Entscheidungsdatum
11.08.2021Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W175 2233113-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Neumann über die Beschwerde des XXXX , afghanischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.07.2020, Zahl: 1265143507/200483101, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (BF) wurde am 06.06.2020 – nachdem ihm die Einreise nach Deutschland verweigert wurde – an die österreichische Polizei übergeben und festgenommen. Am 07.06.2020 wurde über den BF die Schubhaft verhängt. Am 12.06.2020 stellte der BF den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Ein Eurodac-Abgleich der Fingerabdruckdaten des BF ergab, dass von Bulgarien am 17.07.2019 und von der Slowakei am 13.02.2020 eine erkennungsdienstliche Behandlung des BF aufgrund der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gespeichert worden war.
I.2. Aufgrund des Eurodac-Treffers richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) an Bulgarien am 08.06.2020 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), gestütztes Wiederaufnahmeersuchen betreffend den BF.
I.3. Mit Schreiben vom 11.06.2020 stimmten die bulgarischen Behörden der Wiederaufnahme des BF gemäß Art. 18 Abs. 1 lit d Dublin III-VO ausdrücklich zu. Dabei wurde vermerkt, dass der BF unter Angabe eines anderen Vornamens und Geburtsdatums in Bulgarien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, der Antrag sei negativ entschieden worden.
I.4. Im Rahmen der Erstbefragung am 12.06.2020 gab der BF in der Sprache Dari befragt im Wesentlichen an, dass er afghanischer Staatsangehöriger, verheiratet und volljährig sei. Seine Identität bestätigende Unterlagen könne er keine vorlegen, seine afghanische Geburtsurkunde befinde sich bei seiner Frau.
Er habe vor ca. einem Jahr den Entschluss gefasst, sein Heimatland aufgrund der Taliban, die ihn umbringen hätten wollen, weil er Transporte für die Polizei durchgeführt habe, zu verlassen. Er sei über den Iran, die Türkei und Serbien, wo er sich ca. sieben Monate aufgehalten habe, in die Slowakei und schließlich nach Österreich gereist.
In der Slowakei sei er gut behandelt worden, einen Antrag auf internationalen Schutz habe er nicht gestellt. Nach Vorhalt des Eurodac-Treffer mit Bulgarien gab der BF an, keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt zu haben. Der BF wisse nicht, wie lange oder wo er in Bulgarien gewesen sei. Man habe ihm nur seine Fingerabdrücke abgenommen und ihn wieder entlassen, er wäre nicht einvernommen worden.
In Österreich habe er keine Familienangehörigen.
I.5. Anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs vor dem BFA am 22.06.2020 gab der BF nach erfolgter Rechtsberatung und im Beisein eines Rechtsberaters in Paschtu befragt im Wesentlichen Folgendes an:
Der BF wäre von der bulgarischen Polizei wiederholt auf den Kopf geschlagen und ihm wäre ein Zahn ausgeschlagen worden. Er habe Kopfschmerzen beim Sprechen und Schwindelgefühle. Er habe in Österreich zwei Arzttermine gehabt und Medikamente bekommen. Bei der ersten Untersuchung haben man unter anderem sein Blut untersucht, die zweite Untersuchung habe wegen Corona stattgefunden. Unterlagen darüber habe er keine.
Auf die Frage, ob konkrete Gründe der Anordnung zur Außerlandesbringung nach Bulgarien entgegenstünden, gab er an, dass andere Afghanen und er von mehreren Polizeibeamten geschlagen worden seien, anderen wären Arme und Beine gebrochen worden. Er wäre wie ein Tier in einen Raum geworfen worden und habe kein Essen und Trinken bekommen. Sieben oder acht Monate habe der BF nach seiner Ausreise aus Bulgarien in Serbien verbracht. Er habe bei seiner Erstbefragung den Dolmetscher nicht verstanden, starke Kopfschmerzen gehabt und er habe alles über Bulgarien vergessen. Bulgarien habe er am 05.08.2018 verlassen und er sei am 08.08.2018 von der serbischen Polizei festgenommen worden. In Serbien wäre er einen Monat lang behandelt worden, weil es ihm so schlecht gegangen sei.
I.6. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid, zugestellt am 01.07.2020, den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass Bulgarien für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit d der Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Die Außerlandesbringung des BF wurde gemäß § 61 Abs. 1 FPG, angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung des BF nach Bulgarien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Dem Bescheid sind aktuelle Feststellungen zu Bulgarien zu entnehmen:
„1. Allgemeines zum Asylverfahren
Zuständig für das erstinstanzliche Asylverfahren ist die Staatliche Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat (State Agency for Refugees with the Council of Ministers, SAR). Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (AIDA 2.2019; vgl. CoE-SG 19.4.2018, SAR o.D.a, SAR o.D.b, USDOS 13.3.2019).
(AIDA 2.2019; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle)
Die Zahl der Antragsteller ist in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken. 2018 lag die Quote der Antragssteller, der ihr Verfahren nicht zu Ende führten, bei 79%. Davon wurde in 42,4% der Fälle das Asylverfahren eingestellt (discontinued) und bei 36,6% in Abwesenheit entschieden (AIDA 2.2019). 2019 gab es in Bulgarien bis 4.8.2019 885 Asylanträge (VB 7.8.2019).
Menschenrechtsorganisationen berichteten weiterhin von polizeilichen und gesellschaftlichen Gewalt gegen Migranten und Asylwerber, einschließlich von Übergriffen, Schlägen und Demütigungen an den Landesgrenzen, in Haftanstalten sowie in den Camps (USDOS 13.3.2019). Weiters wendet Bulgarien Berichten zufolge sogenannte Pushbacks an, um Migranten von seinem Territorium fernzuhalten. Es gibt auch Berichte über Gewalt, Diebstähle und Einschüchterung durch die bulgarische Polizei und Grenzwache gegenüber Migranten an der Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei (AIDA 2.2019; vgl. FRA 7.2019; DS 20.7.2018, CoE-PACE 8.6.2019, Reliefweb 24.12.2018, UNHCR 1.2019). Türkische Behörden und Organisationen sprechen von mehr als 10.000 Personen monatlich, die gemeinsam von Bulgarien und Griechenland in die Türkei zurückgedrängt werden (AIDA 2.2019).
Bei Ermittlungen wegen mutmaßlicher Gewalt durch die Grenzpolizei im Zusammenhang mit sogenannten Pushbacks, die vor 2018 berichtet wurden, konnten jedoch keine Rechtsverletzungen durch die Polizeikräfte festgestellt werden (CoE-SG 19.4.2018). Im August 2018 wurden zwei Personen wegen versuchten Mordes an einem kamerunischen Asylwerber zu jeweils 10 Jahren Gefängnis verurteilt (USDOS 13.3.2019).
Einzelne Übergriffe von staatlichen Organen auf Migranten und Asylwerber in Bulgarien sind nicht völlig auszuschließen. Ein systematisches Vorgehen von Misshandlungen und/oder herabwürdigender Behandlung durch die bulgarischen Sicherheitskräfte besteht laut Einschätzung des BM.I-Verbindungsbeamten jedoch nicht. Das Disziplinarsystem innerhalb des Innenministeriums wird strikt ausgelegt, und die Täter hätten mit sofortiger Entlassung zu rechnen (VB 31.1.2017).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (2.2019): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2018update.pdf, Zugriff 14.8.2019
- CoE-PACE – Council of Europe - Parliamentary Assembly (8.6.2019): Pushback policies and practice in Council of Europe member States [Doc. 14909],
https://www.ecoi.net/en/file/local/2011497/pdf.aspx, Zugriff 14.8.2019
- CoE-SG – Council of Europe - Secretary General (19.4.2018): Report of the fact-finding mission by Ambassador Tomás Bo?ek, Special representative of the Secretary General on migration and refugees, to Bulgaria, 13-17 November 2017 [SG/Inf(2018)18], https://www.ecoi.net/en/file/local/1430521/1226_1524567214_sg-inf-2018-18e.pdf, Zugriff 14.8.2019
- DS – Daily Sabah (20.7.2018): Migrants claim abuse by Bulgarian police, https://www.dailysabah.com/turkey/2018/07/21/migrants-claim-abuse-by-bulgarian-police, Zugriff 14.8.2019
- FRA – European Agency for Fundamental Rights (7.2019): Migration key fundamental rights conerns, https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra_migration_bulletin_3_2019.pdf, Zugriff 14.8.2019
- Reliefweb (24.12.2018): Hundreds of children report police violence at EU borders, https://reliefweb.int/report/serbia/hundreds-children-report-police-violence-eu-borders, Zugriff 14.8.2019
- SAR – State Agency for Refugees (o.D.a): Verfahrensschritte zur Gewährung internationalen Schutzes – Rechte und Pflichten (????? ?? ???????????? ?? ???????????? ?? ???????????? ??????? – ????? ? ??????????), https://aref.government.bg/index.php/en/node/42, Zugriff 14.8.2019
- SAR – State Agency for Refugees (o.D.b): Dublin-Verfahren (???????????? ?? ??????), https://aref.government.bg/index.php/bg/node/43, Zugriff 14.8.2019
- UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (1.2019): Desperate Journeys – Refugees and migrants arriving in Europe and at Europe‘s borders; January – December 2018, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/67712#_ga=2.120438408.1058008370.1555316736-1676915092.1520936228, Zugriff 14.8.2019
- USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Bulgaria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004279.html, Zugriff 14.8.2019
- VB des BM.I Bulgarien (7.8.2019): Bericht des VB, per E-Mail
- VB des BM.I Bulgarien (31.1.2017): Bericht des VB, per E-Mail
2. Dublin-Rückkehrer
Im Zuge eines bilateralen Arbeitstreffens des BFA mit Bulgarien Ende November 2017 hat sich Bulgarien sehr kooperativ gezeigt und erklärt, dass aufgrund der derzeitigen Kapazitäten Charterüberstellungen nach Sofia weiterhin möglich wären. Der etablierte Prozess (individuelle Anfrage für ein bestimmtes Datum und Bestätigung durch BG) funktioniere gut (BFA 11.12.2017).
Im Jahr 2018 erhielt Bulgarien 3.448 Dublin-Requests, von denen 86 tatsächlich zu Transfers führten. Das waren 80% weniger Überstellungen als 2017 (AIDA 2.2019).
Dublin-Rückkehrer haben grundsätzlich Zugang zum Asylverfahren in Bulgarien. Nach Rücküberstellungen auf der Grundlage der Dublin-Verordnung wird das Asylverfahren regelmäßig eingeleitet bzw. wieder aufgenommen, dabei wird je nach Verfahrensstand unterschieden:
Eine Person, die noch keinen Asylantrag in Bulgarien gestellt hat, hat die Möglichkeit einen Erstantrag zu stellen.
Bei Dublin-Rückkehrern, die in Bulgarien bereits einen Asylantrag gestellt haben, der ohne inhaltliche Prüfung abgeschlossen wurde, wird das Verfahren automatisch wieder eröffnet. Ein Verfahren wird nach bulgarischem Asyl- und Flüchtlingsgesetz (AuFG) ausgesetzt, wenn die asylsuchende Person innerhalb von 10 Werktagen nicht zu einem Termin mit den Behörden erscheint oder ihre Adresse ändert, ohne die Behörde davon in Kenntnis zu setzen. Nach weiteren drei Monaten wird das Asylverfahren beendet, wenn die asylsuchende Person sich nicht bei den Behörden meldet und ihre Abwesenheit oder mangelnde Kooperation begründet.
Wurde das Asylgesuch auf der Grundlage einer inhaltlichen Prüfung abgewiesen, besteht die Möglichkeit, erneut einen Asylantrag zu stellen. Dieser Antrag wird als Folgeantrag betrachtet und ist nur zulässig, wenn er neue Elemente enthält. Wird der Folgeantrag für zulässig erklärt, was in der Praxis selten der Fall ist, wird der Antrag im regulären Verfahren geprüft. Eine Prüfung im regulären Verfahren erfolgt auch dann, wenn die Entscheidung über die Zulässigkeit nicht innerhalb von 14 Tagen ergeht
(UNHCR 17.12.2018; vgl. AIDA 2.2019; EASO 24.10.2017).
Die Aufnahmebedingungen von Personen, die unter der Dublin-Verordnung zurückkehren, sind abhängig vom Verfahrensstand. Vor der Ankunft der Dublin-Rückkehrer informiert SAR die Grenzpolizei über die voraussichtliche Ankunft und gibt an, ob der Rückkehrer in ein Asylaufnahmezentrum oder in ein Schubhaftzentrum zu überstellen ist:
Wer sich in einem laufenden Asylverfahren befindet, wird in ein Unterbringungszentrum der SAR gebracht.
Eine Person, die noch kein Asylgesuch in Bulgarien gestellt hat, kann bei der Ankunft in eines der von der Direktion für Einwanderung verwalteten Zentren für die vorübergehende Unterbringung vor der Abschiebung (Special Centre for the Temporary Accommodation of Foreigners, SCTAF) gebracht werden. Nach Einreichen eines Asylgesuches wird sie jedoch in ein Aufnahmezentrum der Flüchtlingsagentur SAR überstellt.
Auch Personen, deren Verfahren wiedereröffnet wurde, werden in ein Aufnahmezentrum gebracht. UNHCR hat in letzter Zeit keine Fälle beobachtet, in denen einem Dublin-Rückkehrer, dessen Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, der Zugang zu Aufnahmezentren verweigert wurde. Dies kann jedoch grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, wenn diese ihre volle Kapazität erreichen.
Personen, deren Asylantrag bereits inhaltlich geprüft und abgewiesen wurde, werden in einem geschlossenen Zentrum untergebracht. Während des anschließenden Zulässigkeitsverfahrens kommt es darauf an, ob der asylsuchenden Person die negative Erstentscheidung vor deren Ausreise aus Bulgarien zugestellt wurde oder nicht. Ist Letzteres der Fall, wird sie einem Aufnahmezentrum zugewiesen. Wurde die Entscheidung der asylsuchenden Person allerdings vor deren Ausreise aus Bulgarien bereits zugestellt und nicht innerhalb der Frist angefochten, wird sie inhaftiert und in ein geschlossenes Zentrum (SCTAF) gebracht. Die Haft kann während des Zulässigkeitsverfahrens andauern. Auch wenn dies nicht der Fall ist, werden sie jedoch keinem regulären Aufnahmezentrum zugewiesen und haben auch keinen Anspruch auf Verpflegung, Unterkunft oder Sozialhilfe
(UNHCR 17.12.2018; vgl. AIDA 2.2019; EASO 24.10.2017).
Bezüglich der Anschlussversorgung depressiver Dublin-Rückkehrer teilt SAR mit, dass bei vulnerablen Personen mit spezifischen Bedürfnissen, einschließlich Personen mit psychischen und psychiatrischen Problemen, deren spezifischer Zustand berücksichtigt wird. Gegenwärtig entsprechen das nationale System für internationalen Schutz in Bulgarien und die nationale Gesetzgebung im Bereich des Asyls der Gesetzgebung der EU mit sämtlichen Mindeststandards, einschließlich für die Aufnahmebedingungen. Als EU-Mitglied hält sich Bulgarien an die EU-Asylpolitik und –Gesetzgebung und folgt diesen sehr streng. Im Falle eines depressiven Dublin-Rückkehrers wird das Verfahren wieder aufgenommen und die Person hat alle in der Gesetzgebung vorgesehenen Rechte eines Asylwerbers, einschließlich das Recht auf psychologische Hilfe. Bei der Aufnahme einer Person mit speziellen Bedürfnissen werden Experten mit der jeweiligen medizinischen Qualifikation zugezogen und die betroffene Person wird von denen medizinisch, bzw. psychologisch betreut. Die Psychologen von SAR und die NGOs Zentrum „Nadya“, IOM und das Bulgarische Rote Kreuz leisten selbstmordgefährdeten Dublin-Rückkehrer in Bulgarien Hilfe. Folgende Dienstleistungen werden angeboten: psychologische Beratung, Psychotherapie, psychiatrische Beratung, individuelle Einschätzung des psychologischen Verhaltens, Erstellen von Zertifikaten für psychologische und psychisch-gesundheitliche Folgen eines Traumas (VB 20.6.2017a).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (2.2019): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2018update.pdf, Zugriff 14.8.2019
- EASO – European Asylum Support Office (24.10.2017): EASO Query. Subject: Access to Procedures and Reception Conditions for persons transferred back from another Member State of the Dublin regulation, per E-Mail
- BFA – Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (11.12.2017): Arbeitstreffen mit SAR, per E-Mail
- UNHCR Representation in Germany – Die Vertretung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in Deutschland (17.12.2019): Auskunft des UNHCR, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/687377/687464/687466/687288/19129797/United_Nations___High_Commissioner_for_Refugees___Amt_des_Vertreters_in_der_Bundesrepublik_Deutschland__Berlin_%2C_17%2E12%2E2018%2C_ohne_Az.pdf?nodeid=20024439&vernum=-2, Zugriff 14.8.2019
- VB des BM.I Bulgarien (20.6.2017a): Auskunft SAR, per E-Mail
3. Non-Refoulement
Schutz vor Refoulement ist eine Erwägung in der Zulässigkeitsprüfung und unerlässlich für sichere Dritt- und Herkunftsstaaten (AIDA 2.2019).
Menschenrechtsorganisationen zufolge wendet Bulgarien Gewalt und sogenannte „Pushbacks“ an, um Migranten von seinem Territorium fernzuhalten. Türkische Behörden und Organisationen sprechen von mehr als 10.000 Personen monatlich, die gemeinsam von Bulgarien und Griechenland in die Türkei zurückgedrängt werden (AIDA 2.2019; vgl. DS 20.7.2018; FRA 2019; FRA 7.2019; Reliefweb 24.12.2018; UNHCR 1.2019; USDOS 13.3.2019).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (2.2019): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2018update.pdf, Zugriff 14.8.2019
- DS – Daily Sabah (20.7.2018): Migrants claim abuse by Bulgarian police, https://www.dailysabah.com/turkey/2018/07/21/migrants-claim-abuse-by-bulgarian-police, Zugriff 14.8.2019
- FRA – Fundamental Rights Agency (2019): Beyond the peak: challanges remain, but migration numbers drop, https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2019-beyond-the-peak-migration-annual-review-2018_en.pdf, Zugriff 14.8.2019
- FRA – European Agency for Fundamental Rights (7.2019): Migration key fundamental rights conerns, https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra_migration_bulletin_3_2019.pdf, Zugriff 14.8.2019
- Reliefweb (24.12.2018): Hundreds of children report police violence at EU borders, https://reliefweb.int/report/serbia/hundreds-children-report-police-violence-eu-borders, Zugriff 14.8.2019
- UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (1.2019): Desperate Journeys – Refugees and migrants arriving in Europe and at Europe‘s borders; January – December 2018, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/67712#_ga=2.120438408.1058008370.1555316736-1676915092.1520936228, Zugriff 14.8.2019
- USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Bulgaria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004279.html, Zugriff 14.8.2019
4. Versorgung
4.1. Grundversorgung
Asylwerber haben laut Gesetz das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens. Wenn es für Neuankömmlinge nicht genug Unterbringungsplätze geben sollte, werden in der Praxis solche ohne eigene Mittel prioritär untergebracht. Spezifische Bedürfnisse und das Armutsrisiko (finanzielle Mittel, Arbeitsmöglichkeiten, Arbeitserlaubnis, Zahl der abhängigen Familienmitglieder, etc.) werden in jedem Fall bewertet. Mit Erhalt der Asylwerbekarte, welche die Verfahrensidentität bestätigt, ist das Recht sich in Bulgarien aufzuhalten, auf Unterbringung und Versorgung, sowie auf Sozialhilfe im selben Ausmaß wie bulgarische Staatsbürger und auf Krankenversicherung, medizinische Versorgung, psychologische Versorgung und Bildung gegeben. Im Februar 2015 wurde die Auszahlung der Sozialhilfe für Asylwerber in Höhe von BGN 65,- (EUR 33,-) pro Monat eingestellt. Dies wird von den Behörden damit begründet, dass sie in den Aufnahmezentren mit Lebensmitteln versorgt werden (AIDA 2.2019; vgl. UNHCR 17.12.2018). Spezielle Bedürfnisse können daher nicht mehr angemessen berücksichtigt werden, was besonders für Familien mit kleinen Kindern, chronisch kranke und ältere Menschen problematisch ist (UNHCR 17.12.2018). Um außerhalb des Aufnahmezentrums zu wohnen, müssen Asylwerber schriftlich erklären, dass sie über ausreichende Ressource verfügen, um für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, was sie automatisch vom Recht auf die monatliche finanzielle Unterstützung ausschließt (AIDA 2.2019).
Folgeantragsteller erhalten keine Asylwerberkarte und haben auch kein Recht auf materielle Versorgung. Sie haben lediglich ein Recht auf Übersetzerleistungen während die Zulässigkeit ihres Folgeantrags im Eilverfahren geprüft wird. Wurde der Folgeantrag nur eingebracht, um die Außerlandesbringung zu verzögern, besteht auch kein Recht auf Verbleib im Land. Die Zulässigkeit muss binnen 14 Tagen geklärt werden (AIDA 2.2019).
Falls das Asylverfahren aus objektiven Umständen länger als drei Monate dauert, haben die Asylwerber noch während des Asylverfahrens Zugang zum Arbeitsmarkt. In der Praxis ist der Zugang zum Arbeitsmarkt aufgrund der Sprachbarriere, genereller Rezession und hoher Arbeitslosenzahlen jedoch schwierig (AIDA 2.2019).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (2.2019): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2018update.pdf, Zugriff 14.8.2019
- UNHCR Representation in Germany – Die Vertretung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in Deutschland (17.12.2019): Auskunft des UNHCR, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/687377/687464/687466/687288/19129797/United_Nations___High_Commissioner_for_Refugees___Amt_des_Vertreters_in_der_Bundesrepublik_Deutschland__Berlin_%2C_17%2E12%2E2018%2C_ohne_Az.pdf?nodeid=20024439&vernum=-2, Zugriff 14.8.2019
4.2. Unterbringung
Bulgarien verfügt über Unterbringungszentren in Sofia (Ovcha Kupel, Vrazhdebna und Voenna Rampa), Banya und Pastrogor sowie Harmanli, die von der Migrationsbehörde (SAR) verwaltet werden. Im Dezember 2018 wurde das Aufnahmezentrum Vrazhdebna in Sofia von der SAR auf unbestimmte Zeit geschlossen und die Bewohner wurden auf andere Zentren verlegt. Vrazhdebna war für lange Zeit die einzige Einrichtung mit angemessenen Lebensbedingungen, die vor kurzem mit EU-Mitteln vollständig renoviert wurde Die Angaben zur Kapazität der Unterbringungszentren schwanken zwischen 4.953 Plätzen Ende Dezember 2018 (4.760 Plätze in Aufnahmezentren und 193 in Privatunterkünften) (AIDA 2.2019) und 5.940 Plätzen Ende März 2019 (IOM-DTM 3.2019).
In Bulgarien wurden Maßnahmen für die Verbesserung oder Erhöhung der Unterbringungskapazität getroffen (EMN 5.2019). Die Lebensbedingungen in den staatlichen Aufnahmezentren sind trotz der von der SAR regelmäßig durchgeführten Teilrenovierungen nach wie vor schlecht und liegen unter Mindeststandards oder erfüllen diese knapp, vor allem in Bezug auf die sanitären Anlagen oder häufige Ausfälle von Heizung im Winter (AIDA 2.2019; vgl. FRA 2.2019). Darüber hinaus beklagten sich die Bewohner aller Aufnahmezentren über die insgesamt schlechten hygienischen Umstände, insbesondere aber über Bettwanzen, die regelmäßig zu Gesundheitsproblemen führen. Wo immer möglich, erfolgt die Unterbringung von Familien ohne deren Trennung. Auf die Trennung der verschiedenen Nationalitäten wird geachtet. Asylwerber können mit Erlaubnis auf eigene Kosten auch außerhalb eines Zentrums leben, verlieren dann aber das Recht auf Unterbringung und soziale Unterstützung. Gegen Verweigerung der Unterbringung ist binnen sieben Tagen ein gerichtliches Rechtsmittel möglich (AIDA 2.2019).
Das Land verfügt über zwei Schubhaftzentren: Busmantsi (400 Plätze) und Lyubimets (300 Plätze). Der Betrieb des geschlossenen Verteilerzentrums Elhovo wurde im April 2018 eingestellt. Das Aufnahmezentrum Pastrogor kann gegebenenfalls auch als geschlossenes Zentrum verwendet werden. Die Haftbedingungen werden vor allem bezüglich Hygiene kritisiert. Medizinische Versorgung ist nicht in jedem Haftzentrum täglich verfügbar. Die Sprachbarriere und Mangel an Medikamenten stehen ebenfalls unter Kritik (AIDA 2.2019), ebenso wie unter anderem unzureichende Verpflegung, zu kurzer Aufenthalt im Freien, fehlende spezielle Voraussetzungen für Familien, fehlender Zugang zu Toiletten in der Nacht und der Mangel an qualifizierten Dolmetschern (FRA 5.2019; vgl. CoE-CPT 11.7.2019).
Derzeit sind in Bulgarien 806 Personen untergebracht (Stand 7.8.2019): 250 in geschlossenen Zentren (Auslastung von 35.7%), 397 in offenen Zentren (Auslastung von 7,7%), 159 privat untergebracht (auf eigene Kosten) (VB 7.8.2019).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (2.2019): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2018update.pdf, Zugriff 14.8.2019
- CoE-CPT – Council of Europe - European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (11.7.2019): Report to the Bulgarian Government on the visit to Bulgaria carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 10 to 17 December 2018 [CPT/Inf (2019) 24],
https://www.ecoi.net/en/file/local/2012591/2019-24-inf-eng.docx.pdf, Zugriff 14.8.2019
- EMN – European Migration Network (5.2019): Annual Report on Migration and Asylum 2018, https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/00_arm2018_synthesis_report_final_en.pdf, Zugriff 14.8.2019
- FRA – European Agency for Fundamental Rights (2.2019): Migration: key fundamental rights concerns, https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2019-migration-bulletin-1_en.pdf, Zugriff 14.8.2019
- FRA – European Agency for Fundamental Rights (5.2019): Migration: key fundamental rights concerns, https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2019-migration-bulletin-2_en.pdf, Zugriff 14.8.2019
- IOM-DTM – International Organisation for Migration – Displacement Tracking Matrix (3.2019): Mixed migration flows in the Mediterranean, https://rovienna.iom.int/sites/default/files/publications/Flows%20Compilation%20Report_March_2019.pdf, Zugriff 14.8.2019
- VB des BM.I Bulgarien (7.8.2019): Bericht des VB, per E-Mail
4.3. Medizinische Versorgung
Asylwerber in Bulgarien haben nach wie vor Zugang zu medizinischer Versorgung im selben Ausmaß wie bulgarische Staatsbürger (AIDA 2.2019; vgl. WHO 2018; UNHCR 17.12.2018), das umfasst auch den Zugang zu psychologischer/psychiatrischer Versorgung (UNHCR 17.12.2018). Asylwerber, die sich für eine Unterkunft außerhalb der Aufnahmezentren entscheiden oder denen keine Unterkunft gewährt wird, haben keinen Zugang zu psychologischer Unterstützung. Der Zugang zu medizinischer Grundversorgung ist ansonsten gewährleistet, unabhängig vom Wohnort der Asylwerber (AIDA 2.2019).
SAR ist verpflichtet Asylwerber krankenzuversichern. In der Praxis haben Asylwerber mit denselben Problemen zu kämpfen wie Bulgaren (AIDA 2.2019), da das nationale Gesundheitssystem große materielle und finanzielle Defizite aufweist (AIDA 2.2019; vgl. WHO 2018). In dieser Situation ist laut AIDA spezielle Betreuung für Folteropfer und Traumatisierte nicht verfügbar. Wenn das Recht auf Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, entzogen wird, betrifft das auch das Recht auf medizinische Versorgung. Medizinische Grundversorgung ist in den Unterbringungszentren gegeben, und zwar entweder durch eigenes medizinisches Personal oder Nutzung der Notaufnahmen lokaler Hospitäler. Alle Zentren verfügen über medizinische Behandlungsräume (AIDA 2.2019).
Fehlende Dolmetscher und die mangelnde Bereitschaft einiger Ärzte, Asylsuchende als Patienten zu registrieren, stellen jedoch praktische Hindernisse beim Zugang zu medizinischer Versorgung dar. Zudem umfasst die Versicherung nicht alle medizinischen Behandlungen und Medikamente. Insbesondere bei schweren und chronischen Erkrankungen können einige Behandlungen nur teilweise erstattet werden. Ohne finanzielle Unterstützung stoßen Asylsuchende auf Schwierigkeiten, diese zusätzlichen Kosten zu decken. Das Bulgarische Rote Kreuz verfügt über einen kleinen Fonds, der hauptsächlich von UNHCR finanziert wird, um die Kosten für medizinische Versorgung und Medikamente für eine begrenzte Anzahl extrem vulnerabler Asylsuchender zu decken. In der Praxis wird psychologische Unterstützung in den Aufnahmezentren von NGOs geleistet, die auf Projektbasis finanziert wird, und nicht in allen Zentren auf dem gleichen Niveau und in gleicher Häufigkeit angeboten werden kann. Die Nachhaltigkeit dieser Dienstleistungen ist entsprechend nicht gewährleistet (UNHCR 17.12.2018).
MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (2.2019): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2018update.pdf, Zugriff 14.8.2019
- MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail
- UNHCR Representation in Germany – Die Vertretung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in Deutschland (17.12.2019): Auskunft des UNHCR, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/687377/687464/687466/687288/19129797/United_Nations___High_Commissioner_for_Refugees___Amt_des_Vertreters_in_der_Bundesrepublik_Deutschland__Berlin_%2C_17%2E12%2E2018%2C_ohne_Az.pdf?nodeid=20024439&vernum=-2, Zugriff 14.8.2019
- WHO – World Health Organisation (2018): Bulgaria – Health system review, http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0005/383054/HiT-Bulgaria-2018-web.pdf?ua=1, Zugriff 14.8.2019
5. Schutzberechtigte
Anerkannte Flüchtlinge erhalten ein Identitätsdokument mit fünf Jahren Gültigkeit; subsidiär (oder humanitär) Schutzberechtigte ein solches mit drei Jahren Gültigkeit. Damit sind verschiedene Rechte verbunden. Anerkannte Flüchtlinge haben mit wenigen Ausnahmen dieselben Rechte wie bulgarische Staatsbürger, subsidiär Schutzberechtigte haben dieselben Rechte wie Inhaber eines permanenten Aufenthaltstitels (AIDA 2.2019).
Die bulgarische Integrationsverordnung vom 19.7.2017, die den Abschluss individueller Integrationsvereinbarungen zwischen den Schutzberechtigten und dem Bürgermeister einer Gemeinde vorsieht, wird weiterhin nicht umgesetzt, weil keine der 265 Gemeinden um Mittel für Integrationsmaßnahmen ansucht (IV 19.7.2017; vgl. AA 16.1.2019; AIDA 2.2019; Caritas 5.2019). Die einzigen Integrationsmaßnahmen bislang betrafen 13 Relocation-Fälle und wurden der EU finanziert (AIDA 2.2019). Die Verordnung enthält keine Maßnahmen, um das anhaltende Problem sich weigernder Kommunen anzugehen oder günstigere Bedingungen für die Integration in die lokalen Gemeinden zu schaffen. Die Verordnung sieht auch keine Lösung für das Problem des mangelnden Zugangs der Flüchtlinge zu Sozialwohnungen, Familienzulagen für Kinder oder Sprachunterricht vor, wodurch die geflüchteten Menschen ihre sozialen und wirtschaftlichen Rechte nur eingeschränkt wahrnehmen konnten (AI 23.5.2018; vgl. UNHCR 24.7.2017; Caritas 5.2019). Die Tatsache, dass Betroffene seit 2014 ohne jegliche Integrationsunterstützung bleiben, führt zu einem äußerst eingeschränkten Zugang zu grundlegenden Sozial-, Arbeits- und Gesundheitsrechte und zu Minimierung der Bereitschaft der Betroffenen, sich dauerhaft in Bulgarien niederzulassen (AIDA 2.2019).
Der bulgarische Staat gewährt anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten die gleichen Unterstützungsleistungen, wie sie auch bulgarische Staatsangehörige in Anspruch nehmen können. Für den Zugang zu staatlicher sozialer Unterstützung ist für Schutzberechtigte die Wohnsitzregistrierung und Meldeadresse unerlässlich. Diese wird vom Bürgermeister der Wohnsitzgemeinde vorgenommen (AIDA 2.2019; vgl. Caritas o.D.a). Betreffend Zugang zu staatlicher sozialer Unterstützung haben Schutzberechtigte die Möglichkeit sich an das zuständige Social Assistance Directorate (SAD) der Social Assistance Agency (SAA) am Ort ihrer Wohnsitzmeldung zu wenden. Es gibt dort verschiedene Formen der Unterstützung. Zum einen die monatliche bzw. einmalige oder zielgerichtete Sozialzulage (Monthly, one-off or target social allowance). Diese muss im SAD beantragt werden und ein Sozialarbeiter bewertet die Situation des Betreffenden unter seiner momentanen Adresse. Dabei werden Einkommen, Alter, Familienstand, Besitz, Gesundheitszustand usw. miteinkalkuliert. Die andere Möglichkeit sind kommunale Sozialleistungen für Anwohner (Resident-type community social services). Das umfasst auch Zugang zu temporären (Übergangs-)wohnstrukturen und Notfallzentren. Dazu muss man ebenfalls in der Wohnsitzgemeinde einen Antrag stellen. Auch hier wird die individuelle Situation bewertet und anhand dieser Bewertung vom SAD ein sogenanntes „order for accommodation“ erlassen. Eine weitere Möglichkeit sind finanzielle Leistungen für Familien, die unter einem bestimmten Pro-Kopf-Einkommen liegen. Auch diese müssen beantragt werden. Da die Schutzberechtigten im Gesetz über Kinderzulagen nicht explizit als Empfangsberechtigte aufgeführt sind, kann es passieren, dass ihnen diese Sozialleistungen verweigert werden. Deshalb empfiehlt die Caritas Bulgarien bei diesem Anliegen, sich an einen Sozialarbeiter bzw. das Bulgarian Helsinki Committee zu wenden (Caritas o.D.b). Zuletzt besteht die Möglichkeit einen Integrationsvertrag mit der Wohnsitzgemeinde abzuschließen. (siehe dazu oben, Anm.) Gemäß aktuellen Bestimmungen (Ordinance on Integration Agreements vom 19. Juli 2017) ist der Schutzberechtigte nach der Unterzeichnung von der Gemeinde in der er wohnen will, umfassend zu unterstützen; u.a. durch Zugang zu Sozialleistungen wie bulgarische Staatsbürger, Zulagen für durch medizinische Behandlung anfallende Kosten, Zugang zu temporären Unterbringungsstrukturen für drei Monate pro Kalenderjahr, Zugang zu Sprachkursen usw. (Caritas o.D.b; vgl. AA 16.1.2019). Beim Zugang zu staatlichen Unterstützungsleistungen sind die Betroffenen in der Praxis jedoch mit diversen Sonderregelungen (z.B. Dolmetscher, soziale Vermittlung) konfrontiert. Weiters bedeuten die umfangreiche Bürokratie und weitere Formalitäten bei Einreichung des Antrags um Sozialhilfe, die selbst für Staatsangehörige schwer zu überwinden sind, weitere Probleme. Maßgeschneiderte Vermittlung und Hilfestellung kann durch NGOs von zivilgesellschaftlichen Organisationen geleistet werden, die aber nicht immer verfügbar ist (AIDA 2.2019). Die monatliche Sozialhilfe für eine Person beläuft sich auf umgerechnet 33 € pro Monat. Die Bedingungen für den Bezug von Sozialhilfe sind schwer zu erfüllen (AA 18.7.2018). Laut staatlichen bulgarischen Angaben wurde 2017 lediglich in 20 Fällen Sozialhilfe an Flüchtlinge gezahlt (AA 26.4.2018).
Es ist den Schutzberechtigten erlaubt für sechs Monate ab Statuszuerkennung in der Asylwerberunterkunft zu bleiben, solange die Platzverhältnisse dies zulassen. Ende 2018 waren 29 Schutzberechtigte in Asylwerberunterkünften untergebracht (AIDA 2.2019). Bei der Wohnraumbeschaffung sind keine besonderen staatlichen Leistungen vorgesehen. Nach Artikel 32 Abs. 3 des Asyl- und Flüchtlingsgesetzes (LAR) haben anerkannte Schutzberechtigte sechs Monate lang Anspruch auf staatliche finanzielle Unterstützung für eine Unterkunft. Beim nicht sofortigen Erhalt dieser Unterstützung besteht für sie die Möglichkeit, einen Antrag zu stellen, um weiterhin in einer Aufnahmeeinrichtung zu leben (AA 16.1.2019). Betreffend die Zugänglichkeit zu Sozialwohnungen gehen die Quellen auseinander. Der Caritas zufolge besteht Zugang zu Gemeindewohnung nur, wenn mindestens ein Familienmitglied bulgarischer Staatsbürger ist und daher haben Schutzberechtigte üblicherweise keinen Zugang zu diesen Wohnungen (Caritas o.D.a). Laut dem deutschen Auswärtigen Amt gibt es nur wenige Sozialwohnungen. Auf diese dürfen sich anerkannte Flüchtlinge ebenso wie bulgarische Staatsangehörige bewerben. Soweit anerkannte Schutzberechtigte keine Unterbringungsmöglichkeit in einer staatlichen Unterkunft mehr haben, müssen sie sich selbständig um Wohnraum bemühen. Dabei erhalten sie Hilfe von Nichtregierungsorganisationen. Die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen und staatlichen Stellen, gepaart mit einer niedrigen Anzahl von in Bulgarien verweilenden Flüchtlingen, sorgt im Ergebnis dafür, dass es kaum obdachlose Flüchtlinge gibt (AA 16.1.2019).
Wohnen die Schutzberechtigten zur Miete ist das schriftliche Einverständnis des Vermieters vorzulegen. Adressänderungen sind binnen 30 Tagen zu melden (Caritas o.D.a). In der Praxis stoßen Schutzberechtigte jedoch auf Schwierigkeiten, weil für den Abschluss eines Mietvertrages ein gültiges Ausweisdokument erforderlich ist, die aber ohne Angabe der Adresse nicht ausgestellt werden kann. Die Angabe der Adresse des Unterbringungszentrums als Wohnsitz zu diesem Zweck wurde von der SAR untersagt und führte zu Korruptionspraktiken von fiktiven Mietverträgen und Wohnsitzen, damit Schutzberechtigte Ausweispapiere erhalten können (AIDA 2.2019).
Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist für Schutzberechtigte automatisch und bedingungslos gegeben. Sprachbarriere und Mangel an adäquater staatlicher Unterstützung für Berufsausbildung sind übliche Probleme. Der Zugang zu Bildung ist für Schutzberechtigte genauso geregelt wie für Asylwerber (AIDA 2.2017; vgl. Caritas 5.2019). 2018 fanden in Bulgarien im Rahmen des Refugee Employment Support and Training (REST)-Projekts eine Jobmesse, die von CATRO und der Caritas organisiert wurde, und ein von CATRO und UNHCR Bulgarien angebotenes REST-Workshop statt. Das REST-Projekt, das in verschiedenen europäischen Ländern ebenfalls durchgeführt wird, bietet ein umfangreiches Hilfssystem für Unternehmen und Organisationen, die Geflüchtete beschäftigen und in ihrem Arbeitsumfeld integrieren wollen (REST 2.5.2019).
Ab Statuszuerkennung müssen Schutzberechtigte die Krankenversicherungsbeiträge, die bis dahin von SAR entrichtet worden sind, selbst bezahlen. Das sind mindestens BGN 20,40 (ca. EUR 10,46) monatlich für arbeitslos gemeldete Personen (AIDA 2.2019). In der Grundversorgung durch Hausärzte, Spezialisten und in Krankenhäusern ist in Bulgarien regelmäßig mit sogenannten „out of Pocket“-Zahlungen (alles was beim Arztbesuch offiziell und inoffiziell aus eigener Tasche zu bezahlen ist) zu rechnen. Die insgesamt hohen Out-of-pocket-Zahlungen (47,7% der gesamten Gesundheitsausgaben im Jahr 2015) sind gestiegen und werden als zunehmend besorgniserregend empfunden. Die jüngsten Umfrageergebnisse des Eurobarometers vom Oktober 2017 ergaben, dass 8% der bulgarischen Befragten, die in den letzten 12 Monaten mit dem öffentlichen Gesundheitssystem in Berührung kamen, über informelle Zahlungen berichteten. Alle versicherten Personen haben Zugang zu Medikamenten, die ganz oder teilweise von der Krankenkasse bezahlt werden. Es existiert eine entsprechende Liste. In Bulgarien besteht grundsätzlich die Möglichkeit, rezeptfreie Medikamente auch über das Internet zu erwerben (WHO 2018). 2015 und 2016 wurden ehrgeizige Gesundheitsreformen im Land durchgeführt, die die bestehenden großen Lücken beim Zugang zu Gesundheitsversorgung jedoch nicht ausgleichen konnten. Verschiedenen Schätzungen zufolge gibt es mindestens 900.000 Menschen ohne Krankenversicherung, obwohl das System grundsätzlich alle in Bulgarien ansässigen Bürger abdecken soll. Bei diesen Personengruppen handelt es sich hauptsächlich um arme Menschen, die sich die Krankenkassenbeiträge nicht leisten können und die von dem bestehenden sozialen Sicherheitsnetz auch nicht unterstützt werden (BTI 2018).
Mehrere NGOs leisten in Bulgarien für Asylwerber aber auch für Schutzberechtigte Unterstützung.
Das BRK betreibt den sogenannten Refugee-Migrant Service (RMS), welcher seit 1997 in der Flüchtlingsintegration tätig ist. Die Organisation verfügt über Zweigstellen in mehreren bulgarischen Städten und bietet Asylwerbern, humanitär Aufenthaltsberechtigten, anerkannten Flüchtlingen und abgelehnten Asylwerbern Geld- und Sachleistungen (BRC o.D.). Darüber hinaus führt das BRK in Zusammenarbeit u. a. mit dem UNHCR und dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der Europäischen Union Integrationsmaßnahmen durch, welche Bulgarisch-Sprachkurse, Anmeldung zur Berufsausbildung und Kostenübernahme dieser Ausbildung, Sozialberatung, Empfehlungen für den Zugang zu einer Arbeitsstelle, Unterkunft, medizinische Versorgung und Bildung, die Weitergabe von Informationen sowie rechtliche, soziale und psychologische Beratungen umfassen. Zusätzlich stellt das BRK Fahrkarten für öffentliche Verkehrsmittel, sozial-kulturelle Orientierungskurse, Übersetzungen von Dokumenten und Zeugnissen sowie Übersetzertätigkeiten bei Behördengängen zur Verfügung (AA 18.7.2018; vgl. BRC o.D.). Daneben leistet das Bulgarian Helsinki Committee rechtliche Hilfe (BHC o.D.a; vgl. BHC o.D.b.). Die Caritas Bulgarien betreibt in Sofia ein Integrationszentrum für Flüchtlinge und Migranten, das psychologische Hilfe, Bildungsservices, soziale Beratung, humanitäre Hilfe und Unterstützung bezüglich Wohnen und Arbeit bietet (Caritas o.D.c). Für anerkannte Flüchtlinge oder humanitär Schutzberechtigte betreibt die Caritas Bulgarien das sogenannte „Refugee and Migrant Integration Center Sveta Anna” in Sofia, wo soziale Beratung, psychologische Hilfe, Sprachtraining, Hilfe bei Meldeangelegenheiten, Registrierung beim praktischen Arzt, Unterstützung bezüglich Wohnen und Arbeit, ein Mentoringprogramm und weitere Integrationsmaßnahmen angeboten werden. 2018 wurden im Integrationszentrum in Sofia 229 Flüchtlinge und Asylwerber betreut (Caritas o.D.d; vgl. VN 26.4.2019; OSV 25.4.2019).
Bei der Unterstützung der Flüchtlinge legen Staat und NROs ein besonderes Augenmerk auf vulnerable Personen, zu denen auch Kleinkinder und ihre Familien gehören. Nach Bulgarien zurückkehrende Familien können sich zudem an das Bulgarische Rote Kreuz, die Caritas, den Rat der Flüchtlingsfrauen sowie an die hiesige Vertretung der International Organisation für Migration wenden, um in Programme aufgenommen zu werden, die Familien bei Arbeits- und Wohnungssuche sowie der Beantragung von Sozialleistungen unterstützen (AA 18.7.2018).
Quellen:
- AA – Auswärtiges Amt (18.7.2018): Bericht des AA an das Thüringer Oberverwaltungsgericht, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684461/684543/18914234/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_18%2E07%2E2018%2C_508%2D516.80_50576.pdf?nodeid=19267018&vernum=-2, Zugriff 28.8.2019
- AA – Auswärtiges Amt (26.4.2018): Bericht des AA an das Verwaltungsgericht Trier, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684461/684543/18914234/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_26%2E04%2E2018%2C_508%2D516.80_50410.pdf?nodeid=19243017&vernum=-2, Zugriff 28.8.2019
- AA – Auswärtiges Amt (16.1.2019): Bericht des AA an das Verwaltungsgericht Potsdam, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684461/684543/20046516/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_16%2E01%2E2019%2C_508%2D516.80_51873.pdf?nodeid=20060626&vernum=-2, Zugriff 28.8.2019
- AIDA – Asylum Information Database (2.2019): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2018update.pdf, Zugriff 14.8.2019
- AI – Amnesty International (23.5.2018): Bulgarien 2017/18, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/bulgarien, Zugriff 28.8.2019
- BRC – Bulgarian Red Cross (o.D.): Work with refugees and asylum seekers, http://en.redcross.bg/activities/activities8/rms1, Zugriff 14.8.2019
- BHC – Bulgarian Helsinki Committee (o.D.a): Legal Defence Programme, https://www.bghelsinki.org/en/about-us/programs/legal-defence-programme/, Zugriff 14.8.2019
- BHC – Bulgarian Helsinki Committe (o.D.b.): Legal protection of refugees and migrants programme, https://www.bghelsinki.org/en/about-us/programs/refugees-and-migrants-legal-protection-programme/, Zugriff 14.8.2019
- BTI – Bertelsmann Transformation Index (2018): Bulgaria Country Report, https://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/BGR/, Zugriff 28.8.2019
- Caritas Bulgaria (5.2019): The Bulgarian Migration Paradox – Mitgration and Development in Bulgaria, https://www.caritas.eu/wordpress/wp-content/uploads/2019/06/CommonHomeBulgariaEN.pdf, Zugriff 14.8.2019
- Caritas (o.D.a): Accommodation, http://caritas.bg/en/useful-information/accommodation/, Zugriff 14.8.2019
- Caritas (o.D.b): Social Assistance and Social Services, https://caritas.bg/en/useful-information/useful-information-refugees/social-assistance-and-social-services/, Zugriff 14.8.2019
- Caritas (o.D.c): Bulgaria, https://www.caritas.org/where-caritas-work/europe/bulgaria/, Zugriff 14.8.2019
- Caritas (o.D.d): Activities Refugees, https://caritas.bg/en/causes/refugees/activities-refugees/, Zugriff 14.8.2019
- IV – Integrationsverordnung (19.7.2017): ERLASS Nr.144 vom 19. Juli 2017 über die Verabschiedung einer Verordnung über die Bedingungen und das Verfahren zum Abschluss, zur Umsetzung und Aufhebung der Vereinbarung zur Integration von Ausländern, denen Asyl oder internationaler Schutz gewährt ist (Übersetzung aus dem Bulgarischen), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/684878/684880/684924/18971283/18970840/Integrationsverordnung%2C_Erlass_Nr%2E_144%2C_19%2E07.2017.pdf?nodeid=18971397&vernum=-2, Zugriff 28.8.2019
- OSV – Our Sunday Visitor Neewsweekly (25.4.2019): Balkans visit: Pope to touch sensitive issues of ecumenism, migration, https://osvnews.com/2019/04/25/balkans-visit-pope-to-touch-sensitive-issues-of-ecumenism-migration/, Zugriff 28.8.2019
- REST – Refugee Employment, Support and Training (2.5.2019): REST-Erfolgsgeschichten, https://rest-eu.org/wp-content/uploads/REST_good_practice_german.pdf, Zugriff 28.8.2019
- UNHCR Bulgaria (24.7.2017): ?????? ????????? ?????? ??????? ?? ?????????? ?? ???????, http://www.unhcr.org/bg/3272-%D0%B0%D0%B3%D0%B5%D0%BD%D1%86%D0%B8%D1%8F%D1%82%D0%B0-%D0%BD%D0%B0-%D0%BE%D0%BE%D0%BD-%D0%B7%D0%B0-%D0%B1%D0%B5%D0%B6%D0%B0%D0%BD%D1%86%D0%B8%D1%82%D0%B5-%D0%BF%D1%80%D0%B8%D0%B2%D0%B5%D1%82%D1%81.html, Zugriff 14.8.2019
- VN – Vatican News (26.4.2019): Caritas Bulgaria: „may the Pope‘s visit open our hearts“, https://www.vaticannews.va/en/church/news/2019-04/pope-visit-bulgaria-caritas-migrants-poverty-solidarity.html, Zugriff 28.8.2019
- WHO – World Health Organisation (2018): Bulgaria – Health system review, http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0005/383054/HiT-Bulgaria-2018-web.pdf?ua=1, Zugriff 14.8.2019
Zur COVID-19 Pandemie
Derzeit herrscht weltweit die als COVID-19 bezeichnete Pandemie. COVID-19 wird durch das Corona- Virus SARS-CoV-2 verursachte. In Bulgarien wurden bisher 4831 Fälle von mit diesem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei bisher 223 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden (https://coronavirus.jhu.edu/map.html, abgerufen am 30.06.2020.
Wie gefährlich der Erreger SARS-CoV-2 ist, kann derzeit noch nicht genau beurteilt werden. Man geht aber von einer Sterblichkeitsrate von bis zu drei Prozent aus, wobei v.a. alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen sind (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen.html, abgerufen am 05.06.2020).“
Beweiswürdigend wurde im Bescheid hervorgehoben, dass die Identität des BF lediglich für das gegenständliche Verfahren ausreichend feststehe. Der BF leide an keinen Erkrankungen, die seiner Überstellung nach Bulgarien im Wege stehen würden. Besondere engen Anknüpfungspunkte bzw. Abhängigkeiten zu in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen, konnten nicht festgestellt werden.
Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer, bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer hier relevanten Verletzung des Art. 3 EMRK, im Falle einer Überstellung ernstlich für möglich erscheinen lassen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Aus den Länderfeststellungen zu Bulgarien ergebe sich, die Befürchtung einer Art. 3 EMKR widersprechenden Behandlung nicht. Die Grundversorgung sei in Bulgarien gewährleistet und Asylwerber hätten im selben Ausmaß wie bulgarische Staatsbürger Zugang zu medizinischer Versorgung. Die Regelvermutung des
§ 5 Abs. 3 AsylG treffe zu. In einer Gesamtbetrachtung habe sich daher kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Zudem hätten sich keine Hinweise ergeben, dass durch die Außerlandesbringung unzulässigerweise in das Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens eingegriffen werden würde.
Es gäbe auch keine Gründe, die Durchführung der Entscheidung gemäß § 61 Abs. 3 FPG aufzuschieben.
I.8. Mit 01.07.2020 stellte das BFA dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG einen Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) amtswegig zur Seite.
I.9. Datiert mit 14.07.2020 brachte der BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein, mit dem der Bescheid gesamtinhaltlich wegen Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten wurde. Es drohe ihm nach subjektiven und objektiven Kriterien eine reale Gefahr der Verletzung seiner Rechte gemäß Art. 3 EMRK.
Die Zuständigkeit Bulgariens für die Prüfung des Antrags sei erloschen, da sich der BF nach seinem Aufenthalt in Bulgarien ca. sieben Monate lang in Serbien ausgehalten habe. In Bulgarien drohe ihm das Risiko einer Kettenabschiebung und die Verletzung der durch Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC gewährleisteten Rechte, weshalb das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben wäre. Die von der Behörde herangezogenen Länderfeststellungen seien zudem unvollständig und teilweise einseitig.
I.10. Die Beschwerdevorlage an die zuständige Gerichtsabteilung des BVwG iSd § 16 Abs. 4 BFA-VG erfolgte am 17.07.2020.
I.11. Mit Schreiben vom 07.08.2020 legte der BF medizinische Unterlagen (psychiatrische Befunde vom 26.06.2020, 20.07.2020 und 31.07.2020 sowie ein Befund des Instituts für Bildgebende Diagnostik vom 28.07.2020) vor.
I.12. Mit Schreiben vom 08.09.2020 teilte das BFA den bulgarischen Behörden mit, dass der BF nach seiner Entlassung aus der Schubhaft am 31.08.2020 untergetaucht sei.
II. Das BVwG hat erwogen:
II.1. Beweisaufnahme:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in:
- den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschrift der Erstbefragung am 12.06.2020, das Protokoll der Niederschrift vom 22.06.2020 und die Beschwerde datiert mit 14.07.2020
- aktenkundliche Dokumentationsquellen betreffend Bulgarien im angefochtenen Bescheid.
II.2. Feststellungen:
II.2.1. Der BF ist afghanischer Staatsangehöriger und volljährig. Seine Identität steht lediglich für die Zwecke des gegenständlichen Verfahrens mit ausreichender Sicherheit fest.
II.2.2. Der BF reiste unrechtmäßig in das Gebiet der Mitgliedstaaten ein und stellte am 17.07.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz in Bulgarien, der negativ entschieden wurde. Danach reiste der BF – ohne das Gebiet der Mitgliedstaaten länger als drei Monate zu verlassen – über die Slowakei unrechtmäßig nach Österreich ein, wo er am 12.06.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
II.2.3. Am 08.06.2020 richtete das BFA aufgrund eines vorliegenden Eurodac-Treffers ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit b Dublin III-VO an Bulgarien, dass einer Wiederaufnahme des BF gemäß Art. 18 Abs. 1 lit d Dublin III-VO mit Schreiben vom 11.06.2020 ausdrücklich zustimmte.
II.2.4. Der BF läuft nach einer Überstellung nach Bulgarien nicht Gefahr, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe beziehungsweise einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden. Im zuständigen Mitgliedstaat herrschen keine systemischen Mängel in Verfahren wegen internationalen Schutzes und wurden diese auch nicht konkret behauptet. Eine medizinische Versorgung des BF inklusive Behandlung chronischer Erkrankungen ist in Bulgarien gegeben.
Konkrete Verfahrensmängel oder neue Asylgründe wurden vom BF weder substantiiert noch glaubhaft vorgebracht.
In Bulgarien besteht ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit. Nach rechtskräftigem Abschluss ist eine Folgeantragstellung möglich, diese hat aufschiebende Wirkung auf eine Außerlandesbringung, ebenso wie eine Beschwerde gegen Nichtzulassung des Folgeantrags. Gesetzlich ist ein Schutzmechanismus gegen Refoulement vorgesehen. Die Überstellungen in das jeweilige Heimatland erfolgen entsprechend den Regelungen der Mitgliedstaaten.
II.2.5. Akut lebensbedrohende Krankheiten wurden vom BF nicht vorgebracht oder belegt. Der BF leidet unter posttraumatischer Belastungsstörung mit chronischen Schmerzen und Depressionen.
II.2.6. Der BF hat in Österreich keine Verwandten oder sonstige sozialen Beziehungen.
II.3. Beweiswürdigung:
II.3.1. Die Feststellungen zum Reiseweg des BF und zu seiner Antragstellung im angeführten Mitgliedstaat ergeben sich im Wesentlichen aus dem eigenen Vorbringen in Zusammenhang mit der vorliegenden Aktenlage.
Der in der Beschwerde behauptete Aufenthalt des BF von sieben Monaten in Serbien und damit außerhalb des Gebiets der Mitgliedstaaten der EU, ist nicht durch ausreichende Beweise belegt. Soweit der BF in der Erstbefragung behauptete sich ca. sieben Monate in Serbien aufgehalten zu haben, ist ihm entgegenzuhalten, dass dieser Aufenthalt – entsprechend seiner Angaben – vor der Einreise in das Gebiet der Mitgliedstaaten stattfand, zumal er seinen Aufenthalt in Bulgarien erst auf Vorhalt des Eurodac-Treffers anführte. In der Einvernahme erklärte der BF lediglich einen Monat lang in Serbien behandelt worden zu sein. Die vorgelegten Fotos (vgl. AS 213ff) sind nicht geeignet einen mehrere Monate überdauernden Aufenthalt zu belegen. Das Foto eines als „Food Paper“ betitelten Dokuments belegt lediglich einen Aufenthalt von 04.01. bis 16.01.2020.
Die Feststellungen zum Verfahrensstand in Bulgarien ergeben sich aus der ausdrücklichen Zustimmung Bulgariens.
Aus der Aktenlage ergibt sich folglich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit, dass der BF zwischen seiner Antragstellung in Bulgarien und seiner Ankunft in Österreich das Gebiet der Mitgliedstaaten nicht für mindestens drei Monate oder auf Grundlage eines Rückführungsbeschlusses oder einer Abschiebungsanordnung verlassen hat.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich aus seinen eigenen Angaben und aus der Aktenlage.
Es wurde vom BF kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren (siehe Punkt II.4.3.3.). Eine den BF konkret treffende Bedrohungssituation in Bulgarien wurde nicht substantiiert vorgebracht (siehe dazu die weiteren Ausführungen in Punkt II.4.3.2.).
Es drängt sich der Eindruck auf, dass der BF seine Überstellung nach Bulgarien mit allen Mitteln verhindern möchte: So hat er den Aufenthalt in Bulgarien zunächst zur Gänze verschwiegen und erst auf Vorhalt zugegeben, dass man ihm die Fingerabdrücke abgenommen habe. Danach hat er seinen Aufenthalt in Bulgarien in der Einvernahme gesteigert geschildert und zuletzt versucht die Zuständigkeit Bulgariens durch den Einwand eines drei Monate übersteigenden Aufenthalts außerhalb des Gebiets der Mitgliedstaaten erlöschen zu lassen.
II.3.2. Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den durch ausreichend aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Bulgarien auch Feststellungen zur dortig