TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/30 W195 2123022-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.08.2021
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Entscheidungsdatum

30.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch


W195 2123022-2/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.08.2021 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 28.05.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen einer am 30.05.2013 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gab der BF zu seinen Fluchtgründen an, als Sympathisant der Bangladesh Nationalist Party (im Folgenden: BNP) zweimal von Anhängern der Awami League (im Folgenden: AL) attackiert worden zu sein. Als politischer Racheakt sei der BF von Anhängern der AL strafgerichtlich wegen Mordversuchs angezeigt worden. Er sei unschuldig. Am 02.04.2009 habe ein Mordversuch stattgefunden. An diesem Tag sei der BF jedoch im Spital gewesen, weil er zuvor von Anhängern der AL verletzt worden sei. Am 12.10.2011 sei er erneut angezeigt worden. In diesem Fall sei ihm vorgeworfen worden, versucht zu haben, Häftlingen zur Flucht zu verhelfen. Am 21.01.2013 sei er nochmals wegen Schutzgelderpressung von Anhängern der AL angezeigt worden. Die Anschuldigungen seien unrichtig. Der BF habe im Falle einer Rückkehr Angst um sein Leben.

I.2. Am 18.11.2015 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.

Dabei aufgefordert, seine persönlichen Fluchtgründe darzulegen, führte der BF aus, er sei bei der BNP gewesen, eigentlich bei einer Unterorganistation, der Bangladesch Chatra Forum, gewesen. Für diese Organisation habe er bei Kundgebungen der BNP teilgenommen. Als seine Gegner irgendwie gemerkt hätten, dass er eigentlich vorhabe, in seiner Partei Karriere zu machen, seien sie dann schon auf den BF fixiert gewesen bzw. sie hätte den BF ins Visier genommen. Einmal hätten sie ihn attackiert und er sei fünf Tage im Spital stationär behandelt werden. Am Hinterkopf habe der BF eine Verletzung gehabt, er habe sich an mehrere Tage nicht erinnern können. Sein Vater habe den Vorfall zur Anzeige bringen wollen, aber die Polizisten hätten ihn weggejagt. Sein Vater sei bei der Polizeistation XXXX gewesen. Nach der Entlassung des BF aus dem Spital habe sein Vater gesagt, der BF solle sich verstecken und er habe das Versteck auch organisiert. Der BF sei dann immer bei Verwandten oder Bekannten untergebracht gewesen. Lange Zeit sei er abwesend gewesen und sein Vater habe gedacht, dass seine Gegner den BF sicher schon vergessen hätten und der BF hätte heimkommen sollen. Ca. drei Tage danach hätten sie den BF wieder attackiert, sie hätten mit einem Beil auf seinen Kopf einschlagen wollen. Der BF habe Schnittwunden auf der Schulter und auf dem Finger erlitten. Sie hätten ihn mit Stöcken geschlagen, die Blutergüsse sehe man jetzt nicht mehr.

Am 02.04.2009 habe es angeblich einen Vorfall gegeben und am 07.04.2009 wurde dieses Geschehen zur Anzeige gebracht worden. In dieser Anzeige sei behauptet worden, dass der BF jemanden schwer verletzt hätte und die Absicht gehabt hätte, ihn zu töten, obwohl der BF selber verletzt und im Spital gewesen sei. Die Polizei habe in der Ermittlung nicht erwähnt, dass der BF während der Vorfalles im Spital gelegen sei. Der BF habe ihnen einen Entlassungsschein vorgelegt. Nach der zweiten Verletzung sei der BF nicht mehr nach Hause zurückgekommen und er sei bei Verwandten und Bekannten verblieben. Am 11.10.2011 sei gegen den BF eine weitere Anzeige erstattet worden. Darin stünde, dass der BF einen Justizwachebeamten attackiert hätte und er Häftlinge aus der Staatsgewalt befreit hätte. Es sei behauptet worden, dass die Häftlinge ins Spital gebracht worden wären und der BF dann versucht hätte, diese zu befreien.

Am XXXX habe man gegen den BF ein „General Diary“ (im Folgenden: GD) eingebracht, in dem ein Bauunternehmer, der der AL nahestehe, behauptet habe, der BF hätte ihn wegen Schutzgeld erpresst. Am 04.03.2013 habe der BF das Land verlassen. Während seiner Reise nach Europa sei am XXXX ein weiteres GD in der Polizeistation XXXX eingebracht worden. Dieses sei dann zur Polizeistation XXXX weitergeleitet worden.

Der Grund für seine Ausreise aus Bangladesch sei, dass er angezeigt worden sei. Und er habe versucht, wo anders in Bangladesch zu leben, aber dies sei nicht gegangen.

Persönlich sei der BF von XXXX bedroht worden, einmal habe dieser den BF selbst, also persönlich, bedroht. Er sei der Generalsekräter der CL des Distrikts XXXX , außerdem habe dieser immer seine Gefolgsleute zum BF geschickt und diese hätten ihn dann bedroht.

Auch nach der Flucht habe es noch Bedrohungen gegeben, sie hätten die Eltern des BF aufgefordert, seinen Aufenthaltsort bekannt zu geben. Die letzte persönliche Bedrohung sei am 29.03.2009 (!, also weit vor 2013) gewesen, an diesem Tag sei der BF zuletzt attackiert und dabei mit dem Tod bedroht worden. Befragt wie sein Anwalt in Bangladesch heiße, gab der BF an: „Alle Anklagen sind beim Gericht des periodisch tagenden Richters anhängig.“

In der Folge wurden dem BF konkrete Fragen zur BNP gestellt. Im Falle einer Rückkehr habe der BF Angst, von der Polizei bzw. der Justizwache misshandelt zu werden. Die Tötung durch die Behörde sei auch nicht auszuschließen. Der BF wolle nicht unschuldig inhaftiert und verurteilt zu werden.

I.3 Mit Schreiben vom 21.12.2015 erstattete der BF eine Stellungnahme. Darin zitierte er zunächst allgemeine Informationen zu Bangladesch zur politischen Lage, Rechtsschutz, Justizwesen, Haftbedingungen und medizinischer Versorgung und machte Angaben zu seinen behaupteten Fluchtgründen und seiner persönlichen Situation.

I.4. Mit Bescheid vom 09.02.2016, XXXX , wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF habe eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

I.5. In Erledigung einer dagegen erhobenen Beschwerde wurde dieser Bescheid mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.09.2016, XXXX , behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen. Dies im Wesentlichen, weil das BFA es außer Acht gelassen hatte, vorgelegte Beweismittel einer Übersetzung zuzuführen und entsprechend zu würdigen und sich das BFA mit dem Vorbringen in der Stellungnahme vom 21.12.2015 nicht auseinandergesetzt hatte.

I.6. Am 22.03.2018 wurde der BF vor dem BFA neuerlich niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zu seinen Rückkehrbefürchtungen zu Protokoll, er habe Angst vor der Polizei. Es gebe eine Anzeige gegen den BF. Wenn die Polizei ihn erwischen würde, dann würden sie ihn schlagen. Momentan seien viele Mitglieder der BNP im Gefängnis. Sie würden einfach umgebracht oder verschwinden. Der BF sei niemals mit dem Gesetz in Konflikt geraten und er sei auch nicht strafgerichtlich verurteilt worden, aber es gebe gegen ihn Anzeigen. Die Polizei habe ihn nicht verhaften können, deswegen könne er auch nicht strafrechtlich verurteilt werden.

In der Anzeige würde dem BF vorgeworfen, er hätte den Sohn des Präsidenten, dieser sei von der AL, umbringen wollen. Es sei ihm vorgeworfen worden. Er sei beschuldigt worden, er habe es aber nicht getan. Der BF habe alles vorgelegt. Die Anzeige sei am 07.04.2009 von der XXXX -Polizeistation ausgefertigt.

Befragt, ob er sonst Probleme mit Behörden gehabt habe, bejahte dies der BF und brachte in der folgendes vor: „F: Welche? A: Die Awami-League hat ein Spital gebaut und die Mitglieder haben von den Leuten Geld verlangt. Anm: Frage wird wiederholt. A: Ich bin noch nicht fertig. Anm: Frage wird wiederholt. A: Ich habe noch eine Anzeige, weil der das Spital gebaut hat, hat auch von mir Geld verlangt als Spende. F: Wegen was wurden Sie angezeigt? A: Weil ich angeblich von der Baufirma Geld verlangt hätte. Es ist nur eine Anzeige bzw Beschuldigung. Es ist nicht richtig. Befragt gebe ich an, dass ich auch diese Anzeige vorgelegt habe. Es gibt noch eine weitere Anzeige. Befragt gebe ich an, dass die BNP-Führungskraft im Spital war. Ich wurde beschuldigt, dass ich die Polizisten, die ihn bewacht haben, geschlagen hätte und die Führungskraft befreien wollte. F: Wie heißt die BNP-Führungskraft? A: XXXX In welchem Spital war er? A: In XXXX . F: Wann war er im Spital? A: 17.10.2011 F: Wo waren Sie zu diesem Zeitpunkt? A: Ich war nicht dort. Anm: Frage wird wiederholt. A: Cox Bazar (Distrikt) F: Was haben Sie dort gemacht? A: Ich bin geflohen, wegen einer Beschuldigung in einem anderen Fall. F: Die Beschuldigungen waren unter anderem nun auch schon im Jahr 2011. Warum haben Sie das Land erst 2013 verlassen? A: ich wurde 2x geschlagen. 2/3 Anzeigen gab es. Anm: Frage wird wiederholt. A: Ich habe Zeit gebraucht, damit ich das Geld für die Schlepper gesammelt hatte. Für die Organisation habe ich ca 2 Jahre gebraucht. F: Wie haben Sie das Geld zusammenbekommen? A: Von Vater und Mutter. Dann habe ich Verwandte die in anderen Ländern arbeiten und die haben etwas beigesteuert.“

I.7. Das BFA holte in Bezug auf vom BF vorgelegte Urkunden eine Anfragebeantwortung von der Staatendokumentation ein, die zu dem Ergebnis kommen, dass der BF in den vorgelegten Urkunden nicht genannt wird und in dem Verfahren, auf das sie sich beziehen, alle Angeklagten freigesprochen worden seien.

I.8. Am 02.08.2018 wurde der BF neuerlich vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei wurden ihm insbesondere die folgenden Vorhalte gemacht: „Vorhalt: Ihre bisherigen Angaben beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurden durch einen Vertrauensanwalt in Bangladesch überprüft. Dem Bericht des Vertrauensanwaltes ist im Wesentlichen Folgendes zu entnehmen: Bei der durch den Vertrauensanwalt durchgeführten Recherche wurde festgestellt, dass die eingereichten Unterlagen zu XXXX unvollständig sind, weswegen die Echtheit nicht abschließend festgestellt werden konnte. Es wird jedoch darauf verwiesen, dass laut den Originaldokumenten die Klage am 10.09.2017 abgewiesen wurde und ALLE Beschuldigten freigesprochen wurden. Unter den beklagten befindet sich auch ein Herr XXXX , was laut befragten Personen einer Ihrer Rufnamen ist. F: Möchten Sie dazu etwas angeben? A: Es gibt aber zwei weitere General Diary gegen mich, ich weiß nicht, ob diese Berichte noch aufrecht sind. Vielleicht haben sie das absichtlich gemacht, damit sie neue Strafverfahren gegen mich einleiten können. Vorhalt: Bezüglich des Vorbringens zur BNP bestätigt der Vertrauensanwalt, dass sich das Büro der BNP-Gaziput an der genannten Adresse in der Poststraße befindet. Vorort konnte mit einem XXXX gesprochen werden, der Sie im Büro bereits gesehen habe und folglich vermute, dass Sie Parteimitglied waren, jedoch kein Amt bei der BNP- XXXX inne hatten. F: Möchten Sie dazu etwas angeben? A: Ich war ordentliches Mitglied der Chatra-Dal, meine Aufgabe war junge Leute zu motivieren, damit sie dieser Partei beitreten. Die Chatra-League konnte das nicht akzeptieren, da sie Parteianhänger durch mich verloren haben und verlieren werden. Daher wurde dieses politisch motivierte Verfahren eingeleitet. Wir haben ein Hauptbüro der BNP und hier kommen alle Studentenflügel und die Unterorganisationen. Deshalb haben mich wahrscheinlich nicht alles gekannt, aber natürlich viele. Es ist eine Masse. Vorhalt: Bei der letzten EV gaben Sie an, dass Ihre Mutter politisch aktiv sei. Ihre Mutter gab an, dass sie nicht in Politik involviert ist. Auch laut befragten Ortsansässigen ist niemand der Familie politisch tätig. F: Möchten Sie dazu etwas angeben? A: Sie waren zuvor politisch aktiv, aber seit meine Mutter einen öffentlichen Beruf hatte, musste sie mit der Politik aufhören, da sie sonst gegen die Regierungspartei wäre. Deswegen kann man nicht offiziell mit der Partei verbunden sein. F: Warum haben Sie das letzte Mal das nicht schon angegeben? A: Ich hatte die Gelegenheit nicht, ich habe es nicht verstanden. Befragt gebe ich an, dass es stimmt, dass ich gesagt habe, dass meine Mutter politisch aktiv ist. Vorhalt: Weder Einwohner noch Ihre Mutter kennen einen Herrn XXXX . F: Möchten Sie dazu etwas angeben? A: Er war 6 Monate lang offiziell der Vorsitz der Chatra-League in unserem Distrikt. Anschläge wurden von ihm auf mich geplant. Wahrscheinlich haben Sie nicht die Einwohner dort gefragt. Vorhalt: Weder Einwohner noch Ihre Mutter kennen ihn. A: Offiziell ist er der Vorsitz dieser Partei. F: Hat sich in Bezug auf Ihr Privat- und Familienleben seit der letzten EV etwas geändert? A: Nein. F: Besuchen Sie einen Deutschkurs? A: Ja, ich habe A2 absolviert. Die Prüfung habe ich abgelegt und ihnen gezeigt. Ich bin gerade dabei B1 zu absolvieren. Befragt gebe ich an, dass ich mich bei der CARITAS gemeldet, dass ich einen B1 Kurs machen möchte. Sie haben meine Daten aufgenommen und haben gesagt, dass derzeit kein Kurs frei ist. Sobald ein Kurs frei ist, werden sie mich informieren. F: Möchten Sie noch irgendetwas angeben? A: Nein, ich habe schon alles zuvor gesagt. Vorhalt: Auch im Fall ‚ XXXX ‘ wurden Sie freigesprochen. A: Von welchem Datum ist das? Wie gesagt haben sie das wahrscheinlich absichtlich gemacht, damit sie neue Anklagen erheben können. Sie warten auf meine Rückkehr, damit sie neue Verfahren gegen mich einleiten können. Sie haben mich 5-6 Jahre lang gesucht und das Verfahren war so lange aufrecht. Da sie mich nicht gefunden haben, haben sie das wahrscheinlich stillgelegt.“

I.9. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen und im Spruch bezeichneten Bescheid vom XXXX wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF habe eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

I.10. Mit Schriftsatz vom 07.09.2018 wurde dieser Bescheid des BFA seitens des – im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung durch den XXXX vertretenen – BF wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze angefochten.

Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensverlaufes wurde dabei zusammengefasst begründend das bisherige Vorbringen wiederholt. Sodann finden sich allgemeine rechtliche Ausführungen. Anschließend führt die Beschwerde aus, der BF sei sehr gut integriert und spreche die deutsche Sprache zumindest auf dem Niveau A1. Er lebe seit über fünf Jahren in Österreich, käme seinen Mitwirkungspflichten nach und die lange Verfahrensdauer sei ihm nicht anzulasten, sondern diese liege ausschließlich im Verantwortungsbereich des BFA. Der BF habe in Österreich einen Freundeskreis, habe schon gearbeitet und sei nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei daher unzulässig und ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 zu erteilen.

Es wurden die Anträge gestellt, dem BF Asyl, in eventu, subsidiären Schutz zu gewähren, allenfalls die erlassene Rückkehrentscheidung aufzuheben und die Abschiebung für auf Dauer unzulässig zu erklären, in eventu, den Bescheid zur Gänze zu beheben und an das BFA zurückzuverweisen, sowie, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

I.11. Mit Schreiben vom 02.10.2018 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.12. Im Laufe des weiteren Verfahrens legte der BF weitere Unterlagen (Bestätigungen hinsichtlich Zeitungszustellung, Hauptmietvertrag, Unterstützungserklärungen) vor. Ebenso wurde der Vertretungswechsel vom XXXX angezeigt.

I.13. Mit Schreiben vom 13.08.2021 wurde zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen und damit dem BF auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 27.08.2021 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.

I.14. Am 27.08.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

Darüber hinaus ersuchte der BF um Einvernahme eines von ihm kurzfristig nominierten Zeugen.

Eingangs der Verhandlung wurde festgehalten, dass der BF gesund ist und es im bisherigen Verfahren es keinerlei Probleme mit Übersetzungen gegeben hat.

Der BF hat regelmäßigen telefonischen Kontakt zu seiner Mutter (ein- bis zweimal pro Woche), der Vater sei mittlerweile verstorben. Der BF habe auch noch zwei Adoptivschwestern. Die Mutter arbeitet als Steuerberaterin in einem Spital (für Familienplanung). Finanziell ginge es ihr durchschnittlich bis gut. Auch der Vater habe seinerzeit dort gearbeitet.

Der BF hat keine Verwandten in Österreich, keine Kinder und keine Beziehung.

Der BF hat jedoch eine Freundin in Bangladesch, welche er bereits in der Schule kennenlernte. Sie habe in Malaysia ihr Studium (Bachelor in Computerwissenschaften) abgeschlossen und sei nunmehr zurück nach Bangladesch gereist, lebe bei ihrem Vater. Der BF telefoniere mit ihr zwei- bis dreimal pro Woche, er vermisse sie. Wenn es möglich wäre würde er sie nach Österreich holen.

Er selbst habe das College besucht und begonnen zu studieren, habe das Studium des Bachelor of Business Administration jedoch nicht abgeschlossen, sondern habe er dieses 2008 abgebrochen. Der BF habe in Bangladesch auch nicht gearbeitet, sondern sei arbeitslos gewesen, sein Vater habe ihn finanziert.

Seine Deutschkenntnisse befänden sich zertifiziert auf dem Niveau A2. Im Zuge der Verhandlung konnte festgestellt werden, dass der BF ein Basiswissen hinsichtlich Alltagsphrasen hat, aber kein weitergehender Wortschatz vorhanden ist. Auch wenn sich der BF bemühte formulierte der BF keine vollständigen Sätze.

In Österreich lebe der BF gemeinsam mit anderen Bengalen zu fünft in einer drei-Zimmer Wohnung mit ca 50 qm. Sein Anteil betrage – inkl Strom und Betriebskosten – ca 100 €.

Der BF lebt von der Grundversorgung. Er habe bis Sommer des Vorjahres als Zeitungsverteiler gearbeitet, aber musste wegen der Corona-krise den Job aufgeben. Er würde gerne eine Kochlehre absolvieren. Eine Einstellungszusage könne er nicht vorweisen.

Der BF gab an, dass seine Freunde in Österreich seine Mitbewohner und Freunde, die hier leben, seien. Nachgefragt meinte er, diese kämen aus Bangladesch. Ein Freund von ihm sei in einem Restaurant beschäftigt. Diesen habe er auch als Zeugen mitgebracht, um den Grad der Integration des BF zu belegen.

Der sodann als Zeuge befragte Freund, mittlerweile österreichischer Staatsbürger, führte aus, dass er seit sieben Jahren mit dem BF in der Wohnung wohne; es sei keine Partnerschaft, sondern eine Freundschaft, welche sie verbinde.

Der Zeuge meinte – zusammengefasst – dass der BF sehr bemüht sei Deutsch zu lernen und den Wunsch habe, Koch zu werden. Er würde nicht faul herumsitzen, sondern er „mache viel“. Der Zeuge habe auch schon andere gesehen, die „nicht viel machen wollen oder Blödsinn machen“. Es wäre „schon okay“, wenn „Sie ihn in Österreich bleiben lassen“. Er habe keine großen Strafen oder dergleichen. An gemeinsamen Aktivitäten nannte der Zeuge, auch nachgefragt, lediglich „manchmal gehen wir laufen“. Weitere substantielle Aussagen waren dem Zeugen nicht abzuringen, der BFV verzichtete auf weitere Fragen.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF – zusammengefasst – an, dass er „mit den politischen Aktivitäten im Jahr 2006 begonnen“ habe und „als 2008 ein Anschlag auf mich verübt wurde, … [er] langsam mit politischen Aktivitäten aufgehört habe“.

Konkret nachgefragt, wann er seine letzten politischen Aktivitäten machte, antwortete der BF: „2008“ (VS S 11).

Er sei (nachgefragt) „Anhänger“, (spätere Aussage) „einfaches Mitglied“ der Chattro Dal gewesen (VS S 12).Die Chattro-Dal sei der „Studentenflügel der BNP“. Seine Aufgabe sei es gewesen, Mitglieder für die Chattro Dal zu werben.

2008 hätten Mitglieder der Awami-League einen Anschlag auf den BF verübt, so dass er über mehrere Tage in einem Spital versorgt werden musste; er sei zeitweilig im Koma gewesen.

Danach habe er bei Verwandten gelebt; als er ins Heimatdorf 2009 zurückkehrte, hätte man wieder einen Anschlag auf ihn verübt. Darüber hinaus seien im Jahr 2009 Anzeigen gegen ihn erstattet worden, ebenso 2010 und 2011. Die Polizei hätte in diesem Zeitraum die Familie belästigt und ihn gesucht. Erst nach dreimaliger Nachfrage gab der BF an, dass er in diesem Zeitraum etwa 300 km bzw. 400 km entfernt in Chittagong bzw. Cox-Bazar gewohnt habe. Er sei arbeitslos gewesen und habe ihn sein Vater finanziert. Immer, wenn er Geld bei der Bank abgehoben habe, hätte dies die Polizei erfahren. Der BF gab jedoch zu, dass es in Bangladesch kein Meldesystem gibt.

Konkret gefragt, meinte der BF, dass in Chittagong und Cox-Bazar von der Polizei „belästigt“ worden sei. Er habe deshalb nicht länger an einem Ort bleiben können. Weiters nachgefragt, ob der BF jemals verhaftet wurde, meinte er „Nein, man konnte mich nicht inhaftieren, weil ich auf der Flucht war.“ Er sei auch niemals bei Gericht gewesen.

Gegen die Anzeigen habe er sich über den Vater und einen Anwalt gewehrt sowie versucht „gegen Kaution die Anzeigen zu beenden.“ Hinsichtlich der vom BFA eingeholten Stellungnahme der Staatendokumentation zu den Anzeigen des BF ergab sich, dass in dem Strafverfahren alle Beschuldigten im Jahr 2017 freigesprochen wurden. Zwar sei der BF nicht persönlich genannt (sondern nur ein Rufname, von dem der BF seinerzeit behauptete, dass er seine Person beträfe), aber der BF befürchte, dass jederzeit neue Anzeigen gegen ihn erhoben werden würden. Ob sonst noch Anzeigen aufrecht seien konnte der BF nicht sicher beantworten.

Weder der Vater noch sonst jemand aus der Familie sei politisch aktiv gewesen. Damit konfrontiert, dass der BF bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 22.03.2018 aussagte, seine Mutter sei Mitglied der BNP gewesen, er habe dies anders gemeint, wahrscheinlich sei dies falsch aufgenommen worden.

Widersprüchlich zur seinerzeitigen Einvernahme gab der BF auch die Anzahl der Punkte des Parteiprogrammes der BNP an; die – falsche – Antwort bei der Einvernahme vor dem BFA am 22.03.2018 begründete der BF folgendermaßen: „Damals war ich ja noch neu bei der BNP. Ich habe nicht wirklich alles gelesen und gelernt. Damals war ich neu, neu in der Politik. Es gibt bei der BNP viele Gesetze, diese muss man von Büchern lesen und lernen“. Erst danach meinte er, er habe die falsche Antwort „aus Versehen“ gegeben.

Müsste der BF nunmehr nach Bangladesch zurückkehren, könnte man ihn jederzeit attackieren. Der BF habe Angst, ermordet oder verhaftet zu werden.

In der abschließenden Stellungnahme des engagierten Vertreters des BF verwies dieser auf das politische Engagement des BF, die falschen Anzeigen und Verfahren gegen ihn sowie darauf, dass es durchaus glaubhaft sei, dass der BF in Bangladesch auch künftig verfolgt werde. Er würde von der Polizei und staatlichen Akteuren gesucht, ein sicheres Leben in der Heimat sei nicht gewährleistet. Trotz mangelhaften Meldesystems könnten ihn Ortungsdienste des Staates oder politische Gegner aufgreifen. Dafür würde auch sprechen, dass nach Aussagen der Mutter des BF die Polizei nach ihn suchen würde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitisch-moslemischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali (gleichlautende Angaben in der Erstbefragung AS 11 sowie in den Einvernahmen vor dem BFA AS 217, 589).

Der BF ist im Ort XXXX geboren und hat dort gelebt (AS 11, 15, 211, 588, 597). Der BF war für einige Jahre in Chittagong und Cox-Bazar, zuletzt in Dhaka aufhältig (AS 15). Er hat in seinem Heimatland für zwölf Jahre die Schule und eine Universität besucht (AS 11, 589). Das Studium hat der BF 2008 abgebrochen, seitdem war er in Bangladesch arbeitslos und lebte von seinem Vater, der 2015 verstarb.

Der BF ist ledig (AS 11, 213, 589) und hat keine Kinder (AS 15, 213, 589). In Bangladesch halten sich die Mutter und zwei Schwestern des BF auf (AS 15, 213; bzw. Mutter und eine Schwester AS 588). Zwischen dem BF und seinen Verwandten besteht aufrechter regelmäßiger Kontakt.

Der BF hat seit Jahren eine Freundin, welche nach erfolgreichem Studium in Malaysia wieder nach Bangladesch zurückkehrte. Der BF vermisse sie sehr, habe zwei- bis dreimal pro Woche Kontakt zu ihr und würde, wenn es möglich sei, versuchen sie nach Österreich zu bringen.

Der BF ist im Mai 2013 nicht legal in das Bundesgebiet eingereist. Er ist in die staatliche Grundversorgung einbezogen. Der BF ist im XXXX und bei der XXXX (AS 594, 269 ff.). Ein darüberhinausgehendes ehrenamtliches Engagement des BF ist nicht hervorgekommen.

Der BF hat bengalische Freunde, wohnt zu fünft in einer 50 qm Mietwohnung und möchte eine Kochlehre absolvieren.

Der BF verfügt über ein „Basiswissen“ an Deutsch, insgesamt aber geringe Deutschkenntnisse, zertifiziert Niveau A2. Er ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF ist gesund. Er nimmt keine Medikamente (AS 587).

I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Nicht festgestellt werden kann eine konkrete Verfolgung des BF in Bangladesch.

Nicht festgestellt werden kann eine politische Aktivität des BF im Jahr 2008; zwar sei er nach seiner Aussage politisch aktiv in der Chattro-Dal, einem Zweig der BNP, gewesen. Der BF sei „Anhänger“ bzw. „einfaches Mitglied“ dieser Gruppierung, seine letzte politische Aktivität fand nach seinen eigenen Aussagen „2008“ statt. Gleichzeitig meint der BF, dass er erst nach der Einvernahme vor dem BFA (2018) etwas über die BNP gelernt habe. Zusammengefasst geht das BVwG auch auf Grund der Angaben des Vertrauensanwaltes davon aus, dass der BF keine aktive Rolle in der BNP/Chattro Dal hatte, jedenfalls nicht nach 2008.

Der BF verließ Bangladesch 2013.

Nach einer Verletzung – angeblich von Mitgliedern der Awami League verursacht – hielt sich der BF in einem Spital auf. Er übersiedelte zu Verwandten, dann wieder in sein Heimatdorf, wo er wieder Belästigungen der politischen Gegner und der Polizei ausgesetzt gewesen sei. Der BF ist sodann in zwei Städten, Chittagong und Cox-Bazar, die 300 km bzw 400 km entfernt waren, wohnhaft gewesen (2010/2011).

Der BF ist widersprüchlich bei seinen Aussagen hinsichtlich seiner politischen Aktivitäten und der angeblichen Verfolgung durch die Polizei. Der BF sei auch (2010/2011) in Chittagong und Cox-Bazar von der Polizei „belästigt worden“, er sei aber nie verhaftet worden – trotz angeblich offener Anzeigen und Gerichtsverfahren.

Der BF ist widersprüchlich hinsichtlich der politischen Aktivitäten seiner Familie, insbesondere auch der Mutter („kein politisches Engagement“; „Mitglied der BNP“). Die Mutter kennt – nach Auskunft des Vertrauensanwaltes - auch den angeblichen „Verfolger“ ( XXXX ) des BF weder persönlich noch dem Namen nach.

Nicht festgestellt wird, dass gegen den BF weitere Anzeigen eingebracht wurden. Die von der Staatendokumentation nachgeforschten Anklagen bzw. das angebliche Verfahren gegen den BF und anderen Tätern kann nicht dem BF, weil namentlich nicht genannt, zugeordnet werden. Selbst bei (zugunsten des BF) „Anerkennung“, dass der BF lediglich mit einem „Rufnamen“ in dem Dokument genannt wird, ist festzustellen, dass dieses konkrete Strafverfahren im Jahr 2017 gegen alle Angeklagten mit Freispruch endete.

Ob andere behauptete Anzeigen gegen den BF existent seien, konnte der BF nicht beantworten.

Es wird ebenfalls nicht festgestellt, dass der BF konkreter behördlicher Verfolgung ausgesetzt war. Im Falle einer Rückkehr kann sich der BF allfälligen Behelligungen durch eine Niederlassung in anderen Landesteilen entziehen.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

COVID-19:

Letzte Änderung: 08.06.2021

Der Regierung wird vorgeworfen, dass die Vorbereitung auf die Viruserkrankung im Inland inadäquat gewesen sind. COVID-19-Testungen waren zunächst nur in der Hauptstadt Dhaka möglich gewesen. Anfang April 2020 nahmen Diagnostikeinrichtungen am Rajshahi Medical College und am Cox's Bazar Medical College ihre Tätigkeiten auf und testen seitdem Bewohner ihrer jeweiligen Regionen auf eine Infektion mit COVID-19. Mit Ende März 2020 erließ die Regierung weitreichende Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Das Transportwesen, Einkaufsmöglichkeiten, behördliche Dienste und anderes wurden auf das nötigste reduziert. Von den erlassenen Kontakt- und Arbeitsbeschränkungen ist ein Großteil der bangladeschischen Bevölkerung betroffen. Viele stehen dadurch vor unmittelbar existenzbedrohenden finanziellen Risiken. Viele Großaufträge beispielsweise im Bereich der Textilindustrie wurden zurückgezogen. Diese Maßnahmen bedeuteten einen Wegfall der Einkommensgrundlage von 4,1 Millionen Textilarbeitern, die zu den Geringverdienern in Bangladesch zählen. Einige Textilfabriken stellten jedoch ihre Produktion teilweise auf die Herstellung von Atemschutzmasken und Schutzanzügen um. Lokale Initiativen von einkommensstärkeren Personen versuchen, die Grundversorgung von einkommensschwächeren Familien durch die Verteilung von Lebensmitteln in den jeweiligen Anwohnergebieten aufrecht zu erhalten. Auch die Regierung hat erste staatliche Entlastungsprogramme in die Wege geleitet. Darunter Programme zur finanziellen Unterstützung der in der Landwirtschaft Tätigen oder für Personen, die in extremer Armut leben (GIZ 11.2020; vgl. ÖB 9.2020). Im Zuge der COVID-Krise 2020 verloren nach Schätzungen der Bangladesh Economic Association etwa 36 Millionen Menschen während des Lockdowns ihre Arbeit, 25 Millionen rutschen zurück in die absolute Armut (ÖB 9.2020).

Die bangladeschische Regierung hat im April 2020 Hilfspakete mit einem Volumen in Höhe von 12 Milliarden USD beschlossen. Die Konjunkturmaßnahmen zielen unter anderem auf eine Stützung von für die Wirtschaft bedeutende Industriezweige wie die Textil- und Bekleidungsherstellung sowie den Agrar- und Nahrungsmittelsektor ab (GTAI 21.9.2020a). Der durch die Regierung verhängte umfassende Lockdown war de facto jedoch immer brüchig und wurde einmal mehr und einmal weniger eingehalten. Am 30.5.2020 wurde der Lockdown wieder aufgehoben, da eine weiter Fortsetzung wirtschaftlich nicht mehr vertretbar war (ÖB 9.2020).

Das ohnehin schwache Gesundheitssystem Bangladeschs ist mit der Pandemie völlig überlastet (ÖB 9.2020). Angesichts der historisch niedrigen Ausgaben für die öffentliche Gesundheitsversorgung im Land erwiesen sich die Einrichtungen als unzureichend, schlecht vorbereitet und schlecht ausgerüstet, um die Krise zu bewältigen (AI 7.4.2021). Die Versorgung von Covid-19-Patienten stößt an ihre Grenzen. Landesweit sind etwas mehr als knapp 1.000 Intensivbetten verfügbar. Davon sind 400 für die Behandlung von Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen ausgerüstet. Während es in der Hauptstadt Dhaka 400 Intensivbetten gibt, stehen in 47 der insgesamt 64 Verwaltungsbezirke überhaupt keine zur Verfügung (GTAI 21.9.2020b).

Eine weitere Problemstellung für das Land stellen die zahlreichen Rückkehrer aus den Ländern des Nahen Ostens aufgrund des mit COVID verbundenen weltweiten Wirtschaftsabschwungs dar. Viele bringen so das Virus auf ihrem Heimweg mit ins Land. Da viele Migranten aus Bangladesch im Nahen Osten im Zuge der COVID-Krise ihre Arbeit verloren haben und ausgewiesen wurden, ist in den kommenden Jahren mit einem vermehrten Aufkommen von AsylwerberInnen aus Bangladesch in (West-)Europa zu rechnen (ÖB 9.2020).

COVID-19 erhöht Risiken im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischer Gewalt und setzen Frauen und Kinder zusätzlichen Bedrohungen aus (iMMAP 3.2021).

Die Behörden gehen gegen Journalisten und Medien vor, die kritisch über die Reaktion der Regierung auf die COVID-19-Pandemie berichten (HRW 20.5.2021; vgl. AI 19.5.2021). Kritische Journalisten sehen sich systematischen Verleumdungsklagen ausgesetzt (ÖB 9.2020). Eine Überwachung von Personen, die „Gerüchte“ über die Covid-19-Pandemie verbreiten könnten, wird verstärkt, die Medienzensur verschärft (HRW 20.5.2021).

Nachdem die Zahl der Neuinfektionen im April 2021 Tagen stark angestiegen, wurden die Anfang April 2021 eingeführten Abriegelungsmaßnahmen, die auch die Schließung von Geschäften beinhaltet, aufgrund der sich verschlechternden Situation weiter verschärft (BAMF 12.4.2021).

Das Außenministerium des Landes bestätigt Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Massenimpfprogrammes wegen einem Fehlen an den dafür notwendigen Impfstoff-Dosen. Bisher hat Bangladesch erst 7 Millionen Dosen (darüber hinaus schenkte Indien 3,2 Millionen Dosen separat) einer vertraglich mit Indien vereinbarten Menge von 30 Millionen Dosen des vom Serum Institute of India hergestellten Oxford AstraZeneca-Impfstoffs erhalten (AnAg 22.5.2021).

Um eine Übertragung von den als ansteckender eingestuften Varianten des COVID-19-Virus aus Indien zu verhindern, wurden Flüge abgesagt und Grenzen geschlossen (TG 5.5.2021).

Quellen:

?        AnAg – Anadolu Agency (22.5.2021): Bangladesh extends border lockdown with India, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-extends-border-lockdown-with-india/2251062, Zugriff 25.5.2021

?        AI – Amnesty International (19.5.2021): Bangladesh: Rozina Islam must not be punished for her journalistic work, Zugriff 19.5.2021
https://www.ecoi.net/de/dokument/2051859.html, Zugriff 1.6.2021

?        AI – Amnesty International (7.4.2021): Bangladesh 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048635.html, Zugriff 18.5.2021

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (12.4.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/EN/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw15-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 17.5.2021

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2020a): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 17.5.2021

?        GTAI - Germany Trade and Invest (21.9.2020a): Covid-19: Maßnahmen der Regierung, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bangladesch/covid-19-massnahmen-der-regierung-260866, Zugriff 5.11.2020

?        GTAI - Germany Trade and Invest [Deutschland] (21.9.2020b): Covid-19: Gesundheitswesen in Bangladesch: https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bangladesch/bangladeschs-wirtschaft-behauptet-sich-trotz-coronakrise-260868, Zugriff 5.11.2020

?        HRW – Human Rights Watch: Bangladesh (20.5.2021): Arrest of Journalist Investigating Corruption, https://www.ecoi.net/de/dokument/2052025.html, Zugriff 1.6.2021

?        iMMAP – Information Management and Mine Action Programs (Autor), veröffentlicht von ReliefWeb (3.2021): COVID-19 Situation Analysis , https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/iMMAP_COVID-19_Bangladesh_Analysis%20Report_032021.pdf, Zugriff 17.5.2021ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        TG – The Guardian (5.5.2021): India’s neighbours close borders as Covid wave spreads across region, https://www.theguardian.com/world/2021/may/05/indias-neighbours-close-borders-as-covid-wave-spreads-across-region, Zugriff 25.5.2021

Politische Lage:

Letzte Änderung: 08.06.2021

Bangladesch ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Die Unabhängigkeit und der Übergang zur Demokratie brachten ein Einparteiensystem, mehrere Militärputsche (1975 und 1982), zwei Übergangsregierungen, Ausnahmezustände und Machtkämpfe zwischen den beiden großen Parteien, der Bangladesh Nationalist Party (BNP) und der Awami-Liga (AL). Die beiden Parteien regieren Bangladesch seit 1991 abwechselnd (OMCT 7.2019).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch. Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 9.2020). Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300 direkt gewählten Abgeordneten (ÖB 9.2020) sowie zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 30.3.2021; vgl. GIZ 11.2019a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der BNP und der AL als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 9.2020).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien AL und BNP bestimmt (ÖB 9.2020; vgl. AA 21.6.2020, BS 29.4.2020). Klientelismus und Korruption sowie mafiöse Strukturen sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 21.6.2020). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit um die Führung des Landes konkurriert haben. Unterstützt werden die beiden Parteien von einem kleinen Kreis von Beratern (FH 3.3.2021). Wie in der Region üblich, geht es bei politischen Parteien weniger um Ideologie, als um einzelne Persönlichkeiten und deren Netzwerke, die im Falle eines Wahlsieges auch finanziell profitieren, in dem sie mit wichtigen Staatsposten versorgt werden (ÖB 9.2020).

Bei den Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen überragenden Sieg (ÖB 9.2020) mit 96 Prozent der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitzen (Guardian 30.12.2018; vgl. DT 27.1.2019, DW 14.2.2019). Diese waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist. Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a). Die rivalisierenden Parteien AL und BNP dominieren die Politik und schränken die politischen Handlungsmöglichkeiten für diejenigen ein, die parteiinterne Strukturen oder Hierarchien in Frage stellen oder alternative Parteien oder politische Gruppierungen gründen wollen, Animositäten zwischen den Parteispitzen von AL und BNP die sich bis in die Kader der unteren Ebenen ziehen, haben zu andauernder politischer Gewalt beigetragen (FH 3.3.2021).

Da die Politik in Bangladesch generell extrem korrupt ist, sind die Grenzen zwischen begründeter Strafverfolgung und politisch motivierter Verfolgung fließend. Sicherheitskräfte sind in jüngster Vergangenheit sowohl bei Demonstrationen von Anhängern der beiden Großparteien, als auch bei islamistischen oder gewerkschaftlichen Protesten mit Brutalität vorgegangen. Im Zuge des Wahlkampfes Ende 2018 wurden gegen Anhänger und KandidatInnen der oppositionellen BNP durch die Sicherheitsbehörden falsche Anzeigen verfasst (ÖB 9.2020).

Mehrere Menschenrechtsgruppen haben seit Anfang 2018 einen dramatischen Anstieg von fingierten Klagen gegen Gegner der Regierungspartei festgestellt. Unter den Verhafteten befinden sich prominente Führer des Oppositionsbündnisses (FIDH 29.12.2018). Die BNP-Vorsitzende, Khaleda Zia, war von März 2018 bis März 2020 aufgrund von Korruptionsvorwürfen im Gefängnis (AA 21.6.2020; vgl. NAU 25.3.2020). Seit diese auf freiem Fuß ist, sind praktisch keine Aktivitäten der BNP mehr wahrnehmbar (ÖB 9.2020).

Nachdem die oppositionelle BNP nunmehr nicht existent ist und im politischen Prozess kaum bis gar keine Rolle mehr spielt, ist eine Verfolgung, bzw. Unterdrückung ihrer AnhängerInnen aus Sicht der Regierung offenbar nicht mehr nötig. Anzumerken ist, dass seit März 2020 das politische Geschehen vollständig von der COVID-Krise überlagert wird (ÖB 9.2020; vgl. HRW 13.1.2021). Von einer staatlichen Überwachung der politischen Opposition ist auszugehen (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020

?        BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029402/country_report_2020_BGD.pdf, Zugriff 10.11.2020

?        DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 10.11.2020

?        DW – Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 10.11.2020

?        FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html, Zugriff 28.5.2021)

?        FIDH - International Federation for Human Rights (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 10.11.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2019a): Bangladesch – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 10.11.2020

?        OMCT – World Organisation Against Torture (7.2019): Cycle of Fear - Combating Impunity for Torture and Strengthening the Rule of Law in Bangladesh, https://www.omct.org/files/2019/07/25475/cycleoffear_bangladesh_report_omct.pdf, Zugriff 1.6.2021

?        HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043519.html, Zugriff 28.5.2021

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 11.11.2020

?        NAU – Schweizer Nachrichtenportal (25.3.2020): Bangladeschs Oppositionsführerin Zia aus Haft entlassen, https://www.nau.ch/politik/international/bangladeschs-oppositionsfuhrerin-zia-aus-haft-entlassen-65684195, Zugriff 10.11.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048142.html, Zugriff 28.5.2021

Sicherheitslage:

Letzte Änderung: 08.06.2021

Die Sicherheitslage in Bangladesch ist volatil und kann sich kurzfristig deutlich verschlechtern (EDA 27.5.201; vgl. DFAT 22.8.2019). Zwischen religiösen beziehungsweise ethnischen Gemeinschaften bestehen latente Spannungen, die sich teilweise ohne grosse Vorwarnung in lokalen, gewaltsamen Zusammenstössen entladen können (EDA 27.5.2021). Terroristische Anschläge islamistischer Extremistengruppen verfügen über ein Gefährdungspotential gegenüber dem Staat (DFAT 22.8.2019). 2017 kam es im Land zu mehreren Selbstmordattentaten (SATP 26.5.2021a). Der „Islamische Staat“ ruft zu weiteren Attentaten auf (BMEIA 27.5.2021).

Die Regierungen Bangladeschs stehen vor der Herausforderung, mit extremistischen islamistischen Gruppen umzugehen, die Gewalt gegen eine Vielzahl von staatlichen und zivilen Zielen planen oder ausführen können. Von den Behörden wurde auf solche Angriffe stets robust reagiert. Wichtige militante Gruppen wurden verboten und Hunderte von Kämpfern verhaftet. Menschenrechtsgruppen berichten, dass Sicherheitsoperationen gegen militante Gruppen zu einer hohen Zahl von außergerichtlichen Tötungen führen (DFAT 22.8.2019).

Es wird davon ausgegangen, dass Operationen gegen terroristische Gruppen, zusammen mit der sich allmählich verbessernden Koordination der Regierung bei der Terrorismusbekämpfung, die Fähigkeiten militanter Gruppen verringert haben. Trotzdem kann das Risiko weiterer Anschläge nicht ausgeschlossen werden (DFAT 22.8.2019). Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). Das South Asia Terrorism Portal (SATP) verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2019 insgesamt 99 Vorfälle terrorismusrelevanter Gewalt im Land. Im Jahr 2020 wurden 88 solcher Vorfälle, bis zum 26.5.2021 wurden insgesamt 35 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 28.5.2021b).

Bangladesch hat seine Ansprüche an den Seegrenzen zu Myanmar und Indien an den Internationalen Seegerichtshof herangetragen; der Besuch des indischen Premierministers Singh im September 2011 in Bangladesch führte zur Unterzeichnung eines Protokolls zum Landgrenzenabkommen zwischen Indien und Bangladesch von 1974, das die Beilegung langjähriger Grenzstreitigkeiten über nicht abgegrenzte Gebiete und den Austausch von territorialen Enklaven vorsah, aber nie umgesetzt wurde (CIA 4.5.2021). An der Grenze zu Indien kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzsicherungsorganen. Regelmäßig werden dabei Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren oder sich im Nahbereich der Grenze befinden (DT 22.12.2020).

Der inter-ethnische Konflikt in Myanmar wirkt sich auf Bangladesch aus. Er hat politische und soziale Spannungen, insbesondere aufgrund der Ankunft von rund einer Million Rohingya-Flüchtlingen seit August 2017 verstärkt (EDA 27.5.2021; vgl. CIA 4.5.2021). Die Rohingya werden von den Behörden Bangladeschs als zusätzlichen Sicherheitsbedrohung in Cox's Bazar mit möglichen Auswirkungen auf kommunale Gewalt, Menschenschmuggel, Drogen- und Menschenhandel und einhergehenden möglichen Radikalisierungen wahrgenommen (DFAT 22.8.2019). Durch die myanmarischen Grenzbehörden wurde eine 200 km langer Drahtsperranlage, der illegale Grenzübertritte und Spannungen durch die militärische Aufrüstung entlang der Grenze verhindern soll, errichtet (CIA 24.5.2021).

Potential für Bedrohungen mit Bezug auf die Sicherheitslage haben ebeno politisch motivierte Gewalt (insbesondere im Vorfeld von Wahlen) (DFAT 22.8.2019). Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere der Awami League (AL) und der Bangladesh Nationalist Party (BNP), ist für den größten Teil der Gewalt im Land verantwortlich. Die Animositäten zwischen den beiden Parteien sowie zwischen den Kadern der unteren Ebenen haben zu andauernder politischer Gewalt beigetragen (HRW 13.1.2021; vgl. ACLED 9.11.2018). Die regierende AL hat ihre politische Macht durch anhaltende Schikanen gegenüber der Opposition und den als mit ihr verbündet wahrgenommenen Personen sowie gegenüber kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft gefestigt (FH 3.3.2021). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018). Im Jahr 2020 wurden 73 Tote und 2.883 Verletzte aufgrund politischer Gewalt sowie 2.339 Verletzte bei innerparteilichen Zusammenstößen registriert. Gewaltsame politische Proteste und wahlbezogene Gewalt hielten auch 2020 an (HRW 13.1.2021; vgl. ODHIKAR 25.1.2021).

Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere der Opposition, Islamisten, Studenten) geht in vielen Fällen nach wie vor Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 21.6.2020).

Es kommt zu Fällen krimineller Gewalt, sowie zu sporadische Zusammenstößen in den Chittagong Hill Tracts (CHT) zwischen indigenen Gruppen und bengalischen Siedlern wegen Landbesitz und -nutzung (DFAT 22.8.2019). Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden und sich in gewalttätige Auseinandersetzungen entladen (UKFCO 27.5.2021; vgl. AA 28.7.2020, AI 1.4.2021). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie etwa Racheakte oder Landraub, Grund für solche Vorfälle sind (AA 21.6.2020).

Die Schutzfähigkeit staatlicher Behörden ist grundsätzlich gering. Die Behörden sind in der Regel keine neutralen Akteure, sondern unterstützen die politischen Ziele der jeweiligen Machthaber (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (28.7.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 9.11.2020

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020

?        ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 5.11.2020

?        AI – Amnesty International (1.4.2021): Bangladesh authorities must conduct prompt, thorough, impartial, and independent investigations into the death of protesters and respect people’s right to peaceful assembly, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048271.html, Zugriff 27.4.2021

?        BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres [Österreich] (27.5.2021) (Unverändert gültig seit: 26.05.2021): Bangladesch (Volksrepublik Bangladesch) – Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 27.5.2021

?        CIA – Central Intelligence Agency [USA] (24.5.2021): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/bangladesh/, Zugriff 28.5.2021

?        DT – DhakaTribune (22.12.2020): Bangladesh sees highest border deaths in 10 years, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/2020/12/22/bangladesh-sees-highest-border-deaths-in-10-years, Zugriff 25.5.2021

?        EDA - Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (27.05.2021) (publiziert am 14.08.2020): Bangladesch, Spezifische regionale Risiken, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/bangladesch/reisehinweise-fuerbangladesch.html#par_textimage, Zugriff 27.5.2021

?        FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html, Zugriff 19.5.2021

?        HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043519.html, Zugriff 28.5.2021

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        ODHIKAR (25.1.2021): Annual Human Rights Report 2020, Bangladesh, https://www.fidh.org/IMG/pdf/annual-hr-report-2020_eng.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        SATP – South Asia Terrorism Portal (26.5.2021a): Yearly Suicide Attacks, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/suicide-attacks/bangladesh, Zugriff 28.5.2021

?        SATP – South Asia Terrorism Portal (26.5.2021b): Data Sheet – Bangladesh, Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2021, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 28.5.2021

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office [UK] (27.5.2021) (erstellt am: 24.5.2021): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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