte so die Miete für die Wohnung in Budapest finanzieren (250 Euro im Monat). Im Juni 2020 kam ich nach Ungarn und im August 2020 habe ich dann mit der Arbeit bei XXXX begonnen. Im Oktober 2020 habe ich dann aufgrund der Corona-Pandemie meinen Job verloren. Dann war ich ohne Arbeit. Ich habe bis Oktober 2020 monatlich 600 Euro erhalten, dann aufgrund von Corona habe ich nur mehr 300 Euro monatlich erhalten. Ich habe dann am 06.11.2020 in Österreich einen Asylantrag gestellt. Im November 2020 wurde ich von der Firma XXXX angerufen, ich war zu diesem Zeitpunkt aber in Salzburg. Ich sagte zu der Mitarbeiterin, dass ich nicht nach Budapest kommen könne, da ich in Salzburg ein Problem hätte.

Ich wollte eigentlich nach Frankreich, ich wollte über Deutschland reisen, das war am 06.11.2020. Ich wurde aber von den deutschen Behörden aufgehalten und nach Österreich zurückgeschickt. Ich wurde dann von den österr. Behörden in Haft genommen, ich weiß aber bis heute nicht warum, denn ich hatte ja da Visum von Ungarn. Ich habe dann einen Asylantrag gestellt und wurde aus der Anhaltung entlassen. Als ich dann aus der Haft entlassen wurde, wegen des Asylantrags. Ich habe dann bei der Firma XXXX angerufen und gesagt, dass ich nunmehr nicht mehr nach Ungarn zurückkehren könne.

Ich habe auch eine Freundin in Ungarn angerufen, sie hat die Wohnung in Budapest geräumt. Ich konnte die Miete nicht mehr bezahlen. Die Wohnung an der Adresse ulloi utca 52b. 1082 Budapest, Ungarn steht mir nicht mehr zur Verfügung.

Ich habe der Vermieterin gesagt, dass Sie meine Wohnung weitervermieten könne, da ich in Österreich sei, Probleme mit dem Pass und dem Visum hätte und nicht mehr nach Ungarn kommen könne. Ich habe immer noch den Schlüssel für die Wohnung.

Meine Schwester XXXX lebt in Frankreich, sie konnte sich nicht um meine Wohnung kümmern.

F.: Warum gingen Sie von der Ukraine nach Ungarn.

A.: Ich dachte mir, dass ich in der Ukraine studieren und arbeiten könnte, aber das Leben in der Ukraine war für mich sehr schwierig. Ich konnte nicht genug Geld verdienen um welches in die Heimat zu senden. So bemühte ich mich um einen Aufenthaltstitel in Ungarn, in der Hoffnung dort mehr Geld zu verdienen.

Alles ist okay in der Ukraine, solange jemand da ist, der dich unterstützt. Aber wenn in kein Geld mehr da ist, ist es in der Ukraine schwer.

Ich hoffte in Ungarn leben und studieren zu können und arbeiten zu können. Meine Freunde in der Ukraine haben mir eine Reise nach Ungarn empfohlen. Dort könnte ich leichter illegal arbeiten und Geld verdienen und irgendwann mein Studium fortsetzen.

F.: Haben Sie im Heimatland gearbeitet. Wenn ja, schildern Sie Ihr Berufsleben die letzten drei Jahre vor der Ausreise.

A.: Ich habe meine Heimat Kamerun am 27.04.2018 verlassen, mein letzter Arbeitstag war der 26.04.2018.

Ich habe als Kindermädchen gearbeitet. Ich habe als Verkäuferin in einem Fischgeschäft (namens XXXX ) gearbeitet, ich habe in diesem Geschäft auch als Sekretärin gearbeitet, ich habe im Fischgeschäft XXXX den Eingang und den Ausgang von Verkäufen kontrolliert, ich habe die Fehlmengen festgestellt und die Verkäufer geprüft, ob sie die Arbeit gut machten.

F.: Wurden Sie entlassen, haben Sie gekündigt, wurden Sie gekündigt.

A.: Ich habe gekündigt. Ich hatte den Plan in der Ukraine zu studieren.

F.: Wie lautet der Name des Vaters, Geburtsdatum und Wohnort.

A.: Mein Vater heißt XXXX , sein Geburtsdatum ist mir nicht bekannt.

F.: Wie lautet der Name der Mutter, Geburtsdatum und Wohnort.

A.: Meine Mutter heißt XXXX , ihr Geburtsdatum ist mir nicht bekannt. Meine Mutter starb im September 2007. Das genaue Datum kann ich Ihnen nicht sagen.

F.: Woran starb die Mutter.

A.: Meine Mutter war krank, sie litt vier Jahre lang an Typus, bevor sie starb.

F.: Wovon leben die Eltern.

A.: Mein Vater lebt noch, meine Mutter ist verstorben. Mein Vater ist von Beruf Straßenbau-Ingenieur. Er ist, so vermute ich, entweder arbeitslos oder Gelegenheitsarbeiter.

F.: Haben Sie Geschwister.

A.: Ich habe zwei Brüder und eine Schwester.

XXXX , 1981 geboren, ist verlobt, nicht verheiratet und kinderlos. Er hat keinen Beruf. Er hat mentale Probleme. Seine Freundin arbeitet in einer Bar und kümmert sich um ihn. Beide leben in XXXX .

XXXX , 1986 geboren, arbeitet als Maurer, er ist ledig und hat keine Kinder. Er lebt mit der Freundin in XXXX 1989 geboren, lässt sich in Frankreich gerade zur Krankenschwester ausbilden. Sie ist verheiratet mit einem Belgier namens XXXX und hat zwei Kinder namens XXXX (Tochter, 2011 geboren) und XXXX (Sohn, 2013) geboren. Boni Etienne arbeitet, aber was, ist nicht bekannt.

F.: Hat Ihr Vater Geschwister.

A.: Mein Vater hat weder Brüder noch Schwestern

F.: Hat Ihre Mutter Geschwister.

A.: Meine Mutter hat drei Schwestern und vier Brüder. Meine Mutter ist die Älteste.

Die Geschwister meiner Mutter heißen

XXXX , XXXX heißt ihr Ehemann, sie hat drei Kinder namens XXXX , XXXX und XXXX . Sie leben in XXXX . Sie leben von der Farmarbeit.

XXXX , sie hat wechselnde Freundschaften, ich weiß nicht, ob sie aktuell verheiratet ist. Sie hat Kinder namens XXXX , XXXX und XXXX . Sie lebt von Gelegenheitsarbeiten.

XXXX ist nicht verheiratet, hat einen Freund. Sie hat Kinder aus wechselnden Beziehungen mit den Namen XXXX , XXXX und XXXX . Der Freund heißt XXXX . Meine Tante ist Landwirtin in XXXX und verkauft die landwirtschaftlichen Produkte am Markt in XXXX .

XXXX ist verheiratet, sie haben zwei gemeinsame Kinder und ein Kind stammt aus der früheren Ehe meiner Tante. Meine Tante heißt XXXX . Die beiden gemeinsamen Kinder heißen XXXX und XXXX . Mein Onkel ist XXXX im Palais des Präsidenten in XXXX . XXXX verkauft Essen am Markt.

XXXX ist verheiratet, lebt aber von seiner Frau getrennt. Seine Frau hat Kinder aus einer früheren Beziehung und hat die Kinder mitgenommen. Er ist Bauer.

XXXX , ist XXXX im Palais des Präsidenten in XXXX . Er hat eine Freundin namens XXXX und keine Kinder. XXXX handelt mit Kleidungsstücken und Schuhen.

XXXX hat eine Freundin, sie haben ein Motorrad Taxi und transportieren Personen mit dem Motorrad von einem Ort zum anderen. Sie haben glaublich keine Kinder.

F.: Sind alle Verwandten Angehörige der Volksgruppe der Ewondo und Christen.

A.: Ja, alle

F.: Wann haben Sie zum ersten Mal daran gedacht, dass Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen.

A.: Das war zu Beginn des Jahres 2018.

F.: Wann haben Sie ihr Heimatland tatsächlich verlassen.

A.: Am 27.04.2018 habe ich Kamerun verlassen.

F.: Wo waren Sie die letzte Nacht vor ihrer Ausreise aufhältig.

A.: Zuhause an meiner Heimatadresse, diese lautet XXXX – XXXX - XXXX , Kamerun. XXXX ist ein Stadtteil im Nordosten der Stadt Yaoundé in Kamerun im Bezirk Yaoundé XXXX ist zu einem großen Teil von einheimischen Ewondo bewohnt.

F.: Beschreiben Sie Ihre Unterkunft.

A.: Größe des Hauses (umbaute Fläche), wieviele Etagen, wieviele Zimmer, Garten, Garage, gibt es darüberhinaus Grundbesitz.

A.: Es handelt sich um ein Haus mit Parterre und einer Etage. Es ist mittelgroß. Dort lebt mein Onkel mit seiner Freundin. Ich habe dort bis zu meiner Ausreise im April 2018 gelebt, meine Tochter brachte ich vor meiner Ausreise zu meiner Freundin.

F.: Reisten Sie schlepperunterstützt nach Österreich ein.

A.: Ich kam auf eigene Faust, ich wollte nach Deutschland.

F.: Geben Sie chronologisch und lückenlos die Aufenthaltsorte der letzten drei Jahre in Ihrer Heimat an.

A.: Ich lebte bis zu meiner Ausreise in XXXX – XXXX - XXXX , Kamerun.

F.: Haben Sie den von ihnen angegebenen Familiennamen in ihrem Herkunftsstaat auch schon geführt.

A.: Ja.

F.: Sind Sie in Ihrer Heimat vorbestraft?

A.: Nein.

F.: Standen Sie je vor Gericht.

A.: Nein.

F.: Waren Sie in Ihrem Heimatland inhaftiert?

A.: Nein.

F.: Hatten Sie Probleme mit den Behörden in der Heimat.

A.: Nein.

F.: Bestehen gegen Sie aktuelle staatliche Fahndungsmaßnahmen wie Aufenthaltsermittlung, Haftbefehl, Strafanzeige, Steckbrief, etc.

A.: Nein.

F.: Sind oder waren Sie politisch tätig.

A.: Nein.

F.: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei.

A.: Nein.

F.: Sind Sie Mitglied einer Organisation.

A.: Nein.

F.: Haben oder hatten Sie sonstige Probleme aufgrund eines Naheverhältnisses zu einer Organisation, das heißt einem Club oder Verein.

A.: Nein.

F.: Hatten Sie in ihrem Herkunftsstaat aufgrund Ihres Religionsbekenntnisses Probleme?

A.: Nein.

F.: Hatten Sie in Ihrem Heimatland Probleme aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit.

A.: Nein.

F.: Hatten Sie gröbere Probleme mit Privatpersonen (Blutfehden, Racheakte etc.)

A.: Nein.

F.: Nahmen Sie in ihrem Heimatland an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen teil.

A.: Nein.

F.: Schildern Sie die Gründe, warum sie Ihr Heimatland verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, von sich aus vollständig und wahrheitsgemäß.

Sie werden darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens beeinträchtigen können.

Sollten Sie zu irgendeinem Zeitpunkt vor österreichischen Behörden falsche Angaben gemacht haben oder sollte es zu sonstigen Ungereimtheiten gekommen sein, so werden Sie aufgefordert, dies jetzt bekannt zu geben.

Soweit Sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren.

A.: Meine Mutter ist im September 2007 verstorben. Zu diesem Zeitpunkt lebten meine Eltern schon getrennt und meine Mutter hat sich um mich und meine Geschwister alleine gekümmert.

Ich denke, dass mein Vater mich und meine Geschwister nie wollte, er betrachtet uns als Belastung. Mir, zum Beispiel, hat er nie Beachtung und Liebe geschenkt. Nachdem meine Mutter im Jahr 2007 verstorben ist, hat mein Onkel entschieden mich zu sich zu nehmen. Meine anderen drei Geschwister waren damals, als meine Mutter starb, bereits alt genug um für sich selbst zu sorgen. Von da an hat alles begonnen. Eines nachts im Dezember 2007 fand ich meinen Onkel nackt in meinem Zimmer, er hat mich vergewaltigt und das ging so weiter. In der Schule war ich immer müde. Ich habe meine Situation meiner Tante XXXX erklärt und sie glaubte mir nicht. Sie stellte meinen Onkel zur Rede und verständigte die Familie. Mein Onkel beteuerte seine Unschuld und man nannte mich eine Hexe.

Ich konnte auch nicht zu meinen Geschwistern gehen. Meine Geschwister glaubten mir nicht, dass mein Onkel mich vergewaltigt hätte.

Ich habe dann den Vater meiner Tochter namens XXXX kennengelernt und wir lebten zusammen. Bei ihm fand ich Frieden und wir hatten zusammen ein Kind. Mein Freund hat mir gesagt, dass ich nicht oft glücklich sei, dass ich verärgert und traurig sei. Ich schilderte ihm meine traurige Kindheit. Ich sagte zu meinem Freund, dass ich die Stadt, wo meine Familie lebt, verlassen möchte. Wir gingen in seine Heimatstadt XXXX . Dort habe ich am XXXX mein Kind zur Welt gebracht.

Als mein Onkel das erfahren hat, hat er mich zurückgeholt und schlecht behandelt. Mein Freund traf meinen Onkel in XXXX . Ich wurde aufgefordert nach XXXX zurückkehren, ansonsten würde er zunächst meinen Freund und dann mich umbringen.

Als mein Freund schlussendlich im Gefängnis landete (wo er eine Woche verblieb), kam mein Onkel nach XXXX und brachte mich zurück nach Hause nach XXXX .

Ich lebte dann von Mai 2013 bis zu meiner Ausreise im April 2018 gemeinsam mit meiner Tochter wiederum bei meinem Onkel XXXX . Mein Onkel war sehr eifersüchtig und wollte jeden Tag mit mir Sex.

Meine Nachbarin mit Namen XXXX hat mir dann das Geld gegeben, damit ich ein Visum für die Ukraine erhalten kann, damit ich dort eine Ausbildung machen kann. Sie hat mich oft weinen gesehen. Ich erzählte ihr von meinem schwierigen Leben und davon, dass mein Onkel sehr eifersüchtig wäre und immer Sex mit mir wollte. Sie sagte, dass ich ein intelligentes Mädchen sei und dass ich in Kamerun die Matura gemacht hätte und dass ich den Kopf hätte im Ausland zu studieren. Sie half mir dann ein Visum für die Ukraine zu erlangen und ich reiste aus. Das ist mein Asylgrund.

F.: Sie haben in Kamerun 15 Jahre die Schule besucht und die Ausbildung mit Matura (Universitätsreife) abgeschlossen. Hat diese Ausbildung Ihr Onkel XXXX finanziert.

A.: Ich bin immer in die Kirche gegangen und habe dem Pastor in der Kirche von meinem schwierigen Leben erzählt und der Pastor hat mir im Zeitraum von September 2013 bis zu meinem Schulabschluss die Ausbildung finanziert. Auch meine Nachbarin hat mir immer geholfen und mich finanziell unterstützt.

Für das Visum für die Ukraine hat mir meine Nachbarin XXXX .000 Francs CFA (700 bis 800 Euro) gegeben.

F.: Warum haben Sie in der Ukraine und in Ungarn keinen Asylantrag gestellt, sondern erst in Österreich nach Zurückweisung an der deutschen Grenze.

A.: Ich habe in Ungarn und der Ukraine keinen Asylantrag gestellt, weil ich dort keine finanzielle Unterstützung erhalten hätte. In Ungarn kann man arbeiten und studieren, aber man erhält dort als Asylwerber keine Unterstützung, das gleiche trifft auf die Ukraine zu.

F.: Seit wann lebt Ihre Schwester XXXX , XXXX geboren, in Frankreich.

A.: Sie lebt seit September 2012 in Frankreich.

F.: Warum gingen Sie nicht zur Ihrer Schwester nach Frankreich.

A.: Ich ging nicht zu meiner Schwester, weil ich niemandem mehr glaube.

F.: Gibt es noch andere Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben.

A.: Nein.

F.: Haben Sie sämtliche Gründe, warum Sie die Heimat verlassen haben, vollständig geschildert.

A.: Ja.

F.: Was würde Sie konkret erwarten, wenn Sie jetzt in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten.

A.: Ich wollte mich auf eine Zukunft für ein Leben in Ungarn vorbereiten, in Ungarn hatte ich ein normales Leben und einen rechtlichen Schutz. Ich fand in Ungarn eine normale Situation vor. Jeder normale Bürger wird in Ungarn geschützt. Dort wollte ich bleiben. Ich hätte in meiner Heimat wiederum das gleiche schwere Leben, das ich bisher hatte.

Meine Tochter würde es auch zu spüren bekommen, denn ich wäre in der Heimat unglücklich.

F.: Gibt es aus Ihrer Sicht Gründe, die gegen eine Ausweisung sprechen? Haben Sie familiäre Interessen in Österreich?

A.: Ich habe niemanden hier.

F.: Leben Sie mit jemandem in Österreich zusammen, wenn ja, seit wann?

A.: Ich lebe allein, habe weder Familie noch einen Freund in Österreich.

Aber ich habe Freunde gefunden.

F.: Wie heißen Ihre Freunde.

A.: Anita, Nelson und Serge (Familiennamen unbekannt). Anita traf ich in Salzburg und Nelson ist der Freund von Anita. Serge kenne ich über das Internet.

F.: Haben Sie weitere Verwandte in Österreich?

A.: Ich habe keine Verwandten in Österreich.

F.: Haben Sie private Interessen (Grundstücke, Firmen, Aktien) in Österreich? Wenn ja, konkretisieren Sie diese!

A.: Nein.

F.: Sind Sie in irgendwelchen Vereinen tätig?

A.: Nein.

F.: Besuchten Sie in Österreich irgendwelche Kurse oder absolvierten sie eine Ausbildung?

A.: Ich besuche aktuell keinen Deutschkurs. Ich werde morgen einen BFI Kurs beginnen, Nelson wird mir helfen ihn zu bezahlen.

F.: Von welchen finanziellen Mitteln bestreiten Sie Ihren derzeitigen Lebensunterhalt?

A.: Ich lebe von der Grundversorgung.

F.: Sind Sie derzeit berufstätig?

A.: Ich arbeite nicht.

F.: Wurden Sie in Österreich jemals von einem Gericht verurteilt oder mit einem Aufenthaltsverbot oder einer Ausweisung belegt.

A.: Ich habe keine Probleme mit den Gesetzen in Österreich.

F.: Haben sie sämtliche Gründe, die Sie veranlasst haben, Ihr Heimatland zu verlassen, vollständig geschildert.

A.: Ja.

F.: Wurde Ihnen ausreichend Zeit eingeräumt, Ihre Probleme vollständig und so ausführlich, wie Sie es wollten, zu schildern.

A.: Ja.

F.: Wollen Sie noch etwas angeben, was ihnen besonders wichtig erscheint.

A.: Ich befürchte zu sterben, sollte ich nach Kamerun zurückkehren. Da ich erwachsen bin, hat er nicht das Recht mich zu bevormunden. Ich möchte in Frieden leben und mein Kind aufwachsen sehen. Meine Freundin, welche sich um Tochter kümmert, kümmert sich nicht gut. Ich fürchte stärkere Repressalien durch meinen Onkel als bisher, sollte ich in meine Heimat zurückkehren.

F.: Über welche Vermögenswerte verfügen Sie (Schmuck, Bargeld, Wertgegenstände).

A.: Nichts.

F.: Welche Absichten haben Sie, wie stellen Sie sich Ihre Zukunft (in Österreich) vor.

A.: Ich möchte hier leben – ich möchte mir eine Zukunft aufbauen.

V.: Sie werden darüber informiert, dass aus datenschutzrechtlichen Gründen keine telefonischen Auskünfte zu Ihrem Verfahren erteilt werden. Sie haben die Möglichkeit im Rahmen des Parteienverkehrs (Montag bis Freitag 08.00 – 12.00 Uhr) Akteneinsicht zu nehmen, sich schriftlich nach Ihrem Verfahren zu erkundigen oder über einen Vertreter Informationen einzuholen.

Ländervorhalt: Mit der Ladung zur heutigen Einvernahme wurde Ihnen der Ländervorhalt übermittelt.

F.: Möchten Sie gleich zum Ländervorhalt Stellung nehmen oder möchten Sie innerhalb einer Stellungnahmefrist von 2 Wochen Stellung nehmen.

A.: Ich verzichte auf eine Stellungnahmefrist und möchte gleich Stellung nehmen.

Ja, ich habe Interesse:

Nach erfolgter Rückübersetzung gebe ich an, dass meine Angaben richtig und vollständig sind.

F.: Haben Sie den Dolmetsch während der g e s a m t e n Einvernahme einwandfrei verstanden.

A.: Ja.

F.: Hat der Dolmetsch das rückübersetzt, was Sie gesagt haben.

A.: Ja.

F.: Wollen Sie an der Art der Einvernahme irgendetwas beanstanden.

Sie werden ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass Ihnen Beanstandungen nicht zum Nachteil gereichen. Sie werden vielmehr darauf hingewiesen, dass nachträgliche Beanstandungen der freien Beweiswürdigung unterliegen und eventuell als Schutzbehauptungen qualifiziert werden können.

A.: Ich habe keine Beanstandungen. Ich habe eine Kopie der Niederschrift erhalten.“

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.02.2021 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kamerun (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Der Beschwerdeführerin wurde ein „Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG nach Kamerun zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist von zwei Wochen für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.) Gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von achtzehn Monaten befristetes Einreiseverbot gegen die Beschwerdeführerin erlassen (Spruchpunkt VII.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gem. § 18 Abs. 1 Z 1 und 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VIII.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat einer staatlichen Bedrohung bzw. Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Das Fluchtvorbringen stütze sich auf wirtschaftliche Erwägungen und mangelndes Sicherheitsgefühl. Es habe nicht festgestellt werden können, dass sie in Kamerun einer landesweiten Verfolgungsgefahr bzw. Bedrohungssituation ausgesetzt sei. Die Beschwerdeführerin sei eine volljährige, arbeitsfähige, gesunde junge Frau. Sie habe in ihrem Heimatland eine abgeschlossene Schulbildung genossen, spreche mit Englisch und Französisch die in Kamerun gängigsten Sprachen auf Muttersprachenniveau und habe in der Ukraine von 2018 bis 2020 die Universität für Philologie besucht. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführerin in ihrem Heimatland die Lebensgrundlage gänzlich entzogen werde oder dass sie bei einer Rückkehr in eine die Existenz bedrohende Notlage gedrängt werde. Der Großteil ihrer Angehörigen lebe in Kamerun, es würden keine besonderen sozialen Kontakte bestehen, die die Beschwerdeführerin an Österreich binden würden. Die Beschwerdeführerin sei auf Dauer nicht selbsterhaltungsfähig, eine Integrationsverfestigung habe nicht festgestellt werden können. Zum Einreiseverbot wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe die einreise- und aufenthaltsrechtlichen Normen im Bundesgebiet verletzt. Sie sei nicht in der Lage, Mittel für ihren Unterhalt (schuldenfrei) nachzuweisen. Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit dar.

Weiters wurden folgende Feststellungen zur Lage in Kamerun getroffen:

„Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

KI vom 22.7.2020: Update zur Sicherheitslage (Relevant für Abschnitt 3/ Sicherheitslage).

Mit der Verschärfung der Angriffe von Boko Haram im Norden, einem gewalttätigen Konflikt im englischsprachigen Westen und der zentralafrikanischen Flüchtlingskrise sieht sich Kamerun mit drei verschiedenen Notlagen konfrontiert. Im zweiten Jahr in Folge steht das Land an erster Stelle auf der Liste der am meisten vernachlässigten Krisenherde weltweit (MO 3.7.2020; vgl. DS 19.6.2020).

Die ursprünglich aus Nigeria stammende islamische Boko Haram hat die Covid-19-Pandemie zum Anlass genommen, ihre Aktivitäten im Vierländereck zwischen Nigeria, dem Niger, dem Tschad und Kamerun zu verstärken (DS 19.6.2020). Sie hat Kamerun öffentlich mit Angriffen und weiteren Entführungen gedroht, da Kamerun in den regionalen Kampf gegen Boko Haram verwickelt ist (HRW 4.6.2020). Die Wahrscheinlichkeit terroristischer Anschläge ist insbesondere in der Region des hohen Nordens gegeben. Als gefährdet gelten Restaurants, Bars, Märkte, Hotels, Einkaufszentren und Gotteshäuser. Die Terrorgruppen Boko Haram und der Islamische Staat Westafrika (ISWA) sind in dieser Region aktiv. Auch in der Region Adamawa (Kamerun) gab es in der Vergangenheit Geiselnahmen und schwere Schießereien. In Nordkamerun besteht zudem ein erhöhtes Entführungsrisiko (HRW 4.6.2020).

Am 30.5.2020 kam es bei einem Angriff auf Entwicklungshelfer durch bewaffnete Separatisten in der Nord-West Region des Landes auch zu Entführungen. Am selben Tag entführten Separatisten auch sieben Mitarbeiter des Gesundheitsdienstes der Kameruner Baptistenkonvention, einer auf Glauben basierenden gemeinnützigen Organisation im Nordwesten. Sie wurden zwei Tage später wieder freigelassen (HRW 4.6.2020). Die Angriffe gegen Mitarbeiter von Hilfsorganisationen unterbrechen die Bereitstellung lebensrettender Hilfe und Dienstleistungen für Menschen in Not (BBC 10.5.2020).

Die anglophonen Regionen Kameruns sind mit einer ernsten humanitären Krise konfrontiert. Über 650.000 Menschen sind IDPs und 1,8 Millionen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, darunter 1,4 Millionen Menschen, die keinen zuverlässigen Zugang zu Nahrungsmitteln haben (HRW 4.6.2020).

Am 2.6.2020 explodierte ein improvisierter Sprengsatz im Damas-Viertel von Yaoundé. Es kam zu Fahrzeugkontrollen und Hausdurchsuchungen. In diesem Gebiet kommt es zu einer verstärkten Polizei- und Militärpräsenz. Am 20.6.2020, wurden erneut zwei improvisierte Sprengsätze in den Vierteln Melen und Emana in Yaoundé gezündet. Die Polizei- und Sicherheitsbehörden verstärkten ihre Präsenz in diesen Vierteln, einschließlich der Durchführung von Fahrzeugkontrollen (FCO 15.7.2020). Da es auch am 7.3.2020 zu einem Angriff auf eine Ortschaft namens Galim (Westliche Region Kameruns) kam, empfiehlt das französische Außenministerium, das Grenzgebiet zwischen den nordwestlichen/südwestlichen Provinzen aber auch die Provinzen Nordwest (rot auf der Sicherheitskarte) und die Südwest, sowie den Rest des Landes zu meiden (FD 17.7.2020).

Angesichts der Corona-Krise rief UN-Generalsekretär António Guterres Anfang April 2020 zu einem weltweiten Waffenstillstand auf. Für einigen Wochen hat sich die Zahl der Attacken in den zwei anglophonen Regionen des Landes deutlich verringert. Dort kämpfen seit 2016 verschiedene separatistische Bewegungen gegen Regierungstruppen für einen eigenen Staat. Dies liegt wahrscheinlich nur zum Teil daran, dass das öffentliche Leben durch Covid-19 auch in diesen Regionen größtenteils zum Erliegen gekommen ist. Bereits seit einigen Monaten häufen sich die Hinweise, dass die separatistischen Gruppen nach fast vier Jahren bewaffneten Kämpfen militärisch stark geschwächt sind und die Separatisten zunehmend in verschiedene Gruppierungen zerfallen (Vorwärts.de 7.5.2020). Trotz der einseitigen Forderung am 29.3.2020 der separatistischen Gruppen, der Southern Cameroons Defence Forces (SCDF), nach einem Waffenstillstand aufgrund von Covid-19, haben die Kämpfe in den anglophonen Regionen nicht nachgelassen (HRW 4.6.2020; vgl. Vorwärts.de 7.5.2020; BBC 10.5.2020). Allerdings hat die kamerunische Regierung nicht zum Waffenstillstand aufgerufen (BBC 10.5.2020; vgl. Vorwärts.de 7.5.2020). Etwa 300 Regierungstruppen führten Ende Juni 2020 eine sechstägige Operation gegen die Separatisten durch. Das Militär gab an, 15 Kämpfer getötet und zwei ihrer Militärlager im Nordwesten zerstört zu haben (BBC 10.5.2020).

Denn statt in einen Dialog mit den Separatisten zu treten, will Präsident Biya das Problem mit militärischen Mitteln lösen. Erst im Feber 2020 tötete die Armee im Dorf Ngarbuh 23 Zivilisten, darunter 15 Kinder und zwei schwangere Frauen. Das Massaker löste einen derartigen internationalen Aufschrei aus, dass sich Yaoundé gezwungen sah, eine Untersuchung einzuleiten. Sie machte tatsächlich drei Soldaten für die Ermordung der Frauen und Kinder verantwortlich: Sie müssen jetzt mit einer Mordanklage rechnen. Der Bürgerkrieg geht unterdessen weiter: Seit April 2020 nehmen die Kämpfe wieder zu, sämtliche humanitären Flüge in die Unruheprovinzen wurden gestoppt (DS 19.6.2020). Zuletzt hat sich ein Regierungsvertreter mit mehreren anglophonen Separatistenführern getroffen, um nach einer friedlichen Lösung für den Konflikt zu suchen (BBC 4.7.2020).

Im Jahr 2019 kam es an mehreren Orten in den Regionen Nordwest und Südwest zu zahlreichen Zusammenstößen zwischen den kamerunischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen. Einschränkungen wie nächtliche Ausgangssperren und ein Verbot öffentlicher Versammlungen, die bereits im Jahr 2017 verhängt wurden, bleiben bestehen. Es besteht weiterhin ein hohes Risiko von Gewaltverbrechen, insbesondere nachts (HRW 4.6.2020).

Zudem gibt es Berichte über Kriminalität, darunter durch größere bewaffnete Banden und Straßenräuber, die Reisende anhalten, Geiseln nehmen und Zahlungen fordern, insbesondere im Osten Kameruns nahe der Grenze zur Zentralafrikanischen Republik (ZAR). Häufig kommt es zu Gewalttätigkeiten in der Zentralafrikanischen Republik, die über die Grenze nach Kamerun ausstrahlen. Auch nigerianische Militäroperationen in den nigerianischen Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa können sich über die Grenze hinweg in Kamerun auswirken (HRW 4.6.2020).

Kameruns Militär gibt an, die Sicherheit auf der wichtigen Handelsstraße zwischen Westkamerun und Nigeria wiederhergestellt zu haben. Das Militär habe im Juni 2020 mindestens 13 Separatisten getötet, welche die Straße zwischen Bamenda und Enugu, die täglich von mehreren hundert Lastwagen aus beiden Ländern befahren wird, zwei Monate lang blockiert und illegale Mautgebühren gefordert hatten. Die Rebellen machen dafür hingegen andere bewaffnete Gruppen verantwortlich (VOA 18.6.2020).

Quellen:

- BBC News (4.7.2020): Government and separatists talk in Cameroon, https://www.bbc.com/news/topics/clm1wxp5p5jt/cameroon, Zugriff 15.7.2020

- BBC News (10.5.2020): Cameroon's deadly mix of war and coronavirus, https://www.bbc.com/news/world-africa-52551848, Zugriff 15.7.2020

- DS - der Standard (19.6.2020): Zentralafrikanisches Kamerun ist derzeit mehrfach gebeutelt, https://www.derstandard.at/story/2000118155204/zentralafrikanisches-kamerun-ist-derzeit-mehrfach-gebeutelt, Zugriff 14.7.2020

- FCO - The Foreign and Commonwealth Office - GOV.UK - Government of the United Kingdom (15.7.2020): Foreign travel advice – Cameroon, Update to information on local security (‘Summary’ page), https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/cameroon, Zugriff 15.7.2020

- FD - France Dipplomatie (17.7.2020): Conseils aux Voyageurs – Cameroun -Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/cameroun/, Zugriff 17.7.2020

- HRW - Human Rights Watch (4.6.2020): Renewed Attacks on Aid Workers in Cameroon, https://www.hrw.org/news/2020/06/04/renewed-attacks-aid-workers-cameroon, Zugriff 17.6.2020

- MO - Der Malteser Orden (3.7.2020): Covid 19: Der Premierminister begrüßt das in Kamerun stationierte medizinische Notfallteam von Malteser International, https://www.orderofmalta.int/de/2020/07/03/covid-19-der-premierminister-begruesst-das-in-kamerun-stationierte-medizinische-notfallteam-von-malteser-international/, Zugriff 14.7.2020

- VOA - Voice of America (18.6.2020): Cameroon: Business Reopens Between Southern Cameroon and Nigeria, https://www.voanews.com/africa/business-reopens-between-southern-cameroon-and-nigeria, Zugriff 15.7.2020

- Vorwärts.de (7.5.2020): Kampf gegen die Pandemie - Corona in Kamerun: Das Virus entschärft einen Konflikt, https://www.vorwaerts.de/artikel/corona-kamerun-virus-entschaerft-konflikt, Zugriff 14.7.2020

KI vom 11.2.2020: Parlaments- und Kommunalwahlen in angespannter Atmosphäre (Relevant für Abschnitt 2/ Politische Lage; Abschnitt 3/ Sicherheitslage; Abschnitt 5/ Sicherheitsbehörden; Abschnitt 6/ Folter und unmenschliche Behandlung; Abschnitt 8/ Nichtregierungsorganisationen (NGOs); Abschnitt 11/ Allgemeine Menschenrechtslage; Abschnitt 13/ Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit; Abschnitt 13.1/ Opposition; Abschnitt 20/ Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge; Abschnitt 21/ Grundversorgung/Wirtschaft).

Im Kamerun fanden unter hohen Sicherheitsvorkehrungen am Sonntag, den 9.2.2020 Parlaments- und Kommunalwahlen statt (BAMF 10.2.2020; vgl. DF 9.2.2020; JA 9.2.2020). Das Land wird von gewaltsamen Konflikten geplagt - im englischsprachigen Westen von Separatisten und im Norden durch Dschihadisten (JA 9.2.2020). In den vergangenen Monaten verüben die islamistische Terrorgruppe Boko Haram immer wieder Anschläge in Kamerun (JA 9.2.2020; vgl. DW 9.2.2020; RW 30.1.2020).

Die große landesweit aktive Oppositionspartei Mouvement pour la Renaissance du Cameroun (MRC) sowie die Separatisten in den beiden englischsprachigen Regionen Nordwest und Südwest hatten zu einem Wahlboykott aufgerufen (BAMF 10.2.2020; vgl. DW 9.2.2020). Die militante Separatistengruppe Ambazonia Defence Force (ADF) befahl der Bevölkerung eine Ausgangssperre für den Zeitraum 7. bis 12.2.2020 und drohte zudem jeden als Feind anzusehen und so zu behandeln, der ihre Anordnung nicht befolge (BAMF 10.2.2020; vgl. TNH 6.2.2020). Die Wahlbeteiligung blieb niedrig (JA 9.2.2020).

Die anhaltende Gewalt behinderte die Wahlen. In der Stadt Kumba und anderen Teilen des Landes mussten die Menschen wegen Unruhen und Schusswechseln zu Hause bleiben. An anderen Orten war der Wahlgang demnach nur durch eine starke Militärpräsenz möglich (DW 9.2.2020).

Aufgrund der Unruhen war die zunächst für 2018 angesetzte Abstimmung zwei Mal verschoben worden (BAMF 10.2.2020; vgl. DF 9.2.2020). Im November 2019 setzte Präsident Paul Biya ein Datum für die Wahlen fest, was zu beispielloser Gewalt, Zerstörung und Menschenrechtsverletzungen in den beiden westlichen Regionen führte - die von den Separatisten gemeinsam als Südkamerun oder Republik Ambazonien bezeichnet werden. Die Separatisten haben die sonntäglichen Wahlen für illegal erklärt und ihre Operationen intensiviert (THN 6.2.2020). Berichten zufolge haben Separatisten im Dezember 2019 40 Kandidaten der Partei Social Democratic Front (SDF) entführt, da diese eine Abspaltung der anglophonen Regionen von Kamerun ablehnt (BAMF 10.2.2020; vgl. THN 6.2.2020) und ließen die Entführten erst nach den Wahlen wieder laufen. Dies hatte zur Folge, dass etliche Kandidaten der SDF ihre Kandidaturen zurückzogen (BAMF 10.2.2020). Im Jänner 2020 steckten Separatisten ein Wahlbüro der Regierungspartei in Brand. Humanitäre Organisationen wurden aufgefordert, ihre Aktivitäten auszusetzen (TNH 6.2.2020), bzw. wurden sie beschuldigt, für die Regierung zu arbeiten (AI 6.2.2020). Aber auch die Sicherheitskräfte der Regierung, haben unrechtmäßig Zivilisten getötet, Häuser niedergebrannt und willkürlich Menschen verhaftet und gefoltert, die im Verdacht stehen, Verbindungen zu den verschiedenen separatistischen Gruppen zu haben (AI 6.2.2020;vgl. TNH 6.2.2020). Kämpfe, aber auch die von beiden Seiten begangenen Missbräuche und Verbrechen haben nach Angaben von NGOs seit 2017 mehr als 3.000 Todesopfer gefordert und mehr als 700.000 Menschen zur Flucht gezwungen (JA 9.2.2020). Die Gewalt führt zu einem Anstieg der Zahl an Vertriebenen (AI 6.2.2020; vgl. RW 30.1.2020). Es kommt zu schweren Menschenrechtsverletzungen (AI 6.2.2020). Mit der Präsenz islamistischer Gruppen in der Region, kommt es zur Plünderung von Ernten und zu Viehraub, was sich negativ auf die Lebensgrundlage der Bevölkerung auswirkt. Die humanitäre Hilfe wird aufgrund der Gewalt unterbrochen und einige Menschen sind akuter Ernährungsunsicherheit ausgesetzt (RW 30.1.2020).

Der seit 37 Jahren autoritär regierende Präsident Paul Biya will mit der Abstimmung die Dominanz der Einheitspartei Rassemblement Democratique du Peuple Camerounais/Cameroon People Democratic Movement (RDPC/CPDM) festigen (DW 9.2.2020). Das Staatsoberhaupt ist fast sicher, die Wahl wieder zu gewinnen – da die Regierungspartei bereits über eine überwältigende Mehrheit in der Nationalversammlung verfügt: 148 von 180 Sitzen und sie mit ihrem Vorsprung bei den Wahlen noch weiter ausbauen wird (BAMF 10.2.2020; vgl. JA 9.2.2020). Die Oppositionspartei die Sozialdemokratische Front (SDF), hat derzeit 18 Abgeordnete. Aber die SDF, die eher im englischsprachigen Raum etabliert ist, steht unter dem Druck der Unabhängigkeitsbewegungen, die ihr vorwerfen, eine föderalistische Lösung zu bevorzugen, die Paul Biya ablehnt, und an den Wahlen teilzunehmen (JA 9.2.2010).

Quellen:

- AI - Amnesty International (6.2.2020): Cameroon: Rise in killings in Anglophone regions ahead of parliamentary elections, https://www.ecoi.net/de/dokument/2024259.html, Zugriff 10.2.2020

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2.2020): Briefing Notes, Zugriff 11.2.2020

- DF - Deutschlandfunk.de (9.2.2020): Gewalt behindert laut epd Parlaments- und Kommunalwahlen, https://www.deutschlandfunk.de/kamerun-gewalt-behindert-laut-epd-parlaments-und.1939.de.html?drn:news_id=1099400, Zugriff 10.2.2020

- DW - Deutsche Welle (9.2.2020):Kamerun wählt neues Parlament, https://www.dw.com/de/kamerun-w%C3%A4hlt-neues-parlament/a-52309243, Zugriff 10.2.2020

- JA - Jeune Afrique (9.2.2020): Cameroun : journée d’élections législatives et municipales sans suspense mais sous tension, https://www.jeuneafrique.com/893838/politique/cameroun-journee-delections-legislatives-et-municipales-sans-suspense-mais-sous-tension/, Zugriff 10.2.2020

- RW - ReliefWeb (30.1.2020): Cameroon: Key Message Update: Recrudescence des exactions de Boko Haram dans l’Extrême-Nord et persistance du conflit dans les régions Anglophones, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Cameroon%20-%20Key%20Message%20Update_%20Thu%2C%202020-01-30.pdf, Zugriff 11.2.2020

- TNH - The New Humanitarian (ehemals: IRIN News) (6.2.2020): Briefing: Cameroon's intensifying conflict and what it means for civilians, http://www.thenewhumanitarian.org/news/2020/02/06/Cameroon-elections-anglophone-separatist-insurgency-Ambazonia, Zugriff 10.2.2020

Politische Lage

Kamerun ist eine Präsidialrepublik. Zwar kann die Staatsform als semipräsidentiell bezeichnet werden, d.h. es gibt neben dem Präsidenten als zweite Exekutivgewalt den Regierungschef (Premierminister), dessen Regierung dem Parlament verantwortlich ist, aber die Verfassung sichert dem Staatspräsidenten – seit 1982 ist dies Paul Biya – eine überragende Stellung (GIZ 4.2019a; vgl. USDOS 13.3.2019). Die seit 1996 geltende Verfassung ist eine Präsidialverfassung nach französischem Vorbild. Der in der Verfassung vorgesehene Verfassungsrat (Conseil Constitutionnel) wurde im Januar 2018 eingerichtet. Das politische System Kameruns ist auf den Präsidenten ausgerichtet, der die verschiedenen politischen, ethnischen und regionalen Kräfte im Lande so an der Macht beteiligt, dass sie in einer effizient austarierten Balance verharren. Dezentralisierungsbemühungen wurden von der Regierung Kameruns bislang nur halbherzig durchgeführt (AA 15.1.2019).

Das Land wird seit 1966 von der Partei „Rassemblement Démocratique du Peuple Camerounais“ (RDPC, bis 1985 „Union Nationale Camerounaise“) regiert. Staatspräsident Paul Biya regiert seit 1982. Nach Einführung des Mehrparteiensystems fanden 1992 zum ersten Mal Parlaments- und Präsidentenwahlen statt. Diese und nachfolgende Wahlen verliefen nicht ganz regulär (AA 15.1.2019).

Biya wurde bei den Präsidentschaftswahlen am 7.10.2018 erneut für weitere sieben Jahre in seinem Amt bestätigt (AA 15.1.2019; AA 21.3.2019a; vgl. GIZ 4.2019a). Dabei war die Wahlbeteiligung insgesamt gering (ca. 54 %), die Bevölkerung der anglophonen Provinzen machte von ihrem Wahlrecht kaum Gebrauch (5 bzw. 17 %). Das Ergebnis, 71 % für Paul Biya, überraschte nicht wirklich. Einige Gegenkandidaten legten wegen Wahlmanipulation Beschwerde ein (GIZ 4.2019a). Die Anhänger des, laut offiziellem Ergebnis mit 14 % der Stimmen, zweitplatzierten Präsidentschaftskandidaten und Vorsitzenden des Mouvement pour la Renaissance du Cameroun (MRC) (AA 21.3.2019a; vgl. GIZ 4.2019a), Maurice Kamto, protestieren seit der Bekanntgabe des offiziellen Wahlergebnisses im In- und Ausland. Es kam zu Verhaftungen (BAMF 4.2.2019). Eine durch seine politischen Verbündeten eingereichte Berufung mit dem Antrag auf Freilassung, wurde am 9.4.2019 in Yaoudé abgelehnt. Zudem wurden 17 Aktivisten vor dem Gerichtsgebäude verhaftet (JA 9.4.2019).

Zum Premierminister und Regierungschef wurde, im Rahmen einer Kabinettsumbildung nach den Präsidentschaftswahlen vom Oktober 2018 am 7.1.2019, Joseph Dion Ngute ernannt (AA 21.3.2019a; vgl. GIZ 3.2019a).

Die jetzt gültige Verfassung ist die 3. seit dem Erlangen der Unabhängigkeit im Jahr 1960. Diese 3. Verfassung wurde unter Biya inzwischen dreimalig einer Revision unterzogen: 1984, in der Phase der Machtkonsolidierung Biyas, wurde der Staat in "Republik Kamerun" umbenannt und die Provinzgrenzen neu gezogen. 1996 wurden die Weichen für eine moderate Dezentralisierung gestellt. So wurde die Einrichtung einer zweiten Parlamentskammer (Senat) beschlossen und die Amtszeit des Staatspräsidenten auf sieben Jahre, mit einmaliger Möglichkeit der Wiederwahl, festgesetzt. 2008 kam es zur vorläufig letzten Verfassungsänderung: die RDPC /CPDM nutzte ihre breite Parlamentsmehrheit und beschloss sowohl eine unbeschränkte Amtszeit des Präsidenten, als auch dessen Immunität über die Zeit der Präsidentschaft hinaus (GIZ 4.2019a).

Parlaments- und Kommunalwahlen werden zeitgleich mit den Präsidentschaftswahlen abgehalten und wurden von der Regierungspartei RDPC gewonnen. Nach wiederholter Wahlterminverlegung (die Opposition hatte immer wieder Reformen des Wahlverfahrens angemahnt) fanden am 30.9.2013 die bislang letzten Parlaments- und Kommunalwahlen statt - mit wenig überraschendem Ergebnis: Die RDPC/CPDM behauptete sich mit Abstand (GIZ 4.2019a). Ihr gehören 148 (zuvor 152) der 180 Abgeordneten an. Als größte Oppositionspartei stellt die SDF (Mitglied der Sozialistischen Internationale) 18 Abgeordnete, während 5 kleinere Parteien insgesamt 14 Sitze erhielten. Die Kommunalwahlen entschied die RDPC ebenfalls klar für sich: Sie kann in 305 Kommunen allein regieren, die Oppositionsparteien lediglich in 24. Sowohl die Parlaments- als auch die Kommunalwahlen, die beide turnusgemäß im Jahr 2018 hätten stattfinden sollten, wurden auf Herbst 2019 verschoben (AA 15.1.2019).

Die Verfassungsänderung von 1996 sah die Schaffung einer zweiten parlamentarischen Kammer, des Senats, vor. Die indirekten Wahlen zum Senat fanden erstmals im April 2013 statt (AA 21.3.2019a; vgl. GIZ 4.2019a). Am 25.3.2018 wurden wieder Senatswahlen durchgeführt, die von der Regierungspartei RDPC mit überwältigender Mehrheit gewonnen wurde (AA 15.1.2019). Der Verfassungsrat wurde am 7.2.2018 offiziell eingerichtet. Nach den Wahlen und der Ernennung der übrigen 30 Senatoren durch den Staatspräsidenten, stellt die Regierungspartei 87 Senatoren, während 7 der oppositionellen SDF und 6 Senatoren kleinen Parteien angehören (AA 21.3.2019a; vgl. AA 15.1.2019).

Die über 200 Parteien bieten kaum politische Alternativen: Die meisten Oppositionsparteien, so auch die SDF, kranken an ähnlich überkommenen Strukturen wie die Regierungspartei RDPC. Parteigründer sind oftmals gleichzeitig ewige Vorsitzende (in einigen Fällen inzwischen deren Söhne) und führen ihre Partei in autokratischem Stil. Zudem stützen sich die meisten Oppositionsparteien auf eine regionale Hochburg (meist der Herkunftsort des Vorsitzenden). So auch die SDF: 13 ihrer 18 Parlamentssitze errang sie in der anglophonen Region Nordwest, aus der Parteigründer und Vorsitzender John Fru Ndi (77 Jahre) stammt (AA 15.1.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-01-2019.pdf, Zugriff 25.3.2019

- AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019a): Kamerun - Innenpolit

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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