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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §33 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte
Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des A in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. Februar 1996, Zl. SD 56/96, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 20. November 1995, mit dem gegen ihn ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden war, gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei in der Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Bescheides auf die zweiwöchige Berufungsfrist hingewiesen worden. Im Hinblick darauf, daß ihm dieser Bescheid laut Zustellschein am 12. Dezember 1995 zugestellt worden sei, habe die Berufungsfrist - unter Berücksichtigung der Weihnachtsfeiertage - mit 27. Dezember 1995 geendet. Die erst am 3. Jänner 1996 zur Post gegebene Berufung sei daher verspätet.
Der Beschwerdeführer habe die Verspätung mit Sprachschwierigkeiten, weiters den Weihnachts- und Neujahrsfeiertagen und dem Umstand begründet, daß er sich erst Stempelmarken habe beschaffen müssen; er ersuche daher um Nachsicht. Dazu müsse leider gesagt werden, daß die Berufungsbehörde nicht in der Lage sei, die Berufungsfrist zu verlängern, weil es sich bei dieser um eine gesetzliche, nicht verlängerbare Frist handle. Die Berufung habe demnach als verspätet zurückgewiesen werden müssen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde erachtet die Begründung des bekämpften Bescheides für nicht ausreichend. Der in Strafhaft befindliche Beschwerdeführer habe die Berufung am 21. Dezember 1995 verfaßt. Die belangte Behörde habe nicht erhoben, zu welchem Zeitpunkt der Beschwerdeführer die Berufung dem Leiter der Strafanstalt übergeben habe. Es müsse daher zwingend angenommen werden, daß diese Übergabe am Tag der Verfassung der Berufung, also am 21. Dezember 1995, erfolgt sei. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei der Leiter der Strafanstalt als "verlängerter Arm der Post" anzusehen, weshalb der Postenlauf "erst" beginne, wenn ein Strafgefangener eine Eingabe dem Anstaltsleiter zur Weiterleitung übergebe (Hinweis auf das Erkenntnis vom 21. September 1984, Zl. 83/02/0524).
2.1. Es trifft zu, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Leiter der Haftanstalt als verlängerter Arm der Post anzusehen ist, weshalb der Postenlauf eines von einem Strafgefangenen erhobenen Rechtsmittels bereits mit der Übergabe an den Leiter der Anstalt (oder die vom Leiter bestimmten Personen) beginnt (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 18. Juni 1984, Zl. 84/10/0084 = Slg. 11.473/A, und vom 21. September 1984, Zl. 83/02/0524). Die Behörde ist aufgrund dessen in Fällen, in denen ihr bekannt ist, daß die ein Rechtsmittel ergreifende Person zu diesem Zeitpunkt in einer Haftanstalt angehalten wird, verpflichtet, Ermittlungen dahin anzustellen, wann der Häftling das Rechtsmittel tatsächlich dem Leiter oder einem von diesem bestimmten Anstaltsorgan zur Weiterleitung im Postweg übergeben hat und zu dieser Frage Parteiengehör zu gewähren.
2.2. Nach Ausweis des vorgelegten Verwaltungsaktes wurde der Beschwerdeführer am 14. November 1995 von der Justizanstalt Wien Josefstadt an die Justizanstalt Suben überstellt. In letzterer wurde ihm laut Rückschein der erstinstanzliche Aufenthaltsverbots-Bescheid am 12. Dezember 1995 zugestellt (eigenhändige Bestätigung der Empfangnahme). Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene (mit dem Datum 21. Dezember 1995 versehene) Berufung wurde am 3. Jänner 1996 (per Einschreibebrief) zur Post gegeben. Nach Einlangen der Berufung bei der belangten Behörde erging von dieser unter dem Datum 11. Jänner 1996 an den Beschwerdeführer eine "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme", mit welcher dieser eingeladen wurde, zu folgendem Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen:
"Der Bescheid betreffend das Aufenthaltsverbot wurde Ihnen laut postamtlichem Rückschein am 12. Dezember 1995 zugestellt und von Ihnen persönlich übernommen.
Die Berufung wurde jedoch laut Briefumschlag erst am 03.01.1996 auf dem Postwege eingebracht und erscheint damit verspätet."
In seiner dazu unter dem Datum 16. Jänner 1996 abgegebenen Äußerung erklärte der Beschwerdeführer die Verspätung damit, daß er der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sei, er die Bundesstempelmarken unter Zuhilfenahme des sozialen Dienstes habe beschaffen müssen und die "Weihnachts- resp. Neujahrsfeiertage" dazwischen gelegen seien, was die "Verzögerungen zusätzlich in die Länge zogen"; man sei "hier, im Vollzugssystem befindlich, weitgehendst unfrei und unflexibel"; er möchte "herzlich und höflich darum bitten, mir meine Unpäßlichkeit zu verzeihen und meinem Berufungsantrag zu entsprechen".
Damit hat der Beschwerdeführer der belangten Behörde zwar eine Reihe von Gründen bekanntgegeben, die (behauptetermaßen) ursächlich für die Überschreitung der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist war, nicht jedoch zu erkennen gegeben, geschweige denn dezidiert erklärt, daß er die Berufung innerhalb der gesetzlich zur Verfügung gestandenen Frist, also spätestens am 27. Dezember 1995, dem Leiter der Anstalt oder einer von diesem bestimmten Person zwecks Weiterleitung im Postweg an die Behörde übergeben habe.
2.3. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß die belangte Behörde ihrer Verpflichtung zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes unter Wahrung des Parteiengehörs in hinreichender Weise nachgekommen ist. Eine weitergehende Ermittlungspflicht, etwa eine nochmalige Befragung des Beschwerdeführers zum besagten Beweisthema, bestand für die belangte Behörde nicht.
2.4. Vor diesem Hintergrund erweist sich das erstmals in der Beschwerde erstattete Vorbringen, es sei zwingend anzunehmen, daß die Übergabe der Berufung an den Anstaltsleiter am Tag der Abfassung der Berufung, am 21. Dezember 1995, erfolgt sei, als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).
3. Der weiteren Rüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde hätte die von ihm in seiner Stellungnahme vom 16. Jänner 1996 mitgeteilten Gründe, die zu einer verspäteten Einbringung der Berufung geführt hätten, beachten müssen, ist - wie im angefochtenen Bescheid zutreffend dargelegt - entgegenzuhalten, daß die Rechtsmittelfrist des § 63 Abs. 5 AVG nicht erstreckbar ist (§ 33 Abs. 4 AVG).
4. Da somit die Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers als verspätet eingebracht mit dem Gesetz in Einklang steht (§ 66 Abs. 4 AVG), war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996180349.X00Im RIS seit
11.07.2001