TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/2 W211 2218327-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.09.2021
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Entscheidungsdatum

02.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


W211 2218327-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid vom XXXX behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (idF BF), eine Staatsangehörige des Iran, stellte am XXXX 2019 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, den sie zusammengefasst damit begründete, dass sich ihre Tochter wie auch sie selbst zum Christentum zugehörig gefühlt hätten.

Bei ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde gab die BF weiter soweit wesentlich an, dass die Familie deswegen, weil ihre Tochter in der Schule über ein Interesse am christlichen Glauben gesprochen habe, Probleme bekommen habe. Der Mann der BF sei befragt worden. Die BF sei mittlerweile zum Christentum konvertiert.

Im Rahmen einer ergänzenden Einvernahme gab die BF weiter soweit wesentlich an, dass ihre Tochter nach wie vor im Iran versteckt sei, und ihr Mann seinen Job verloren habe. Die BF besuche nun eine Kirche und wolle recherchieren, ob sie Katholikin oder Protestantin werden wolle.

Mit Bescheid vom XXXX 2019 wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen und ihr in Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Schließlich wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig eine Beschwerde eingebracht und später ein Taufschein der XXXX vorgelegt.

Am Bundesverwaltungsgericht fanden am XXXX 2019 und am XXXX 2019 mündliche Beschwerdeverhandlungen statt.

Mit Erkenntnis vom 11.11.2019 wurde die Beschwerde der BF gegen den Bescheid vom XXXX 2019 abgewiesen und zusammengefasst festgestellt, dass die BF in Österreich am XXXX 2019 von der XXXX ( XXXX ) getauft worden sei und regelmäßig, ca. zweimal pro Monat, eine sonntägliche Gemeindefeier („Anbetung“) besuche. Eine innere Konversion, ein Glaubensübertritt der BF aus Überzeugung, könne jedoch nicht festgestellt werden. In weiterer Folge könne auch keine Gefährdung der BF durch die iranischen Sicherheitskräfte wegen einer auch nur unterstellten Konversion festgestellt werden. Ebenso könne keine Gefährdung der BF im Falle einer Rückkehr in den Iran durch ihren ehemaligen Mann festgestellt werden, genausowenig wie eine Gefährdung aufgrund einer „westlichen Orientierung“.

2. Die BF stellte am XXXX 2021 einen weiteren, den gegenständlichen, Antrag auf internationalen Schutz. Bei ihrer Erstbefragung am selben Tag gab sie soweit wesentlich an, mittlerweile zwei Bücher geschrieben zu haben und deswegen von unbekannten Personen bedroht worden zu sein. Sie setze sich auch in sozialen Medien für die Rechte der Frauen ein.

Bei ihrer Einvernahme durch die belangte Behörde am XXXX 2021 gab die BF soweit wesentlich weiter an, in einem iranischen Frauenrechtsverein aktiv zu sein. Ihr aktueller Fluchtgrund sei nicht ihr christlicher Glaube. Aus einem vorgelegten Fotoalbum würden auch Fotos über Verletzungen durch ihren Ehemann hervorgehen. Ihre Tochter sei vor drei Tagen aus dem Haus geworfen worden und bei der Mutter der BF untergekommen. Das eine Buch, das die BF geschrieben habe, handle über ihren Ehemann und die erzwungene Ehe. Deswegen wolle er sie nun unter Druck setzen. Ihre Bücher würden von ihrem Leben im Iran und darüber, wie sie Christin geworden sei, erzählen. Sie habe auch ein drittes Buch über die Quarantäne und Corona geschrieben. Weiter könne sie Ausdrucke aus Instagram mit Drohungen vorlegen. Es gäbe Verlage für die (ersten beiden) Bücher, die über das Internet verkauft würden. Im Falle der Rückkehr in den Iran habe sie Angst vor ihrem Ehemann und den Schwiegereltern. Weiter lege sie eine Ladung aus 2019 vor. Beigelegt wurden ein Ausdruck eines englischsprachigen Textes der BF mit dem Titel „ XXXX “, ein Schreiben einer christlichen Gemeinde, eine Übersetzung einer Ladung aus 2019, ein nur von der BF unterschriebener Verlagsvertrag von XXXX , ein Text in Farsi, Fotos sowie Ausdrucke aus Social Media Accounts. Ebenso vorgelegt wurde eine Anzeigenbestätigung der LPD Wien vom XXXX 2021 wegen des Verdachts auf gefährliche Drohung durch unbekannt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom XXXX 2021 hinsichtlich des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiter wurde festgestellt, dass die Abschiebung der BF in den Iran zulässig ist (Spruchpunkt V.) und keine Frist für die freiwillige Ausreise erteilt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wies die belangte Behörde soweit wesentlich insbesondere darauf hin, dass das Instagram-Profil privat gestellt werden könne und nur aus den anonymen Kommentaren eine Bedrohung ableitbar wäre, die man jedoch auch selbst verfassen könne. Die Konversion ins Christentum sei bereits im früheren Verfahren behandelt worden. Der Verlagsvertrag sei vom Verlag nicht unterschrieben und könne als pdf. aus dem Internet runtergeladen werden. Im Buchhandel seien die Bücher nicht erwerbbar und unter dem deutschen Titel im Internet nicht auffindbar. Den Angaben zur schlechten Behandlung der BF durch ihren Mann werde kein Glauben geschenkt. Deswegen sei insgesamt kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt vorgebracht worden.

Am XXXX 2021 wurde eine Beschwerde gegen den Bescheid eingebracht und zusammengefasst vorgebracht, dass das erste Buch in Farsi sei und den übersetzten Titel „ XXXX “ trage; es sei vom XXXX -Verlag veröffentlich worden, habe eine ISBN Nummer und sei über die Website des Verlags zu beziehen. Das zweite Buch, ebenfalls auf Farsi, heiße auf Deutsch „ XXXX “ und beschreibe den Weg der BF zum Christentum. Es habe auch eine ISBN Nummer und werde durch einen Verlag in London verlegt, wobei der vollständig unterzeichnete Vertrag nunmehr beigelegt worden sei. Die BF sei weiter auf Demonstrationen und Social Media aktiv, wo sie die Seite „ XXXX “ betreibe. Aufgrund dieser Umstände sei sie regelmäßigen Bedrohungen im Internet ausgesetzt. Sie habe dazu Beweismittel vorgelegt, wobei die belangte Behörde keine ausreichenden Ermittlungen geführt habe.

Die Beschwerde und der Verwaltungsakt langten am XXXX 2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF stellte am XXXX 2019 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, wobei eine Beschwerde gegen einen abweisenden Bescheid der belangten Behörde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 11.11.2019 abgewiesen wurde. Am XXXX 2021 stellte die BF einen neuerlichen, den gegenständlichen, Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Nach dem 11.11.2019 verfasste die BF Texte zu ihrem Leben im Iran und zu ihrer Glaubensentwicklung. Die BF bringt vor, dass der eine Text Frauenfragen behandle, und beide Texte durch Internetverlage veröffentlicht worden seien. Beide Texte hätten auch bereits Leser_innen gefunden und verfügten über ISBN-Nummern.

Damit ergab das Ermittlungsverfahren aufgrund des Folgeantrags vom XXXX 2021, dass neue Fluchtgründe, nämlich die Publikation zweier Texte in Farsi, die sich kritisch mit Frauen- sowie Religionsfragen auseinandersetzen sollen, vorgebracht wurden, und sich daher die individuelle Situation für die BF hinsichtlich ihres Herkunftsstaates Iran verändert haben kann, sodass von einer wesentlichen Änderung des Sachverhalts, der einer Anwendung des § 68 AVG entgegensteht, auszugehen ist.

2. Beweiswürdigung:

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts der belangten Behörde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zum Vorbringen der BF/Änderung des Sachverhalts:

Vom Bundesverwaltungsgericht ist im gegenständlichen Verfahren zu prüfen, ob zwischen der Rechtskraft des ersten abweisenden Erkenntnisses und der Zurückweisung des gegenständlichen Antrags wegen entschiedener Sache eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist.

Die beiden Texte der BF, die sich einmal mit ihrem Glaubensweg und einmal mit Frauenfragen bzw. mit ihrem Leben im Iran beschäftigen sollen, waren noch nicht Bestandteil des ersten Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Sie wurden erst nach dem Erkenntnis des BVwG vom 11.11.2019 verfasst.

Die BF bringt nun weiter vor, dass sie für beide Texte Verleger gefunden hat – einmal einen Verlag in Deutschland mit Vertrieb über eine Website und einmal einen Verlag im Vereinigten Königreich, ebenfalls mit einem Vertrieb über eine Website. Beide Publikationen sollen über ISBN-Nummern verfügen und bereits Publikum gefunden haben.

Der eine Text liegt im gegenständlichen Verfahren nur auf Farsi vor, weshalb bereits gar nicht geprüft werden kann, inwieweit er von einem früheren Verfahren umfasst sein könnte. Wenn er sich aber, wie behauptet, mit dem Leben der BF im Iran, mit häuslicher Gewalt und mit allgemeinen Frauen- und emanzipatorischen Fragen beschäftigt, so sind diese Themen jedenfalls nicht erschöpfend im früheren Verfahren behandelt worden, in dem eine aktivistische und politische Position der BF als Frauenrechtlerin nicht Gegenstand war.

Unter diesen Umständen ist eine wesentliche Änderung der Sachlage nicht auszuschließen, und wurden durch die BF neue Befürchtungen in Bezug auf das Heimatland vorgebracht.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Da das Bundesamt mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen hat, ist Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst.

Entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben (VwGH 21. 3. 1985, 83/06/0023, u.a.). Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nichts anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes – nicht bloß von Nebenumständen – kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. z.B. VwGH 27. 9. 2000, 98/12/0057; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 80 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).

Es ist Sache der Partei, die in einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit eine neuerliche Sachentscheidung begehrt, dieses Begehren zu begründen (VwGH 8. 9. 1977, 2609/76).

Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene „Sachen“ im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG dann vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl. VwGH 24. 2. 2005, 2004/20/0010 bis 0013; VwGH 4. 11. 2004, 2002/20/0391; VwGH 20. 3. 2003, 99/20/0480; VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315).

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben (nochmals) zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. VwGH 25. 4. 2002, 2000/07/0235; VwGH 15. 10. 1999, 96/21/0097). Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 9. 9. 1999, 97/21/0913; und die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 90 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).

Ist davon auszugehen, dass ein/eine Asylwerber/Asylwerberin einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz auf behauptete Tatsachen stützt, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die dieser/diese jedoch nicht bereits im ersten Verfahren vorgebracht hat, liegt schon aus diesem Grund keine Sachverhaltsänderung vor und ist der weitere Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl. VwGH 4. 11. 2004, 2002/20/0391; VwGH 24. 8. 2004; 2003/01/0431; VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315; VwGH 24. 2. 2000, 99/20/0173; VwGH 21. 10. 1999, 98/20/0467).

Behauptet die Partei in einem neuen Antrag (zB Asylantrag), dass in den für die Beurteilung ihres Begehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist, so muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, dem Relevanz für das Verfahren zukommt und an den die Prognose anknüpfen kann, dass eine andere Beurteilung des Antrages und ein anderes Verfahrensergebnis nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen (grundlegend VwGH 4. 11. 2004, 2002/20/0391, vgl auch VwGH 22. 11. 2005, 2005/01/0626, VwGH 21. 3. 2006, 2006/01/0028). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der neuerliche Antrag zulässig oder wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen ist, mit der Glaubwürdigkeit des neuen Vorbringens betreffend die Änderung des Sachverhalts „beweiswürdigend“ (VwGH 22. 12. 2005, 2005/20/0556) auseinanderzusetzen (VwGH 15. 3. 2006, 2006/17/0020).

Ist Sache der Entscheidung der Rechtsmittelbehörde nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, darf sie demnach nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist oder nicht, und hat dementsprechend – bei einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache – entweder (im Falle des Vorliegens entschiedener Sache) das Rechtsmittel abzuweisen oder (im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung) den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (vgl. VwGH 30. 5. 1995, 93/08/0207).

3.2. Für das Bundesverwaltungsgericht ist daher Sache des gegenständlichen Verfahrens die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den neuerlichen Antrag der BF auf internationalen Schutz zu Recht gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

Der belangten Behörde kann in ihrer Einschätzung betreffend die beiden von der BF verfassten Texte nicht gefolgt werden: während in weiteren Ermittlungsschritten in der Sache betreffend den neuen Antrag auf internationalen Schutz noch zu prüfen sein wird, ob die behauptete Publikation der Texte tatsächlich bei den angegebenen Verlagen unter den angegebenen ISBN-Nummern vorliegt, und ob diese Texte tatsächlich Publikum finden und geeignet sind, für die BF eine Bedrohung von privater oder staatlicher Seite auszulösen, stellen sie jedenfalls einen neuen Sachverhalt dar, der von der rechtskräftigen Verfahrensbeendigung über den ersten Antrag der BF auf Zuerkennung von internationalem Schutz nicht umfasst war.

Auf Basis dieses begründeten Vorbringens der BF ist es auch nicht ausgeschlossen, dass nunmehr eine andere Beurteilung des Antrags denkbar ist. Dass der politisch-motivierte Einsatz für Frauenrechte im Iran zum Teil strenge Strafen nach sich ziehen kann sowie als Propaganda gegen das Regime gesehen wird, ist der belangten Behörde aus ihrer eigenen Länderinformation zum Iran bekannt.

Das neue Vorbringen der BF wurde von dieser durch die Vorlage der Texte im behördlichen Verfahren, sowie von Ausdrucken aus Social Media, der Kopie einer polizeilichen Anzeige wegen gefährlicher Drohung und der Bekanntgabe zumindest eines Verlegers des einen Textes unterstützt; in der Beschwerde wurden beide Verleger und die ISBN-Nummern der Publikationen ergänzend bekannt gegeben. Demnach begründete und belegte die BF ihr neues Vorbringen, weshalb ihm auch nicht von vornherein der geforderte „glaubhafte Kern“ abgesprochen werden kann.

Damit steht die Rechtskraft hinsichtlich des ersten Antrags der BF vom XXXX 2019 durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zur Zl. W211 2218327-1/13E vom 11.11.2019 dem neuerlichen Antrag betreffend eine Bedrohung der BF wegen der beiden von ihr publizierten Texte „ XXXX “ und „ XXXX “ nicht entgegen.

Die belangte Behörde hätte daher eine inhaltliche Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz vom XXXX 2021 durchführen und die notwendigen Ermittlungsschritte setzen müssen.

Der Antrag der BF vom XXXX 2021 wurde demnach zu Unrecht wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG zurückgewiesen, weshalb der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid zu beheben war.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Die Vertretung der BF beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der Sachverhalt scheint aus der Beschwerde in Verbindung mit den Verfahrensakten des ersten wie des zweiten Antrags auf internationalen Schutz der BF hinreichend geklärt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung entschiedene Sache Folgeantrag glaubhafter Kern politischer Charakter Rückkehrentscheidung behoben staatliche Verfolgung Veröffentlichung wesentliche Sachverhaltsänderung Zulassungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W211.2218327.2.00

Im RIS seit

29.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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