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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde G K in G, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. August 1995, Zl. 4.288.733/22-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger und reiste am 27. Oktober 1989 in das Bundesgebiet ein. Noch am selben Tag beantragte er, ihm Asyl zu gewähren. Anläßlich seiner am 11. Dezember 1989 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark erfolgten niederschriftlichen Befragung gab der Beschwerdeführer an, er habe sich mit seinen Brüdern M K und H K im September 1989 verbotene Videofilme angeschaut. Auf diesen Filmen sei die islamische Revolution lächerlich gemacht worden. Plötzlich seien Mitglieder der Revolutionsgarden gekommen und hätten diese Videofilme beschlagnahmt. Weiters seien in der Wohnung alkoholische Getränke und Bilder des Kronprinzen Reza aufgefunden worden. Es sei in Persien streng verboten, daß solche Bilder gehortet würden, aus diesem Grund seien sie alle festgenommen worden. Die Haft bei den Revolutionsgarden habe einen Monat gedauert. Sie seien verhört worden, woher sie die Schah-Bilder gehabt hätten. Da sie dies aber nicht verraten hätten, habe die Haft so lange gedauert. Seine Eltern hätten für sie dann eine Kaution von 10 Millionen Rial gezahlt, woraufhin sie entlassen worden seien. Über die Haft besitze er keine Bestätigung. Da sein Bruder und er gewußt hätten, daß sie vor den Revolutionsgarden keine Ruhe mehr gehabt hätten, hätten sie sich entschlossen, den Iran zu verlassen. Dieses habe sich auch bestätigt, da ihm seine Eltern telefonisch mitgeteilt hätten, daß fast täglich Revolutionsgarden nach ihnen fragten. Von den iranischen Behörden und deren Organen sei er nicht verfolgt oder benachteiligt worden. Er sei nicht Mitglied einer legalen oder illegalen politischen Gruppierung im Iran gewesen, wolle jedoch, daß die Demokratie eingeführt werde. Er habe auch nie an Demonstrationen teilgenommen. Er sei nach Österreich gekommen, weil sein Bruder durch seine Tätigkeit für eine österreichische Firma Erfahrungen mit Österreichern gemacht habe, die allesamt gut gewesen seien, und weil hier Demokratie herrsche. Er wolle hier die Matura nachholen und dann Maschinenbau studieren.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 22. März 1990 wurde formularmäßig und ohne Eingehen auf die vom Beschwerdeführer behaupteten Fluchtgründe festgestellt, daß er die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle.
Die dagegen gerichtete Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 28. Mai 1990 (infolge Fehlens eines begründeten Berufungsantrages) zurückgewiesen. Infolge der dagegen gerichteten Beschwerden des Beschwerdeführers und (gegen einen gleichlautenden Bescheid der belangten Behörde) des Bruders des Beschwerdeführers H K (nunmehriger Beschwerdeführer zur hg. Zl. 95/20/0581), hob der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 21. November 1990, Zl. 90/01/0126, 0127, beide bekämpften Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts auf.
Bereits am 8. August 1990 hatte der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiederaufnahme des Asylverfahrens gestellt, welcher mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 31. Oktober 1990 bzw. der belangten Behörde vom 25. Oktober 1993 (bestätigt durch hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1995, Zl. 94/20/0015, 0016, ebenfalls wiederum auch betreffend den Bruder des Beschwerdeführers H K) in Ermangelung der Voraussetzung eines zu diesem Zeitpunkt rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens zurückgewiesen wurde. Am 4. Februar 1991 hatte der Beschwerdeführer eine "Stellungnahme" eingebracht und darin ausgeführt, er habe aus politischen und religiösen Gründen sein Land verlassen, weil er dort bereits Verfolgung ausgesetzt gewesen sei und weitere Verfolgung hätte fürchten müssen. Er verwies des weiteren auf seine bereits in erster Instanz gemachten Angaben und bemängelte die Verletzung der die Behörde erster Instanz treffenden Ermittlungs- und Manuduktionspflicht, bei deren Einhaltung die belangte Behörde keine Zweifel mehr an der Begründetheit seines Vorbringens hätte haben können, und präzisierte sein Vorbringen bei seiner Ersteinvernahme dahingehend, anläßlich seiner Haft habe es zahlreiche Verhöre gegeben, im Rahmen derer er (wie auch seine Brüder) durch Schläge veranlaßt hätte werden sollen, zuzugeben, woher sie die gefundenen Videos und Bilder hätten. Um zu einer "korrekten" Aussage zu kommen, sei der Beschwerdeführer sogar geschlagen und mit brennenden Zigaretten an Armen und Beinen mißhandelt worden. Nach 5 Tagen sei er in das Hauptgefängnis von Mashad überstellt worden und habe sich dort 40 Tage lang in Einzelhaft befunden. Die Zelle habe er lediglich zu den Verhören verlassen dürfen, wobei einmal ein Verhör 3 Tage hindurch ununterbrochen gedauert habe und er dadurch am Schlafen gehindert worden sei. Im Anschluß an dieses Verhör sei er zwar wieder in seine Zelle entlassen worden, sei jedoch des öfteren in der Nacht aus dem Schlaf gerissen und mit denselben Fragen konfrontiert worden, nämlich woher die Videos stammten und woher das Foto sei und aus welchen Gründen er all diese Dinge in seiner Wohnung aufbewahrt gehabt habe. Seine Mutter habe schließlich die Besitzurkunde ihrer Eigentumswohnung als Kaution für ihn und seinen Bruder hinterlegt, diese Wohnung sei - wie dem gleichzeitig vorgelegten Grundbuchsauszug zu entnehmen sei - am 11. Oktober 1989 durch den Revolutionsrichter beschlagnahmt worden. Für seinen Cousin habe sein Onkel dasselbe getan. Darüber hinaus sei er Anhänger einer politischen Gruppierung gewesen, die einer demokratischen Gesinnung nahestehe, diese Organisation mit der Bezeichnung "Derafshe Kaviyan" sei eine gewaltlose Organisation und im Iran verboten. Für diese Organisation habe der Beschwerdeführer Flugblätter verteilt und Botengänge erledigt sowie heftig Mundpropaganda betrieben. Seine gesamte Familie sei Anhänger der demokratischen Gesinnung bzw. Anhänger der Schah-Familie, was den Behörden im Iran auch bekannt sei, und weshalb seine gesamte Familie schon seit mehr als 10 Jahren der politischen Beobachtung und Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Sein Cousin H R sei bereits als 16-jähriger im Jahr 1981 aus politischen Gründen verhaftet worden. Ein anderer Verwandter, G N, sei vor 22 Monaten erschossen worden. Im übrigen beantragte der Beschwerdeführer zum Beweis der Richtigkeit dieser Ausführungen die Einvernahme seines Bruder H K sowie des V S (Fluchtgefährte), J K und A A, alle in Österreich, sowie die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen über die von ihm behaupteten Verletzungsfolgen.
Mit Bescheid vom 16. November 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers (im zweiten Rechtsgang) gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 15. September 1994, Zl. 94/19/0409, den bekämpften Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 AsylG 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit dessen Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92,93/94) auf, sodaß das Berufungsverfahren neuerlich bei der belangten Behörde anhängig wurde.
Im Sinne der in diesem Erkenntnis vertretenen Rechtsansicht ermöglichte es die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Manuduktionsschreiben vom 31. Mai 1995, nunmehr einfache Verfahrensmängel und allenfalls daraus resultierende Sachverhaltsänderungen zu relevieren.
In seiner daraufhin erstatteten Berufungsergänzung vom 14. Juni 1995 verwies der Beschwerdeführer auf seine bereits in der Stellungnahme vom 4. Februar 1991 gemachten ergänzenden Angaben sowie auf die bereits im Wiederaufnahmsverfahren vorgelegten Urkunden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde - nunmehr im dritten Rechtsgang - die Berufung des Beschwerdeführers (neuerlich) gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Sie begründete diese Entscheidung nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges und der von ihr in Anwendung gebrachten Rechtslage zunächst dahingehend, das Vorbringen des Beschwerdeführers sei unglaubwürdig. Sie unterzog dieses jedoch anschließend eventualiter einer rechtlichen Beurteilung dahingehend, die vom Beschwerdeführer geschilderte behördliche Ermittlungstätigkeit gegen ihn wegen Verstosses gegen die innerstaatliche Rechtsordnung stelle keine gegen ihn gerichtete Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention dar. Auch der Umstand, Gegenstand behördlichen Interesses zu sein, begründe für sich allein noch nicht asylrechtlich relevante Verfolgung. Ebensowenig sei es ein Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, daß der Beschwerdeführer den Wunsch habe, in Österreich die Matura nachzuholen und anschließend Maschinenbau zu studieren. Den in der Berufung geltend gemachten Begründungsmangel widerlegte die belangte Behörde damit, die Behörde erster Instanz habe ohnedies die Angaben des Beschwerdeführers ihrem Bescheid zugrundegelegt, sie jedoch dahingehend beurteilt, daß ihnen keine Verfolgung im Sinne der Konvention zu entnehmen sei. Sie hielt fest, daß der Beschwerdeführer im Zuge seiner erstinstanzlichen Niederschrift "ausdrücklich erklärte, von den iranischen Behörden und deren Organen keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein und auch nicht benachteiligt" worden zu sein. Sie fährt im übrigen fort:
"Ihrem Vorbringen konnte nicht entnommen werden, daß Ihnen aus einem der in der Genfer Konvention genannten Gründen eine differenzierte Administration durch die Behörde Ihres Heimatstaates drohen würde. Die Ableitung der Flüchtlingseigenschaft aus diesem Grund war daher nicht möglich und die erkennende Behörde kann eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung für den Fall einer etwaigen Heimkehr in Ihr Heimatland darin nicht erblicken."
Auf die über das erstinstanzliche Vorbringen hinausgehenden Schilderungen in der Berufungsergänzung (bzw. der Stellungnahme vom 4. Februar 1991) ging die belangte Behörde ebensowenig ein wie auf die damit verbunden gewesenen Beweisanträge unter Hinweis auf die Bestimmung des § 20 Abs. 1 AsylG 1991. Sie fährt fort:
"Ihren Beweisanträgen der ergänzenden Einvernahme war nicht nachzukommen, da für die erkennende Behörde nicht erkennbar ist, wozu Sie auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes ergänzend einvernommen werden sollten. Da daher vom Ergebnis dieser Beweisaufnahme kein im wesentlichen anderslautender Bescheidspruch zu erwarten war, war aus Gründen der Verfahrensökonomie davon Abstand zu nehmen."
Der in der Berufung erhobenen Rüge der Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens erster Instanz antwortete die belangte Behörde mit Hinweis auf § 16 Abs. 1 AsylG 1991 und die dazu ergangene hg. Judikatur und schließt daran an:
"Zur Abstandnahme Ihrer Einvernahme und der Ihrer angebotenen Zeugen ist auszuführen, daß durch § 3 Abs. 2 AsylG 1991 eindeutig klargestellt ist, daß die Bescheinigung (Glaubhaftmachung) genügt und daß es keines förmlichen Beweises bedarf. Darüber hinaus war von der Befolgung des Beweisantrages kein im wesentlichen anderslautender Bescheidspruch zu erwarten",
da zentrale Erkenntnisquelle für die entscheidende Behörde das eigene Vorbringen des Asylwerbers sei. Dem Antrag auf Einholung eines Berichtes von AI sei nicht zu folgen gewesen, da aus einem solchen Anfrageergebnis keine individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung abgeleitet werden könne und daher ein derartiges Beweismittel nicht geeignet wäre, den vom Beschwerdeführer gewünschten Verfahrensausgang zu bewirken.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Zutreffend macht der Beschwerdeführer zunächst geltend, die von der belangten Behörde herangezogene Argumentation im Rahmen ihrer Beweiswürdigung halte einer Überprüfung nicht stand. Tatsächlich begründet die belangte Behörde die Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers anläßlich seiner niederschriftlichen Befragung damit, es sei
"nicht nachvollziehbar, warum Mitglieder der Revolutionsgarden sich veranlaßt gesehen haben sollen, "plötzlich" zu erscheinen, Videofilme zu beschlagnahmen, die Sie und Ihre Brüder gerade zu diesem Zeitpunkt angesehen hätten sowie in weiterer Folge streng verbotene Bilder und alkoholische Getrännke "aufzufinden". Eine solche Vorgangsweise würde einen begründeten Verdacht seitens der einschreitenden Organe voraussetzen, Sie oder einen Ihrer Angehörigen im Besitze von verbotenen Gegenständen anzutreffen. Ein diesbezüglicher Anhaltspunkt läßt sich jedoch weder Ihrem Vorbringen erster Instanz noch der Begründung Ihres Berufungsantrages entnehmen".
Daß sich dies nämlich aus dem vom Beschwerdeführer im Berufungs- bzw. Berufungsergänzungsverfahren Vorgebrachten nicht entnehmen hätte lassen, ist aktenwidrig, behauptete der Beschwerdeführer doch bereits in seiner Stellungnahme vom 4. Februar 1991, nicht nur selbst Anhänger einer verbotenen politischen Gruppierung gewesen zu sein, sondern auch einer Familie von "Schahtreuen" anzugehören, die seit "mehr als 10 Jahren der politischen Beobachtung und Verfolgung ausgesetzt" gewesen sei. Auf dieses Vorbringen wurde in der Berufungsergänzung vom 14. Juni 1995 auch ausdrücklich verwiesen. Hat die belangte Behörde in diesem Zusammenhang aber einen Erklärungsbedarf gesehen, so hätte sie von sich aus eine Klärung durch entsprechende Ergänzung des Ermittlungsverfahrens im Rahmen des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 anzuordnen gehabt.
Wenn die belangte Behörde darüber hinaus meint, es ergäbe sich zwischen dem Ermittlungsergebnis erster Instanz und den oben im wesentlichen wiedergegebenen Berufungsausführungen ein unlösbarer Widerspruch, habe der Beschwerdeführer doch im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich erklärt, von den iranischen Behörde und deren Organen keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen und auch nicht benachteiligt worden zu sein, so wäre es ihre Aufgabe gewesen, diese Widersprüche (ebenfalls) durch Ergänzung des Ermittlungsverfahrens erster Instanz im Rahmen des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 aufzuklären. Ohne den Versuch einer derartigen Aufklärung bleibt das erstinstanzliche Verfahren im Sinn des § 20 Abs. 2 erster Fall AsylG 1991 mangelhaft, es kann daher im Sinne dieser Gesetzesbestimmung auch keine zureichende Grundlage für die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde darstellen. Die weiteren, oben wörtlich wiedergegebenen Ausführungen der belangten Behörde ("Ihrem Vorbringen konnte nicht entnommen werden ....") stellten keine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, sondern lediglich eine Scheinbegründung dar, auf die mangels eines entsprechenden Substrates nicht eingegangen werden kann. Die Begründung der belangten Behörde für die Abweisung der vom Beschwerdeführer gestellten Beweisanträge erweisen sich ebenfalls als rechtswidrig. Unrichtig ist, es sei nicht erkennbar gewesen, wozu eine ergänzende Einvernahme des Beschwerdeführers "auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes" hätte dienen sollen, weshalb kein wesentlich anderslautender Bescheid zu erwarten gewesen und aus Gründen der "Verfahrensökonomie" des Verfahrens erster Instanz davon Abstand zu nehmen gewesen sei. Für welches Beweisthema sowohl die neuerliche Einvernahme des Beschwerdeführers selbst als auch die Einvernahme der von ihm namhaft gemachten, in Österreich ansässigen Zeugen hätten dienen sollen, läßt sich der Berufungsergänzung und dem darin enthaltenen Verweis auf die Stellungnahme vom 4. Februar 1991 eindeutig entnehmen. Daß die Ergebnisse dieser Beweisaufnahmen zu keinem anderslautenden Bescheidspruch hätten führen können, erweist sich als unzulässige antizipative Beweiswürdigung. Der Hinweis der belangten Behörde, es bedürfe ohnedies keines förmlichen Beweises, sondern lediglich einer Bescheinigung (Glaubhaftmachung) der in erster Instanz behaupteten Fluchtgründe erscheint im Hinblick darauf, daß die Angaben des Beschwerdeführers gerade zu diesem Thema ja als unglaubwürdig angesehen wurden, als nicht nachvollziehbar. Im übrigen ist die belangte Behörde darauf zu verweisen, daß ihre - im wesentlichen zutreffenden - Ausführungen zum Umfang der Ermittlungspflicht der Verwaltungsbehörden gemäß § 16 Abs. 1 AsylG 1991 sich als untaugliches Argument erweist, sind doch konkrete Anhaltspunkte für die vom Beschwerdeführer in seiner Berufungsergänzung angeführten Umstände durchaus auch im Rahmen seiner erstinstanzlichen Einvernahme hervorgekommen (insbesondere seine politische Gesinnung). Die von der belangten Behörde selbst ins Treffen geführten, unaufgeklärt gebliebenen Widersprüche hätten daher gerade im Sinne der von ihr selbst zitierten Judikatur eine solche Ermittlungstätigkeit im Sinne des § 16 Abs. 1 AsylG 1991 auslösen müssen. Die belangte Behörde belastete dadurch ihren Bescheid bereits mit Ermittlungs- und Begründungsfehlern, die zu seiner Aufhebung führen.
Insoweit die belangte Behörde ihre Beweiswürdigung auf ein sich im Berufungsverfahren "steigerndes" Vorbringen stützt, ist ihr entgegenzuhalten, daß die Berücksichtigung des Berufungsvorbringens generell - insbesondere aber zum Nachteil des Beschwerdeführers - nur unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 hätte Beachtung finden dürfen, nicht aber in einem Fall, in dem sich die belangte Behörde - wie hier - ausschließlich auf die Ermittlungsergebnisse des Verfahrens erster Instanz im Sinn des § 20 Abs. 1 leg. cit. stützt (vgl. hg. Erkenntnis vom 18. April 1996, Zl. 95/20/0295).
Abgesehen davon, daß die belangte Behörde zu Unrecht keinen der Fälle des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 als vorliegend erachtet hat und daher bei ihrer eventualiter vorgenommenen rechtlichen Beurteilung zu Unrecht lediglich vom Ermittlungsergebnis des Verfahrens erster Instanz im Sinn des § 20 Abs. 1 leg. cit. ausgegangen ist, erweist sich der angefochtene Bescheid auch in seiner Eventualbegründung als rechtswidrig. Dem Hinweis, eine "behördliche Ermittlungstätigkeit bei Verstößen gegen die innerstaatliche Rechtsordnung" stelle keine Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention dar, ist im vorliegenden Fall nicht zu folgen, weil den hier geahndeten Vergehen des Beschwerdeführers gegen die "innerstaatliche Rechtsordnung" auch eine zumindest regimekritische Gesinnung unterstellt wurde (Lächerlichmachen des herrschenden Regimes in den Videofilmen, durch das Vorhandensein von Bildern des Schahsohnes Reza manifestierte monarchistische Einstellung). Daß aber Regimekritik und Opposition in einem Staat wie dem Iran zu "bloßen Verstößen gegen die innerstaatliche Rechtsordnung" gehören und daher grundsätzlich nicht in der Lage seien, asylrelevante Verfolgungshandlungen auszulösen, kann nicht ernsthaft behauptet werden. Auch wenn die belangte Behörde weiters daraus den Schluß zieht, aus der Entlassung aus der Haft gegen Kaution sei eine "ernstzunehmende oppositionelle Haltung" des Beschwerdeführers nicht abzuleiten, muß dem zunächst entgegengehalten werden, daß es auf eine "ernstzunehmende" oppositionelle Haltung im Sinne einer westlichen Demokratie nicht ankommt. Aus der Freilassung gegen Kaution allein kann jedenfalls der Schluß auf das Nichtvorliegen politisch oppositioneller Gesinnung nicht gezogen werden. In diesem Sinne erweist sich auch die weitere Begründung der belangten Behörde, Gegenstand behördlichen Interesses zu sein, bilde für sich allein noch keinen Grund asylrechtlich relevante Verfolgung anzunehmen, als nicht nachvollziehbar. Zutreffend verweist der Beschwerdeführer ferner in seiner Beschwerde darauf, daß der Wunsch, in Österreich die Matura nachzuholen und anschließend Maschinenbau zu studieren, lediglich eine Antwort auf die ihm gestellte Frage nach den weiteren Zielen seines Aufenthaltes in Österreich war, nicht jedoch die Darstellung eines fluchtauslösenden Umstandes.
Auch unter Berücksichtigung (lediglich) der Angaben des Beschwerdeführers in erster Instanz, insbesondere der ihm offenbar unterstellten politischen Dissidenz, erweist sich daher auch die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde als inhaltlich rechtswidrig.
Da die inhaltliche Rechtswidrigkeit jener wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein Beweismittel Urkunden Grundsatz der Unbeschränktheit Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995200580.X00Im RIS seit
20.11.2000