TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/11 W124 2209636-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.06.2021
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Entscheidungsdatum

11.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs2
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §55

Spruch


W124 2209636-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , zu Recht erkannt:

A)       

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. I Nr. 51/1991 idgF, sowie §§ 10 Abs 1 Z 3, 13 Abs 2, 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, und §§ 52 Abs 2 Z 2, 52 Abs. 9, 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6, 55 Abs. 1a und 46 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

B)       

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist indischer Staatsangehöriger und reiste am XXXX illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein. Am selben Tag stellte er seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am XXXX durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

Dabei gab er als Fluchtgrund an, dass er in seinem Heimatsstaat in XXXX auf ein College gegangen sei und Informatik studiert habe. Auf der Toilette habe er Schüler gesehen, die Drogen genommen hätten. Nachdem er dies der Schulleitung gemeldet, diese jedoch nichts unternommen habe, sei er vom betroffenen Schüler zur Rede gestellt worden, weil dieser von der Meldung bei der Schulleitung erfahren habe.

Daraufhin sei der BF zur Polizei gegangen und habe den Jungen wegen Drogenmissbrauch angezeigt. Als er ein paar Tage später auf der Polizeistation den Jungen identifizieren habe sollen, habe ihn die Polizei aufgefordert, die Anzeige zurückzuziehen, widrigenfalls gegen den BF ein Strafverfahren wegen Drogenhandels eingeleitet werden würde. Da der BF seine Anzeige jedoch nicht zurückgezogen habe, habe der Junge angefangen, ihn mit seiner Gang zu verfolgen und zu bedrohen. Aus Angst um sein Leben habe er daher seinen Heimatstaat verlassen.

1.2. Mit Parteiengehör des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (folglich: BFA) vom XXXX wurde dem BF das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Indien vorgelegt und die Möglichkeit gegeben, dazu Stellung zu nehmen.

1.3. Am XXXX fand vor dem BFA eine Einvernahme des BF statt. Auch dabei erzählte er von den Burschen, die im College Drogen konsumiert hätten und über die er sich beim Direktor beschwert habe. Das hätten die Burschen erfahren, ihn umzingelt und dann gewaltsam Drogen gespritzt, wodurch er bewusstlos geworden sei. Als er wieder aufgewacht sei, sei er zur Polizei gegangen und habe Anzeige gegen die Jungen erstattet. Daraufhin sei die Polizei zu ihm nach Hause gekommen und habe gefordert, dass der BF mit auf die Polizeistation kommen solle, um die Burschen zu identifizieren. Da diese jedoch gute Kontakte zur Polizei gehabt hätten, sei der BF von dieser dazu aufgefordert worden, seine Anzeige zurück zu ziehen, widrigenfalls sie gegen ihn ein Verfahren einleiten würden, weil er ein Drogenhändler sei. Der BF habe sich jedoch geweigert seine Anzeige zurück zu ziehen und habe angekündigt sich beim Polizeikommandanten zu beschweren, weshalb er in derselben Nacht, am Weg nach Hause, von einem PKW verfolgt worden sei, aus dem vier Männer mit Säbeln ausgestiegen seien. Daraufhin sei der BF in ein Nachbarsdorf gefahren und habe bei einem Freund darauf gewartet, dass ihn seine Familie von dort abhole. Ein paar Tage später hätten sich während der Feldarbeit zwei Männer auf einem Motorrad genähert und angefangen auf den BF zu schießen. Nachdem er sich in seinem Haus versteckt habe, habe er Drohanrufe bekommen, weswegen er dann aus Indien geflohen sei.

Nach seiner Flucht habe ihn seine Mutter darüber informiert, dass gegen den BF Anzeige wegen Drogenhandels und weil er die Burschen körperlich angegriffen hätte, erhoben worden sei. Da sich seine Mutter auch nicht mehr nach Hause traue, habe er von Freunden erfahren, dass die Polizei zwei bis drei Mal beim Haus der Familie gewesen sei. Seine Freunde hätten deswegen davon erfahren, weil es der Dorfvorstand gewusst und es ihnen erzählt habe.

Der BF sei nicht persönlich zum Polizeikommandanten gegangen, weil sich sein Onkel mit diesem einen Termin etwa vier bis fünf Tage nach dem ersten Angriff ausgemacht habe. Da zu diesem Termin jedoch niemand gekommen sei, habe der Onkel den BF nach XXXX geschickt.

Obwohl der BF bei seiner Flucht keine Dokumente mit ich genommen habe, habe er geglaubt, bis nach Amerika fliehen zu können. Seine Dokumente könne er deswegen nicht erhalten, weil seine Onkel nicht mehr mit ihm sprechen würden.

Wenn er nach Indien zurückkehren würde, würde er umgebracht werden, da die indischen Politiker zur Bande und zur Polizei halten würden.

1.4. In der Folge wurde der erste Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid des BFA vom XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem BF wurde gemäß §§ 55 und 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde im Spruch ausgeführt, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde und gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der BF in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA sein Vorbringen gegenüber jenem bei seiner Erstbefragung, wie in Abschnitt 1.3. ausgeführt, gesteigert habe. Er habe das Vorbringen aber weder glaubhaft machen noch Anzeigebestätigungen vorlegen können. Als Begründung, dass er, obwohl er von der Anzeige gegen ihn Bescheid wisse, diese nicht vorweisen könne, brachte er vor, dass der Dorfvorsteher darüber Bescheid gewusst, und es daher das ganze Dorf gewusst habe, und es somit Freunde seiner Mutter berichtet hätten, und seine Mutter es wiederum ihm erzählt habe. Auch habe der BF nicht erklären können, weshalb die Polizei zu ihm nach Hause gekommen sei, wenn der Dorfvorstand gewusst habe, dass der BF nicht mehr im Dorf sei.

Auch das Vorbringen des BF, dass dieser auf dem Feld von zwei Männern auf dem Motorrad beschossen worden und daraufhin weggelaufen sei und sich in seinem Haus versteckt habe, sei für das BFA nicht glaubhaft und könne sich nicht in der vom BF veranschaulichten Form zugetragen haben.

Hinsichtlich der Ausführungen, dass der BF die Vorfälle nicht an den Kommandanten gemeldet habe und sein Onkel in diesem Zusammenhang vier, fünf Tage später einen Termin ausgemacht habe, der aber nicht zustande gekommen sei, führte das BFA aus, dass es sich dabei um Probleme mit Privatpersonen handle und nicht davon auszugehen sei, dass dem BF von staatlichen Behörden die Hilfe verweigert worden sei bzw. es zu keiner ernsthaft betriebenen Strafverfolgung gegen seine Angreifer kommen würde, sollte tatsächlich eine Bedrohungssituation vorliegen.

Der BF habe sich mit dem Verlassen von Indien dazu entschlossen, die äußerste aller Möglichkeiten zu wählen um seinen vermeintlichen Problemen zu entgehen. Dies erscheine insofern unverhältnismäßig, als dieser angegeben habe, dass seine Familie beispielsweise in Indien unbehelligt leben könne. Viel eher habe es den Anschein, dass der BF den Asylantrag gestellt habe, um seinen Aufenthalt im Bundesgebiet zu verlängern bzw. den Maßnahmen eines illegalen Aufenthaltes zu entgehen.

Weiters existiere in Indien kein Meldewesen, sodass dem BF jedenfalls die Möglichkeit offenstehe, sich an einen anderen Ort in seinem Herkunftsstaat zu begeben, um seinen Problemen zu entgehen. Dass man gerade den BF in ganz Indien suchen und auch finden solle, sei im Hinblick auf die im Länderinformationsblatt geschilderte allgemeine Lage nicht glaubhaft. Generell hätten sich im Asylverfahren keine Anzeichen ergeben, die einer innerstaatlichen Fluchtalternative widersprächen. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Behörden seines Herkunftsstaates nicht gewillt wären und auch nicht versuchen würden, die Bürger von derartigen kriminellen Handlungen zu schützen. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass in Indien, wie in jedem anderen Staat auch, nicht jeder Zeit ein umfassender Schutz vor kriminellen Machenschaften oder terroristischen Handlungen möglich sei.

Demnach sei das Vorbringen des BF nicht dazu geeignet, eine asylrelevante Furcht vor Verfolgung iSd GFK glaubhaft zu machen.

Es gebe auch keine Anhaltspunkte, dass der BF bei einer Rückkehr in eine die wirtschaftliche Existenz bedrohende Lage käme, zumal er ein gesunder, arbeitsfähiger Mann sei, der offensichtlich auch bisher sein Auslangen in Indien habe finden können. Weder aus den Angaben des BF noch den dem Bescheid zugrunde gelegten Länderinformationsblatt ließe sich erkennen, dass die objektive Lage in Indien von vornherein aussichtlos sein würde.

Rechtlich führte das BFA im Wesentlichen dazu aus, dass der BF auch im Hinblick der erfolgten Beweiswürdigung keine Verfolgung iSd GFK glaubhaft machen habe können (Spruchpunkt I.). Als gesunder und arbeitsfähiger Mann sei davon auszugehen, dass sich dieser im Falle der Rückkehr nach Indien eine neue Existenz aufbauen könne und keinesfalls die völlige Entziehung seiner Existenzgrundlage drohen würde. Auf Grund der Länderfeststellungen sei jedenfalls anzunehmen, dass der BF seine existenziellen Grundbedürfnisse so wie vor seiner Ausreise aus eigener Kraft durch selbständige Arbeit sichern könne. Zudem verfüge dieser über familiäre Anknüpfungspunkte bzw. habe 12 Jahre die Schule und ein Jahr ein College besucht. (Spruchpunkt II.).

Hinsichtlich des Privat-, und Familienlebens sei im Verfahren nicht hervorgekommen, dass es Anlass dazu gegeben hätte, dass eine besondere Integration des BF in Österreich anzunehmen sei, zumal dieser nicht Deutsch spreche und über keine privaten Kontakte verfüge. Auch sein erst relativ kurzer Aufenthalt spreche gegen das Vorliegen besonderer privater Bindungen bzw. einer Integration in Österreich. Im Gegensatz zu seinem Herkunftsstaat habe er hier keine verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte. Somit ergebe sich bei einer Abwägung seiner privaten und der öffentlichen Interessen, dass das Interesse der Öffentlichkeit an einem geordneten Fremdenwesen, gegen welches der BF zudem mit seiner illegalen Einreise agiert habe, seinem privaten Interesse überwiege.

Auch eine Abschiebung nach § 50 Abs 2 FPG sei zulässig, da dem BF keine Flüchtlingseigenschaft zukomme. Es liege weiters keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte iSd § 50 Abs 3 FPG vor, weshalb eine Rückkehrentscheidung durchsetzbar sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen eine Abschiebung des BF nach Indien zulässig sei.

Zu Spruchpunkt IV. wurde ausgeführt, dass der BF weder einen Asylstatus noch eine subsidiäre Schutzberechtigung herzuleiten vermocht habe.

Weiters stehe für das BFA fest, dass für den BF im Falle seiner Rückkehr keine Menschenrechtsverletzung drohe. Er benötige daher nicht den Schutz Österreichs. Es sei davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeenden Maßnahmen im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten sei. Da dem Antrag des BF auf internationalen Schutz keine Aussicht auf Erfolg beschieden sei und auch keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsstaat drohe, sei es ihm zumutbar, den Ausgang des Asylverfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten.

Zuletzt bestehe gemäß § 55 Abs. 1a FPG im Falle einer durchführbaren Entscheidung aufgrund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG keine Frist für die freiwillige Ausreise. Daher sei im gegenständlichen Verfahren von der Erteilung einer Frist abzusehen gewesen.

1.5. Der BF erhob gegen sämtliche Spruchpunkte des Bescheids vom XXXX fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) und wiederholte darin sein schon vor dem BFA erstattetes Fluchtvorbringen. Sollte diesem keine Asylrelevanz zugebilligt werden, beantragte er in eventu die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, weil ihm im Falle der Abschiebung nach Indien eine reale Verletzung der Art 2 und 3 EMRK drohe. Weiters bestehe für ihn als Zivilperson in seinem Herkunftsstaat eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt sowie die Gefahr, in eine aussichtslose Lage zu geraten. Er wäre einem Klima ständiger Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbaren Einschränkungen sowie einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt.

1.6. Mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX , wurde die Beschwerde gemäß §§ 3 Abs 1, 8 Abs 1, 10 Abs 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, sowie §§ 46, 52 Abs 2 Z 2 und Abs 9 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

Hinsichtlich Spruchpunkt IV. gab das BVwG der Beschwerde statt und behob diesen ersatzlos.

Gleichzeitig wurde dem BF gemäß § 55 Abs 2 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt.

Begründet wurde dies damit, dass die Verfolgungsbehauptungen des BF nicht glaubhaft seien und keine dem BF in Indien an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung drohe. Außerdem stehe ihm in Indien eine inländische Schutz-, bzw. Fluchtalternative offen. Zudem habe der BF im Bundesgebiet keine Familienangehörigen oder sonstigen Verwandten und lebe auch mit niemandem in einer Familiengemeinschaft oder familienähnlichen Gemeinschaft. Er spreche kein Deutsch, sei kein Mitglied eines Vereins oder einer sonstigen Organisation und gehe keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nach, sondern nehme Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch.

Das BVwG hielt die Beurteilung des BFA dahingehend, dass die Geschichte, die zu seiner Flucht geführt habe, nicht der Wahrheit entspreche und somit nicht glaubwürdig sei, für schlüssig. Ebenso erachtete das BVwG das Vorbringen, dass dem BF Drogen gespritzt worden seien, er daraufhin die verantwortlichen Personen, die angeblich gute Kontakte zur Regierung hätten, angezeigt habe, aber die Polizei ihn aufgefordert habe, die Anzeige zurückzuziehen, als nicht nachvollziehbar. Dazu kommt, dass der BF keinerlei Unterlagen hinsichtlich einer allfälligen, gegen ihn eingebrachten Anzeige vorlegen habe können.

Auch das Vorbringen des BF, dass die Polizei mehrmals bei seinem Haus gewesen sei, obwohl das ganze Dorf bereits gewusst habe, dass er nicht mehr dort aufhältig gewesen sei, sowie dass er von zwei Männern von einem Motorrad beschossen worden sei für das BVwG nicht glaubwürdig bzw. nachvollziehbar gewesen.

Aufgrund der teilweise sehr vagen und nur wenig nachvollziehbaren Fluchtgeschichte des BF hinsichtlich einer Verfolgung durch seine Mitschüler ging das BVwG davon aus, dass dessen Vorbringen zur Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entsprochen habe.

1.7. Der BF stellte am XXXX , nach einer polizeilichen Anhaltung am XXXX den zweiten Antrag auf internationalen Schutz und führte in der mit ihm am XXXX aufgenommenen Niederschrift aus, dass er bei einer Rückkehr Angst um sein Leben habe, da seine beiden Onkel und sein Großvater aufgrund eines Grundstücksstreits von einem Mann namens XXXX getötet worden seien. Dieser stelle auch eine Gefahr für den BF dar, da er sämtliche Erben in seiner Familie töten wolle.

1.8. Mit Verfahrensanordnung teilte das BFA dem BF mit, dass er gemäß § 52a Abs 2 BFA-VG verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch bis XXXX in Anspruch zu nehmen. Weiters wurde ihm gemäß § 29 Abs 3 und § 15a AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da das BFA davon ausgehe, dass eine entschiedene Sache iSd § 68 AVG vorliegen würde. Gleichzeitig wurde der BF darüber informiert, dass ihn aufgrund der soeben angeführten Verfahrensanordnung die Verpflichtung treffe, sich unter Vorlage der Identitätskarte alle 48 Stunden persönlich bei der Polizeiinspektion XXXX zu melden, da er nicht in einer Betreuungsorganisation des Bundes versorgt werde.

Zusätzlich wurde ihm ein Beiblatt zu den aktuellen Länderfeststellungen für Indien übermittelt und ihm die Möglichkeit gegeben, dazu bis zu seiner Einvernahme vor dem BFA eine Stellungnahme abzugeben.

1.9. Am XXXX fand beim BFA eine niederschriftliche Einvernahme mit dem BF in Anwesenheit des ihm beigegebenen Rechtsberaters statt.

Dabei gab der BF zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass in seiner Familie bereits drei Personen im Jahr XXXX ermordet worden seien und er selbst mit dem Tod bedroht worden sei. Mit dem dafür verantwortlichen Mann, XXXX , bestehe seit Jahren eine Feindschaft, in der es auch zu einem Grundstücksstreit gekommen sei. Da das Familiengrundstück einen hohen Wert habe, würde es der Mann unbedingt in Besitz nehmen wollen und um dies zu erreichen der ganzen Familien schaden bzw. einzelne Familienmitglieder sogar töten wollen. Diese Probleme habe es auch schon gegeben, als er sich noch in seinem Heimatstaat aufgehalten habe und betreffe nicht nur ihn, sondern auch seine Mutter, die aus diesem Grund etwa fünf bis sechs Monate vor seiner Einvernahme nach Australien zum Cousin des BF gegangen sei. Der BF sei zwar noch nie direkt bedroht worden, habe davon jedoch von Dorfbewohnern erfahren. Von den Morden an seinen Onkeln und seinem Großvater im Jahr XXXX habe er von seiner Mutter erfahren.

Nachdem sein älterer Onkel ermordet worden sei, habe die Familie bei der Polizei Anzeige erstatten wollen. Die Polizei habe jedoch keine Anzeige aufgenommen, da sie schon im Vorhinein vom Gegner bestochen worden sei. Da sich von seiner Familie niemand mehr auf dem betroffenen Grundstück bzw. generell in Indien aufhalte, sei es vom Gegner in Besitz genommen worden, obwohl es noch offiziell auf den Namen der Familie laute. Dies sei deswegen möglich, weil der Gegner hohe Politiker sowie Polizisten auf seiner Seite habe.

Er habe diese Probleme im Vorverfahren nicht erwähnt, da es sie damals noch nicht gegeben habe. Konkret bedroht fühle er sich dadurch, seit seine Familienangehörigen getötet worden seien, also seit XXXX .

Der BF fürchte sich aber nicht nur vor einer Rückkehr in seine Heimatstadt, sondern auch vor der Rückkehr in eine andere Stadt in Indien, da ihm in seinem gesamten Heimatsstaat Verfolgung aufgrund der Khalistan-Bewegung drohe. Dabei handle es sich um einen unabhängigen Staat namens Khalistan, der im Jahr 2020 von den Sikhs gegründet worden sei. Während die indische Regierung gegen diesen Staat sei, setze sich der BF dafür ein, weil er selbst ein Sikh sei. Er sei wegen der Religion zwar noch nie direkt bedroht worden, fürchte aber dennoch auch in anderen Städten um sein Leben, weil in den Nachrichten fast jeden Tag berichtet werde, dass Sikhs aufgrund der Khalistan-Bewegung getötet würden.

1.10. Mit Bescheid vom XXXX wies das BFA den zweiten Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs 1 AVG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) ab, erteilte einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Das BFA stellte gemäß § 55 Abs 1a FPG fest, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.) und erließ nach § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG ein für die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.).

Begründend führte die belangte Behörde dazu im Wesentlichen aus, dass der BF im Verfahren des zweiten Asylantrags keinen Sachverhalt vorgebracht habe, der nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens entstanden sei. Das BFA habe keinen neuen entscheidungsrelevanten Sachverhalt feststellen können, da das Vorbringen zur Bedrohung durch eine Person namens XXXX keinen glaubhaften Kern aufweise. Es habe weder eine besonders gegen den BF gerichtete, persönliche und direkte Bedrohung noch eine konkrete Verfolgungsgefahr festgestellt werden können.

Insbesondere handle es sich beim größtenteils widersprüchlichen Vorbringen des BF nicht um einen neuen Sachverhalt. Zum einen hätten die Probleme mit dem Grundstück und auch die Drohungen schon bei der Einreise des BF nach Österreich bestanden, zum anderen sei der BF erst nach seiner Flucht darüber informiert worden. Jedenfalls habe er weder dem BFA, noch dem BVwG von der vermeintlich aktuellen Lage in seinem Heimatstaat bzw. den neu hinzugekommenen Bedrohungen berichtet. Demnach könne davon ausgegangen werden, dass die geschilderte Bedrohung nicht den Tatsachen entspreche.

Nicht nachvollziehbar sei auch, warum der BF aufgrund der angeblich neu hinzugekommenen Bedrohungen nicht früher einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, sondern dies erst im Rahmen einer Fahrzeugkontrolle im Polizeianhaltezentrum getan habe.

In Hinblick auf die vom BF behauptete Gefahr, aufgrund seiner Religionszugehörigkeit und der damit einhergehenden Verbindung zur Khalistan-Bewegung einer Verfolgung ausgesetzt zu sein, sei von einem gesteigerten Vorbringen auszugehen, welchem er sich im Zuge seiner Rückkehrbefürchtungen bedient habe. Da er weder im ersten noch im zweiten Verfahren behauptet habe, Probleme aufgrund seiner Religionszugehörigkeit zu haben, sei dieses Vorbringen schlichtweg unglaubwürdig.

Dazu komme, dass der BF keinerlei Beweismittel erbracht habe, die auf eine neu entstandene Bedrohung verweisen könnten. Es könne demnach seinem gesamten Vorbringen kein Glaube geschenkt werden, weshalb kein veränderter Sachverhalt im Asylverfahren erkannt werden habe können.

Im vorliegenden Fall seien also vom BF nur Nebenumstände modifiziert worden, die nicht dazu geeignet seien, eine inhaltliche Änderung der Entscheidung der Behörde herbeizuführen. Somit habe sich an der Identität der Sache nichts geändert und es seien keine neuen Umstände hervorgetreten, die die rechtliche Beurteilung der Hauptsache beeinflussen könnten.

Dasselbe gelte für die weiteren und nach § 8 AsylG berücksichtigungswürdigen Gründe, zumal sich seit rechtskräftiger Entscheidung des Erstverfahrens weder hinsichtlich der persönlichen Situation des BF noch im Hinblick auf die allgemeine Lage im Heimatsstaat etwas geändert habe.

1.11. Mit Schreiben des BFA vom XXXX wurde der BF über seine Verpflichtung informiert, unverzüglich bzw. fristgerecht aus dem Bundesgebiet auszureisen.

1.12. Der Bescheid des BFA vom XXXX erwuchs am XXXX mangels Einbringung einer Beschwerde in Rechtskraft.

2. Gegenständliches Verfahren

2.1. Am XXXX brachte der BF den dritten Antrag auf internationalen Schutz ein und gab bei seiner Erstbefragung vor Organen des Öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag zu Protokoll, dass seine alten Fluchtgründe aufrecht blieben und neue Fluchtgründe hinzukämen.

Die Personen, mit denen er Probleme habe, hätten nun seine Mutter, als sie im XXXX von Australien nach Indien zurückgekommen sei, verhaften lassen. Dies habe er im XXXX erfahren. Sowohl gegen seine Mutter als auch gegen den BF sei wegen der Khalistan-Bewegung eine Strafanzeige eingebracht worden. Da die Behörden keinen Kontakt zugelassen hätten, habe er schon seit sechs Monaten nichts mehr von seiner Mutter gehört. Aufgrund der Tatsache, dass die Khalistan-Bewegung als Sabotageakt gelte, sei das Haus der Familie niedergebrannt und zerstört worden, und es drohe dem BF eine lebenslängliche Inhaftierung oder gar eine Todesstrafe, wenn er zurückkehren würde.

2.2. Am XXXX übermittelte das BFA dem BF ein Beiblatt zu den aktuellen Länderfeststellungen für Indien mit der Möglichkeit, dazu bis zu seiner Einvernahme vor dem BFA Stellung zu nehmen.

2.3. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX teilte das BFA dem BF gemäß § 29 Abs 3 und § 15a AsylG mit, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da die Behörde davon ausgehe, dass eine entschiedene Sache iSd § 68 AVG vorliegen würde.

Weiters wurde ihm mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid gemäß § 12a Abs. 2 iVm § 29 Abs. 3 Z 6 AsylG aufzuheben. Durch diese Mitteilung gelte die Zwanzigtagesfrist des Zulassungsverfahrens nach § 28 Abs. 2 AsylG nicht.

Außerdem wurde der BF mit Verfahrensanordnung vom selben Tag dazu verpflichtet, ein Rückkehrberatungsgespräch bis zum XXXX in Anspruch zu nehmen.

2.4. Am XXXX erstattete die Landespolizeidirektion Niederösterreich einen Bericht, dass der BF gegen COVID-19 Quarantäne Pflicht verstoßen habe.

2.5. Am XXXX fand die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA statt. Er gab dabei im Wesentlichen an, dass sowohl seine Fluchtgründe aus den Vorverfahren aufrecht als auch neue entstanden seien.

Hinsichtlich der neuen Fluchtgründe brachte er vor, dass er im Jahr XXXX aufgrund der Khalistan-Bewegung, die er unterstütze, angezeigt und seine Mutter sogar festgenommen worden sei, als sie von Australien nach Indien zurückgekehrt sei. In Australien habe sie sich seit XXXX mit einem Touristenvisum aufgehalten. Nun sitze sie seit XXXX in Haft, weswegen er auch in den letzten vier bis fünf Monaten keinen Kontakt zu ihr gehabt habe. Die Mutter sei wegen dem BF inhaftiert worden, da sie beschuldigt worden sei, ebenfalls an der Khalistan-Bewegung beteiligt zu sein. Konkret habe sie ein Minister namens XXXX verhaften lassen, mit dem der BF, seitdem er Bekannte von diesem aufgrund eines Drogenverkaufs am College angezeigt habe, befeindet sei. In weiterer Folge habe sich ein Dorfbewohner namens XXXX dem Minister angeschlossen und versucht, das Land des BF in Besitz zu nehmen. Derselbe habe XXXX auch einen seiner Onkel ermordet.

Auf genauere Nachfrage, von wem die Mutter des BF nun bedroht werde, gab dieser an, dass sie sowohl vom Minister als auch von dem Mann, der seinen Onkel umgebracht habe, bedroht werde. Während Letzterer Anfang XXXX das Haus demoliert habe, um der Mutter Angst einzujagen, drohe ihr der Minister seit der Ausreise des BF ständig.

Obwohl der BF seine Strafanzeige nie gesehen habe, wisse er, dass es diese gebe, da die Polizei dies zu seiner Mutter bei ihrer Festnahme gesagt habe. Der Anwalt der Mutter, mit dem der BF in Kontakt stehe, versuche derzeit, die besagte Anzeige zu beschaffen. Er könne jedoch nicht direkt zur Polizei gehen, da diese dann fragen würde, wo der BF derzeitig aufhältig sei. Demnach versuche der Anwalt die Anzeige über eine Vertrauensperson zu bekommen.

Auf die konkrete Frage, was gegen die aufenthaltsbeendende Maßnahme spreche über die bereits rechtskräftig abgesprochen wurde, antwortete der BF, dass er darum bitte, im Land bleiben zu dürfen, da er sonst in Indien umgebracht werde.

Zu seiner derzeitigen Lebenssituation gab der BF an, dass er seit zwei Jahren eine Lebensgefährtin in XXXX habe und schwarz als Zeitungszusteller arbeite. Er habe keine Verwandten in Österreich oder der Europäischen Union.

2.6. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde der BF darüber informiert, dass ihn die Verpflichtung treffe, sich unter Vorlage der Identitätskarte alle 48 Stunden persönlich bei der Polizeiinspektion XXXX zu melden, da er nicht in einer Betreuungsorganisation des Bundes versorgt werde.

2.7. Am XXXX erhob die Staatsanwaltschaft Wien gegen den BF Anklage wegen unerlaubtem Umgang mit Suchtgiften nach § 27 SMG.

2.8. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF gemäß § 13 Abs. 2 AsylG der Verlust seines Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet wegen eingebrachter Anklage einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden könne, mitgeteilt.

2.9. Mit Bescheid vom XXXX wies das BFA den dritten Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) ab, erteilte einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Das BFA stellte gemäß § 55 Abs. 1a FPG fest, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.) und erließ nach § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein für die Dauer von fünf einem Jahr befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.). Weiters sprach das BFA aus, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 13 Abs. 2 Z 2 AsylG ab dem XXXX verloren habe (Spruchpunkt VIII.).

Das BFA begründete dies im Wesentlichen damit, dass der BF seit seinem ersten Asylverfahren kein neues Vorbringen erstattet habe. Es habe daher keinen neuen entscheidungsrelevanten Sachverhalt feststellen können.

Das Vorbringen des BF dazu, dass sich die Verfolger aus dem ersten Verfahren mit den Verfolgern aus dem zweiten Verfahren verbündet hätten, sei schlichtweg nicht glaubwürdig, da die Verfolgung durch die besagten Personen bereits in den beiden vorangegangenen, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren, sowohl vom BFA als auch vom BVwG als nicht glaubhaft angesehen worden sei. Auch die Angaben des BF zum Aufenthalt seiner Mutter seien widersprüchlich und unglaubwürdig, da er im gegenständlichen Verfahren behauptete habe, diese sei mit einem dreimonatigen Visum von XXXX in Australien gewesen, in der Einvernahme am XXXX jedoch dazu angab, dass sie seit fünf bis sechs Monaten mit einem zwölfmonatigen Visum dort sei.

Auch bezüglich des Familienanwesens habe sich der BF in Widersprüche verstrickt. Teils behauptete er, jemand habe dieses niedergebrannt, teils sei nur jemand eingebrochen und habe das Haus verwüstet und dabei die Familie lauthals beschimpft, sodass es das gesamte Dorf habe hören können. Ebenso habe das Verhalten der Eindringlinge in mehrerlei Hinsicht keinen Sinn gehabt. Der BF habe angegeben von seinen Nachbarn erfahren zu haben, dass die Eindringlinge sie beschimpft hätten. Es sei nicht nachvollziehbar, dass Eindringlinge beim gesetzeswidrigen Einbrechen in ein Haus durch lautes Beschimpfen von Personen, welche nicht anwesend gewesen seien, so viel Wirbel machen würden, dass es die ganze Nachbarschaft mitbekommen würde. Ebenso würde es nicht glaubhaft sein, dass die Mutter des BF zwei, drei Tage nach ihrer Ankunft in Indien in dem Haus verhaftet worden sei, in welchem diese gar nicht mehr wohnen würde.

Zusammenfassend seien die Schilderungen des BF unschlüssig und voller Widersprüche. Insbesondere müsse auch an der Glaubwürdigkeit der Person des BF gezweifelt werden, da dieser im gesamten Verfahren keinerlei Beweismittel vorgebracht habe, obwohl er laut eigener Aussage Zugang dazu habe. Gegenüber dem Vorbescheid habe sich weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert. Die vom BF modifizieren Nebenumstände seien nicht dazu geeignet, eine Änderung der Entscheidung herbeizuführen. Auch die allgemeine Situation in Indien habe sich seit rechtskräftigem Abschluss des letzten Verfahrens nicht wesentlich geändert. Im Hinblick auf die COVID-19 Pandemie sei festzuhalten, dass es sich beim BF um einen 24-jährigen, gesunden Mann handle, der mangels Vorerkrankungen zu keiner Risikogruppe gehöre.

Was die weiteren und gemäß § 8 AsylG berücksichtigungswürdigen Aspekte betreffe, sei anzumerken, dass sich im gegenständlichen Verfahren kein Hinweis auf einen seit Rechtskraft der Entscheidungen der übrigen Verfahren entscheidungsrelevant geänderten Sachverhalt ergeben habe. Der BF habe sich weder in Österreich besonders integriert, noch gehe er einer legalen Arbeit nach. Er habe keine Familienangehörigen im Inland und es würden auch sonst keine gewichtigen Interessen an einem Verbleib in Österreich vorliegen.

Der BF habe die ihm gewährte Frist zur Ausreise in seinen Herkunftsstaat nicht eingehalten und somit einer behördlichen Anordnung nicht Folge gegeben. Weiters sei gegen ihn eine Verwaltungsstrafe gemäß § 99 Abs. 1b iVm § 5 Abs. 1 StVO und gemäß § 37 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 3 FSG in Höhe von XXXX verhängt, sowie eine Anklage nach § 27 SMG erhoben worden. Aufgrund der Anklageerhebung habe er sein Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet verloren. Außerdem sei der BF am XXXX aus einer behördlich angeordneten Quarantäne entwichen und nicht in der Lage, Mittel für seinen Unterhalt nachzuweisen.

2.10. Am XXXX informierte das BFA den BF darüber, dass für ihn aufgrund einer bestehenden Rückkehrentscheidung die Verpflichtung zur unverzüglichen bzw. fristgerechten Ausreise bestehe.

2.11. Am XXXX brachte der BF, vertreten durch den XXXX , fristgerecht eine Beschwerde ein, in der der Bescheid vollinhaltlich angefochten wurde.

Der BF begründete dies im Wesentlichen damit, dass er in seinem Heimatsstaat Probleme mit der Khalistan-Bewegung habe und gegen ihn mehrere Strafanzeigen aufrecht seien. Aus diesem Grund sei auch seine Mutter verhaftet worden. Außerdem verfolge ihn ein Minister aus persönlicher Rachsucht.

Darüber hinaus verwies der BF auf das Vorabentscheidungsverfahren zur Zahl Ro 2019/14/0006 (EU 2019/0008), aus dem hervorgehe, dass die „entschiedene Sache“ iSd AVG unionsrechtlich keine Gültigkeit habe, und die Entscheidung in diesem Verfahren abgewartet werden müsse.

2.12. Das BFA legte dem BVwG die gegenständliche Beschwerde am XXXX vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen (Sachverhalt):

1.1.    Zur Person des BF

Der BF, geboren am XXXX , ist indischer Staatsangehöriger aus dem Bundesstaat Punjab und gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Seine Identität steht nicht fest. Er beherrscht neben seiner Muttersprache Punjabi außerdem Hindi und Englisch. Im Herkunftsstaat besuchte er zwölf Jahre die Grundschule, ein Jahr ein College und hat zuletzt eineinhalb Jahre in einem Geschäft für Pestizide als Verkäufer gearbeitet.

Der BF ist gesund, leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen und ist arbeitsfähig. Er ist also in der Lage, im Herkunftsstaat den notwendigen Unterhalt zu sichern.

1.2.    Zum Verfahrensgang

Der BF reiste am XXXX illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Zu seinen Fluchtgründen gab er im ersten Vorverfahren zusammengefasst an, dass er bei der Polizei gegen Burschen eine Anzeige erstattet habe, nachdem ihm diese gewaltsam Drogen gespritzt hätten. In der Folge hätte man von ihm verlangt, dass er seine Anzeige zurückziehe, da ansonsten gegen den BF ein Verfahren wegen Drogenhandels eingeleitet werde. Überdies sei der BF von zwei Männern von einem Motorrad aus beschossen worden, als sich dieser zu diesem Zeitpunkt auf dem Feld aufgehalten habe, nachdem er den beiden Personen zugerufen und nach deren Namen gefragt habe.

Das BFA wies in der Folge diesen Antrag mit Bescheid vom XXXX ab, gegen den der BF fristgerecht Beschwerde erhob. Das BVwG gab der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt IV. statt und behob diesen, und räumte dem BF eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ein. Hinsichtlich der restlichen Spruchpunkte wies das BVwG die Beschwerde ab.

Der BF kehrte nicht nach Indien zurück, sondern reiste etwa im XXXX für einen Monat nach Italien und anschließend nach XXXX . Im Dezember XXXX kam er wieder nach Österreich zurück und stellte am XXXX einen zweiten Asylantrag. Weder in Italien noch in XXXX stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der zweite Antrag wurde vom BFA wegen entschiedener Rechtssache zurückgewiesen, wobei der Bescheid am XXXX in Rechtskraft erwuchs. Dennoch verließ der BF das Bundesgebiet nicht, und stellte schließlich am XXXX den gegenständlichen, dritten Antrag auf internationalen Schutz.

Das BFA wies den dritten Antrag auf internationalen Schutz mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wegen entschiedener Rechtssache zurück. Zu den einzelnen Spruchpunkten im Detail sowie zur Begründung wird auf die diesbezügliche Zusammenfassung unter Punkt 2.9. verwiesen.

1.3.    Zu Integration und Privatleben in Österreich

Der BF hat im Bundesgebiet keine Familienangehörigen oder sonstigen Verwandten und lebt auch mit niemandem in einer Familiengemeinschaft oder familienähnlichen Gemeinschaft. Er hat seit XXXX eine in XXXX lebende Lebensgefährtin, jedoch keine Kinder. In Indien lebt hingegen noch die Mutter des BF.

Der BF spricht kein Deutsch und ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation. Er geht keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nach und bezieht seinen Unterhalt ausschließlich aus Unterstützungsleistungen, steht im erwerbsfähigen Alter. Er bezog in Österreich auch bereits Leistungen aus der Grundversorgung.

Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Am XXXX . am XXXX erhob jedoch die Staatsanwaltschaft Wien zu XXXX gegen ihn Anklage wegen unerlaubtem Umgang mit Suchtgiften nach § 27 SMG. Weiters wurde gegen ihn eine Verwaltungsstrafe in Höhe von XXXX gemäß § 99 Abs. 1b iVm § 5 Abs. 1 StVO und gemäß § 37 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 3 FSG verhängt. Außerdem entwich er am XXXX aus einer behördlich angeordneten Quarantäne.

1.4.    Zu den Flucht-, und Verfolgungsgründen im Herkunftsstaat

Der BF konnte seit Rechtskraft der Entscheidung über seinen letzten Asylantrag vom XXXX kein neues entscheidungsrelevantes individuelles Vorbringen glaubhaft dartun. Sein Vorbringen zu den Bedrohungen durch einen Minister bzw. einem Dorfbewohner sowie zur Inhaftierung seiner Mutter erweist sich im Kern als unglaubwürdig.

Nicht festgestellt werden kann des Weiteren, dass in der Zwischenzeit Umstände eingetreten sind, wonach dem BF in Indien aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Gefahr für das Leben oder der Unversehrtheit seiner Person drohen würde oder ihm im Falle einer Rückkehr nach Indien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Der BF leidet an keiner zwischenzeitlich aufgetretenen lebensbedrohlichen oder im Herkunftsland nicht behandelbaren Krankheit.

Festgestellt wird, dass die aktuell vorherrschende COVID-19-Pandemie kein Rückkehrhindernis darstellt. Obwohl Indien derzeit von COVID-19 stark betroffen und daher das Gesundheitssystem überlastet ist, besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der BF bei einer Rückkehr eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würde, da er mit Blick auf sein Alter, seinen Gesundheitszustand und das Fehlen physischer Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe betreffend dieser Krankheit angehört.

Auch sonst ist in Indien zwischenzeitlich keine entscheidungswesentliche Änderung der Situation eingetreten.

1.5. Zur COVID-19-Krankheit:

COVID-19 ist eine durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachte Infektionskrankheit. Sie wurde erstmals 2019 in Metropole Wuhan (Provinz Hubei) beschrieben, entwickelte sich im Januar 2020 in der Volksrepublik China zur Epidemie und breitete sich schließlich zur weltweiten COVID-19-Pandemie aus. Die genaue Ausbruchsquelle ist derzeit noch unbekannt. Es wird angenommen, dass sich das Virus wie andere Erreger von Atemwegserkrankungen hauptsächlich durch Tröpfcheninfektion verbreitet.

Personen mit fortgeschrittenen chronischen Lungenkrankheiten, welche eine dauerhafte, tägliche, duale Medikation benötigen, chronischen Herzerkrankungen mit Endorganschaden, die dauerhaft therapiebedürftig sind, wie ischämischen Herzerkrankungen sowie Herzinsuffizienzen, aktiven Krebserkrankungen mit einer jeweils innerhalb der letzten sechs Monate erfolgten onkologischen Pharmakotherapie (Chemotherapie, Biologika) und/oder einer erfolgten Strahlentherapie sowie metastasierenden Krebserkrankungen auch ohne laufende Therapie, Erkrankungen, die mit einer Immunsuppression behandelt werden müssen, fortgeschrittenen chronischen Nierenerkrankungen, chronischen Lebererkrankungen mit Organumbau und dekompensierter Leberzirrhose ab Childs-Stadium B, ausgeprägter Adipositas ab dem Adipositas Grad III mit einem BMI >= 40, Diabetes mellitus oder an arterieller Hypertonie mit bestehenden Endorganschäden, insbesondere einer chronischen Herz- oder Niereninsuffizienz bzw. einer nicht kontrollierbarer Blutdruckeinstellung leiden, werden nach derzeitigem Stand der Wissenschaft zu jener Gruppe („Risikogruppe“) gezählt, welche im Vergleich zu nicht dieser Gruppe angehörenden Personen mit erhöhter Wahrscheinlichkeit von einem schweren bzw. tödlichen Krankheitsverlauf betroffen sind.

1.6.    Zur Lage im Herkunftsstaat Indien werden die vom BFA herangezogenen Länderfeststellungen dem Verfahren zugrunde gelegt:

COVID-19:

Letzte Änderung: 22.10.2020

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verhängte die indische Regierung am 25. März 2020 eine Ausgangssperre über das gesamte Land, die nur in Einzelfällen (Herstellung lebensnotwendiger Produkte und Dienstleistungen, Einkaufen für den persönlichen Bedarf, Arztbesuche, usw.) durchbrochen werden durfte. Trotz der Ausgangssperre sanken die Infektionszahlen nicht. Seit der ersten Aufsperrphase, die am 8. Juni 2020 begann, schießt die Zahl der Infektionen noch steiler als bisher nach oben. Größte Herausforderung während der Krise waren die Millionen von Wanderarbeitern, die praktisch über Nacht arbeitslos wurden, jedoch auf Grund der Ausgangssperre nicht in ihre Dörfer zurückkehren konnten. Viele von ihnen wurden mehrere Wochen in Lagern unter Quarantäne gestellt (also de facto eingesperrt), teilweise mit nur schlechter Versorgung (ÖB 9.2020). Nach Angaben des indischen Gesundheitsministeriums vom 11. Oktober 2020 wurden seit Beginn der Pandemie mehr als sieben Millionen Infektionen mit SARS-CoV-2 registriert. Die täglichen offiziellen Fallzahlen stiegen zwar zuletzt weniger schnell als noch im September, die Neuinfektionen nehmen in absoluten Zahlen jedoch schneller zu als in jedem anderen Land der Welt. Medien berichten in einigen Teilen des Landes von einem Mangel an medizinischem Sauerstoff in Krankenhäusern (BAMF 12.10.2020).

Sorge bereitet die zunehmende Ausbreitung von COVID-19-Infektionen in Kleinstädten und ländlichen Gebieten, wo der Zugang zur medizinische Versorgung teilweise nur rudimentär oder gar nicht vorhanden ist (WKO 10.2020). Durch die COVID-Krise können Schätzungen zu Folge bis zu 200 Mio. in die absolute Armut gedrängt werden. Ein Programm, demzufolge 800 Mio. Menschen gratis Lebensmittelrationen erhalten, wurde bis November 2020 verlängert. Die Ausmaße dieses Programms verdeutlichen, wie hart Indien von der COVID-Pandemie und dem damit verbundenen Einbruch der Wirtschaft betroffen ist (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.10.2020): https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2020/briefingnotes-kw42-2020.pdf;jsessionid=91E533F0FC7A0F35C0751A9F00F3D711.internet572?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 12.10.2020

?        ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

?        WKO - Aussenwirtschaft Austria (10.2020): Aussen Wirtschaft Wirtschaftsbereich Indien, WIRTSCHAFTSBERICHT Indien (Q1–Q22020), https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdfhttps://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 21.10.2020

Politische Lage:

Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA 5.10.2020; vgl. AA 23.9.2020). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 11.3.2020). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 2.2020a).

Der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist nach britischem Muster durchgesetzt (AA 2.2020a; vgl. AA 23.9.2020). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit ist verfassungsmäßig garantiert, der Instanzenzug ist dreistufig (AA 23.9.2020). Das oberste Gericht (Supreme Court) in New Delhi steht an der Spitze der Judikative und wird gefolgt von den High Courts auf Länderebene (GIZ 8.2020a). Die Pressefreiheit ist von der Verfassung verbürgt, jedoch immer wieder Anfechtungen ausgesetzt (AA 9.2020a). Indien hat eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2020a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 11.3.2020). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Ebene der Bundesstaaten (AA 23.9.2020).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister der Regierungschef ist (USDOS 11.3.2020). Der Präsident nimmt weitgehend repräsentative Aufgaben wahr. Die politische Macht liegt hingegen beim Premierminister und seiner Regierung, die dem Parlament verantwortlich ist. Präsident ist seit 25. Juli 2017 Ram Nath Kovind, der der Kaste der Dalits (Unberührbaren) entstammt (GIZ 8.2020a).

Im April/Mai 2019 wählten etwa 900 Mio. Wahlberechtigte ein neues Unterhaus. Im System des einfachen Mehrheitswahlrechts konnte die Bharatiya Janata Party (BJP) unter der Führung des amtierenden Premierministers Narendra Modi ihr Wahlergebnis von 2014 nochmals verbessern (AA 23.9.2020).

Als deutlicher Sieger mit 352 von 542 Sitzen stellt das Parteienbündnis „National Democratic Alliance (NDA)“, mit der BJP als stärkster Partei (303 Sitze) erneut die Regierung. Der BJP-Spitzenkandidat und amtierende Premierminister Narendra Modi wurde im Amt bestätigt. Die United Progressive Alliance rund um die Congress Party (52 Sitze) erhielt insgesamt 92 Sitze (ÖB 9.2020; vgl. AA 19.7.2019). Die Wahlen verliefen, abgesehen von vereinzelten gewalttätigen Zusammenstößen v. a. im Bundesstaat Westbengal, korrekt und frei. Im Wahlbezirk Vellore (East) im Bundesstaat Tamil Nadu wurden die Wahlen wegen des dringenden Verdachts des Stimmenkaufs ausgesetzt und werden zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt (AA 19.7.2019). Mit der BJP-Regierung unter Narendra Modi haben die hindu-nationalistischen Töne deutlich zugenommen. Die zahlreichen hindunationalen Organisationen, allen voran das Freiwilligenkorps RSS, fühlen sich nun gestärkt und versuchen verstärkt, die Innenpolitik aktiv in ihrem Sinn zu bestimmen (GIZ 8.2020a). Mit der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts treibt die regierende BJP ihre hindunationalistische Agenda weiter voran. Die Reform wurde notwendig, um die Defizite des Bürgerregisters des Bundesstaats Assam zu beheben und den Weg für ein landesweites Staatsbürgerregister zu ebnen. Kritiker werfen der Regierung vor, dass die Vorhaben vor allem Muslime und Musliminnen diskriminieren, einer großen Zahl von Personen den Anspruch auf die Staatsbürgerschaft entziehen könnten und Grundwerte der Verfassung untergraben (SWP 2.1.2020; vgl. TG 26.2.2020). Kritiker der Regierung machten die aufwiegelnde Rhetorik und die Minderheitenpolitik der regierenden Hindunationalisten, den Innenminister und die Bharatiya Janata Party (BJP) für die Gewalt verantwortlich, bei welcher Ende Februar 2020 mehr als 30 Personen getötet wurden. Hunderte wurden verletzt (FAZ 26.2.2020; vgl. DW 27.2.2020).

Bei der Wahl zum Regionalparlament der Hauptstadtregion Neu Delhi musste die Partei des Regierungschefs Narendra Modi gegenüber der regierenden Antikorruptionspartei Aam Aadmi (AAP) eine schwere Niederlage einstecken. Diese gewann die Regionalwahl erneut mit 62 von 70 Wahlbezirken. Die AAP unter Führung von Arvind Kejriwal, punktete bei den Wählern mit Themen wie Subventionen für Wasser und Strom, Verbesserung der Infrastruktur für medizinische Dienstleistungen sowie die Sicherheit von Frauen, während die BJP für das umstrittene Staatsbürgerschaftsgesetz warb (KBS 12.2.2020). Modis Partei hat in den vergangenen zwei Jahren bereits bei verschiedenen Regionalwahlen in den Bundesstaaten Maharashtra und Jharkhand heftige Rückschläge hinnehmen müssen (quanatra.de 14.2.2020; vgl. KBS 12.2.2020).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der „strategischen Autonomie“ wird zunehmend durch eine Politik „multipler Partnerschaften“ mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und als aufstrebende Großmacht die zunehmende verantwortliche Mitgestaltung regelbasierter internationaler Ordnung (BICC 7.2020). Ein ständiger Sitz im UN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 8.2020a). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an, wobei nicht zuletzt Alternativkonzepte zur einseitig sino-zentrisch konzipierten „Neuen Seidenstraße“ eine wichtige Rolle spielen. In der Region Südasien setzt Indien zudem zunehmend auf die Regionalorganisation BIMSTEC (Bay of Bengal Initiative for Multi-Sectoral Technical and Economic Cooperation). Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft und Mitglied im „Regional Forum“ (ARF). Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. Die Shanghai Cooperation Organisation (SCO) hat Indien und Pakistan 2017 als Vollmitglieder aufgenommen. Der Gestaltungswille der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) schien zuletzt abzunehmen (BICC 7.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 15.10.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (19.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Mai 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014276/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Mai_2019%29%2C_19.07.2019.pdf, Zugriff 15.10.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (9.2020a): Indien: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/politisches-portrait/206048, Zugriff 15.10.2020

?        BICC - Bonn International Centre for Conversion (7.2020): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2020_Indien.pdf, Zugriff 20.10.2020

?        CIA - Central Intelligence Agency (5.10.2020): The World Factbook – India, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 15.10.2020

?        DW – Deutsche Welle (27.2.2020): Sierens China: Schwieriges Dreiecksverhältnis, https://www.dw.com/de/sierens-china-schwieriges-dreiecksverh%C3%A4ltnis/a-52556817, Zugriff 28.2.2020

?        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.2020): Immer mehr Tote nach Unruhen in Delhi, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/indien-tote-bei-gewalt-zwischen-hindus-und-muslimen-in-delhi-16652177.html, Zugriff 28.2.2020

?        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2020a): Indien, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 15.10.2020

?        KBS – Korean Broadcasting System (12.2.2020): Niederlage für Indiens Regierungschef Modi bei Wahl in Neu Delhi, http://world.kbs.co.kr/service/contents_view.htmlang=g&board_seq=379626, Zugriff 14.2.2020

?        ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

?        Quantara.de (14.2.2020): Herbe Niederlage für Indiens Regierungschef Modi bei Wahl in Neu Delhi, https://de.qantara.de/content/herbe-niederlage-fuer-indiens-regierungschef-modi-bei-wahl-in-neu-delhi, Zugriff 20.2.2020

?        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2019): Indiens Ringen um die Staatsbürgerschaft, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2020A02_wgnArora_WEB.pdf, Zugriff 18.2.2020

?        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2019): Keine Ruhe in Kaschmir. Die Auflösung des Bundesstaats und die Folgen für Indien, https://www.swp-berlin.org/10.18449/2019A45/, Zugriff 16.1.2020

?        TG – The Guardian (26.2.2020): Anti-Muslim violence in Delhi serves Modi well, https://www.theguardian.com/commentisfree/2020/feb/26/violence-delhi-modi-project-bjp-citizenship-law, Zugriff 28.2.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026357.html, Zugriff 13.3.2020

Sicherheitslage:

Letzte Änderung: 06.11.2020

Es gibt in Indien eine Vielzahl von Spannungen und Konflikten, Gewalt ist an der Tagesordnung (GIZ 8.2020a). Aufstände gibt es auch in den nordöstlichen Bundesstaaten Assam, Manipur, Nagaland sowie in Teilen Tripuras. In der Vergangenheit konnte eine Zunahme von Terroranschlägen in Indien, besonders in den großen Stadtzentren, verzeichnet werden. Mit Ausnahme der verheerenden Anschläge auf ein Hotel in Mumbai im November 2008, wird Indien bis heute zwar von vermehrten, jedoch kleineren Anschlägen heimgesucht (BICC 7.2020). Aber auch in den restlichen Landesteilen gab es in den letzten Jahren Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des „Islamischen Staates“ (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (BPB 12.12.2017). Das Land unterstützt die US-amerikanischen Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus. Intern wurde eine drakonische neue Anti-Terror-Gesetzgebung verabschiedet, die Prevention of Terrorism Ordinance (POTO), von der Menschenrechtsgruppen fürchten, dass sie auch gegen legitime politische Gegner missbraucht werden könnte (BICC 7.2020).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir (ÖB 9.2020; vgl. BICC 7.2020) und der und im von separatistischen Gruppen bedrohten Nordosten Indiens (ÖB 9.2020; vgl. BICC 7.2020, AA 23.9.2020). Der Punjab blieb im vergangenen Jahren von Terroranschlägen und Unruhen verschont (SATP 8.10.2020). Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People’s Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als „communal violence“ bezeichnet (ÖB 9.2020).

Gewalttätige Operationen maoistischer Gruppierungen in den ostzentralen Bergregionen Indiens dauern an (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.7.2020, FH 4.3.2020). Rebellen heben illegale Steuern ein, beschlagnahmen Lebensmittel und Unterkünfte und beteiligen sich an Entführungen und Zwangsrekrutierungen von Kindern und Erwachsenen. Zehntausende Zivilisten wurden durch die Gewalt vertrieben und leben in von der Regierung geführten Lagern. Unabhängig davon g

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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