TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/6 W112 2180758-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.08.2021
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Entscheidungsdatum

06.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W112 2180760-1/38E
W112 2180758-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1. XXXX , geb. XXXX und 2. XXXX , geb. XXXX , beide StA. Russische Föderation, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2017, 1. ZI. XXXX und 2. Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 50, 52 Abs. 2 Z 2, Abs. 9, § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die Erstbeschwerdeführerin und ihr XXXX geborener Sohn, der Zweitbeschwerdeführer, Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der XXXX Volksgruppe muslimischen Glaubens, reisten unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am XXXX Anträge auf internationalen Schutz.

1.2. Bei der Erstbefragung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX gab die Erstbeschwerdeführerin befragt zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass sie seit ca. drei Jahren von ihrem zweiten Mann getrennt lebe und ca. seit einem Jahr von ihm bedroht werde. Sie werde ständig beobachtet und ihr Ex-Lebensgefährte bedrohe sie telefonisch und sei auch fallweise zu Hause vorbeigekommen. Sie habe Angst vor ihrem zweiten Lebensgefährten.

Als Mutter und gesetzliche Vertreterin des Zweitbeschwerdeführers stellte die Erstbeschwerdeführerin ebenfalls einen Asylantrag für ihren Sohn und gab an, dass der Zweitbeschwerdeführer keine eigenen Fluchtgründe habe. Ihre Tochter lebe bei ihrem Vater, dem ersten Lebensgefährten der Erstbeschwerdeführerin, in der Russischen Föderation. Die russische Geburtsurkunde des Zweitbeschwerdeführers wurde sichergestellt.

1.3. Die Erstbeschwerdeführerin wurde am XXXX vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: Bundesamt) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab sie an, dass sie vor ihrer Flucht in der Teilrepublik XXXX , XXXX mit ihrer Mutter und ihren vier Geschwistern gelebt habe und dass ihre Familienmitglieder weiterhin an dieser Adresse aufhältig seien. Ihr Vater sei 2004 an XXXX verstorben. Sie habe neun Jahre die Grundschule und danach für drei Jahre ein XXXX besucht, danach einen Kurs zur Ausbildung als XXXX . Sie habe zweimal nach muslimischen Recht geheiratet; aus der ersten Ehe entstamme ihre Tochter, aus der zweiten ihr mitgereister Sohn. Ihre Tochter lebe bei ihrem ersten ehemaligen Lebensgeführten in der Russischen Föderation. In ihrer Heimat habe sie vor der Ausreise als XXXX gearbeitet. Ihren ersten Ehemann nach muslimischem Ritus habe sie als Studentin kennengelernt. Sie habe mit XXXX Jahren geheiratet, XXXX sei ihre Tochter zur Welt gekommen. Nach dem Tod ihres Vaters habe sie sich scheiden lassen, weil es sei eine Zwangsheirat zwischen den Familien gewesen sei und ihr erster Ehemann nach muslimischem Ritus eine Freundin in Russland gehabt habe. Am Anfang habe ihre Tochter bei der Erstbeschwerdeführerin gelebt, dann sei ihr die Tochter einfach weggenommen worden und ihr Vater habe die Obsorge bekommen. Ihren zweiten Mann nach muslimischem Ritus habe sie bei der Arbeit kennengelernt, er sei XXXX gewesen. Er habe sie entführt und zwei Monate lang in einer Hütte in den Bergen eingesperrt. Danach haben sich die beiden Familien versöhnt, sie habe geheiratet und XXXX sei ihr Sohn, der Zweitbeschwerdeführer, zur Welt gekommen. XXXX habe sie sich scheiden lassen und sie sei nach Hause zurückgegangen. Ihr zweiter Mann habe Probleme gemacht und sie geschlagen, auch als sie schwanger gewesen sei. Er habe ein Alkohol- und Drogenproblem gehabt.

Zu ihren Fluchtgründen befragt, gab sie an, dass sie von ihrem Ex-Mann verfolgt und bedroht worden sei. Er habe ihr gedroht, sie überall zu finden und mehrmals versucht ihren Sohn zu entführen. Er habe überall Familienangehörige und Verwandte und selbst wenn sie nach Russland umgezogen wäre, hätte er sie gefunden. Sie habe ihn XXXX verlassen und sich XXXX scheiden lassen. Kontakt bestehe keiner mehr zu ihren Ex-Männern nach muslimischem Ritus. Sie habe auch Angst, dass ihr zweiter Ex-Mann nach muslimischem Ritus nach Österreich kommen werde und sie habe überprüft, ob er im Bundesgebiet Verwandte habe.

Die Erstbeschwerdeführerin legte in der Einvernahme diverse Arztbriefe auch betreffend den Zweitbeschwerdeführer sowie Arbeitsbestätigungen und eine Bestätigung psychotherapeutischer Behandlung vor.

1.4. Das Bundesamt wies den Antrag der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 21.11.2017 (zugestellt am 23.11.2017) sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich des Status von subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab. Unter einem erteilte es ihnen keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung gegen sie und stellte fest, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt VI. und V.). Es räumte ihnen eine Frist zur freiwilligen Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ein (Spruchpunkt VI.).

Das Bundesamt führte begründend aus, dass das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin nicht glaubhaft sei. Der Fluchtgrund, die Bedrohung durch den vermeintlichen Ex-Mann, habe die Erstbeschwerdeführerin in keiner Weise glaubhaft darstellen können und erscheine der erkennenden Behörde als völlig unglaubwürdig. Sie habe mehrmals betont, dass sie nach der Scheidung XXXX keinen Kontakt mehr mit ihrem Ex-Mann gehabt habe. Im Widerspruch dazu habe sie angegeben, dass sie ihr Ex-Mann XXXX auf dem Weg zur Arbeit verfolgt habe und sie angeschrien und versucht habe, sie am Hals zu halten. Er habe zwischen XXXX und XXXX , vier oder fünf Mal versucht, ihren Sohn zu entführen. Unglaubwürdig erscheine neben den falschen zeitlichen Angaben auch die Tatsache, dass ihre Brüder ihren Ex-Mann nach muslimischem Ritus vor Problemen mit den Behörden beschützen haben wollen und nicht ihre Schwester, die Erstbeschwerdeführerin, vor den Belästigungen des Ex-Mannes nach muslimischem Ritus. Auch das Vorbringen, der alkohol- und drogensüchtiger XXXX würde sie überall auch in Russland finden, sei als unglaubwürdig zu werden. Insgesamt sei der Fluchtgrund der Erstbeschwerdeführerin zwar asylbezogen geschildert worden, aber mangels Konkretisierung, Nachvollziehbarkeit und Plausibilität nicht glaubhaft. Die Erstbeschwerdeführerin könne in der Russischen Föderation, XXXX , ein neues Leben aufbauen, weil sie jung, gesund und arbeitsfähig sei und in ihrer Heimat als XXXX gearbeitet habe und über familiäre Anknüpfungspunkte verfüge.

Die Erstbeschwerdeführerin habe für den Zweitbeschwerdeführer keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht. Im gegenständlichen Fall liege ein Familienverfahren vor und der Antrag seiner Mutter (Erstbeschwerdeführerin) auf internationalen Schutz sei negativ entschieden worden. Da keinem anderen Familienmitglied der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei, komme auch für den Zweitbeschwerdeführer die Zuerkennung aufgrund des vorliegenden Familienverfahrens nicht in Betracht. Ebenso hinsichtlich der Gewährung des subsidiären Schutzes. Die allfällige Rückkehr des Zweitbeschwerdeführers in den Herkunftsstaat sei nur gemeinsam mit seiner Mutter möglich.

1.5. Gegen die Bescheide erhoben die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer mit Schriftsatz vom 19.12.2017 (eingebracht am 19.12.2017) fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang. Diese begründeten sie damit, dass die Erstbeschwerdeführerin gemeinsam mit dem Zweitbeschwerdeführer aufgrund der Bedrohung durch den Ex-Mann nach muslimischem Ritus ihr Heimatland verlassen haben. Da sich die Erstbeschwerdeführerin im Jahr XXXX scheiden habe lassen und damit gegen die in der Russischen Föderation geltenden Werte verstoßen habe, sei sie und der Zweitbeschwerdeführer ständig belästigt worden. Zudem leide die Erstbeschwerdeführerin an einer psychischen Erkrankung, was aus zahlreichen vorgelegten medizinischen Unterlagen hervorgehe. Die belangte Behörde habe es verabsäumt, Ermittlungen zum Gesundheitszustand der Erstbeschwerdeführerin zu tätigen und es komme einem Ignorieren der Beweismittel gleich. Insbesondere sei es notwendig zu ermitteln, wie die Erstbeschwerdeführerin in der Russischen Föderation aufgrund ihrer psychischen Probleme medizinisch behandelt werden könne. Die Erstbeschwerdeführerin beantrage ein medizinisch psychologisches Sachverständigen Gutachten zum Beweis dafür, dass sie an einer psychischen Erkrankung leide.

Weiters werde in der Beschwerde kritisiert, dass die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen nicht vollständig seien und die tatsächlichen Gegebenheiten in der RUSSISCHEN FÖDERATION verkennen. Außerdem unterlasse die belangte Behörde eine Abhandlung der fehlenden Schutzfähigkeit und –willigkeit der russischen Behörden bei der Verfolgung durch einen Ex-Mann aufgrund der Scheidung einer durch Zwangsheirat in ihrer Freiheit eingeschränkten Frau. Zudem fehlen jegliche Länderberichte zu Zwangsehen in der RUSSISCHEN FÖDERATION, insbesondere XXXX , und die Konsequenzen, wenn sich eine Frau gegen die dort herrschende Moral und die Werte widersetze. Des Weiteren habe die belangte Behörde es unterlassen, zu entscheidungsrelevanten Umständen Nachfragen zu stellen, insbesondere nähere Fragen zu der Zwangsheirat oder ob der Ex-Mann der Erstbeschwerdeführerin ihr in den zwei Monaten der Entführung Gewalt angetan habe. In diesen Zusammenhang wurde auch eine mündliche Verhandlung mit einer weiblichen Richterin und einer weiblichen Dolmetscherin beantragt, um die sexuelle Integrität der Erstbeschwerdeführerin zu wahren. Der belangten Behörde sei auch nach einem mangelhaften Ermittlungsverfahren hinsichtlich der getroffenen Feststellungen Mängel vorzuwerfen und basieren diese Feststellungen auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung.

Aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen und der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der psychisch Kranken komme der Erstbeschwerdeführerin Flüchtlingseigenschaft im Sinne der GFK zu. Dem Zweitbeschwerdeführer drohe in der Russischen Föderation Verfolgung aufgrund der Blutfehde, zumal seine Mutter gegen die dort herrschenden Werte verstoßen habe und sein Vater ihn deshalb entführen habe wollen. Es handle sich bei der Erstbeschwerdeführerin um eine alleinstehende und alleinerziehende Frau, weshalb ihr ein Leben in der Russischen Föderation nicht mehr möglich sei. Aufgrund der allgemeinen schlechten Lage in der Russischen Föderation sowie der unzureichenden medizinischen Behandlung von psychisch Kranken sei der Erstbeschwerdeführerin und ihrem minderjährigen Sohn, den Zweitbeschwerdeführer, für welchen sie durch ihre Erkrankung nicht ausreichend Sorge tragen könne, der subsidiäre Schutz zu gewähren gewesen.

Länderinformationen mit dem „Titel Frauenrechte im Kaukasus: Zwangsverheiratung und Ehrenmord“ wurden der Beschwerde angefügt, weiters die Vollmachten sowie ein Psychotherapeutischer Befund betreffend die Erstbeschwerdeführerin vom 14.12.2017 sowie Bestätigungen über Behandlungstermine. Laut dem psychotherapeutischen Befundbericht war die Erstbeschwerdeführerin seit XXXX bei XXXX in psychotherapeutischer Behandlung wegen einer chronischen XXXX , die eine langfristige trauma-spezifische therapeutische Begleitung erfordere. Die Vorstellung der Erstbeschwerdeführern, wieder in ihre Heimat und damit an den Ort ihrer Traumatisierungen zurückzukehren zu müssen, löse bei der Erstbeschwerdeführerin XXXX aus und würde eine Re-Traumatisierung bewirken.

1.6. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 20.12.2017 die Beschwerde samt zugehörigem Verwaltungsakt vor. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 07.08.2018 wurde die Rechtssache der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen.

1.7. Mit Eingabe vom 18.07.2019 übermittelte das Bundesamt den Abschlussbericht der Landespolizeidirektion XXXX zur Kenntnis: Im Zuge eines Streites, der eskaliert sei, haben sich die Erstbeschwerdeführerin und eine weitere Beschuldigte gegenseitig verletzt und es bestehe der Verdacht der Körperverletzung. Am 25.07.2019 übermittelte das Bundesamt die Verständigung der Staatsanwaltschaft XXXX von der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen die Erstbeschwerdeführerin.

1.8. Der Aufforderung zur Beweismittelvorlage kamen die Beschwerdeführer mit Eingabe vom 04.01.2021 nach: Sie legten ein Konvolut an medizinischen Unterlagen sowie Unterlagen zur Integration in Österreich vor und gaben eine Stellungnahme ab. Die Erstbeschwerdeführerin brachte vor, dass sich ihre psychische Verfasstheit nach drei Jahren psychotherapeutischer Begleitung verbessert habe, aber sie leide seit Jahren unter Rückenschmerzen und sei in laufender ärztlicher Betreuung. Das Fluchtvorbringen der Erstbeschwerdeführerin sei nach wie vor aufrecht. Die Erstbeschwerdeführerin arbeite für die Stadt XXXX und für die XXXX und spreche hervorragend Deutsch. Der Zweitbeschwerdeführer besuche die Schule und werde von der ambulanten Betreuung ( XXXX ) unterstützt.

Mit Eingabe vom 27.01.2021 legten die Beschwerdeführer weitere medizinische Unterlagen vor sowie das vollständige Protokoll des Hilfsplangespräches vom XXXX durch die XXXX .

1.9. Mit Schreiben vom 12.02.2021 räumte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien Parteiengehör zur beabsichtigten Bestellung einer nichtamtlichen Sachverständigen aus dem Fachgebiet Psychiatrie zur Einholung eines Sachverständigengutachtens ein und forderte die Erstbeschwerdeführerin mit Verfahrensanordnung vom selben Tag auf, den Ermittlungen durch die nichtamtliche Sachverständige zuzustimmen.

Mit Eingabe vom 16.03.2021 übermittelte die Erstbeschwerdeführerin zwei Arbeitsvorverträge. Weder erteilte sie ihre Zustimmung zur Gutachtenseinholung, noch machte sie Ablehnungsgründe gegen die Sachverständige geltend.

1.10. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 09.04.2021 eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache XXXX und einer weiblichen Schreibkraft durch, an der die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sowie ihre Rechtsberaterin als gewillkürte Vertreterin teilnahmen, aber kein Vertreter der belangten Behörde.

Die Verhandlung gestaltete sich wie folgt:

„Befragung von BF1 (BF2 verlässt den Saal):

R: Sie wurden am XXXX von der Polizei erstbefragt und am XXXX vom Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Wie würden Sie die dortige Einvernahmesituation beschreiben? Gab es Probleme, ist Ihnen irgendetwas als problematisch in Erinnerung geblieben?

BF1: Ich wurde als erstes zum Reiseweg in XXXX befragt. Der Polizist, der mich damals befragt hat, hat mich sehr gut behandelt. Der Dolmetscher war ein Mann. Er war sehr aggressiv. Er hat grob mit mir gesprochen und ich habe sowieso Angst gehabt. Ich war das erste Mal dort. Ich kannte mich überhaupt nicht aus. Der Polizist hat dem D gesagt, dass er mit mir nicht grob sprechen soll und dass er mir keine Angst einjagen soll, aber sonst war es ein normales Gespräch.

R: Wie haben Sie das verstanden, was der Polizist dem D gesagt hat?

BF1: Ich habe die Reaktion verstanden. Das war ein sehr emotionales Gespräch. Betreffend die Einvernahme in XXXX war alles in Ordnung.

R: Haben Sie bei Ihren bisherigen Aussagen vor der Polizei und dem Bundesamt immer die Wahrheit gesagt oder möchten Sie etwas richtigstellen oder ergänzen?

BF1: Ich habe immer die Wahrheit gesagt. Auch habe ich nichts zu verheimlichen.

R: Haben Sie alles gesagt? Haben Sie noch etwas zu ergänzen, was Sie bisher nicht angegeben haben?

BF1: Ich habe alles gesagt.

R: Mit Bescheid vom 21.11.2017 wies das Bundesamt Ihren Antrag auf internationalen Schutz sowohl im Hinblick auf den Status der Asylberechtigten, als auch den Status der subsidiär Schutzberechtigten im Hinblick auf Ihren Herkunftsstaat Russische Föderation als unbegründet ab, erteilte Ihnen keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ eine Rückkehrentscheidung gegen Sie. Es stellte fest, dass Ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist und räumte Ihnen eine Frist von zwei Wochen für die freiwillige Ausreise ein. Ein gleichlautender Bescheid erging im Verfahren Ihres Sohnes. Gegen diese Bescheide erhoben Sie mit Schriftsatz vom 19.12.2017 Beschwerde. Halten Sie diesen Schriftsatz und die darin gestellten Anträge aufrecht?

BF1: Ja.

R: Sind seit der Beschwerdeerhebung neue Umstände eingetreten, die betreffend den Asylschutz zu berücksichtigen sind?

BF1: Nein, aber wir haben die Wohnorte gewechselt. Man hat uns von einem Wohnort zum anderen gebracht.

R: Sind seit der Beschwerdeerhebung neue Umstände eingetreten, die betreffend den subsidiären Schutz zu berücksichtigen sind?

BF1: Nein.

R: Sind seit der Beschwerdeerhebung im Dezember 2017 neue Umstände eingetreten, die betreffend Rückkehrentscheidung zu berücksichtigen sind?

BF1: Die Situation ist gleichgeblieben. Ich habe keine Chance zurückzukehren. Ich habe Angst davor. Mein Ex-Mann sucht mich nach wie vor. Die Lage ist sehr schwer und ich habe Angst, dass er etwas mit mir macht.

R: Sie sind russische Staatsangehörige und muslimischen Glaubens. Laut Erstbefragung sprechen Sie XXXX und XXXX , laut Einvernahme vor dem Bundesamt sind Sie XXXX , laut der Geburtsurkunde Ihres Sohnes sind Sie XXXX . Sind Sie XXXX oder XXXX oder XXXX ?

BF1: Ich bin XXXX . Auch kann ich XXXX . Bei uns in XXXX gibt es viele Volksgruppen. Ich bin eine XXXX . Ich gehöre der Volksgruppe XXXX an. Das ist eine Volksgruppe, die auch XXXX spricht, aber mit einem Dialekt und ich kann auch XXXX .

R: Sprechen Sie XXXX oder XXXX oder XXXX oder alle drei?

BF1: Ich bin XXXX . Ich spreche meine Muttersprache, XXXX und XXXX .

R: XXXX ist Ihre Muttersprache?

BF1: Ja. Das ist so wie Hochdeutsch und Tirolerisch.

R: Sie kommen aus einer gemischt-ethnischen Familie?

BF1: Ja.

R: Welche Ethnien hatten Ihre Eltern?

BF1: Mein Vater ist reiner XXXX und bei meiner Mutter ist das so, dass sie quasi gemischt ist. Sie ist XXXX und XXXX .

R: Sie haben außerhalb des Aufenthaltsrecht während des Asylverfahrens kein anderes Aufenthaltsrecht für Österreich oder einen anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union. Ist das korrekt?

BF1: Nein. [gemeint: kein anderes Aufenthaltsrecht]

R: Haben Sie Österreich seit der Einreise am XXXX jemals verlassen?

BF1: Nein. Das habe ich niemals.

R: Schildern Sie Ihren Fluchtgrund! Warum mussten Sie die Russische Föderation verlassen? Schildern Sie mir das ausführlich. Nehmen Sie sich Zeit dafür. Schildern Sie mir das detailreich. Warum mussten Sie ausreisen?

BF1: Ich bin wegen meines Ex-Mannes weggefahren, dem Vater meines Sohnes. Für mich war es die 2. Ehe. Aus der 1. Ehe habe ich 1 Tochter, die mit ihren Großeltern lebt. Wir wollten nicht heiraten. Das haben die Eltern vereinbart. Nach der Scheidung wurde mir meine Tochter weggenommen und ich durfte sie nicht mehr sehen. Sie kann mich nur selten kontaktieren und hat Angst vor den Großeltern. Deswegen kontaktiert sie mich nicht. Sie verbieten ihr das. Nach der 1. Ehe, ich weiß nicht genau, wie viel Zeit vergangen ist, nach der Scheidung XXXX ist der Vater gestorben. Nach ca. 1 Jahr. Ich kann mich nicht wirklich erinnern, da habe ich das 2. Mal geheiratet. Mein 2. Man hat mich entführt. Ich habe in einem Geschäft gearbeitet. Ich habe Damenkleidung verkauft. Ich habe dort als XXXX und XXXX gearbeitet. Ich bin arbeiten gegangen. Er war damals Fahrer. Offensichtlich hat er mich gesehen, als ich einmal in der Früh arbeiten ging. Er hat mich bemerkt, aber ich habe ihn ignoriert. Nach der Scheidung war das. Mein Vater ist auch damals gestorben. Ich stand unter Stress. Ich hatte eine Scheidung hinter mir. Mein Vater ist auch gestorben. Ich wollte arbeiten und nicht zu Hause sitzen. Deswegen habe ich diese Arbeit genommen, er hat mich entführt. Er hat mich in die Berge gebracht.

BF1 weint.

BF1: Es ist für mich schwer, darüber zu sprechen. Ich weiß nicht, vielleicht hat er mich auch geliebt. Er hat mich auch entführt. In Russland ist es so, dass, wenn einem Mann eine Frau gefällt, dann wird sie entführt und nicht gefragt, ob sie mitgehen will oder nicht. Entweder erzwingt man bei den Eltern ein Geständnis oder die Frau wird entführt. Er hat mich entführt und in die Berge gebracht. Das war für mich völlig unerwartet. Ich kannte mich nicht aus. 2 oder 3 Monate lang hat er mich dort in einem Haus festgehalten. Meine Verwandten waren dagegen. Sie haben dorthin ältere Leute geschickt. Bei uns sind die Gesetze so. es ging darum, dass man zu einem Übereinkommen kommt. Die Verwandten meines Mannes wollten, dass ich dortbleibe. Die Ältesten kommen bei uns und schließen einen Frieden. Ich musste dortbleiben. Man hat mich nirgends gehen lassen. Ich wusste nicht, welcher Mensch er ist. Er war ein drogenabhängiger Mann. Er hat mich immer zusammengeschlagen. Er war sehr eifersüchtig. Er war sehr schnell aufgeregt. Er hat mich nicht einmal zu meinen Verwandten gehen lassen. Ich war einfach eingeschlossen. Es war eine Verhöhnung. Er hat mir auch nicht erlaubt, vor das Haus zu gehen und die Nachbarn zu grüßen. Er hat mir dann furchtbare Sachen erzählt, dass ich mit ihm schlafe, weil ich ihn gegrüßt habe. Er hat mich mit meinem Kopf auf die Wand geschlagen. Er hat mir mit seinen Füßen auf meinen Bauch getreten. Als ich mit dem Jungen schwanger war, hat er mich auch geschlagen. Ich hatte überall am Körper Hämatome, schwarze Flecken (BF1 weint).

BF1: Ich hatte sehr starke Kopfschmerzen. Ich war ständig krank. Ich hatte eine neurologische Depression. Ich konnte nicht zu mir kommen. Dann bin ich von dort geflüchtet. Ich konnte das nicht mehr aushalten. Ich bin zu meinen Verwandten geflüchtet. Ich konnte nirgends hin flüchten. Ich habe mich dann zu Hause versteckt. Ständig ist er gekommen und hat an die Tür geklopft. Er ist betrunken gekommen und war aggressiv. Er hat nur Schimpfwörter verwendet und ganz schlechte Sachen gesagt. Er hat mich erniedrigt und beleidigt. Er hat mir das Leben schwergemacht, weil ich von ihm weggegangen bin. Er sagte, wenn ich nicht ihm gehören kann, ich niemandem gehören werde. Er sagte mir, dass er mir eine Hölle auf dieser Welt veranstalten wird, dass er mich umbringen wird. Er sagte, dass er erst dann zur Ruhe kommen wird, wenn er mich umbringen wird. Er sagte, dass ich niemandem gehören werde, wenn ich nicht ihm gehöre. Meine Brüder haben dann auch mit ihm gesprochen. Er sagte, dass es ihm egal wäre, wer etwas sagt. Er lässt mich sowieso nicht leben. Er war ein sehr schlechter Mensch. In der Russischen Föderation gibt es viele Städte. Ich konnte nirgends hinfahren, weil er überall in Russland Bekannte und Verwandte hat. Ich habe das dann nicht mehr ausgehalten. Ich habe meinen Bruder um Hilfe gebeten. Er hat es organisiert, dass ich herfahren kann. Ich wusste nicht, wohin ich fahren soll. Ich wollte weg von Russland nach Europa. Ich wollte, dass er mich in Ruhe lässt. Er hat auch versucht, meinen Sohn zu entführen (BF1 weint).

BF1: Ich bin nach Europa, hierhergekommen. Ich wusste nicht, wohin ich fahren sollte, ich bin das 1. Mal ausgereist. Ich wurde nach XXXX gefahren. Man sagte mir, dass ich mich an die Polizei wenden kann, man mir dort helfen wird und ich um Asyl ansuchen kann. Man wird mir hier helfen, weil ich hier die Frauenrechte habe und hier die Gesetze eingehalten werden. Man hat mir gesagt, dass man hier einer alleinerziehenden Mutter helfen wird. Ich habe hier die ersten 2 Jahre mich auch erkundigt, ob er vielleicht hier irgendwelche Verwandten hat. Ich hatte Angst, dass er mich auch hier findet. Aber ich habe in Erfahrung gebracht, dass er hier keine Verwandtschaft hat. Dann ging es mir ein bisschen besser. Ich möchte, dass man mir hier hilft. Ich kann nicht zurück. Er wird mich umbringen und zu einem Krüppel machen. Meine Gesundheit und meine Nerven sind kaputt. Ich habe auch hier eine Psychologin, eine Therapeutin. Das hilft mir sehr (BF1 weint).

R: Ist das Ihr vollständiges Vorbringen?

BF1: Ja. Ich bin vor ihm geflüchtet. Ich bin Muslima. Ich habe keine Unterkunft, ich kann nicht mit meinen Brüdern leben. Die moslemischen Frauen haben einen Hijab an. Das will ich nicht. Ich kann hier in Ruhe leben und das machen, was ich machen will. Ich kann mich modisch anziehen, das anziehen, was ich will. Dort ist es so, dass eine geschiedene Frau oder eine Witwe entweder zwangsweise verheiratet wird oder sich verhüllen muss. Ich möchte auch eine Zukunft für mein Kind. Er war auch in einer schweren psychischen Situation und nervös. Ich möchte, dass mein Kind nicht so nervös ist und unter solch psychischer Belastung steht, wie im Heimatland. Ich will nicht, dass mein Kind das durchmachen muss, was ich durchgemacht habe. Ich bin eine alleinerziehende Mutter und ich bitte um Hilfe.

BF1 (weint).

BF1: Ich möchte für mich und meine Kinder ein ruhiges Leben führen. Ich möchte, dass Sie meine Situation verstehen. Es ist wirklich so, wie ich es sage. Ich lüge nicht. Ich sage alles, wie es wirklich war. Ich bin müde vom „Asylantenleben“. Ich möchte ein normales Leben. Ich möchte eine Arbeitsbewilligung und offiziell arbeiten. Bis jetzt bin ich auch nicht einfach dagesessen. Ich mache Kurse und arbeite.

BF1 weint.

R: Schildern Sie den Fluchtgrund Ihres Sohnes! Warum musste er die Russische Föderation verlassen?

BF1: Er hat keinen Grund. Er ist mit mir meinetwegen ausgereist. Er war damals 7 Jahre alt. Der Vater hat sich von dem Kind losgesagt bzw. hat ihn nicht anerkannt. Ich bin eine alleinerziehende Mutter. Ich konnte mein Kind nicht zurücklassen.

R: Was würde Sie im Falle einer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat konkret erwarten?

BF1: Ich habe Angst, dass er mich zu einem Krüppel macht oder mich umbringt. Niemand weiß, was morgen ist. Ich habe Angst um meine Zukunft und auch um meine Kinder, dass sie zu Waisen werden. Ich möchte für meine Kinder mein Leben normal verbringen können.

R: Und Ihren Sohn? Was würde ihn im Falle der Rückkehr konkret erwarten?

BF1: Ich weiß nicht, was konkret sein wird. Es wird für ihn schwer sein, sich dort wieder zu integrieren, weil er bereits hier integriert ist. Er machte eine Ausbildung. Er kann Deutsch und Englisch. Für meinen Sohn wird es schwer sein, dort zu sein. Er spricht auch schwer darüber, dort alles von Anfang an zu beginnen. Er macht hier eine Ausbildung. Er hat hier Freunde. Er möchte hierbleiben und hier arbeiten.

R: Wer konkret sollte Ihnen warum konkret etwas antun wollen, wenn Sie in die Russische Föderation zurückkehren?

BF 1: Mein Ex-Mann. Vor dem habe ich Angst. Meine Verwandten werden mir nicht helfen können, weil es mein Ex-Mann ist. Bei uns beschäftigt sich die Polizei nicht mit sogenannten Familienangelegenheiten. Die Polizei mischt sich da nicht ein. Meine Mutter ist krank. Ich habe dort keine Unterkunft. Ich kann mein ganzes Leben nicht bei meinen Brüdern verbringen. Sie haben ihre eigenen Leben. Ich weiß, dass, wenn meine Mutter stirbt, es für mich überhaupt keinen Weg mehr zurückgibt. Meine Brüder lassen mich nicht über die Schwelle. Ich habe dort keinen Platz, nicht einmal eine Ecke für mich. Ich möchte hier ein neues, normales Leben beginnen. Ich hatte eine Depression wegen der Erniedrigungen und dem Stress. Gewalt. Ich bin müde davon. Ich bin auch müde, weil ich ständig erniedrigt und beleidigt worden bin. Ich kann mir nicht vorstellen zurückzukommen, wenn das alles wieder passiert. Ich halte das nicht aus. Ich halte das nicht aus, wenn das wiederkommt. Ich habe hier einen Therapeuten. Ich mache hier eine Behandlung und es wird langsam besser. Ich weiß, dass es mir bessergehen wird, wenn ich weit weg von dem Ganzen bin.

R: Wer konkret sollte Ihrem Sohn warum konkret etwas antun wollen?

BF1: Ich weiß nicht, was mein Ex-Mann meinem Sohn antun wird. Aber mein Sohn hat keinen Kontakt zu ihm. Ich habe Angst, dass er mich zu einem Krüppel macht, oder mich umbringen wird.

R: Was würde passieren, wenn Sie (hypothetisch) an einen anderen Ort in der Russischen Föderation außerhalb XXXX zurückkehren würden, z.B. nach XXXX oder XXXX ?

BF1: Er hat überall Verwandtschaft. Ich kann nicht dorthin. Ich kann mich nirgends verstecken, weil er überall Verwandte hat. Er sagte mir, dass er mich auch unter der Erde finden wird. Ich habe gehört, dass er sich nach mir erkundigt und bereits in Erfahrung gebracht hat, dass ich in Europa bin. Er wollte meine Adresse wissen. Zuerst hat er nicht gewusst, wo ich bin. Dann hat er das erfahren, dass er hierher nicht kommen kann. Das wird ihm nicht erlaubt. Ich hoffe, dass ihn Europa nicht einreisen lässt.

R: Waren Sie in Österreich jemals einer Bedrohung ausgesetzt?

BF1: Nein.

R: Und Ihr Sohn?

BF1: Nein. Es hat aber ein Problem in einem Heim mit einer Frau gegeben. In XXXX war das.

BF1 (auf Deutsch): Das ist ein Frauenheim.

BF1: Ich habe dort mit einer Frau Gartenarbeit für die Gemeinde verrichtet. Sie ist XXXX . Wir haben zusammengearbeitet. Ich habe von 8 Uhr bis 12 Uhr gearbeitet. Nach der Arbeit kam ich nach Hause. Sie ist etwas später nach Hause gekommen. Ich weiß nicht, was und von wem sie es gehört hat. Die anderen Leute haben über sie gesprochen, dass sie „eine leichte Frau“ sei. Aber ich verurteile ihr Benehmen nicht. Jedenfalls haben das die Leute über sie erzählt. Ich weiß nicht, warum sie gerade zu mir gekommen ist. Jedenfalls hat sie einen Streit begonnen. Es kam zu einer Auseinandersetzung. Sie hat mir einen Schlag versetzt. Ich musste mich wehren. Ich kann nicht einfach dastehen, wenn sie mich schlägt. Am rechten Unterarm hat sie mich gebissen. Ich hatte ein Hämatom gehabt, diese war u.a. angeschwollen. Gott sei Dank hat sie mir den Arm nicht abgebissen. Es war eine komische Situation. Dann ist die Polizei gekommen. Ich habe mich mit dem Leben dieser Frau überhaupt nicht beschäftigt. Ich habe es verwunderlich gefunden, dass sie mich gerade attackiert. Sie war meine Nachbarin. Sie kam immer wieder zu mir. Wir haben normal Tee getrunken. Wir haben uns gegenseitig besucht und standen in Kontakt. Sie kam eines Tages, um mit mir eine tätliche Auseinandersetzung zu beginnen. Dann kam die Polizei. Man hat mich befragt, worum es geht und wie es war. Ich weiß nicht, was sie gesagt hat. Man fragte mich dann, warum ich bei der tätlichen Auseinandersetzung teilgenommen habe. Ich habe gesagt, dass ich gebissen worden bin. Ich habe die Hand gezeigt. Ich sagte, dass ich das nicht wollte. Ich möchte niemandem Probleme machen. Ich möchte auch mit keiner tätlichen Auseinandersetzung verwickelt werden. Ich habe genug mit meinen eigenen Problemen. Die Polizei hat dann die Hand gesehen. Es wurden Fotos von der Hand und dem angeschwollenen Gesicht gemacht. Dann wurden wir aufgefordert, zur Abteilung zu kommen. Die Polizei war auf meiner Seite, sie sagte, dass es eine komische Situation war, das, was diese Frau gemacht hat. Man sagte, dass ich eine Anzeige gegen diese Frau erstatten kann. Ich habe das gelassen. Ich wollte sie nicht gerichtlich belangen. Ich habe gesagt, dass Gott sie bestrafen wird.

R: Das Ermittlungsverfahren wegen wechselseitiger Körperverletzung wurde am XXXX eingestellt. Sie sind unbescholten.

R: Sie sind XXXX im Dorf XXXX geboren und haben dort XXXX die Grundschule besucht. Ist es nicht untypisch für das russische Schulsystem, die Grundschule erst mit 8 Jahren zu beginnen?

BF1: Die Eltern haben so entschieden. Ich weiß es nicht.

R: Sie machten XXXX das XXXX in XXXX Für welchen Beruf bildet dieses XXXX aus?

BF1: XXXX und XXXX .

R: Laut der Einvernahme machten Sie auch noch einen Kurs als XXXX . Wo und von wann bis wann haben Sie diese XXXX gemacht?

BF1: Das war auch in XXXX . Es waren kurze Kurse. Insgesamt hat die Ausbildung XXXX betragen. Wir mussten zur Theorie auch ein Praktikum machen.

R: Von wann bis wann haben Sie diese Ausbildung gemacht?

BF1: Ich kann mich daran nicht erinnern. Das war nach der Ausbildung oder vielleicht in Ferien, nach den Ferien. Ich weiß es nicht. Es ist viel Zeit vergangen.

R: Vor, während oder nach Ihrer 1. Ehe?

BF1: Vor der Heirat. Nach der Ausbildung habe ich geheiratet. Das war die 1. Ehe.

R: Welche Berufe übten Sie bisher aus?

BF1: Ich habe als XXXX gearbeitet. Solche XXXX werden in XXXX angestellt.

R: Warum haben Sie in keinen Ihrer erlernten Berufe gearbeitet?

BF1: Weil ich geheiratet habe. Ich durfte die Ausbildung nicht mehr fortsetzen und nicht arbeiten.

R: Von welcher Ehe sprechen wir jetzt?

BF1: 1. Ehe.

R: Verstehe ich es richtig, dass Sie diesen XXXX nicht abgeschlossen haben?

BF1: Den Kurs habe ich abgeschlossen. Ich habe aber kein Zertifikat bekommen, nur eine Karte, die bestätigt hat, dass ich den Kurs abgeschlossen habe. Das war eine Bestätigung.

R: Sie wurden XXXX volljährig, wovon haben Sie, seitdem Sie volljährig sind, Ihren Lebensunterhalt bestritten?

BF1: Meine Eltern haben mir geholfen. Ich habe kein eigenes Geld gehabt. Mein Vater war ein XXXX , ein XXXX . Wenn ich Geld haben wollte, dann hat mir mein Vater immer Geld gegeben.

R: Ihren Angaben zufolge waren Sie zwei Mal verheiratet. Wo und wovon lebten Sie zwischen Ihren Ehen und nach der letzten Ehe? Ihr Vater ist XXXX gestorben.

BF1: Ich habe gearbeitet und ich wurde von meiner Mutter in einem geringen Ausmaß unterstützt. Die Gehälter waren niedrig. Als ich im Geschäft gearbeitet, habe ich umgerechnet XXXX Euro verdient. In Rubel waren das XXXX Rubel. Früher war es so.

R: In der Einvernahme vor dem Bundesamt, gaben Sie an, dass Sie XXXX sowie XXXX XXXX in einem Geschäft auf einem großen Markt in XXXX waren und gaben Sie auf die Frage nach einem Beruf an, dass Sie Hausfrau und Mutter waren. Können Sie mir das erklären?

BF1: Ich habe zwar gearbeitet, aber nicht ständig. Es hat immer wieder Zeiten dazwischen gegeben, wo ich nur Hausfrau war. Manchmal hat die Besitzerin Probleme gehabt und hat das Geschäft für eine Zeitlang geschlossen. Das Geschäft hat immer wieder zugesperrt.

R: Verstehe ich Sie richtig, dass Sie immer im selben Geschäft gearbeitet haben?

BF1: Ja. Wenn die Besitzerin des Geschäftes Probleme hatte, sagte sie mir, dass sie zusperren wird und ich zu Hause bleiben soll.

R: Sehe ich es richtig, dass Sie ihr gesamtes Leben bis zur Einreise nach Österreich in XXXX in der Teilrepublik XXXX lebten?

BF1: Ja.

R: Wo haben Sie mit Ihrem 1. Mann gelebt?

BF1: Auch in XXXX in der Nähe unseres Hauses. Das war zwar außerhalb der Stadt, aber der Bezirk gehörte zur Stadt.

R: Wo haben Sie mit Ihrem 2. Mann gelebt?

BF1: Auch in XXXX , aber in den Bergen. Es ist immer noch derselbe Bezirk.

R: Wie weit war das von Ihrem zu Hause entfernt?

BF1: Das war ca. eine Stunde bzw. eineinhalb Stunden mit einem Auto.

R: Ist der Bezirk XXXX so groß, dass man in eine Richtung eineinhalb Stunden fahren kann?

BF1: Da sind schon die Berge. Man muss hinauffahren.

R: Bezieht sich das nur auf die Entführung oder haben Sie ständig mit dem 2. Mann in den Bergen gelebt?

BF1: Er hat mich von der Stadt entführt und zu sich genommen.

R wiederholt die Frage.

BF1: Ja. Nur in den Bergen.

R: Wo haben Sie zwischen den beiden Ehen gelebt?

BF1: Zu Hause im Elternhaus.

R: Nach der 2. Ehe?

BF1: Auch.

R: Ihr Vater starb XXXX . Wovon lebt ihre Mutter seither?

BF1: Sie bekommt eine Pension. Der jüngere Bruder XXXX lebt bei ihr und hilft aus. Das ist der jüngste Bruder.

R: Wo und wovon leben Ihre Brüder XXXX ?

BF1: Der älteste Bruder XXXX arbeitet als LKW-Fahrer, Marke XXXX Das ist ein XXXX . Er hat eine Familie. Er hat eine eigene Unterkunft.

R: Wo?

BF: Auch im Bezirk XXXX lebt er. Der 2. Bruder XXXX hat auch eine eigene Unterkunft. Er ist ein XXXX . Es ist ein XXXX , Marke XXXX

R: Wo lebte er?

BF1: Auch im Bezirk XXXX . Diese Brüder haben eigene Häuser.

R: XXXX ?

BF1: XXXX lebt im Elternhaus mit seiner Familie und der Mutter.

R: Wovon lebt er?

BF1: Er arbeitet auch als LKW-Fahrer. Er fährt einen XXXX

R: Ihr Bruder XXXX finanzierte Ihre Ausreise. Wie konnte er sich das leisten?

BF1: Er hat gearbeitet. Natürlich hat er nicht viel Geld gehabt. Ich habe ihn gefragt, woher er das Geld genommen hat. Er sagte, frage nicht. Das ist meine Sache.

R: Wo und wovon lebt Ihre Schwester XXXX ?

BF1: Sie ist in XXXX / XXXX , verheiratet.

R: Wovon lebt sie?

BF1: Sie hat gesagt, dass sie vor kurzem begonnen hat zu arbeiten. Sie arbeitet ebenfalls als XXXX und XXXX in einem XXXX und ihr Mann arbeitet in der XXXX .

R: Haben Sie sie einmal in XXXX besucht?

BF1: Ich? Nein.

R: Warum nicht?

BF1: Man hat mich dorthin nicht fahren lassen, es hat mich auch nicht interessiert. Sie ist zu uns in den Schulferien mit den Kindern gekommen, jedes Jahr. Ich konnte auch deshalb nicht fahren, weil ich eine kranke Mutter und ein kleines Kind hatte. Deswegen musste ich zu Hause bleiben.

R: Was meinen Sie mit: „Sie kam zu uns“? Wohin kam Ihre Schwester?

BF1: Zur Mutter und [zum] Bruder. Ins Elternhaus.

R: Was hat Ihre Mutter? Sie sagen, Ihre Mutter ist krank?

BF1: Meine Mutter leidet unter XXXX und XXXX . Sie leidet unter XXXX . Das bedeutet, dass sie sehr dünn ist. Sie kann nicht reisen.

R: Wie geht es Ihren Verwandten, Ihrer Mutter und Ihren Geschwistern in der Russischen Föderation?

BF1: Ich weiß es nicht. Sie leben wahrscheinlich normal dort, aber meine Mutter ist schwer krank.

R: Wie halten Sie Kontakt mit Ihren Verwandten?

BF1: Ich habe selten Kontakt mit meiner Schwester und mit meinen Brüdern. Jeder hat eigene Probleme und eigene Arbeit. Meine Mutter ist krank. Ich frage immer, wie es ihr geht.

R: Ihre Schwester ist nur 1 Jahr älter als Sie. Wann hat sie geheiratet?

BF1: Sie hat ein Jahr bzw. ein halbes Jahr vor mir geheiratet. Genauer kann ich das nicht sagen.

R: Vor der 1. Ehe oder der 2. Ehe?

BF1: Vor der 1. Ehe. Ich habe nach ihr geheiratet.

R: Wie hat Ihre Schwester Ihren Mann kennengelernt?

BF1: Man hat sie bekannt gemacht. Sie haben sich verliebt. Sie standen in Kontakt. Sie haben sich getroffen. Sie hat eine juristische Ausbildung gemacht. Ich weiß nicht, wie das genau war, ich glaube, dass sie ihn bei der Ausbildung kennengelernt hat.

R: Wie kam Ihre Schwester nach XXXX ?

BF1: Ihr Mann hat sie dorthin nach der Eheschließung mitgenommen. Ihr Mann hat dort gearbeitet.

R: Ihr erster Ex-Mann heißt XXXX . Haben Sie noch Kontakt mit ihm?

BF1: Nein.

R: Wie haben Sie ihn geheiratet? Wie haben Sie ihn kennengelernt?

BF1: Ich habe eine Ausbildung gemacht. Mein Schwiegervater war geschieden. Er hat dann eine Frau geheiratet und sie hat in einem Kaffeehaus als Köchin gearbeitet. Das Kaffee war beim College. Ich war dort mit Freundinnen. Ich ging dorthin mit den Freundinnen, wenn es Pause gegeben hat, dort hat er mich gesehen. Zuerst habe ich dieser Tatsache keine große Bedeutung beigemessen. Ich war noch jung, XXXX . Ich dachte nicht darüber nach, dass ich heirate. Eines Tages ging die Schwiegermutter auf mich zu. Sie sagte, dass sie einen Sohn hat. Er ist ein guter Sohn und dass sie uns zusammenbringen will, weil du ein gutes Mädchen bist, hat sie gesagt und du kommst aus einer guten Familie. Ich habe gedacht, dass sie scherzt. Ich habe es verneint. Selten aber doch kam immer wieder der Mann dorthin, wo ich die Ausbildung gemacht habe. Er wollte mit mir reden. Zuerst habe ich ihn ignoriert. Dann hat man mich überzeugen wollen, dass ich mit ihm reden soll, um zu erfahren, was für ein Mensch er ist. Dann, als man gekommen ist, um uns zu verloben, war ich in Panik. Bei uns ist das so, dass ältere Leute und quasi um die Hand der Frau bitten. Da wird der Ring gleich angesteckt. Ich wollte das nicht. Meine Eltern haben das vereinbart und ich musste es. Er hatte eine andere Frau. Ich weiß nicht, ob es eine Ehefrau war. Ich habe das erst später, nach der Geburt meiner Tochter erfahren. Er lebte mit einer Frau zusammen. Nachdem mein Vater gestorben ist, habe ich mich von ihm scheiden lassen. Mein Vater litt an XXXX , war behindert und bettlägrig. Wir haben uns große Sorgen um den Papa gemacht. Dann, als er verstorben ist, wollte ich nicht mehr. Ich und er wollten miteinander nicht leben. Er hat mir selbst gegenüber zugegeben, dass er mit mir nicht leben will und ich wollte das auch nicht. Er hat mir gesagt, dass er eine andere Frau liebt und dass es besser für uns wäre, wenn wir uns trennen.

R: Wie wurden Sie von ihm geschieden?

BF1: Nach dem moslemischen Ritus, weil wir auch nach dem moslemischen Ritus geheiratet haben. Wir waren nicht standesamtlich verheiratet.

R: Beim Bundesamt haben Sie angegeben, Sie haben sich von ihm getrennt. Beschreiben Sie einfach, wie ist das vor sich gegangen?

BF1: Ich wollte von ihm weggehen. Als ich dann nach meiner Geburt meiner Tochter erfahren habe, dass er eine andere Frau, haben wir miteinander geredet und haben uns getrennt.

R: Sie wurden nach muslimischem Ritus geschieden. Wie passiert das?

BF1: Der Mullah ist gekommen. Es ist so, dass man entweder durch einen Mullah geschieden wird, oder er sagt 3 Worte. Das gilt als Scheidung.

R: Wie wurde Ihre Ehe beendet?

BF1: Er sagte mir diese Worte vor Zeugen.

R: Sie gaben an, dass diese Ehe eine Zwangsheirat war. Was verstehen Sie darunter?

BF1: Weil die Eltern das vereinbart haben. Mein Schwiegervater kannte meine Eltern. Meine Eltern haben das vereinbart.

R: Ihre Schilderung – Sie lernten die Schwiegermutter kennen, wurden dem Sohn vorgestellt, da waren Sie XXXX und wollten nicht heiraten, Sie heirateten ihn erst ein Jahr später, er hatte eine Freundin in Russland, die er liebte und ging zu ihr zurück – klingt prima facie nicht nach Zwangsheirat, sondern „nur“ nach einer arrangierten Ehe. Was sagen Sie dazu?

BF1: Bei den Moslems gibt es so ein Gesetz, wenn die älteren Leute in der Familie etwas vereinbaren, dann wird die Frau nicht gefragt. Bei uns kommt es oft vor, dass die Frauen nicht gefragt werden, sie entweder entführt werden oder die Familien arrangieren das untereinander. Bei uns wird das sehr wild gehandhabt. Ich selbst bin dagegen. Ich würde niemals erlauben, dass mein Sohn ein Mädchen entführt.

R: Wurden Sie gefragt, ob Sie heiraten wollen oder nicht?

BF1: Ja. Ich habe ‚Nein‘ gesagt. Aber man hat mir gesagt, dass das mit den Eltern arrangiert wurde und ich sowieso heiraten werde.

R: Warum sollte Ihre ältere Schwester heiraten dürfen, wen sie will, und Sie nicht?

BF1: Sie wollte es freiwillig und ich nicht.

R: Wie kommt es, dass Ihr Mann die Obsorge über Ihre Tochter hat?

BF1: Sie trug zuerst meinen Familiennamen und hat dann die Vaterschaft anerkannt, als wir die Geburtsurkunde ausstellen ließen.

R: Warum hat er die Obsorge über sie?

BF1: Weil er ihr seinen Familiennamen geben wollte. Er sagte, dass er die Vaterschaft anerkennt und sie nicht bei mir bleibt.

R: Hat er die Vaterschaft anerkannt, nachdem Ihre Tochter geboren wurde und die Geburtsurkunde ausgestellt wurde, oder erst, nachdem Sie sich getrennt haben?

BF1: Als die Tochter geboren wurde.

R: Haben Sie je versucht, die Obsorge für Ihre Tochter zu bekommen? Wenn ja: Wie?

BF1: Ich wollte, dass mein Kind meinen Familiennamen trägt, aber mein Mann wollte das nicht.

R: Warum geben Sie dann in der Erstbefragung an, dass der erste Mann alles richtiggemacht hat, wenn Sie jetzt sagen, eigentlich sind Sie dagegen?

BF1: Warum ich das gesagt habe? Es wäre sinnlos gewesen, mit einem Moslem darüber zu streiten. Bei Moslems bleiben die Kinder immer beim Vater, wenn sich die Eltern trennen. Er wollte keinesfalls, dass die Tochter meinen Familiennamen trägt, er wollte, dass das nicht so bleibt, sondern die Tochter seinen Namen trägt.

R: Sie sagen, dass Ihre Familie sehr angesehen war, weil Ihr Vater ein bekannter XXXX war und dass zumindest einer Ihrer Brüder und Ihre Schwester XXXX studiert haben. Auch in XXXX gilt Russisches Recht. Warum haben Sie sich nicht mit Ihren juristisch gebildeten Geschwistern bei Gericht dagegen zur Wehr gesetzt, wenn Sie das nicht wollten?

BF1: Mein Bruder und meine Schwester haben damals erst die juristische Ausbildung gemacht. Sie haben in dem Bereich nicht gearbeitet.

R: Wo lebt der Vater Ihrer Tochter? In der Erstbefragung gaben Sie XXXX an, in der Einvernahme, dass er zu seiner Freundin „nach Russland“ ging!

BF1: Er kommt zu seinen Eltern. Er besucht sie. Er lebt eigentlich in Russland.

R: Wo?

BF1: Ich weiß es nicht. Das hat mich nicht interessiert.

R: Ihre Tochter lebt bei den Großeltern vs in XXXX ?

BF1: Ja.

R: Beschreiben Sie mir wie Ihre Beziehung zu Ihrer Tochter nach der Scheidung war bis zur Ausreise?

BF1: Das war sehr schwer. Man erlaubt ihr bis jetzt nicht, normal mit mir zu sprechen. Man hat sie schon in der Kindheit eingeschüchtert und gegen mich gestimmt. Ich weiß nicht, warum man das so gemacht hat, aber sie kontaktiert mich nur selten. Sie verheimlicht das auch.

R: Konkret, Sie haben beide in XXXX gelebt. Wie war die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrer Tochter, bevor Sie ausgereist sind?

BF1: Man hat mich die Tochter nicht sehen lassen. Das war immer ein großes Problem. Ich habe Spielzeug oder Sachen für das Kind gekauft. Man hat diese Sachen entweder zurückgeschickt oder weggeschmissen.

R: Sie haben sich auf das muslimisches Recht bezogen. Danach ist es unzulässig, der Mutter den Kontakt zum Kind zu verwehren, auch wenn es bei den Großeltern lebt. Warum haben Sie sich nicht mit Hilfe Ihrer Familie zur Wehr gesetzt?

BF1: Meine Familie wollte mir helfen, aber mein Ex-Mann wollte das nicht. Er hat es nicht erlaubt. Wir konnten uns nicht deswegen schlagen. Wir wollten nicht, bzw. ich wollte nicht, die Psyche des Kindes schlecht beeinflussen. Man hat ihr dort sowieso die Psyche kaputtgemacht.

R: Sie haben gesagt, der Kontakt war eingeschränkt. Wie haben Sie mit Ihrer Tochter Kontakt gehalten?

BF1: Ich durfte sie nicht sehen, nicht mit ihr reden und sie nicht zu mir nehmen.

R: Wie ist der Kontakt zu Ihrer Tochter, seit Sie ausgereist sind?

BF1: Sie schreibt mir eine Mitteilung, aber nur selten. Sie hat gesagt, dass sie meine Telefonnummer versteckt, weil sie nicht will, dass sie geschlagen oder beschimpft wird.

R: Warum haben Sie Ihre Tochter nicht mitgenommen, wenn es ihr so schlecht geht, sondern Sie bei den Großeltern zurückgelassen?

BF1: Mein Mann hat das nicht erlaubt. Ich durfte sie nicht sehen, nicht besuchen und nicht zu mir holen. Das war immer ein großes Problem.

R: XXXX Ihre Tochter, ist XXXX geboren, fast XXXX Jahre alt jetzt. Wie geht es ihr aktuell?

BF1: Sie sagt, dass sie eine Ausbildung macht. Sie möchte XXXX werden. Sie macht eine juristische Ausbildung und auch Kurse.

R: Ihr zweiter Ex-Mann nach muslimischem Ritus heißt XXXX . Haben Sie noch Kontakt mit ihm?

BF1: Nein (auf Deutsch).

R: Wie haben Sie ihn geheiratet?

BF1: Ich habe schon am Beginn der Verhandlung gesagt, dass er mich entführt hat. Ich hatte keinen Kontakt zu ihm.

R: Die Entführung war die Verheiratung?

BF1: Er hat mich entführt und zu sich genommen. Dann war es so, wie ich es am Anfang der Verhandlung gesagt habe. Die Älteren von beiden Familien treffen sich. Dann kommt der Mullah. Bei uns war das auch so. Der Mullah schließt dann den Frieden zwischen den beiden Familien.

R: Die Eheschließung war durch den Mullah? Wann war das?

BF1: Ja. Als er mich entführt hat und die Verwandten den Frieden geschlossen haben.

R: Wie viel Zeit nach der Entführung war das, 1 Woche, 1 Monat, 1 Jahr?

BF1: Vielleicht 1 Woche. Ich kann mich jetzt nicht mehr genau erinnern. Die Zeit ist vergangen.

R: Sie gaben in der Erstbefragung an, ihn XXXX oder XXXX geheiratet zu haben, in der Einvernahme vor dem Bundesamt, dass Sie ihn XXXX kennengelernt und XXXX geheiratet haben. Sie hatten ein kleines Kind, da ist man sich sehr bewusst, wie schnell die Zeit vergeht. Können Sie mir das erklären?

BF1: Ich habe nicht XXXX oder XXXX gesagt. Ich kann mich nicht einmal erinnern, wann ich das 1. Mal geheiratet habe. Das 2. Mal habe ich XXXX geheiratet und XXXX den Sohn geboren. 2009 habe ich nicht gesagt. Vielleicht wurde das nicht richtig übersetzt, vielleicht. Ich weiß es nicht.

R: Wie wurden Sie von ihm geschieden?

BF1: Ich bin vor ihm geflüchtet. Ich habe es Ihnen erzählt. Er hat mich erniedrigt und beschimpft.

R: Die Scheidung war das Davonlaufen? Verstehe ich Sie richtig?

BF1: Nein. Ich bin vor ihm geflüchtet. Dann ist der Mullah gekommen. Zuerst ist man auf mich zugekommen. Ich sagte, dass ich nicht zurückgehen will. Dann wurde die Scheidung durch den Mullah vollzogen. Ja, ich hatte Angst zurückzukehren, aber er hat mich trotzdem verfolgt.

R: Wie alt war Ihr Sohn, als Sie sich haben scheiden lassen?

BF1: XXXX oder XXXX Jahre. Er war noch klein.

R: Sie gaben in der Einvernahme an, dass Sie XXXX „nach Hause geflohen“ sind. Danach sagen Sie in derselben Einvernahme, dass Sie XXXX nach Hause zu Ihren Eltern gingen und sich XXXX scheiden ließen, da wäre Ihr Sohn schon XXXX gewesen. Erklären Sie mir das.

BF1: XXXX bin ich von ihm weggegangen. Wir haben uns nicht gleich scheiden lassen. Vielleicht sind XXXX vergangen, bis der Mullah gekommen ist. Ich habe mich vor ihm versteckt. Ich hatte Angst vor ihm. Ich weiß nicht, wie viel Zeit genau vergangen ist, aber das Kind war klein. Als das Kind XXXX Jahre alt war und draußen gespielt hat, hat ihn mein Ex-Mann mehrmals von weitem beobachtet und auch versucht, ihn zu entführen. Mein Kind ist aber vor ihm geflüchtet. Er war klein. Er konnte sich an seinen Vater nicht erinnern. Er erzählte mir, dass ihn ein Mann entführen will. Ich konnte mein Kind nicht normal hinausgehen lassen.

R: Woher wussten Sie, dass das Ihr Ex-Mann ist?

BF1: Die Nachbarn wussten, mit welchem Auto er fährt. Ich habe das auch vermutet.

R: Sie haben gesagt, er hat Sie entführt. Wie darf ich mir das vorstellen?

BF1: Ich bin wieder zurück nach Hause gegangen. Wenn ich zur Arbeit in der Früh und am Abend ging, bin ich XXXX . Er hat mich wahrscheinlich beschattet. Am Abend, als ich nach Hause ging, hat er mich entführt.

R: Beschreiben Sie mir das detailliert?

BF1: Es ist viel Zeit vergangen. Ich weiß, dass sie zu zweit waren. Am Lenkrad ist sein Freund gesessen. Er war mit meinem Mann unterwegs. Der Bus ist stehengeblieben und man hat mich gepackt. Das war völlig unerwartet, plötzlich. Ich wusste selbst nicht, was passiert.

R: Und dann?

BF1: Dann hat er mich zu sich genommen. Ich habe geschrien. Aber es hat mich keiner gehört. Er hat mich in die Berge mitgenommen und dort festgehalten. Er sagte, dass er mich entführt hat und ich jetzt seine Frau bin. Als er mir sagte, dass ich seine Frau bin, verfiel ich in Panik, ich wusste nicht, was mit mir sein wird. Ich weiß nicht, ob das in der Nacht war oder am nächsten Tag in der Früh. Es sind dann die älteren Leute zu meiner Familie gegangen. Sie haben es dann untereinander geregelt. Meine Familie war dagegen am Anfang. Dann ist der Mullah gekommen, um den Frieden zu schließen. Dann wurde es endgültig geregelt. Bei uns kommt es oft vor. Immer, wenn es ein großes Problem gibt und es etwas zu regeln gibt, kommen der Mullah und die Ältesten, um einen Frieden zu schließen.

R: Wie lange hat es gedauert, von der Entführung bis zum Friedensschluss durch den Mullah?

BF1: Ich war schon in seinem Haus. Die Ältesten sind in das Haus gegangen. Ich weiß nicht, wie lange es gedauert hat, vielleicht XXXX oder so.

R: Wie war das Monat zwischen der Entführung und dem Friedensschluss?

BF1: Ich kann mich nicht mehr erinnern. Ich weiß nicht, ob es XXXX waren. Es ist viel Zeit vergangen.

R wiederholt die Frage.

BF1: Nichts. Ich war in seinem Haus. Ich durfte nirgendwohin gehen. Er hat es mir nicht erlaubt. Er hat mich im Haus festgehalten.

R: Beschreiben Sie mir dieses Haus?

BF1: Ich kann mich nicht mehr genau erinnern. Das Haus war weder klein, noch groß. Es war ein normales Haus. Ich glaube, dass es so ist, außer es hat sich etwas verändert.

R: Beschreiben Sie mir genauer, wie Sie XXXX gelebt haben?

BF1: Als wir geheiratet haben?

R wiederholt die Frage.

BF1: Ich war zu Hause. Ich war in seinem Haus. Ich bin dagesessen. Ich wollte nach Hause zurück. Er hat es mir nicht erlaubt, weil sich schon die Ältesten mit der Frage beschäftigt haben. Auf mich hat man nicht gehört.

R: Ihr Mann war XXXX , nicht den ganzen Tag zu Hause. Wie konnte er Sie dann den ganzen Tag festhalten?

BF1: Er war immer zu Hause. Er hat mich bewacht. Er ist nur selten weggefahren. Manchmal hat er gearbeitet, manchmal nicht. Das hing von seiner Stimmung ab.

R: Welcher XXXX kann arbeiten gehen, wenn er Lust und Laune hat?

BF1: Er hat dann gearbeitet, wann er wollte. Das war keine staatliche Arbeit.

R: Sie haben angegeben, dass Ihr Mann ein Alkohol- und Drogenproblem hatte. Wie kann so jemand XXXX sein?

BF1: Er hat nach Stimmung gearbeitet oder nicht. Er ist manchmal auch XXXX , wenn er unter Alkoholeinfluss stand. Für ihn war das normal. Ich weiß nicht, wie das war, ich glaube, er hat es nicht einmal gespürt, wenn er etwas genommen hat.

R: Als Grund für die Trennung gaben Sie beim BFA an, dass er Sie schlug, als Sie schwanger waren. Als Sie sich trennten, war Ihr Sohn 3-4 Jahre alt. Erklären Sie mir das?

BF1: Ich weiß nicht, wie die Dolmetscherin es bei der Einvernahme es übersetzt hat. Vielleicht wurde ich nicht richtig verstanden. Ich habe damals geschildert, dass mich mein Mann immer geschlagen hat, auch während der Schwangerschaft. Ich konnte die Misshandlungen nicht mehr erdulden und bin deswegen gegangen.

R: Haben Sie die ganze Ehe über im Haus in den Bergen gelebt?

BF1: Ja.

R: Wie konnten Sie von dort zu Hause zu Ihren Eltern gehen gemeinsam mit dem kleinen Kind?

BF1: Mit einem Taxi. Er hat mich stark geschlagen. Er stand unter Alkoholeinfluss. Ich habe dann das Kind gepackt. Ich bin dann von dort weggelaufen.

R: Wie kommt es, dass er die Obsorge über Ihren Sohn nicht hat?

BF1: Ich erkläre das. Als das Kind geboren wurde, wollte ich eine Vaterschaftsanerkennung von ihm und zwar für die Geburtsurkunde. Wir waren dann bei einer Organisation, wo die Geburtsurkunde ausgestellt wurde. Ich bin hingegangen, weil er nicht mitgegangen ist. Ich habe das Dokument für das Kind ausgestellt, damit eine Beihilfe ausbezahlt wird. Er wollte nicht mit mir dorthin gehen. Ich ging zu dieser Organisation, aber nicht mit ihm, sondern mit seiner Schwester. Ich sagte, dass ich eine Geburtsurkunde brauche. Man fragte, wo der Papa ist. Es geht um eine Unterschriftsleistung. Die Schwester sagte, dass er nicht will und nicht kommt. Er dachte, dass ich mich mit ihm standesamtlich verheiraten will. Das wollte ich nicht. Ich wollte nur die Geburtsurkunde ausgestellt bekommen. Ich habe nur die Dokumente gebraucht. Dort war die Unterschrift des Vaters notwendig. Er wollte das nicht. Ich habe das Kind auf meinen Namen registrieren lassen.

R: Warum hat er die Obsorge über das Kind [nicht]?

BF1: Weil er sie nicht wollte. Ich weiß nicht warum.

R: Warum wollte er die Vaterschaft zu Ihrem Vater nicht anerkennen?

BF1: Ich weiß es nicht. Ich konnte mit ih

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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