TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/7 W278 2245982-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.09.2021
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Entscheidungsdatum

07.09.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1
VwGVG §35

Spruch


W278 2245982-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter, über die Beschwerde des XXXX , StA Nigeria, XXXX alias XXXX geb., vertreten durch BBU-GmbH, gegen den Mandatsbescheid des BFA vom 26.08.2021, Zl. XXXX , sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 26.08.2021 zu Recht:

A.)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben. Gleichzeitig wird die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 26.08.2021 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

III. Gemäß § 35 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung, hat der Bund dem Beschwerdeführer zu Handen seiner ausgewiesenen Vertretung Aufwendungen in Höhe von € 30 binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag des BFA auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B.) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

A. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) reiste nicht rechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 30.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz wobei er ein falsches Geburtsdatum angegeben hat.

Am 14.4.2017 wurde sein Asylantrag mit Bescheid des Bundesamts zurückgewiesen und die

Außerlandesbringung nach Italien angeordnet.

Der BF entzog sich der Außerlandesbringung durch „Untertauchen“ und stellte am 28.02.2018 neuerlich einen Asylantrag, welcher am 02.03.2018 aufgrund der abgelaufenen Überstellungsfrist zugelassen wurde.

Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 24.4.2018, sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde aberkannt und es wurde keine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt. Der Bescheid erwuchs am 19.6.2018 in Rechtskraft.

Der BF verfügt seit 26.04.2018 über keine Meldeanschrift im Bundesgebiet.

Gegen den BF wurde 2018 ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates eingeleitet.

Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 22.5.2019, wurde gegen den BF eine weitere Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem auf die Dauer von 2 Jahren befristeten Einreiseverbot erlassen und die aufschiebende Wirkung aberkannt. Der Bescheid gemäß § 25 ZustellG wurde durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt. Die Entscheidung erwuchs am 10.07.2019 unbekämpft in Rechtskraft.

Am 25.08.2021 wurde der BF im Zuge einer fremdenrechtlichen Überprüfung mit Festnahmeauftrag des BFA gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG festgenommen.

Im Zuge der der Einvernahme des BF hinsichtlich der möglichen Anordnung der Schubhaft stellte der BF einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

Das Bundesamt stellte daraufhin dem BF nachweislich einen Aktenvermerk gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG zu und hielt die Anhaltung aufrecht.

Mit verfahrensgegenständlichem Mandatsbescheid des BFA vom 26.08.2021, dem BF durch persönliche Übergabe am selben Tag zugestellt wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens angeordnet. Im Wesentlichen wurde darin ausgeführt, der BF halte sich illegal in Österreich auf, sei unkooperativ und verbleibe unangemeldet im Verborgenen trotz durchsetzbarer Rückkehrentscheidung im Bundesgebiet. Er gehe keiner legalen Beschäftigung nach und sei in weder beruflich noch sozial verankert. Der BF habe seinen dritten Folgeantrag zur Verzögerung seiner Abschiebung gestellt. Mit der Lebensgefährtin habe er lediglich telefonischen Kontakt und er sei nicht als Vater in der Geburtsurkunde genannt. Der BF sei nicht vertrauenswürdig und die Schubhaft sei zur Sicherung des Verfahrens erforderlich.

Der Schubhaftbescheid wurde umgehend in Vollzug gesetzt.

Mit Schriftsatz vom 02.09.2021 erhob der BF durch seinen Rechtsvertreter Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid sowie die darauf gegründete Anhaltung in Schubhaft. Ausgeführt wurde im Wesentlichen, dass der BF seinen nunmehr dritten Antrag auf internationalen Schutz nicht ausschließlich in Verzögerungsabsicht, sondern diesen im Hinblick auf sein nunmehriges Familienleben gestellt habe. Auch sei die Voraussichtliche Verfahrensdauer nicht absehbar. Des Weiteren habe die belangte Behörde die Fluchtgefahr nicht nachvollziehbar begründet. Er habe großes Interesse sich um seine Tochter zu kümmern und könne bei der Kindesmutter wohnen und sich bei ihr auch behördlich melden. Der BF beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, den angefochtenen Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung der Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgt sei; dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung nicht vorliegen, sowie den Ersatz der Eingabegebühr dem Bundesamt aufzuerlegen.

Das BFA erstattete mit Schriftsatz vom 02.09.2021 Stellungnahme und führte – nebst Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges – aus, dass der BF einen Folgeantrag bereits zu einem früheren Zeitpunkt stellen hätte können, er lediglich telefonisch Kontakt mit der Kindesmutter habe und die Beziehung zu einem Zeitpunkt begründet worden sei, wo er sich illegal und vor den Behörden im Verborgenen aufgehalten habe. Ebenfalls habe er kein Interesse an der Vaterschaftsanerkennung gezeigt, da er nicht in der Geburtsurkunde als Vater vermerkt sei. Ein rechtzeitig eingeleitetes HRZ Verfahren konnte aufgrund des unbekannten Aufenthalts des BF nicht abgeschlossen werden. Eine Abschiebung des BF sei derzeit möglich, da regelmäßig Charterabschiebungen stattfinden. Des Weitere sei der BF nach dem Suchtmittelgesetz angezeigt worden und habe selbst zugegeben weiterhin Suchtgift zu konsumieren und begründete - wie bereits im gegenständlichen Bescheid - ausführlich die Fluchtgefahr aufgrund des Vorverhaltens des BF. Die Behörde beantragte die Abweisung respektive Zurückweisung der Beschwerde sowie Kostenersatz.

Mit Parteiengehör vom 03.09.2021 wurde der BF im Wege seiner Vertretung aufgefordert, eine Ausweiskopie der Kindesmutter, eine Kopie ihres Mietvertrages, eine schriftliche Bestätigung über die Wohnmöglichkeit in der Wohnung der Kindesmutter, sowie die Geburtsurkunde der Tochter zu übermitteln.

Am 06.09.2021 langten die angeforderten Unterlagen beim BVwG ein und wurden dem Bundesamt mit Frist zur Stellungnahme zugestellt.

Mit Stellungnahme vom 06.09.2021 wiederholte das Bundesamt im Wesentlichen die Ausführungen der Stellungnahme vom 02.09.2021 und führte ergänzend aus, dass wenn der BF bisher aus Angst nicht die Vaterschaft anerkannt habe, so werde er auch in Zukunft nicht seiner Mitwirkungsverpflichtung bezüglich einer Reisedokumentenbeschaffung nachkommen. Bis zum heutigen Zeitpunkt sei der BF jedenfalls nicht seiner Verantwortung dem Kind gegenüber nachgekommen und nicht vertrauenswürdig. Dies ergebe sich auch aus der nunmehrigen dritten Asylantragstellung. Das Bundesamt habe daher unverzüglich nach seiner Festnahme einen Vorführtermin vor die nigerianische Botschaft organisiert. Somit sei im Falle einer positiven Identifizierung unmittelbar mit der Ausstellungen eines HRZ zu rechnen und auch eine Abschiebung zeitnahe möglich, da laufend Charterflüge geplant seien. Aufgrund des bisherigen Verhaltens sei nicht davon auszugehen, dass der BF nach der Entlassung aus der Schubhaft an dem Verfahren zur Feststellung seiner Identität mitwirken werden, dies zeige sich auch darin, dass derzeit ein weiteres Asylverfahren geführt werden müsse. Auch bis zu seiner Festnahme konnte der BF durch seine Kontakte ein Leben im Verborgenen führen und auch seine Lebensgefährtin konnte ihn bereits bisher nicht von diesem Verhalten abhalten. Beantragt wurde abermals die Beschwerdeabweisung sowie den BF zum Kostenersatz zu verpflichten.

B. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

I. Feststellungen:

1. Zu den Vorverfahren und zum Vorverhalten des BF im Bundesgebiet:

Der BF ist nigerianischer Staatsangehöriger, seine Identität steht nicht fest.

Mit 14.04.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 30.10.2015 mit Bescheid des Bundesamts zurückgewiesen und seine Außerlandesbringung nach Italien angeordnet.

Der BF hat zuvor bereits in der Schweiz und in Italien Anträge auf internationalen Schutz gestellt.

Der BF entzog sich der Außerlandesbringung durch „Untertauchen“ und stellte am 28.02.2018 neuerlich einen Asylantrag, welcher am 02.03.2018 aufgrund der abgelaufenen Überstellungsfrist zugelassen wurde und mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 24.4.2018, sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde aberkannt, es wurde keine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt. Diese Entscheidung erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.

Der BF verfügt seit 26.04.2018 über keine behördliche Meldung im Bundesgebiet und hält sich für die Behörden – über mehr als drei Jahre hinweg - nicht greifbar im Bundesgebiet auf.

Gegen den BF wurde 2018 ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates eingeleitet. Eine Vorführung vor die nigerianische Vertretungsbehörde unterblieb, da der BF für Behörde nicht greifbar war.

Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 22.5.2019, wurde gegen den BF eine weitere Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem auf die Dauer von 2 Jahren befristeten Einreiseverbot erlassen und die aufschiebende Wirkung aberkannt. Der Bescheid wurde durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt. Die Entscheidung erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.

2. Zur aktuellen Anhaltung des BF

Am 25.08.2021 wurde der BF im Zuge einer fremdenrechtlichen Überprüfung festgenommen.

Im Zuge der Einvernahme des BF am 25.08.2021 stellte der BF einen Asylfolgeantrag.

Der BF begründete diesen Antrag damit, dass er nun in Beziehung mit einer österreichischen Staatsangehörigen ist und mit dieser seit 27.04.2021 eine gemeinsame Tochter hat. Der BF gab im Zuge der Einvernahme die vollständigen Namen, Geburtsdaten sowie die Wohnadresse der Kindesmutter sowie des Kindes an.

Das Bundesamt stellte dem BF am 26.08.2021 einen Aktenvermerk gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG zu und hielt die Anhaltung aufrecht.

Der BF stellte den Asylfolgeantrag im Zuge seiner Festnahme nicht ausschließlich und zur Gänze missbräuchlich zur Verzögerung der Abschiebung.

Aufgrund der Asylfolgeantragstellung vom 25.08.2021 kommt dem BF faktischer Abschiebeschutz zu.

Das Bundesamt hat für 07.09.2021 ein Parteiengehör für das Zulassungsverfahren avisiert, von dem der weitere Verlauf des Verfahrens abhängig ist.

Bei dem BF lagen im gegenständlichen Zeitpunkt keine wesentlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen vor. Der BF ist hafttauglich.

Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten, er wurde wegen Delikten nach dem Suchtmittelgesetz zur Anzeige gebracht.

Der BF führt mit der Kindesmutter eine Beziehung. Zum Zeitpunkt der Festnahme haben sie über keinen gemeinsamen Wohnsitz verfügt. In der Geburtsurkunde der Tochter sind keine Angaben zum Vater vermerkt. Der BF und die Kindesmutter sind bemüht, die Vaterschaft des BF in der Geburtsurkunde eintragen zu lassen. Die Kindesmutter bestätigt die Vaterschaft des BF.

Der BF kann in der Wohnung der Kindesmutter einen Wohnsitz begründen und sich behördlich melden.

II. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde. Zudem wurden aktuelle Straf- und Melderegisterauskünfte sowie Auszüge aus der Anhaltedatei, dem Zentralen Fremdenregister (IZR) und ein Versicherungsdatenauszug eingeholt. Der Sachverhalt ergibt sich aus den im Akt einliegenden unbedenklichen Urkunden sowie aus den vom BVwG durchgeführten schriftlichen Parteiengehören.

1. Zu den Vorverfahren und zum Vorverhalten des BF

Die Identität des BF steht nicht fest, seine nigerianische Staatsangehörigkeit ergibt sich aus der Aktenlage. Dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen würde, wurde nicht behauptet und ergibt sich aus dem gesamten Akteninhalt nicht.

Die Antragstellung vom 30.10.2015 sowie die zurückweisende Entscheidung geht aus dem Zentralen Fremdenregister hervor.

Der Antrag vom 28.02.2018, der Bescheid vom 24.04.2018 sind vorliegend und ergeben sich aus dem IZR.

Dass der BF seit 26.04.2018 über keine behördliche Meldung im Bundesgebiet verfügt ergibt sich aus einem rezenten ZMR Auszug.

Dass das Bundesamt bereits 2018 ein HRZ Verfahren gestartet hat, ergibt sich aus dem IZR und der Stellungnahme des Bundesamtes.

Die Erlassung einer zweiten Rückkehrentscheidung samt befristetem Einreiseverbot ergibt sich aus dem IZR, der Bescheid liegt dem Akt ein.

Sämtlichen unter Punkt 1. Genannten Feststellungen wurde in der Beschwerde nicht entgegengetreten.

2. Zur aktuellen Anhaltung des BF

Die Festnahme des BF am 25.08.2021 ergibt sich eindeutig aus dem Akteninhalt, das Protokoll der Einvernahme vom 25.08.2021 liegt im Akt ein. Die Asylfolgeantragstellung mit der Begründung, dass der BF sich nunmehr um seine Familie kümmern will, da der mit seiner Lebensgefährtin ein Kind habe ergibt aus dem Einvernahmeprotokoll. Ebenso, dass der BF die Namen, Geburtsdaten und die Wohnadresse der Kindesmutter sowie der Tochter nennen konnte.

Der Aktenvermerk nach § 40 Abs. 5 BFA-VG liegt dem Akt ein. Im gegenständlichen Aktenvermerk begründet das Bundesamt, nach Widergabe des Verfahrensganges ausführlich die hohe Fluchtgefahr aufgrund des Vorverhaltens des BF, beschränkt jedoch die konkreten Ausführungen, warum die nunmehrige Asylfolgeantragstellung ausschließlich in Verzögerungsabsicht des Abschiebeverfahrens gestellt wurde – nach Widergabe des Wortlautes der Formulierung des Asylantrages und der Anmerkung: „Ich stelle den Antrag, weil ich bei meinem Baby bleiben möchte“ - auf: „Durch Ihre neuerliche – offenbar aus einem Impuls heraus unbegründeten Asylantragstellung, steht für die Behörde fest, dass sie erneut Ihre Außerlandesbringung verzögern möchten.“

Der BF hat somit am 25.08.2021 den Antrag auf internationalen Schutz gestellt, auch um bei seinen nunmehr neuen Familienangehörigen bleiben zu können. Das wäre bei verständiger Würdigung dahin zu verstehen gewesen, dass der BF durch seine nunmehrig geänderten Familienverhältnisse auch die Revidierung der Rückkehrentscheidung erreichen wollte. Damit ist nicht davon auszugehen, dass die Stellung des Asylfolgeantrages „ausschließlich und zur Gänze“ missbräuchlich erfolgt ist. Eine Überprüfung der Personendaten der Kindesmutter und des Kindes im ZMR und im Sozialversicherungsauszug ergibt die Nachvollziehbarkeit der Angaben des BF bereits im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft.

Im Zuge der Erstbefragung zum Asylfolgeantrag führte der BF am 26.08.2021 abermals aus: „meine damaligen Fluchtgründe bleiben aufrecht. Und ich möchte nun gemeinsam mit meiner Lebensgefährtin und unserer Tochter, welche am 27.04.2021 in Linz geboren ist, in Linz leben. Ich brauche einen Meldezettel und eine Asylkarte, damit ich die Vaterschaftsurkunde für meine Tochter bekommen kann.“

Dass das Bundesamt für 07.09.2021 ein Parteiengehör für das Zulassungsverfahren Asylfolgeantragverfahren avisiert hat ergibt sich aus der Stellungnahme der EAST OST vom 03.09.2021. Das Bundesamt hat weder im Zuge der Stellungnahme vom 02.09.2021, noch im Zuge des schriftlichen Parteiengehörs vom 06.09.2021 - nach Übermittlung der vom BF vorgelegten Unterlagen der Kindesmutter - eine konkrete Einschätzung abgegeben, wann mit der Erlassung einer durchsetzbaren und durchführbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu rechnen ist.

Dass dem BF aufgrund seiner Folgeantragstellung vom 25.08.2021 faktischer Abschiebeschutz zukommt ist evident, der faktische Abschiebeschutz des wurde dem BF vom Bundesamt nicht aberkannt.

Die Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einem aktuellen Strafregisterauszug. Die Anzeigen nach dem Suchtmittelgesetz ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und werden in der Beschwerde nicht bestritten.

Dass zwischen dem BF und der der Kindesmutter eine Beziehung besteht, ergibt sich aus den glaubhaften Angaben des BF in der Beschwerde in Zusammenschau mit dem Umstand, dass die Kindesmutter dem BF ermöglicht bei Ihr zukünftig Unterkunft zu nehmen. Ebenso bestätigt die Kindesmutter in Ihren schriftlichen Ausführungen glaubhaft, dass der BF der Vater Ihrer Tochter ist und sie die Eintragung seiner Vaterschaft veranlassen wollen. Dies ergibt sich aus der Stellungnahme des BF vom 03.09.2021, dem das Bundesamt nicht substantiiert entgegengetreten ist.

Gesundheitliche Beeinträchtigungen des BF sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch nicht behauptet.

III. Rechtliche Beurteilung:

1. Zu Spruchpunkt A. Beschwerdestattgabe:

2.1. Gesetzliche Grundlagen:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, idgF, lautet auszugsweise:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt. (...)"

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, idgF lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

2.2. Judikatur

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, „dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig“ (VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527).

2.3. Rechtlich folgt daraus:

I. Zum gegenständlichen Bescheid und zur bisherigen Anhaltung in Schubhaft:

Gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG können Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, festgenommen oder angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu sichern; das gilt auch dann, wenn es der Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung gemäß § 59 Abs. 5 FPG nicht bedarf.

Für die Anordnung der Schubhaft müssen Fluchtgefahr, Verhältnismäßigkeit und – diesfalls – Missbrauchsabsicht der Folgeantragstellung vorliegen. Wird der Antrag während einer Anhaltung aufgrund eines Festnahmeauftrags gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder Z 3 BFA-VG gestellt, so setzt die Schubhaft keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit voraus (§ 76 Abs. 2 letzter Satz FPG iVm § 40 Abs. 5 BFA-VG).

Der BF wurde am 25.08.2021 festgenommen und stellte am selben Tag, im Zuge seiner Einvernahme einen Asylfolgeantrag. Er war somit ab Antragstellung Asylwerber und es kam ihm faktischer Abschiebeschutz zu. Das Bundesamt stellte dem BF am 26.08.2021 einen Aktenvermerk nach § 40 Abs. 5 BFA-VG zu und hielt die Anhaltung aufrecht und ordnete mit Mandatsbescheid die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens nach § 76 Abs. 2 Z 1 FPG an. Im vorliegenden Anwendungsfalls der Ziffer 1 – ohne einer vom Asylwerber ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 FPG – ist erforderlich, dass der Antrag auf internationalen Schutz einzig und allein zum Zweck der Verhinderung oder Verzögerung des Vollzuges der Rückkehrentscheidung gestellt wurde.

Zur Notwendigkeit der Missbrauchsabsicht bei einer Schubhaftverhängung in Zusammenhang mit § 40 Abs. 5 BFA-VG führte der VwGH in seinem Beschluss vom 27.08.2020, Zl. Ro 2020/21/0003 aus: Einerseits ist nämlich davon auszugehen, dass der Vollzug eines in § 40 Abs. 5 BFA-VG genannten Festnahmeauftrages gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG eine Maßnahme zur Vorbereitung der Umsetzung einer (fallbezogen bei Erlassung des gegenständlichen Schubhaftbescheides allerdings noch nicht vorliegenden) Rückkehrentscheidung darstellt und andererseits knüpft § 40 Abs. 5 BFA-VG an die Absicht an, diese Umsetzung zu verzögern. § 40 Abs. 5 BFA-VG erfasst damit Antragsteller, die sich „zur Vorbereitung [ihrer] Rückführung und/oder Fortsetzung des Abschiebungsverfahrens in Haft“ befinden und bei denen „berechtigte Gründe für die Annahme bestehen, dass [sie] den Antrag auf internationalen Schutz nur [stellen], um die Vollstreckung der Rückkehrentscheidung zu verzögern oder zu vereiteln“. Insoweit wird mit § 40 Abs. 5 BFA-VG also die Anordnung des Art. 8 Abs. 3 lit. d der Aufnahme-RL abgebildet. Somit können auch die zur gleichfalls diese Richtlinienbestimmung umsetzenden Norm des § 76 Abs. 6 FPG angestellten Überlegungen des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 5.10.2017, Ro 2017/21/0009, Rn. 30; VwGH 19.9.2019, Ra 2019/21/0204, Rn. 13 bis 15, sowie VwGH 27.4.2020, Ra 2020/21/0116, Rn. 11) auf die in § 40 Abs. 5 BFA-VG geregelte Konstellation übertragen werden.

Es spricht dann aber auch grundsätzlich nichts dagegen, in einem weiteren Schritt - über die nach § 40 Abs. 5 BFA-VG maximale Anhaltedauer von 72 Stunden hinaus - im Sinne des § 76 Abs. 2 Z 1 iVm dem letzten Satz des § 76 Abs. 2 FPG unter Bezugnahme auf § 40 Abs. 5 BFA-VG und damit aus unionsrechtlichem Blickwinkel ebenfalls auf Art. 8 Abs. 3 lit. d der Aufnahme-RL gestützt (demnach ohne dass es einer Gefährdung nach § 67 FPG bedürfte) Schubhaft zu verhängen. Dass eine solche Schubhaft, wie das BVwG meint, allein auf den im Rahmen der Anhaltung gestellten Antrag auf internationalen Schutz zurückzuführen sei, trifft nicht zu. Es bedarf nämlich - neben dem Vorliegen von Fluchtgefahr und der Verhältnismäßigkeit von Schubhaft - ergänzend des in § 40 Abs. 5 BFA-VG angesprochenen missbräuchlichen Verhaltens, also dass der Antrag auf internationalen Schutz „einzig und allein“ zu dem Zweck gestellt wurde, den Vollzug der Rückführungsentscheidung zu verzögern oder zu gefährden (vgl. VwGH 19.9.2019, Ra 2019/21/0204, Rn. 14).

Im gegenständlichen Fall hat der BF jedoch am 25.08.2021 – wie beweiswürdigend ausgeführt - den Antrag auf internationalen Schutz gestellt, auch um bei seinen nunmehr neuen Familienangehörigen bleiben zu können. Das wäre bei verständiger Würdigung dahin zu verstehen gewesen, dass der BF durch seine nunmehrig geänderten Familienverhältnisse auch die Revidierung der Rückkehrentscheidung erreichen wollte. Damit ist nicht davon auszugehen, dass die Stellung des Asylfolgeantrages ausschließlich und zur Gänze missbräuchlich erfolgt ist. (Vgl. VwGH Ra2019/21/0204, vom 19.09.2021 Rn 15)

Der gegenständliche Mandatsbescheid nach § 76 Abs. 2 Z 1 FPG stellt somit keine tragfähige Rechtsgrundlage für die Anhaltung des BF in Schubhaft dar und ist deshalb zu beheben.

War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die gesamte Zeit der auf ihn gestützten Anhaltung gelten (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0014; 19.03.2013, 2011/21/025; 28.08.2012, 2010/21/0388). Die Anhaltung des BF seit 26.08.2021 in Schubhaft erfolgte somit rechtswidrig.

II. Zum Fortsetzungsausspruch:

Wie festgestellt kommt dem BF als Asylwerber faktischer Abschiebeschutz zu. Es erfolgte keine Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes durch das Bundesamt, was einer Schubhaft auf Basis von Art. 15 der Rückführungs-RL (Richtlinie 2008/115/EG) und damit auf Grundlage von § 76 Abs. 2 Z 2 FPG entgegensteht (siehe auch VwGH 15.12.2020, Ra 2020/21/0090, Rn. 17).

Eine weitere Anhaltung in Schubhaft des BF wäre somit ausschließlich auf Rechtsgrundlage des § 76 Abs. 2 Z 1 FPG – sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung und Sicherheit gemäß § 67 FPG gefährdet - möglich.

Eine solche Gefährdung hat das Verfahren nicht ergeben. Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Polizeiliche Anzeigen nach dem Suchtmittelgesetz und seine eigenen Angaben, gelegentlich Suchtgift zu konsumieren, ändern an diesem Umstand nichts.

Es liegt somit im gegenständlichen Fall keine tragfähige Rechtsgrundlage für die weitere Anhaltung des BF vor und erübrigt sich die weitere Prüfung der Fluchtgefahr und Verhältnismäßigkeit.

Es war daher festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

Zu den Spruchpunkten III und IV Kostenentscheidung:

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

§ 35 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) StF BGBl. I Nr. 33/2013 lautet:

(1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

(3a) § 47 Abs. 5 VwGG ist sinngemäß anzuwenden.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2.die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3.die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

Der BF begehrte den Ersatz der Eingabegebühr in der Höhe von 30€.

In seinem Erkenntnis vom 28.05.2020, Ra 2019/21/0336 sprach der VwGH aus, dass diese besondere Barauslage gem. § 35 Abs. 1 iVm Abs. 4 Z 1 VwGVG ersatzfähig ist.

Da er vollständig obsiegte, steht dem Grunde nach der Ersatz seiner Aufwendungen zu. Der beantragte Ersatz der Eingabegebühr war dem BF demnach zuzusprechen.

Da das Bundesamt vollständig unterlag kam ihm ein Kostenersatzanspruch nicht zu.

Entfall der mündlichen Verhandlung:

Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten (Behördenakt und gerichtliche Vorakte und den vom BVwG durchgeführten schriftlichen Parteiengehören) abschließend ermittelt und beurteilt werden. Eine Zeugeneinvernahme der Kindesmutter konnte unterbleiben, da diese die erforderlichen Angaben im Zuge des schriftlichen Parteiengehörs glaubhaft machte und dem Bundesamt die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt wurde. Gründe für die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung liegen daher nicht vor. Die Stellungnahmen des Bundesamts wurden beweiswürdigend berücksichtigt. Das Bundesamt hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Es sind keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren hervorgekommen und sind solche aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts auch nicht gegeben.

Im Hinblick auf die eindeutige höchstgerichtliche Judikatur im gegenständlichen Fall war die Revision daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Asylwerber faktischer Abschiebeschutz familiäre Situation Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft Identität illegaler Aufenthalt Kostenersatz Rechtswidrigkeit Rückkehrentscheidung Schubhaft Untertauchen Verzögerung Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W278.2245982.1.00

Im RIS seit

29.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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