TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/1 W195 1315574-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.09.2021
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Entscheidungsdatum

01.09.2021

Norm

AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55 Abs1
BFA-VG §9

Spruch


W195 1315574-4/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.07.2020, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.08.2021 zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 55 Abs. 1 iVm § 54 Abs. 2 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger aus Bangladesch, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 25.05.2005 einen Asylantrag.

I.2. Bei einer Einvernahme vor dem Bundesasylamt (im Folgenden: BAA) am 31.05.2005 verneinte der BF zunächst die Fragen, ob er von den Behörden (einschließlich der Polizei) seines Heimatstaates gesucht werde oder ob er mit ihnen Probleme gehabt habe. Sodann gab er zu seinem Asylantrag an, er sei seit 2001 Mitglied und seit XXXX Organisationssekretär der Jubo League (im Folgenden: JL; die, wie zu ergänzen ist, die Jugendorganisation der Awami League [im Folgenden: AL]) für den Polizeiverwaltungsbezirk XXXX gewesen. In dieser Funktion habe er z.B. Leute versammelt, damit sie an einer Kundgebung teilnähmen, und die Anweisungen höherstehender Parteifunktionäre weitergegeben. Der Obmann der lokalen Jubo Dal (im Folgenden: JD), einer Unterorganisation der Bangladesh Nationalist Party (im Folgenden: BNP), namens XXXX sei ein Terrorist. Er habe eine bewaffnete Truppe, terrorisiere Leute innerhalb des Viertels XXXX und versuche seit Juni 2004, den Beschwerdeführer umzubringen. Im Juni 2004 habe er den Beschwerdeführer geschlagen und ihn aufgefordert, das Heimatviertel zu verlassen. Der Beschwerdeführer habe dies getan, sei aber wieder zurückgekehrt. Da er an einer Protestkundgebung gegen den Bombenschlag auf Sheikh Hasina – der Anschlag sei am 21.08.2004 verübt worden – teilgenommen habe, sei er bei der BNP und bei der „Jamayat-e-Islami“ (Jamaat-e-Islami; im Folgenden: JI) sehr bekannt geworden. Die Namen der Mitglieder der AL, die aktiv gegen die regierende Partei agiert hätten – darunter auch jener des Beschwerdeführers –, seien an die Unterorganisationen der BNP und der JI geschickt worden. Seither versuche der Beschwerdeführer, sich versteckt zu halten. Am 15.09.2004 sei er wieder nach Hause gekommen und habe gesehen, dass sein Elternhaus zerstört und sein Vater spitalsreif geschlagen worden sei. Am 10.10.2004 sei er von Mitgliedern der JD bzw. der „ XXXX “ auf der Straße angehalten, geschlagen und aufgefordert worden, innerhalb des Jahres das Land zu verlassen. Seither habe er sein Viertel nicht mehr betreten können und sich in anderen Teilen Dhakas aufgehalten. Innerhalb Dhakas zu leben, sei nicht möglich gewesen, da die Mitglieder der JL in ganz Dhaka von Mitgliedern der regierenden Parteien verfolgt würden. Daher habe der Beschwerdeführer versucht, (woanders) innerhalb von Bangladesch zu leben, aber nirgends sei er sicher gewesen. Er sei einmal nach Dhaka zurückgekehrt und habe zu Hause niemanden mehr angetroffen. Zuletzt habe er sich am 25.12.2004 zu Hause aufgehalten. Auf die Aufforderung, anzugeben, wo außerhalb Dhakas er sich aufgehalten habe, nannte der Beschwerdeführer den Namen nur einer Ortschaft. Er sei kurze Zeit außerhalb Dhakas gewesen, im November. Sein Vater habe den Vorfall, bei dem sein Haus zerstört worden sei, bei der Polizei anzeigen wollen, die Anzeige sei aber nicht entgegengenommen worden.

I.3. Bei einer weiteren Einvernahme vor dem BAA am 12.01.2006 wiederholte der Beschwerdeführer im Großen und Ganzen sein bisheriges Vorbringen. Am 15.09.2004 hätten Mitglieder der Bande XXXX das Elternhaus des Beschwerdeführers beschädigt. Davon habe er von Nachbarn gehört. Ob sein Vater dabei anwesend gewesen sei, wisse er nicht. Auf die Frage, warum er das nicht wisse, antwortete der Beschwerdeführer, sein Vater habe ihm das nicht detailliert erklärt. Auf den Vorhalt, er habe am 31.05.2005 angegeben, dass sein Vater bei dem Überfall spitalsreif geschlagen worden sei, antwortete der Beschwerdeführer zunächst nur, er habe alles schon einmal angegeben, und sodann, sein Vater sei doch im Haus gewesen und geschlagen worden. Auf den späteren Vorhalt, er hätte nicht in Dhaka bleiben müssen, sondern sich außerhalb Dhakas aufhalten können, antwortete er wieder zunächst damit, er habe diese Frage schon am 31.05.2005 beantwortet, und dann, er habe z.B. in XXXX versucht, Unterschlupf zu finden, sei aber nirgends sicher gewesen, mehr wisse er nicht mehr. Er sei zu verschiedenen Zeiten außerhalb Dhakas gewesen, wisse aber nicht mehr, wann dies gewesen sei.

I.4. Mit Bescheid vom 15.10.2007 wies das BAA den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (im Folgenden: AsylG 1997) ab (Spruchpunkt I.); gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 erklärte es, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bangladesch sei zulässig (Spruchpunkt II.); gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 wies es den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bangladesch aus (Spruchpunkt III.). Im Bescheid wurden zunächst die Niederschriften der Einvernahmen wörtlich wiedergegeben. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat begründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung zu gewärtigen habe. Sodann trifft das BAA Feststellungen zur Situation in Bangladesch. Beweiswürdigend heißt es, dass es sich bei der Schilderung der behaupteten Geschehnisse um ein unsubstantiiertes, formularmäßig vorgetragenes, teils widersprüchliches und im Übrigen auf keinerlei Beweismittel gestütztes Gedankengebäude handle, das augenscheinlich keine Basis in der erlebten Wirklichkeit des Lebens des Beschwerdeführers gehabt habe. Der Beschwerdeführer habe sich auf allgemein recherchierbare Situationen (wie den Anschlag auf Sheikh Hasina) beschränkt, Fragen nach seiner eigenen Person jedoch als lästig empfunden und auf seine Aussage vom 31.05.2005 verwiesen. Dabei sei es zu einem gravierenden Widerspruch gekommen: Am 31.05.2005 habe der Beschwerdeführer angegeben, sein Vater sei bei dem Überfall auf sein Haus spitalsreif geschlagen worden, am 12.01.2006 habe er nicht einmal mehr gewusst, ob sein Vater bei dem Überfall im Haus anwesend gewesen sei.

Rechtlich folgert das BAA, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft lägen nicht vor. Weiters verneint es, dass der Beschwerdeführer iSd § 8 Abs. 1 AsylG 1997 iVm § 57 Abs. 1 und 2 Fremdengesetz 1997 (im Folgenden: FrG) bzw. iVm § 50 Fremdenpolizeigesetz 2005 (im Folgenden: FPG) bedroht oder gefährdet sei, und begründet abschließend seine Ausweisungsentscheidung gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997.

I.5. Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig mit Schreiben vom 30.10.2007 Berufung eingebracht.

I.6. Am 05.02.2010 stellte ein Finanzamt einen Strafantrag nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz gegen eine näher genannte Person (als nach außen zur Vertretung einer näher genannten Kapitalgesellschaft Berufenen), der sich darauf stützte, dass drei Asylwerber, darunter der Beschwerdeführer, am 20.01.2010 beim Montieren einer Abdeckplane angetroffen worden waren. Davon wurde das BAA verständigt.

I.7. Mit Schreiben vom 29.07.2011 teilte der Asylgerichtshof (im Folgenden : AsylGH) den Parteien des Beschwerdeverfahrens mit, zu beabsichtigen, in seinem Erkenntnis Feststellungen zur Situation in Bangladesch zu treffen und sich dabei auf folgende Unterlagen und Berichte zu stützen:

-        Bericht des (deutschen) Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch vom 1. Juli 2008, Stand April 2008, Berlin

-        Home Office, UK Border Agency, Bangladesh. Operational Guidance Note. 6 February 2009

-        Home Office, UK Border Agency, Bangladesh. Country of Origin Information Report. 20 August 2010

-        U.S. Department of State, Country Reports on Human Rights, Bangladesh (8. April 2011)

Weiters gab der AsylGH bekannt, er gehe vorläufig davon aus, dass dem Beschwerdeführer – lege man sein Vorbringen zugrunde – die Möglichkeit offen stehe, sich in Bangladesch außerhalb seiner engeren Heimat niederzulassen, ohne sich der Gefahr der Verfolgung auszusetzen. Dies ergebe sich nach der vorläufigen Ansicht des AsylGH aus den oben genannten Berichten, die insoweit teilweise referiert wurden. Im Fall des Beschwerdeführers komme hinzu, dass er Verfolgung auf Grund seiner Verbindungen zur AL behauptet habe, dass diese Partei aber derzeit die Regierung stelle und die bei weitem größte Kraft im Parlament sei, sodass eine Verfolgung durch Gegner dieser Partei unwahrscheinlich geworden sei. Der AsylGH stellte es den Parteien des Verfahrens frei, innerhalb von zwei Wochen dazu Stellung zu nehmen sowie ein ergänzendes Vorbringen zu erstatten, das sich auf den Gegenstand des Verfahrens beziehe, insbesondere auch zur Frage der Integration des Beschwerdeführers (vor allem unter dem Gesichtspunkt familiärer und privater Bindungen).

I.8. Das BAA äußerte sich nicht; der Beschwerdeführer gab am 02.09.2011 eine Stellungnahme ab.

Der BF führte in einer Stellungnahme aus, in Bangladesch herrsche trotz dem Wechsel zum parlamentarischen Regierungssystem im Jänner 2009 bisher keine menschenrechtskonforme Situation. Wie prekär die Menschenrechtslage sei, zeige vor allem das besonders brutale Vorgehen der paramilitärischen Grenztruppen Bangladesh Rifles (BDR), bei dem neben Armeeangehörigen auch zahlreiche Zivilisten ums Leben kämen. Die Regierung weise immer wieder grobe Schwächen hinsichtlich des Schutzes von Menschenrechten, insbesondere der Religionsfreiheit auf. Religiöse Minderheiten wie Hindus seien immer wieder Ziele von Diskriminierungen jeder Art sowie Opfer von Gewalt der muslimischen Mehrheit. Bangladesch sei nicht nur das am dichtesten besiedelte Land der Welt, sondern zähle auch zu den ärmsten Ländern. Im „Index der menschlichen Entwicklung“ nehme es laut dem Bericht 2007/ 2008 des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen Platz 140 von 177 ein.

Weiters brachte der Beschwerdeführer vor, er arbeite bereits seit 2005 für „ XXXX “ und sei somit selbsterhaltungsfähig. Er sei sozialversichert, besuche Deutschkurse und habe am 26.08.2011 eine Deutschprüfung auf dem Niveau A2 abgelegt.

Dazu legte der Beschwerdeführer verschiedene Unterlagen vor (Abrechnungen XXXX ., eine Bestätigung derselben Gesellschaft, dass der Beschwerdeführer seit 08.11.2010 für sie als selbständiger Unternehmer [Zeitungskolporteur] tätig sei, sein monatliches Netto-Durchschnittsverdienst betrage € 415,51; einen Versicherungsdatenauszug vom 01.09.2011; eine Urkunde über eine private Unfallversicherung; eine Bestätigung des Clubs für Interkulturelle Begegnung, dass der Beschwerdeführer „den A-2-Test“ am 26.08.2011 abgelegt und nach der Beurteilung des Clubs bestanden habe; weitere Bestätigungen über Sprachkurse auf niedrigerer Niveaustufe des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen als A2).

I.9. Der AsylGH wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom 29.12.2011, XXXX gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 AsylG 1997 und 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 als unbegründet ab.

I.10. Am 16.04.2015 stellte der BF einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz (AS 9).

I.11. Im Rahmen der Erstbefragung am selben Tag (AS 7–13) gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, er habe grundsätzlich in seine Heimat Bangladesch zurückkehren wollen. Im Jahr 2012 und am 01.09.2014 habe er bei der Caritas eine freiwillige Rückkehrentscheidung unterschrieben und bei der Botschaft in Berlin 2014 einen Reisepass beantragt, welchen er jedoch noch nicht erhalten hätte. Sein Vater habe ihm gestern im Zuge eines Telefonats mitgeteilt, dass die Kriminalpolizei auf der Suche nach der Person des BF bei ihm gewesen sei. Er sei angezeigt worden, einen Molotowcocktail auf einen Linienbus geworfen zu haben. Hierbei wären zwei Menschen ums Leben gekommen. Er habe Österreich seit seinem Asylantrag im Jahr 2010 noch nie verlassen. Sein Vater habe ihm gesagt, bei einer Rückkehr würde man ihn einsperren oder töten. Im Übrigen habe er seinen Vater ersucht, ihm Unterlagen bezüglich der Anzeige zu übermitteln.

Befragt, warum er erst jetzt einen (neuerlichen) Asylantrag stelle, erwiderte der BF: „Weil ich in Österreich bleiben möchte.“

I.12. Im Rahmen der Einvernahme im Asylverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 30.06.2016 (AS 41–59) gab der BF zu Protokoll, dass er aufgrund von Problemen mit heimatlichen Behörden in Österreich sei. Er hätte noch keine Dokumente diesbezüglich besorgen können. Die Familie kooperiere nicht mit ihm. Er habe seinen Vater gebeten, ihm die Papiere zu schicken. Seitdem habe die Familie den Kontakt zu ihm abgebrochen, da diese nicht wolle, dass er in das Land zurückkehre. Er sei bereits seit zwölf Jahren hier. Nach dem er in seinem ersten Asylverfahren im Jahr 2012 eine negative Entscheidung bekomme habe, hätte er bei der MA 35 ein Visum beantragt. Allerdings hätte er nicht alle Papiere abgegeben, da er angedacht habe wegzugehen bzw. zurückzugehen. Er sei zweimal bei der Caritasrückkehrhilfe – 2013 und 2014 – gewesen.

Letztmals habe er vor ca. sechs Monaten mit seinem Vater telefoniert, um die Papiere zu erhalten. Dieser habe geantwortet, dies nicht tun zu können. Sein Vater wolle nicht, dass er nach Bangladesch zurückkehre. Es gebe auch niemanden, der in der Lage sei, die Papiere zu organisieren. Sein Vater sei auch krank. Dieser habe bereits einen Herzinfarkt erlitten und leide an Diabetes.

Auf Vorhalt, wonach er bereits im Erstverfahren angegeben habe, die Papiere zu organisieren, erwiderte der BF, dass er nicht zurückkehren könne und niemanden hätte, der ihm die Papiere organisiert. Die Papiere könne man um € 2.000,– auf der Straße kaufen, aber er hätte auch zu wenig Geld.

Ob es in Bangladesch eine Anzeige gegen ihn gebe, wisse er zu diesem Zeitpunkt nicht. Er wisse über keinerlei Dinge in Bangladesch Bescheid.

Im ersten Verfahren habe er von einem Mann namens XXXX in seiner Ortschaft gesprochen. Dieser habe ihn umbringen wollen und sei auf der Suche nach ihm gewesen.

Befragt, warum er neuerlich einen Asylantrag stelle, erklärte der BF, dass ihm sein Vater im Zuge eines Telefonats mitgeteilt habe, dass er immer noch gesucht werden würde. Ob es einen Haftbefehl gebe, könne er nicht sagen. Auch so sei es in ihrer Ortschaft sehr gefährlich. In ihrer Ortschaft passieren oft Morde aus politischen Motiven. Er habe die Hoffnung gehabt, dass ihm sein Vater die Papiere besorge und schicke. Er könne jetzt keine Dokumente herzeigen.

Er sei bei der AL politisch tätig gewesen. Nun sei er seit 2007 oder 2008 Mitglied bei der BNP. Er hätte kein Interesse an der Partei. Er wolle keine anderen Leute sehen und würde zu Hause bleiben. Wer ihn in Bangladesch noch immer suchen sollte, könne er von hier nicht sagen.

Im Falle der Rückkehr würde ihn die Regierung töten. Man gebe in Bangladesch – anders als in Österreich – dem Leben keinen Wert.

Im Übrigen wurde dem BF angeboten, in die von der belangten Behörde herangezogenen Länderfeststellungen zu seinem Herkunftsstaat Einsicht und in der Folge hierzu Stellung zu nehmen. Der BF verzichtete auf diese Möglichkeit (AS 55).

Der BF brachte im Rahmen des gegenständlichen Asylverfahrens zahlreiche Unterlagen zu seiner Integration in Österreich in Vorlage. Konkret handelte es sich hierbei unter anderem um zahlreiche Exekutionsunterlagen, einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag vom 08.05.2015, einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag vom 23.08.2016, Unterlagen bezüglicher ausländerbeschäftigungsrechtlicher Verfahren, einen Versicherungsdatenauszug vom 29.09.2016, ein Schreiben der MA 35 vom 05.08.2013 zur Wahrung des Parteiengehörs in einem Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, einen Bescheid der MA 35 vom 27.08.2013 bezüglich der Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, Abrechnungen XXXX ., eine weitere Bestätigung derselben Gesellschaft, dass der Beschwerdeführer seit 15.12.2008 mit einer Unterbrechung vom 23.02.2009 bis 07.02.2010 für sie als selbständiger Unternehmer [Zeitungskolporteur] tätig sei, sein monatliches Netto-Durchschnittsverdienst betrage € 163,81, weitere Abrechnungen der XXXX , eine Wohnbestätigung vom 22.01.2016, ein Mietvertrag vom 21.04.2016, eine Vereinsbestätigung des XXXX vom 10.12.2015, eine Mitgliedsbestätigung der XXXX vom 16.08.2016, eine Mitgliedsbestätigung des XXXX vom 15.08.2016 und eine Bestätigung des Clubs für Interkulturelle Begegnung, dass der Beschwerdeführer „den A-2-Test“ am 26.08.2011 abgelegt und nach der Beurteilung des Clubs bestanden habe (AS 67–287).

I.13. Mit Bescheid vom 13.10.2016 (AS 291–340) wies das BFA Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch ab (Spruchpunkt II.), erteilte einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1–3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Dem Fluchtvorbringen wurde die Glaubwürdigkeit versagt (AS 328–330).

I.14. Mit Verfahrensanordnung vom 18.10.2016 (AS 353–354) wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

I.15. Mit Schriftsatz vom 03.11.2016 erhob der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, wobei der Bescheid in allen Spruchpunkten angefochten wurde. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16.12.1999, 99/20/0524) verwiesen.

I.16. Mit hg. Erkenntnis vom 19.04.2017, XXXX , wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 13.10.2016 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt A) und die Revision für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt B). Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

I.17. Mit Beschluss des VwGH vom 09.06.2017, XXXX , wurde der Antrag auf Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.04.2017 abgewiesen.

I.18. Mit Beschluss des VfGH vom 07.07.2017, XXXX , wurde dem Antrag auf Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.04.2017 wegen Aussichtslosigkeit abgewiesen.

I.19. Der BF kam seiner rechtskräftigen Ausreiseverpflichtung nicht nach und zog es demgegenüber vor, seinen illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet fortzusetzen.

I.20. Mit Telefax vom 25.07.2017 legte der BF durch den XXXX Urkunden vor (Mitgliedschaftsbestätigungen der XXXX , Mitgliedschaftsbestätigung des XXXX , Mitgliedschaftsbestätigung des XXXX , arbeitsrechtlicher Vorvertrag, Kursbesuchsbestätigung für einen Deutschkurs Niveau A1+, Mitgliedskarte des XXXX , Kursbesuchsbestätigung für einen Deutschkurs Niveau A1, Deutschzertifikat Niveau B1, Deutschzertifikat Niveau A1).

I.21. Am 15.01.2018 wurde der BF vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei machte er Angaben zu Verfahren vor der XXXX und von Problemen. Er habe schon in Österreich eingelebt und wolle hierbleiben. Er habe bereits eigenständig versucht, die bei seiner Vertretungsbehörde am 10.01.2018 vorzusprechen, um ein authentisches Dokument zu erlangen. Er sei unbescholten und in der Grundversorgung. Er sei ledig und ohne Sorgepflichten und habe in Österreich keine familiären Bindungen. Er sei vor zwei Jahren als Zeitungszusteller tätig gewesen. Er besuche Onlineschulungen und wolle Koch werden. Er lebe mit fünf Mitbewohnern bengalischer Abstammung in einer ca. 60 m2-großenn Wohnung. Derzeit sei sein tägliches Handeln auf seine Therapie und damit verbundenen Übungen ausgerichtet. Laut heutiger Facebookmitteilung habe der Machthaber angeordnet, alle Teilnehmer einer Demonstration zu erschießen.

I.22. Am 17.06.2020 wurde der BF vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, Rückenprobleme zu haben, derentwegen er seit ein paar Jahren in Behandlung sei. Er arbeite bei der Caritas freiwillig in der Kirche. Diesen Tätigkeiten gehe er zwei- bis dreimal die Woche nach und arbeite ca. 20 Stunden in der Woche auf freiwilliger Basis. Der BF führe in Österreich kein Familienleben. Der BF habe Onlinekurse für Webdesign besucht, er sei gelernter Koch und wolle sich in Zukunft ein eigenes Geschäft aufbauen. Er habe auch einen Deutschkurs Niveau B1 erfolgreich absolviert. Der BF legte Dokumente vor (Vorvertrag Küchenhilfe 15.06.2020, Mitgliedskarte XXXX , zwei Referenzschreiben, Vereinsmitgliedschaftsbestätigung „ XXXX “, Vereinsmitgliedschaftsbestätigung „ XXXX “, Berichte zur derzeitigen Situation in Bangladesh bzgl. Corona). Befragt, ob er noch etwas angeben wolle, gab der BF folgendes zu Protokoll (sprachliche Unzulänglichkeiten im Original): „Ich habe B1 und B2 abgeschlossen, wenn das noch immer nicht ausreicht kann ich B2 auch noch machen. Es sind bereits 15 Jahre vergangen und ich habe noch keinen Bescheid bekommen. Bei der Caritas bekomme ich 356€ – das ist nicht genug zum Leben. Ich habe 2x versucht eine Arbeitsbewilligung beim AMS zu erhalten aber ich habe eine negative Entscheidung erhalten – ich möchte einfach hier arbeiten können um ein ordentliches Einkommen zu haben und ein menschenwürdiges Leben zu führen. Ich bitte um eine Aufenthaltsbewilligung. Alle 15 Jahre war ich immer hier, ich werde immer älter – das Leben ist nicht mehr so wie früher. Als ich hier angekommen bin war ich 25, jetzt bin ich schon über 40.“

I.23. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen und im Spruch bezeichneten Bescheid vom 16.07.2020 erteilte das BFA dem BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG 2005 nicht (Spruchpunkt I.), erließ gegen den BF gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt II.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt III.) und setzte die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1–3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das BFA insbesondere aus, es lägen keine Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

I.24. Dagegen erhob der BF durch den XXXX innerhalb offener Frist gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin moniert er im Wesentlichen, die Begründung des Bescheides sei äußerst knapp. Hinsichtlich der Beurteilung ob die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung nach Art. 8 EMRK gegeben sei, sei eine gesamtheitliche Betrachtung vorzunehmen. Daher ersuche er um Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Den Behauptungen des BFA zur mangelnden Integration des BF werde widersprochen. Der BF lebe seit 15 Jahren in Österreich und er sei um Integration bemüht. Er könne sich im Alltag auf Deutsch verständigen und er wäre unzweifelhaft selbsterhaltungsfähig. Es sei nicht erklärlich, wieso die bewiesenen Integrationsschritte des BF weniger wert wären, als im laufenden „Asylverfahren“. Bei einem derart langen Aufenthalt wäre nach der Rechtsprechung des VwGH grundsätzlich von einer Integration auszugehen sei. Dass der BF seinen Aufenthalt seit 2005 iSd Judikatur des VwGH überhaupt nicht genutzt habe um sich zu integrieren, wäre „eine geradezu absurde Behauptung“. Einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet strebe der BF an, weil er in Bangladesch Verfolgung fürchte. Die unberechtigten „Asylanträge“ des BF stünden in keinem Zusammenhang mit seinem schützenswerten Privat- und Familienleben. Er habe die sozialen Anknüpfungspunkte nach Bangladesch in den letzten 15 Jahren verloren. Ein soziales Auffangnetz habe der BF in Bangladesch nicht. Zusammenfassend müsse „festgestellt werden“, dass die Beweiswürdigung „des Bundesasylamtes“ [sic] den Mindestkriterien für eine überzeugende Argumentation in keiner Weise erfülle und insbesondere in sich nicht konsistent sei. Das BFA habe es unterlassen, sich mit der konkreten Situation des BF auseinanderzusetzen. Daher sei eine rechtliche Auseinandersetzung mit seinem Vorbringen nicht möglich.

Die Beschwerde stellt die Anträge, dem BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen, festzustellen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, festzustellen, dass die Abschiebung nach Bangladesch unzulässig sei, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, aufschiebende Wirkung zu gewähren, allenfalls das Verfahren an die erste Instanz zurückzuverweisen, sowie einen „Duldungsstatus“ zuzuerkennen.

I.25. Mit Schreiben vom 20.08.2020 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.26. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des BVwG vom 02.06.2021 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung L 508 abgenommen und der Gerichtsabteilung W 195 neu zugewiesen.

I.27. Mit Schreiben vom 16.07.2021 wurde zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen und damit dem BF auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 06.08.2021 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.

I.28. Am 06.08.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

Zu den persönlichen Verhältnissen befragt führte der BF – zusammengefasst – aus, dass er Rückenprobleme habe. Zu seinen Verwandten in Bangladesch habe er nur sporadisch Kontakt, in Österreich habe er keine Verwandten. Er habe keine Kinder und keine Beziehung.

Zur Ausbildung gab der BF an, dass er das College in Bangladesch abgebrochen habe. Er habe sich selbst die Arbeit als Koch gelernt, einen Beruf habe er nicht erlernt. Seine Deutsch-Kenntnisse sind, wie in der Verhandlung festgestellt wurde, ausreichend vorhanden, um eine Konversation n deutscher Sprache durchzuführen, der Sprachwortschatz ist begrenzt.

Der BF werde monatlich von der Caritas unterstützt. Er zahle für die Wohnung € 150 monatlich sie seien zu viert auf ca 50 m² untergebracht. Er würde den ganzen Tag „träumen“ und sich über Aktien informieren. Er würde gerne einen Online-Handel gründen.

Nachgefragt, weshalb sich der BF – trotz zahlreicher anderslautender Entscheidungen österreichischer Behörden und Gerichte – noch im Bundesgebiet aufhalte, meinte dieser, er wisse nicht, wohin er gehen sollte.

Er befände sich mittlerweile fast 16 Jahre im Bundesgebiet. Er wolle hier arbeiten und leben, er fühle sich zu Österreich verbunden. Er hätte auch kein Geld, wo anders hinzugehen. Er hätte in Bangladesch niemanden mehr. Auf die Bemerkung, dass er auch in Österreich niemanden habe, meinte der BF, dass er hier viele Bekannte und Freunde habe. Bangladesch sei ein Entwicklungsland, die Menschen in den Industrieländern wüssten nicht, wie das Leben dort sei.

Zu seinen Fluchtgründen gab der BF an, er sei aus Bangladesch geflohen, als die BNP an der Macht war. Nunmehr habe er die Seiten gewechselt, aber jetzt sei die Awami League an der Macht. Auch die Anhänger der jeweiligen Parteien würden sich nicht mehr leiden können.

Weitere politische Fragen, insbesondere zur BNP, konnte der BF nicht beantworten.

Abschließend ersuchte der BF nochmals, im Bundesgebiet bleien zu können und verwies auf einen bestehenden Arbeitsvorvertrag.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:

Der unter Punkt I dargestellte Sachverhalt wird als gegeben festgestellt.

Die Feststellungen aus den bisherigen, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren des Asylgerichtshofes zu XXXX vom 29.12.2011, des BVwG zu XXXX , XXXX sowie die Beschlüsse des VwGH vom 09.06.2017 und des VfGH vom 07.07.2021 werden der vorliegenden Entscheidung zu Grunde gelegt.

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali. Der BF ist in Dhaka geboren hat dort gelebt. Er hat in seinem Heimatland für zehn Jahre die Schule besucht und vor seiner Ausreise aus Bangladesch als Hilfsarbeiter gearbeitet.

Der BF ist ledig und hat keine Kinder. In Bangladesch halten sich Verwandte auf, zu denen der BF sehr sporadisch Kontakt hat.

Der BF ist im Mai 2005 illegal in das Bundesgebiet eingereist und hält sich seitdem im Bundesgebiet auf.

Der BF ist nicht in die Grundversorgung einbezogen. In Österreich hilft der BF freiwillig in einer Küche, wobei er dies für ca. 20 Wochenstunden betreibt. Der BF hat einen Arbeitsvorvertrag als Küchenhilfe, ist Mitglied beim XXXX , beim XXXX , bei der XXXX und der XXXX . In Österreich führt der BF kein Familienleben (AS 675 ff.).

Der BF verfügt über für eine Verständigung ausreichende Deutschkenntnisse. Er hat Deutschzertifikate bis zum Niveau B1 vorgelegt. Er ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF hat Rückenprobleme; er hat einen Bandscheibenvorfall, wegen dem er in Österreich behandelt wird. Der BF hatte in der Vergangenheit eine Hepatitis B, er ist nikotinabhängig. 2019 war er wegen Schistosomiasis, Aszites und tuberkulösen Peritonitis in Behandlung, ansonsten ist er gesund.

II.1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Der BF hat keine gegenüber früheren Verfahren substantiierten neuen Fluchtgründe dargelegt.

II.2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Hinsichtlich der Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des BF sowie zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und seiner Muttersprache wird den bereits im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen des BFA gefolgt, an denen sich im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel ergeben haben, zumal diese Feststellungen, die auf den im Verfahren vor dem BFA getätigten eigenen Angaben des BF gründen, im vorliegenden Beschwerdeschriftsatz auch nicht beanstandet wurden.

Die Identität des BF konnte – mangels Vorliegens geeigneter Identitätsnachweise – seitens des Bundesverwaltungsgerichtes nicht festgestellt werden und der im Spruch angeführte Name und das angeführte Geburtsdatum des BF dienen lediglich zur Identifizierung des BF als Verfahrenspartei. Auch das BFA bediente sich der im Spruch angegeben Daten lediglich zur Zuordnung des BF im Administrativverfahren und dies wurde in der Beschwerde ebenso nicht moniert.

Die Feststellungen zur Herkunft des BF (geboren und gelebt in Bangladesch), seiner absolvierten Schulausbildung, seinem Familienstand und seinen in Bangladesch aufhältigen Familienangehörigen ergeben sich aus den Angaben des BF in der Beschwerdeverhandlung.

In die österreichischen amtlichen Register (Grundversorgungs-Informationssystem, Fremdeninformationssystem, Zentrales Melderegister, Strafregister) wurde Einsicht genommen und sind die sich daraus ergebenden Daten in die Entscheidung eingeflossen.

Dass der BF über private Anknüpfungspunkte in Österreich verfügt, ist differenziert zu betrachten. So hat er lediglich nachgewiesen, nicht in die Grundversorgung einbezogen zu sein, in Österreich freiwillig in der Küche zu helfen, wobei er dies für ca. 20 Wochenstunden betreibt (AS 675, 685), er einen Arbeitsvorvertrag als Küchenhilfe hat (AS 677, 685), er Mitglied beim XXXX (AS 603 ff., 677, 691), beim XXXX (AS 677, 697), bei der XXXX (AS 677, 699) und der XXXX (AS 613 ff.) ist. Insbesondere führt er aber kein Familienleben (AS 675 ff.).

Auch dem Beschwerdeschriftsatz lassen sich keine darüberhinausgehenden substantiierten Ausführungen dahingehend entnehmen; er beschränkt sich auf das Vorbringen, dass sich der BF seit 15 Jahren im Bundesgebiet befindet und sich um Integration bemühe.

II.2.2. Dass der BF am 25.05.2005 illegal in das Bundesgebiet eingereist ist und in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist dem Administrativakt zu entnehmen. Die getroffenen Feststellungen zu den rechtskräftig ergangenen Entscheidungen, auch hinsichtlich der nachfolgenden Anträge, basieren auf den diesbezüglich im Akt einliegenden gerichtlichen/behördlichen Entscheidungen und wurden im Rahmen der Beschwerdeverhandlung auf entsprechenden Vorhalt vom BF nicht bestritten.

Dass der BF sich seit Mai 2005 ununterbrochen im Bundesgebiet aufhält, ist unstrittig und der BF bekräftigte diesen Umstand zudem mehrmals selbst im Beschwerdeverfahren.

II.2.3. Dass der BF in Österreich über keine Familienangehörigen verfügt, gab dieser bereits vor dem BFA zu Protokoll. Im Beschwerdeverfahren haben sich keine zudem keine Hinweise auf familiäre Beziehungen des BF in Österreich ergeben.

Die Feststellungen zu den in Bangladesch aufhältigen Verwandten des BF beruhen ebenso auf dessen bereits vor der Behörde und in weiterer Folge vor dem Bundesverwaltungsgericht getätigten eigenen Angaben.

Die Feststellungen betreffend die Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 des BF gründen sich zum einen auf diesbezüglich vom BF vorgelegte Bestätigungen. Zum anderen konnten im Rahmen der Beschwerdeverhandlung beim BF entsprechende Deutschkenntnisse festgestellt werden. Dass der BF während seines bisherigen Aufenthaltes im Bundesgebiet zeitweilig freiwillig oder als geringfügig beschäftigt gemeldet gewesen ist, geht aus den vorgelegten Unterlagen und Registerauszügen hervor. Der BF führte im Beschwerdeverfahren zudem aus, in Österreich bei seinen bisherigen Anstellungen als „angelernter“ Koch bzw. Zeitungszusteller tätig gewesen zu sein, jedoch über keine Berufsausbildung im juristischen Sinn zu verfügen. Der BF legte einen Vorvertrag für eine Tätigkeit als Hilfskraft in einem Gastronomiebetrieb vor.

Dass der BF in Österreich soziale Kontakte geknüpft hat, brachte er im Rahmen des Beschwerdeverfahrens mehrfach vor. Diese sozialen Kontakte fokussieren sich jedoch auf bengalische Freundschaften. Nichts desto trotz ist allein auf Grundlage des mehr als 15 Jahre andauernden Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet – bereits nach der allgemeinen Erfahrung – jedenfalls davon ausgegangen, dass der BF in Österreich über ausreichend soziale Kontakte verfügt. Dass der BF im Bundesgebiet in keiner Lebensgemeinschaft lebt, gab der BF auf entsprechende Nachfrage vor dem Bundesverwaltungsgericht zu Protokoll. Die Feststellungen zur Wohnsituation des BF in Österreich basieren auf dessen eigenen Angaben im Rahmen der Beschwerdeverhandlung.

Die Feststellung, dass der BF strafrechtlich unbescholten ist, ist einem im Akt einliegenden aktuellen Auszug aus dem Strafregister zu entnehmen.

Dass der BF an gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet wurde zwar vorgebracht, diese sind jedoch nicht lebensbedrohlich.

II.2.4. Dass der BF im Rahmen seiner Antragstellung kein gültiges Reisedokument vorgelegt hat, ist unstrittig. Diesbezüglich wird auf die im Akt befindliche Bestätigung der Botschaft der Volksrepublik Bangladesch vom 19.04.2019, hingewiesen, der zu Folge die Botschaft sich nicht in der Lage sieht, einen Reisepass auszustellen, weil die Identität des BF nicht geklärt werden konnte (AAS 609).

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA. Somit ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

II.3.2. Zu A) Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005:

II.3.2.1. Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen: 1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, 4. der Grad der Integration, 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit, 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, 8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren und 9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des
Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die bereits oben genannten Kriterien zu berücksichtigen.

Bei der Gesamtbeurteilung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffes in das Privat- und Familienleben sind gemäß Art. 8 EMRK alle relevanten Umstände seit der Einreise eines Fremden zu berücksichtigen (vgl. VwGH 16.12.2014, 2012/22/0148).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (vgl. VfSlg. 17.516 sowie VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

Unter dem Privatleben sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente spielt jedoch insofern eine zentrale Rolle, da – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, dass „der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren […] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann ein über zehnjähriger inländischer Aufenthalt den persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet – unter Bedachtnahme auf die jeweils im Einzelfall zu beurteilenden Umstände – ein großes Gewicht verleihen (vgl. VwGH 10.05.2011, 2011/18/0100, mwN). Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, sind Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (vgl. zuletzt VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0243).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist aber auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren. Es ist daher auch in Fällen eines mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthaltes eine Gesamtabwägung unter Einbeziehung aller fallbezogen maßgeblichen Aspekte vorzunehmen, wenn auch unter besonderer Gewichtung der langen Aufenthaltsdauer (vgl. VwGH 29.08.2018, 2018/22/0180).

Das Bundesverwaltungsgericht ging im Rahmen der früheren Entscheidungen, welche vom VwGH und VfGH im Jahr 2017 bestätigt wurden, in der Interessensabwägung unter Berücksichtigung der langen Aufenthaltsdauer und geringeren Integration des BF von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bestimmungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus.

Nunmehr ist – nicht zuletzt auf Grund der weiteren Zeitspanne des Aufenthaltes des BF, davon auszugehen, dass der langen Aufenthaltsdauer des BF entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt und beim BF eine nicht zu vernachlässigende Verankerung des BF im Inland vorliegt, sodass es darauf ankommt, ob Umstände vorliegen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer des BF im Inland relativieren.

In diesem Zusammenhang wird auf die ständige Rechtsprechung des VwGH hingewiesen (VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0243-9 mwN).

Dem BF ist zuzugestehen, dass er sich nunmehr bereits seit mehr als 15 Jahren in Österreich aufhält und er während der Dauer der Asylverfahren auch zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen ist. Auch ist dem BF zuzugestehen, dass er während seines bisherigen Aufenthaltes Integrationsschritte gesetzt, soziale Bindungen geknüpft und sich Deutsch-Kenntnisse angeeignet hat sowie immer wieder beruflich tätig gewesen ist.

Die Aufenthaltsdauer des BF wird zwar dadurch relativiert, dass der BF bis zum rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens lediglich auf Grund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet zum Aufenthalt berechtigt gewesen ist und sich – zusammengerechnet - über manche Jahre unrechtmäßig in Österreich aufhält. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs darf die Bedeutung dieses Umstandes in einem Fall, der durch einen mehr als fünfzehnjährigen Inlandsaufenthalt gekennzeichnet ist, aber nicht überbewertet werden, zumal zunächst nicht ausgeklammert werden darf, dass die Asylverfahren des BF, ohne dass ihm das erkennbar angelastet werden könnte, ebenfalls über zahlreiche Jahre dauerten. (VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0243, mwN)

Unter Berücksichtigung aller Umstände überwiegen daher nach der angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Ergebnis im gegenständlichen Verfahren die privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet, weshalb die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

II.3.2.2. Eine „Aufenthaltsberechtigung plus" ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 zu erteilen, wenn 1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBI. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBI. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

Gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 ist eine „Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegen.

Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 Abs. 4 IntG erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,

2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBI. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,

4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder

5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBI. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

Gemäß § 11 Abs. 2 IntG umfasst die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit "Bestanden" oder "Nicht bestanden" zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig.

Gemäß der Übergangsbestimmung des Art. 81 Abs. 36 NAG gilt das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 (Anm: Inkrafttreten 01.10.2017) erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren.

Gemäß § 14a Abs. 4 NAG idF vor dem BGBl. I Nr. 68/2017 ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt,

2. einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 vorlegt,

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht oder

4. einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 besitzt.

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies:

Der BF verfügt über ein Sprachzertifikat Deutsch des österreichischen Integrationsfonds Niveaustufe B1 des Europarates vom 30.06.2011. Damit hat der BF die Voraussetzungen des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß 14a NAG vor dem Inkrafttreten des BGBl. I Nr. 68/2017 am 01.10.2017 erfüllt.

Es ist dem BF somit gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen.

Gemäß § 54 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 berechtigt der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975.

Das BFA hat dem Antragsteller den Aufenthaltstitel gemäß § 58 Abs. 7 AsylG 2005 auszufolgen, der Antragsteller hat hieran gemäß § 58 Abs. 11 AsylG 2005 mitzuwirken. Der Aufenthaltstitel gilt gemäß § 54 Abs. 2 AsylG 2005 zwölf Monate lang, beginnend mit dem Ausstellungsdatum. Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG 2005 sind nicht verlängerbar.

II.3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, vielmehr beruht die gegenständliche Entscheidung auf einer bezughabenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides ausführlich wiedergegeben.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltsdauer Berufstätigkeit Deutschkenntnisse illegaler Aufenthalt Integration Interessenabwägung Privat- und Familienleben Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W195.1315574.4.00

Im RIS seit

29.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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