TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/7 W251 2210630-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.09.2021
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Entscheidungsdatum

07.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


W251 2210630-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Äthiopien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen die Spruchpunkte I. bis IV. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.11.2018, Zl. 1125888910-161112788, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A)

I.       Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III. abgewiesen.

II.      Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. wird stattgegeben. Gem. § 55 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Äthiopiens, stellte am 10.08.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 13.08.2016 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdiensts die niederschriftlichen Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er in Äthiopien Mitglied der OROMO-Partei gewesen sei. Vor etwa drei Monaten habe er an einer Demonstration teilgenommen, bei der alle Teilnehmer verhaftete worden seien. Er sei ein Monat in einer Polizeistation in Addis Abeba eingesperrt gewesen. Als er frei gelassen worden sei, habe er Angst gehabt, dort zu leben und sei aus Äthiopien geflohen. Bei einer Rückkehr habe er Angst, dass er verhaftet und eingesperrt werde.

3. Am 03.09.2018 fand die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Der Beschwerdeführer gab zu seinem Fluchtgrund befragt an, dass er bei einer Demonstration gegen Landraub festgenommen worden sei und die Schule habe abbrechen müssen. Im Gefängnis haben sie seine Hand gebrochen und ihn gefoltert.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkte I. und II.) und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Äthiopien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen aufgrund seiner vagen, nicht plausiblen sowie wenig lebensnahen und wenig detailreichen Angaben nicht habe glaubhaft machen können. Das Bundesamt gelangte zudem zu dem Schluss, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Äthiopien Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe ausgesetzt zu sein. Zudem liege kein schützenswertes Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich gemäß Art. 8 EMRK vor.

5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass er vor der Erstbehörde durchaus Umstände genannt habe, die einer asylrelevanten Verfolgung in seiner Heimat entsprechen. Allfällige Widersprüche zwischen der Erstbefragung und der Einvernahme seien nicht relevant, da die Erstbefragung gesetzlich nicht dazu gedacht sei, die Fluchtgründe eines Asylwerbers erschöpfend darzustellen. Die Dolmetscherin habe den Beschwerdeführer bei der Erstbefragung zudem nicht richtig verstanden. Der Beschwerdeführer sei stets an einer Mitwirkung im Verfahren interessiert gewesen.

6. Mit Schriftsatz vom 05.12.2018 erfolgte eine Beschwerdeergänzung seitens des Beschwerdeführers. Vorgebracht wurde, dass die Erklärungen des Bundesamtes in keiner Weise nachvollziehbar seien und der ständigen Judikatur in Österreich wie auch den zitierten Länderberichten widersprechen. Einen erkennbaren Begründungswert haben die Vorwürfe des Bundesamtes nicht.

7. Das Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerde mit Teilerkenntnis vom 06.12.2018 hinsichtlich Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides statt und behob diesen ersatzlos.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 11.06.2021 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Amharisch und im Beisein einer Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine mündliche Verhandlung durch.

9. Die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers legte in Ergänzung der mündlichen Beschwerdeverhandlung eine Bestätigung für die Integration des Beschwerdeführers vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist äthiopischer Staatsangehöriger und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Der Beschwerdeführer ist Angehöriger der Volksgruppe der Oromo. Er ist ledig und hat keine Kinder (AS 1; Verhandlungsprotokoll vom 11.06.2021 = VP, S. 6 f). Der Beschwerdeführer spricht Oromo als Muttersprache sowie weiters Amharisch und etwas Deutsch und Englisch (AS 1, 95, 161; VP S. 7).

Der Beschwerdeführer wurde in der Stadt XXXX geboren und ist in der Stadt XXXX bei seinem Onkel aufgewachsen (VP S. 6 f) Beschwerdeführer hat acht Jahre lang eine Schule besucht (VP S. 7).

Die Eltern sowie die Brüder und Schwestern des Beschwerdeführers leben nach wie vor in Äthiopien, der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seiner Familie.

Ein Bruder des Beschwerdeführers lebt in den Vereinigten Staaten von Amerika und ist dort als Zahnarzt erwerbstätig (VP S. 8 f). Der Beschwerdeführer hat regelmäßig Kontakt zu ihm und wird zeitweise finanziell unterstützt (VP S. 9).

Der Beschwerdeführer ist im Juni 2016 aus Äthiopien ausgereist (AS 5).

Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und stellte am 10.08.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich (AS 1).

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, er ist gesund und arbeitsfähig (VP S. 11 f).

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

1.2.1. Der Beschwerdeführer war weder Mitglied der OROMO-Partei noch hat er an Demonstrationen (gegen Landraub) teilgenommen. Er ist auch nicht verhaftet, in ein Gefängnis gebracht oder gefoltert worden. Der Onkel des Beschwerdeführers musste auch keine Kaution für seine Freilassung bezahlen oder eine Bürgschaft eingehen.

1.2.2. Die Familie des Beschwerdeführers war nicht Mitglied bei ONEG, ONLF oder anderen oppositionellen Gruppierungen. Dem Beschwerdeführer würde im Fall einer Rückkehr nach Äthiopien keine Blutrache drohen.

1.2.3. Der Beschwerdeführer hat Äthiopien weder aus Furcht vor Eingriffen in seine körperliche Unversehrtheit noch wegen Lebensgefahr verlassen.

Im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien droht dem Beschwerdeführer weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Regierungssoldaten oder durch andere Personen.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr nach Äthiopien in seine Heimatstadt XXXX ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Der Beschwerdeführer kann sich jedoch in der Stadt Addis Abeba ansiedeln und grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Addis Abeba verfügt über eine ausreichende Sicherheitslage.

Der Beschwerdeführer ist mit den Gepflogenheiten in Äthiopien vertraut, er wurde in Äthiopien sozialisiert.

Der Beschwerdeführer ist jung, ledig, gesund und im erwerbsfähigen Alter. Er hat keine Unterhaltsverpflichtungen in Äthiopien. Er kann eine langjährige Schulausbildung vorweisen. Es ist daher davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer rasch am Arbeitsmarkt in Äthiopien integrieren und für seinen eigenen Lebensunterhalt sorgen kann. Da er auch in der Stadt XXXX gelebt hat, ist er mit städtischen Strukturen in Äthiopien vertraut.

Der Beschwerdeführer kann selber für sein Auskommen und Fortkommen sorgen. Zudem kann er auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten bei einer Rückkehr nach Äthiopien und einer Ansiedlung in der Stadt Addis Abeba Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.4. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer ist seit seiner Antragsstellung am 10.08.2016 aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG in Österreich durchgehend aufhältig.

Der Beschwerdeführer hat Deutschkurse auf dem Niveau A1 und A2 besucht (VP S. 10 f; Beilage ./E; Beilage ./F) und die ÖSD-Prüfung für die Stufe A1 bestanden (Beilage ./A). Der Beschwerdeführer verfügt über geringe Deutschkenntnisse.

Der Beschwerdeführer hat im August 2019 als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter gearbeitet (Beilage ./B).

Der Beschwerdeführer geht keiner beruflichen Tätigkeit nach und lebt von der Grundversorgung (Beilage ./I.). Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine Einstellungszusage, noch über einen Arbeitsvorvertrag.

Der Beschwerdeführer hat freundschaftliche Kontakte zu Österreichern knüpfen können. Er verfügt weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen in Österreich (VP S. 12).

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten (Beilage ./I.).

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Äthiopien:

Die Länderfeststellungen zur Lage in Äthiopien basieren auf nachstehenden Quellen:

-        Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Äthiopien vom 08.01.2019, mit Kurzinformation vom 25.01.2021 (LIB),

1.5.1. Allgemeines und Sicherheitslage:

Entsprechend der Verfassung ist Äthiopien ein föderaler und demokratischer Staat. Die Grenzen der Bundesstaaten orientieren sich an sprachlichen und ethnischen Grenzen sowie an Siedlungsgrenzen (LIB, Kapitel3).

Nach der Wahl eines neuen Premierministers hat sich die Sicherheitslage beruhigt. Der im Februar 2018 ausgerufene Notstand wurde am 05.06.2018 vorzeitig beendet. Derzeit gibt es in keiner äthiopischen Region bürgerkriegsähnliche Zustände; die Konflikte zwischen Ethnien (z.B. Gambella, SNNPR, Oromo/Somali) haben keine derartige Intensität erreicht. Ein Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im ganzen Land kann es bei Demonstrationen zu Ausschreitungen kommen und Gewaltanwendung nicht ausgeschlossen werden. Die politischen und sozialen Spannungen können jederzeit zu gewalttätigen Demonstrationen, Plünderungen, Straßenblockaden und Streiks führen. Auch in Addis Abeba können gewalttätige Demonstrationen jederzeit vorkommen (LIB, Kapitel 4).

Aktuelle Entwicklungen:

Die Bewohner der Provinz Tigray sind auf Hilfe angewiesen, zwei Millionen Menschen gelten als vertrieben, nur rund 60.000 gelang die Flucht in den Sudan. Lebensmittellieferungen für den Bundesstaat Tigray werden entweder geplündert oder zerstört. Andere Lieferungen werden durch die Bundesregierung in den Bundesstaat Amhara umgeleitet. Tausende sind bislang im Konflikt in Tigray ums Leben gekommen. Die Zahl an zivilen Opfern ist extrem hoch. Eritreische Soldaten – die zu tausenden an der Seite der äthiopischen Bundesregierung gegen die Tigray People’s Liberation Front (TPLF) kämpfen –töten in Tigray Männer und Buben. Die Plünderungen haben zur Entstehung von Hunger beigetragen. Der Krieg in Tigray hat sich zu einem uneingeschränkten Konflikt ausgeweitet. Die TPLF kämpft nicht nur gegen die Bundesarmee und Milizen aus dem Bundesstaat Amhara, sondern auch gegen eritreische und somalische Soldaten. Letztere sind aber vermutlich nicht freiwillig am Kriegsschauplatz und dienen Eritrea als Kanonenfutter. Die TPLF bist isher trotzdem in der Lage, größere Teile des Bundesstaates Tigray zu halten. Eritrea hat derweil in Teilen der besetzten Gebiete (z.B. in Irob) die eigene Fahne gehisst und Menschen angewiesen, sich eritreische Papiere zu besorgen. Menschen werden angewiesen, die eritreische Herrschaft zu akzeptieren oder das Land zu verlassen. Dabei besetzt Eritrea auch Teile tief in äthiopischem Gebiet – etwa Sheraro. Gleichzeitig kommt es auch in anderen äthiopischen Bundesstaaten immer öfter zu schweren, ethnisch motivierten Auseinandersetzungen. Und auch regional zieht der Krieg immer weitere Kreise. Die Spannungen mit dem Sudan eskalieren zunehmend. Die Grenze war immer schon umstritten. Bereits im November waren Truppen tief auf äthiopisches Territorium vorgedrungen. In diesem Zusammenhang kommt es zu Plünderungen, Morden und dem Verbrennen von Ernten. Die äthiopische Luftwaffe hat begonnen, Angriffe gegen die sudanesische Armee zu fliegen. Immer öfter wird über einen möglichen Krieg zwischen beiden Ländern spekuliert (LIB, Kapitel 2).

Ende Juni 2019 kam es zu mehreren Angriffen auf führende Politiker landesweit. Der Regionalpräsident von Bahir Dar wurde, gemeinsam mit zwei weiteren Regionalregierungsmitgliedern und Dutzender weiterer Personen bei einem „Putschversuch“ durch den Sicherheitsregionalleiter am 22.06.2019 getötet. Am 20.06.2019 wurde der Bürgermeister von Dembir Bolo angeschossen und schwer verletzt. In Guba wurden bei einem Angriff einer Amhara-Miliz am 23.06.2019 mehr als 50 Personen getötet. In Addis Abeba wurde der Militärstabschef durch seinen eigenen Personenschützer erschossen (LIB, Kapitel 2).

Die Ereignisse von Juni 2019 stehen in scharfem Kontrast zum Rückgang der Gewalt seit der Amtseinsetzung von Premierminister Abiy im April 2018. Abiy schlug danach eine härtere Linie ein. Das Internet wurde für vier Tage landesweit blockiert und hunderte Personen wurden in Zusammenhang mit der Gewalt verhaftet; der Druck der Regierung hat seitdem nicht nachgelassen (LIB, Kapitel 2).

Ende Oktober 2019 kam es nach Gerüchten über die Misshandlung des Abiy-Kritikers und Internetaktivisten Jawar Mohammed durch Sicherheitskräfte zu Protesten und Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstrierenden. Aus den Protesten entwickelten sich in der Folge ethnisch und religiös motivierte Unruhen. In den darauffolgenden Tagen kam es in vielen Städten zu gewaltsamen Sicherheitsmaßnahmen, gewalttätigen Konfrontationen und Kämpfen. Im Zuge dieser gewaltsamen Zusammenstöße zwischen verschiedenen Volksgruppen wurden nach Angaben des Premierministers 86 Menschen getötet, darunter zehn Tote durch Sicherheitskräfte und im Zusammenhang mit den Unruhen wurden 409 Personen verhaftet. Premierminister Abiy kündigte an, dass die Behörden gegen all jene vorgehen würden, die "den Frieden und die Stabilität Äthiopiens bedrohen" (LIB, Kapitel 2).

Nach der Ermordung des Musikers und Aktivisten Hachalu Hundessa am 29.06.2020 ist es in Äthiopien in mehreren Städten zu gewalttätigen Unruhen gekommen. In Addis Abeba wurde von mehreren Explosionen berichtet, Geschäfte wurden in Brand gesetzt, es gab mehrere Tote, Verletzte sowie Verhaftungen. Inzwischen habe sich die Lage – so die Polizei – wieder beruhigt. Drei Verdächtige des Mordes am Sänger seien in Untersuchungshaft, die Hintergründe des Anschlages sind jedoch bislang noch unklar. Als Reaktion auf die Unruhen blockierte die äthiopische Regierung alle Internetverbindungen im Land. Auch die Telefonverbindungen wurden unterbrochen (LIB, Kapitel 2).

Region Oromia:

Für die Region Oromia wurde ein hohes Sicherheitsrisiko ausgerufen. In den Regionen Oromia und Amhara kann es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Bevölkerung und der Polizei kommen. In den Oromo-und Amhara-Regionen kommt es des Öfteren zu teils gewalttätigen Demonstrationen und Protestaktionen. Über 200.000 Menschen sind seit Juli 2018 vor ethnischen Konflikten im SRS geflohen. Damit steigt die Gesamtzahl auf über 700.000, die in den letzten Jahren vor interkommunaler Gewalt geflohen sind. Die meisten kamen aus der Region Oromia. Insgesamt wurden im SRS fast 1,1 Millionen Menschen vertrieben, wenn auch andere Ursachen wie Dürre und Überschwemmungen berücksichtigt werden (LIB, Kapitel 4.1).

1.5.2. Rechtsschutz und Sicherheitsbehörden:

Das Gesetz bzw. die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor. In der Praxis ist davon auszugehen, dass die Gerichte nicht immer unabhängig arbeiten, was jedoch kaum nachzuweisen ist. Das Justizwesen wird als korrupt und undurchsichtig wahrgenommen (LIB, Kapitel 5).

Sowohl religiöse als auch traditionelle Gerichte sind verfassungsmäßig anerkannt. Viele Bürger in ländlichen Gebieten haben kaum Zugang zum formalen Justizsystem und sind auf traditionelle Konfliktlösungsmechanismen angewiesen. Scharia-Gerichte können religiöse und Familienrechtsfälle übernehmen, die Muslime betreffen. Sie erhalten finanzielle Unterstützung durch den Staat und urteilen in der Mehrheit der Fälle in den vorwiegend muslimischen Somali und Afar-Gebieten. Daneben gibt es noch weitere traditionelle Rechtssysteme, wie etwa Ältestenräte (LIB, Kapitel 5).

Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht ersichtlich (LIB, Kapitel 5).

Das Public Defender‘s Office bietet kostenlose Rechtsberatung, allerdings sind dessen Ressourcen beschränkt. Zusätzlich gibt es zahlreiche sog. Legal Aid Clinics und in manchen Landesteilen dürfen auch Rechtsstudenten und -Professoren pro bono als Verteidiger auftreten. Pflichtverteidiger können erst dann in Anspruch genommen werden, wenn der Fall bei Gericht anhängig ist (LIB, Kapitel 5).

Die Sicherheitskräfte handeln im Allgemeinen diszipliniert, sind aber oftmals schlecht ausgebildet, schlecht ausgerüstet und besitzen ungenügende Kenntnis der gesetzlichen Vorschriften. Gewalt wird teilweise unverhältnismäßig eingesetzt. Straffreiheit ist weiterhin ein ernstes Problem. Allerdings lässt die Regierung Polizisten und Soldaten in Menschenrechten ausbilden (LIB, Kapitel 5).

Der National Intelligence and Security Service (NISS) ist als Sicherheits- und Abwehrbehörde gut aufgestellt und verfügt über ein funktionierendes Netz an Zuträgern in allen Bereichen des privaten und öffentlichen Lebens. Sein Schwerpunkt richtete sich in erster Linie gegen die politische inländische Opposition, regierungskritische Journalisten und gegen Gruppierungen aus Eritrea und Somalia (LIB, Kapitel 6).

Die Bundespolizei (Federal Police) untersteht dem Premierminister und unterliegt parlamentarischer Aufsicht. Diese Aufsicht ist allerdings locker. Jeder der neun Regionalstaaten hat eine eigene Staats- oder Sonderpolizeieinheit [„Liyu“], die jeweils den regionalen zivilen Behörden untersteht. Neben den staatlichen bzw. regionalen Polizeibehörden gibt es in allen Regionen staatliche Milizen. Diese sind von Gemeindevertretern ausgewählte, bewaffnete Personen, die ehrenamtlich Militär- und Polizeidienste leisten und im Wesentlichen Polizeiaufgaben in (teilweise sehr entlegenen) ländlichen Gebieten erfüllen (vergleichbar mit „Community Police“) (LIB, Kapitel 6).

In einigen Regionen (Oromia, SRS, Gambella, Sidamo) gehen Polizei und Militär weiterhin gezielt gegen vermutete und tatsächliche Unterstützer und Angehörige der dort aktiven, z. T. militant bis terroristisch operierenden oppositionellen Gruppierungen OLF (Oromo Liberation Front), ONLF (Ogaden National Liberation Front), Ethiopian National United Patriotic Front (ENUPF) und Sidamo Liberation Front (SLF) vor. Die beiden erstgenannten Gruppierungen wurden allerdings im Juli 2018 entkriminalisiert. Im Zuge der Proteste, bzw. des Ausnahmezustandes in der Region Oromia wurden hauptsächlich Militär und Bundespolizei gegen Demonstranten eingesetzt (LIB, Kapitel 6).

1.5.3. Allgemeine Menschenrechtslage, Folter und unmenschliche Behandlung:

Menschenrechte und Freiheiten sind als unverletzbar und unveräußerlich in der äthiopischen Verfassung von 1995 genannt. Trotzdem ist die Menschenrechtssituation in Äthiopien unbefriedigend. Dies gilt vor allem für die Rechtsstaatlichkeit (Vorführung vor Gericht, Verfahrensdauer) und die Behinderung und Verfolgung von Journalisten. Es erfolgen Verhaftungen ohne Haftbefehl und ohne fristgerechte gerichtliche Überprüfung (LIB, Kapitel 10).

Zu den wichtigsten Menschenrechtsproblemen gehören: willkürliche Tötung, Verschwindenlassen, Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch Sicherheitskräfte; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Verhaftung und Inhaftierung durch Sicherheitskräfte; Verweigerung eines fairen öffentlichen Prozesses; Verletzung der Persönlichkeitsrechte; Beschränkungen der Meinungs-, Presse-, Internet-, Versammlungs-, Vereinigungs- und Bewegungsfreiheit; mangelnde Rechenschaftspflicht in Fällen von Vergewaltigung und Gewalt gegen Frauen; Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher Orientierung. Die Regierung hat im Allgemeinen keine Schritte unternommen, um Beamte, die andere Menschenrechtsverletzungen als Korruption begangen haben, zu verfolgen oder anderweitig zu bestrafen. Straffreiheit ist ein Problem; es kommt nur zu einer begrenzten Anzahl von Anklagen von Mitgliedern der Sicherheitskräfte oder von Beamten wegen Menschenrechtsverletzungen (LIB, Kapitel 10).

Der im vergangenen Jahr mehrmals ausgerufene Ausnahmezustand schränkte die Meinungs- und Versammlungsfreiheiten weitestgehend ein und verlieh den Sicherheitskräften weitreichende neue Befugnisse: u.a. Durchsuchungen und Verhaftungen ohne richterlichen Beschluss, Unterbindung von Kommunikationswegen und von Versammlungen. Allerdings wurde der Ausnahmezustand im Juni 2018 aufgehoben (LIB, Kapitel 10).

Die Verfassung verbietet Folter. Das in der Verfassung verankerte Verbot von Folter wird in der Praxis unterlaufen. Von verschiedener Seite werden immer wieder Vorwürfe über Misshandlungen durch Polizei und Militär laut. Berichte von Folter und Misshandlung gibt es insbesondere während der Untersuchungshaft und von Häftlingen, die unter Verdacht stehen, mit Terrororganisationen in Verbindung zu stehen. Eine adäquate und konsistente Reaktion der Behörden auf z.B. in Gerichtsverfahren geäußerte Folter- und Misshandlungsvorwürfe ist nicht zu erkennen. Eine Untersuchung derartiger Verbrechen findet in der Regel nicht statt (LIB, Kapitel 7).

1.5.4. Todesstrafe:

Einige Gesetze, zum Beispiel das Strafgesetz und das Antiterrorgesetz, sehen nach wie vor die Todesstrafe vor. Die Todesstrafe wurde in Äthiopien seit 1991 zwei Mal vollstreckt. Seit der letzten Hinrichtung im August 2007 herrscht ein de-facto Moratorium (LIB, Kapitel 12).

1.5.5. Ethnische Minderheiten

Äthiopien ist ein Vielvölkerstaat mit einer großen Zahl von Ethnien und Sprachen. Die Anzahl ethnischer Gruppen wird mit mindestens 80 bis zu 120, angegeben. Die Sprachenvielfalt ist ebenso ausgeprägt. Diese sind entweder sehr klein, mit nur einigen tausend Menschen (z.B. Mursi) oder mit über 25 Millionen (z.B. Oromo) sehr groß. Laut Volkszählung von 2007 sind Oromo mit 34,5% und Amharen mit 29,6% die zwei größten ethnischen Gruppen, gefolgt von Somali mit 6,2% und Tigray mit 6,1%. Die übrigen Ethnien machen zusammen gut 23% der Bevölkerung aus (LIB, Kapitel 14).

Auch wenn keine diskriminierende Gesetzgebung oder Verwaltungspraxis feststellbar ist, gibt es jedoch nicht verifizierbare Berichte, dass kleinere indigene Gruppen in der Praxis diskriminiert werden (LIB, Kapitel 14).

Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Ethnien werden teils gewaltsam ausgetragen, und weder die Zentralregierung noch lokale Behörden sind in allen Regionen in der Lage, Menschenrechte und demokratische Rechte permanent zu gewährleisten (LIB, Kapitel 14).

1.5.6. Religionsfreiheit

Äthiopier sind tief gläubige Menschen, für die ihr Glaube fester Bestandteil ihres Alltags ist. Die zwei größten Glaubensgemeinschaften sind die äthiopisch-orthodoxen Christen (ca. 43%) und überwiegend sunnitische Muslime (ca. 34%). Die übrigen 23% gehören überwiegend anderen christlichen Kirchen oder traditionellen Religionen an (LIB, Kapitel 13).

Die sunnitischen Muslime, die etwa ein Drittel der äthiopischen Bevölkerung ausmachen, sind in den Regionen Oromia, Somali und Afar vorherrschend (LIB, Kapitel 13).

Die Verfassung kodifiziert die Trennung von Religion und Staat, legt Religionsfreiheit fest, verbietet religiöse Diskriminierung und legt fest, dass die Regierung sich nicht in die Ausübung einer Religion einmischt und dass keine Religion in die Angelegenheiten des Staates eingreift (LIB, Kapitel 13).

Äthiopien ist für die friedliche Koexistenz der verschiedenen Glaubensgemeinschaften, vor allem für das friedliche Zusammenleben von Muslimen und Christen, bekannt. Generell sind bislang keine nennenswerten interreligiösen Spannungen in Äthiopien zu verzeichnen (LIB, Kapitel 13).

Allerdings werden Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen religiösen Gruppen teils gewaltsam ausgetragen. In den Bundesstaaten Oromia und im Somali Regional State (SRS) schwelt ein international kaum wahrgenommener Konflikt. Die Gewalttätigkeiten sind religiös und ethnisch aufgeladen (LIB, Kapitel 13).

1.5.7. Ethnische Minderheiten

Äthiopien ist ein Vielvölkerstaat mit einer großen Zahl von Ethnien und Sprachen. Die Anzahl ethnischer Gruppen wird mit mindestens 80, in einigen Quellen mit bis zu 120, angegeben. Die Sprachenvielfalt ist ebenso ausgeprägt. Diese sind entweder sehr klein, mit nur einigen tausend Menschen (z.B. Mursi) oder mit über 25 Millionen (z.B. Oromo) sehr groß. Laut Volkszählung von 2007 sind Oromo mit 34,5% und Amharen mit 29,6% die zwei größten ethnischen Gruppen, gefolgt von Somali mit 6,2% und Tigray mit 6,1%. Die übrigen Ethnien machen zusammen gut 23% der Bevölkerung aus (LIB Kapitel 14).

Auch wenn keine diskriminierende Gesetzgebung oder Verwaltungspraxis feststellbar ist, gibt es jedoch nicht verifizierbare Berichte, dass kleinere indigene Gruppen in der Praxis diskriminiert werden (LIB Kapitel 14).

Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Ethnien werden teils gewaltsam ausgetragen, und weder die Zentralregierung noch lokale Behörden sind in allen Regionen in der Lage, Menschenrechte und demokratische Rechte permanent zu gewährleisten. (LIB Kapitel 14).

Im Sommer 2018 ist die Bilanz bezüglich ethnischer Versöhnung auch in anderen Teilen des Landes ernüchternd: An der Grenze zwischen den Regionen Somali und Oromia kommt es immer wieder zu Gewaltexzessen, auch an der Grenze zwischen Oromia und der Southern Nations', Nationalities' and Peoples' Region (SNNPR) gibt es bewaffnete Auseinandersetzungen (LIB Kapitel 14).

Mitte Dezember 2018, kam es erneut zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Volksgruppen der Somali- und Oromia Region (LIB Kapitel 14).

1.5.8. Bewegungsfreiheit

Obwohl das Gesetz die Bewegungsfreiheit im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Rückführung vorsieht, kam es während des Ausnahmezustands zu Einschränkungen der internen Bewegungsfreiheit. Diese Beschränkungen wurden mit dem Ende des Ausnahmezustands aufgehoben (LIB Kapitel 16).

Bei der Ein- und Ausreise über den internationalen Flughafen in Addis Abeba erfolgt eine genaue Personen- und Passkontrolle mit digitaler Erfassung. An den wenigen Grenzübergängen der Landgrenze wird die Ein- und Ausreise manuell erfasst. Abseits der offiziellen Grenzübergänge sind die Grenzen passierbar, der Verlauf der Grenzen ist nicht demarkiert (LIB Kapitel 16).

Opfer staatlicher Repressionen können ihren Wohnsitz in andere Landesteile verlegen, um einer lokalen Bedrohungssituation zu entgehen. Der niedrige Entwicklungsstand, Schwierigkeiten beim Landerwerb und ethnische sowie sprachliche Abgrenzungen machen die Gründung einer neuen wirtschaftlichen und sozialen Existenz in anderen Landesteilen mitunter schwierig. In größeren Städten ist ein wirtschaftlicher Neuanfang im Vergleich leichter möglich (LIB Kapitel 16).

1.5.9. Grundversorgung/Wirtschaft

Äthiopien ist bei etwa 92,7 Millionen Einwohnern mit einem jährlichen Brutto-National-Einkommen von etwa 927,4 US-Dollar pro Kopf eines der ärmsten Länder der Welt, auch wenn das Wirtschaftswachstum in den letzten zehn Jahren wesentlich über dem regionalen und internationalen Durchschnitt lag. Ein signifikanter Teil der Bevölkerung lebt unter der absoluten Armutsgrenze, das rasche Bevölkerungswachstum trägt zum Verharren in Armut bei. Äthiopien ist strukturell von Nahrungsmittelknappheit betroffen, ebenso wie von häufigen Überschwemmungen und die Regierung steht noch vor enormen humanitären Herausforderungen. Das Land leidet immer noch unter den Auswirkungen der Dürre 2015-16, welche durch unterdurchschnittliche Niederschläge im Jahr 2017 verstärkt wurden. Hunderttausende waren zur Flucht aus ihren Häusern gezwungen - vor allem im Süden und Südosten des Landes. Derzeit leiden fast 8 Millionen Menschen an einer unsicheren Nahrungsmittelversorgung und benötigen humanitäre Hilfe (LIB Kapitel 18).

Viele Menschen können nicht lesen oder schreiben, sind nicht in die moderne Ökonomie eingebunden und haben nur unzureichenden Zugang zu medizinischer Versorgung. Staatliche soziale Sicherungssysteme sind auf die Agenda der Regierung getreten: Mit der Arbeit an einer National Social Protection Policy hat die Arbeit an Themen wie Kindergeld, Alters- und Berufsunfähigkeitsrenten begonnen (LIB Kapitel 18).

Äthiopien ist traditionell ein Land der Landwirtschaft und Viehzucht, wandelt sich durch massive Anstrengungen in den letzten Jahrzehnten aber immer mehr zu einem Land mit aufstrebenden Dienstleistungs- und Industriesektoren. Die äthiopische Wirtschaftslage entwickelt sich insgesamt gut. Im Jahr 2016 war ein Wirtschaftswachstum von etwa 8-10% zu verzeichnen. Die Wirtschaft des Landes zählt damit zu den am schnellsten wachsenden der Welt (LIB Kapitel 18).

Die meisten Menschen in Äthiopien (ca. 80%) leben auf dem Land als sesshafte Bauern, Viehhirten oder (Halb-) Nomaden. Neben der Millionenstadt Addis Abeba gibt es 16 Großstädte mit mehr als 120.000 Einwohnern. Das Bevölkerungswachstum in den Städten ist mit fast 5% deutlich höher als das ländliche. Dieses Wachstum geht einher mit der Überforderung von Stadtverwaltungen, dem schlechten Umgang mit den kommunalen Finanzen sowie einer schwachen städtischen Infrastruktur. Hinzu kommt eine hohe Arbeitslosigkeit, die durch die Schwäche des modernen Wirtschaftssektors und die anhaltend hohe Zuwanderung aus dem ländlichen Raum verstärkt wird (LIB Kapitel 18).

Der wichtigste Erwerbszweig bleibt die Landwirtschaft mit 81% der Erwerbstätigen, die 2016 rund 40% des Bruttoinlandsprodukts erzeugten (GIZ 9.2018). Die saisonalen Niederschläge von Oktober bis Dezember 2018 waren unterdurchschnittlich und unregelmäßig, es ist zu langen Trockenperioden gekommen. Die Entwicklung nicht-saisonaler Niederschläge, insbesondere in Teilen von Tigray, Amhara, SNNPR sowie im westlichen und zentralen Oromia, hat die Ernte- und Lageraktivitäten behindert und die Ernteerträge in den betroffenen Gebieten beeinträchtigt. Von der Leistungsfähigkeit der landwirtschaftlichen Produktion hängt die Sicherheit der Lebensmittelversorgung ab. Viele Kleinbauern können sich und ihre Familien mit ihrer Ernte nicht ganzjährig ernähren. Jährlich erhalten daher rund 3 Millionen Äthiopier Nahrungsmittelhilfe zur Überbrückung ihrer Engpässe, weitere ca. 8 Millionen werden über das staatliche Productive Saftey Net Programme (PSNP, Landwirtschafts- und Sozialprogramm) 6 Monate im Jahr durch Cash-for-Work oder auch direkte Nahrungsmittelhilfe unterstützt. Zudem besteht ein hoher Bedarf an humanitärer Versorgung im Rahmen der Dürrehilfe mit einem Volumen von 948 Mio. USD. Darüber hinaus sind 7,9 Mio. Menschen auf ein staatliches Sozialprogramm zur Ernährungssicherung angewiesen. Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Kindergeld o. ä. werden von der äthiopischen Regierung nicht erbracht (LIB Kapitel 18).

Teile der Regionalstaaten Oromia und Harar befinden sich in IPC-Phase 3 (IPC = Integrated Phase Classification der Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln; Stufe 1 – Minimal, Stufe 2 – Stressed, Stufe 3 Crisis, Stufe 4 – Emergency, Stufe 5 – Hungersnot). Der überwiegende Teil des Regionalstaates Somali befindet sich in IPC-Stufe 3. Die Stadt Addis Abeba und deren Umgebung, insbesondere der westliche Teil des Landes befindet sich in IPC-Stufe 1 – Minimal und ist kaum von Nahrungsmittelknappheit bedroht (LIB Kapitel 18; FEWS).

1.5.10. Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung ist in Addis Abeba nur beschränkt gewährleistet und vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch hoch problematisch. Die Gesundheitsversorgung ist trotz erheblicher Anstrengungen und bereits erzielter Fortschritte noch mangelhaft. Medizinische Versorgungsmöglichkeiten sind begrenzt, die Qualität ist unvorhersehbar, eine staatliche notfallmedizinische Versorgung auf europäischem Niveau ist landesweit nicht vorhanden. Vor allem im medizinischen Bereich stellt die Abwanderung qualifizierter Fachkräfte (brain drain) ein Problem dar (LIB Kapitel 19).

Generell ist die medizinische Versorgung auf dem Land wegen fehlender Infrastruktur erheblich schlechter als in den städtischen Ballungszentren. Ernsthafte Krankheiten und Verletzungen werden im Ausland behandelt. Es gibt in Äthiopien weder eine kostenlose medizinische Grundversorgung noch beitragsabhängige Leistungen. Krankenhäuser verlangen eine finanzielle Garantie, bevor sie Patienten behandeln (Vorschusszahlung). Die medizinische Behandlung erfolgt entweder in staatlichen Gesundheitszentren bzw. Krankenhäusern oder in privaten Kliniken (LIB Kapitel 19).

Die Behandlung akuter Erkrankungen oder Verletzungen ist durch eine medizinische Basisversorgung gewährleistet. Komplizierte Behandlungen können wegen fehlender Ausstattung mit hochtechnologischen Geräten nicht durchgeführt werden (LIB Kapitel 19).

Viele Menschen sind von häufigen Durchfällen betroffen. Diese stellen bei Kindern die häufigste Todesursache dar. Chronische Krankheiten, die auch in Äthiopien weit verbreitet sind, wie Diabetes, Schwäche des Immunsystems etc. können mit der Einschränkung behandelt werden, dass bestimmte Medikamente ggf. nicht verfügbar sind. Andere Herausforderungen bleiben Malaria, Hepatitis, Meningitis, Bilharziose sowie HIV/AIDS. HIV/AIDS ist in Äthiopien stark verbreitet (LIB Kapitel 19).

Es kommt bei bestimmten Medikamenten immer wieder einmal zu Versorgungsengpässen. Der Zugang zu den wesentlichen Medikamenten ist nur einem Teil der Bevölkerung möglich. Fast die Hälfte der Bevölkerung muss mehr als 15 Kilometer zurücklegen, um zum nächstgelegenen Gesundheitsposten zu gelangen (LIB Kapitel 19).

1.5.11. Behandlung nach Rückkehr

Die bloße Asylantragstellung im Ausland bleibt ohne Konsequenzen. Es sind keine Fälle bekannt, in denen zurückgekehrte Äthiopier Benachteiligungen ausgesetzt waren oder diese gar festgenommen oder misshandelt worden wären. Im direkten persönlichen Umfeld wird eine Rückkehr jedoch häufig als Scheitern gewertet. Daher suchen einige der zwangsweise nach Äthiopien zurückgeführten Personen erneut den Weg nach Europa. Rückkehrer können nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen. Für schutzbedürftige Rückkehrer, insbesondere für unbegleitete Minderjährige, gibt es Erstaufnahmeeinrichtungen, die von IOM betrieben werden. Die Regierung arbeitet mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen zusammen, um die Bereitstellung von Schutz und Hilfe für IDPs, Flüchtlinge, rückkehrende Flüchtlinge, Asylbewerber, Staatenlose und andere betroffene Personen zu gewährleisten (LIB Kapitel 20).

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt sowie durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die vorgelegten Urkunden.

Den Feststellungen basieren auf den in der Klammer angeführten Beweismitteln.

2.2. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

2.2.1. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, beim Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

2.2.2. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Religionszugehörigkeit, seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Muttersprache und seinen weiteren Sprachkenntnissen und zu seinem Lebenslauf (seinem Aufwachsen sowie seiner Schulbildung in Äthiopien), sowie zu seinem Familienstand gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Feststellung zur Sozialisierung des Beschwerdeführers nach äthiopischen Gepflogenheiten ergibt sich daraus, dass er in Äthiopien mit seiner Familie aufgewachsen ist. Zudem ist er dort zur Schule gegangen.

Die Daten der Ausreise und der Antragsstellung in Österreich ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2.3. Zwar gab der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung und vor dem Bundesamt an, dass er keinen Kontakt zu seiner Familie habe und er auch nicht wisse, wo sich diese befinde (AS 162; VP S. 8 f), das Gericht geht jedoch davon aus, dass es sich dabei nur um eine Schutzbehauptung handelt.

Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt gab der Beschwerdeführer an, dass es seiner Familie laut seinem in Amerika lebenden Bruder gut gehe. Dieser hätte per Telefon Kontakt zur Familie (AS 162). In der Beschwerdeverhandlung erklärte der Beschwerdeführer im Widerspruch dazu, dass sein Bruder die Familie seit vier Jahren suche (VP S. 9). Den Angaben des Beschwerdeführers zufolge würde dies jedoch bedeuten, dass der Bruder des Beschwerdeführers die Familie seit dem Jahr 2017 suche, was mit den Angaben in der Einvernahme vor dem Bundesamt im Jahr 2018, wonach der Bruder Kontakt zu Familie habe, nicht in Einklang zu bringen ist.

Der Beschwerdeführer betonte zudem in der Beschwerdeverhandlung, dass er und sein Bruder ein sehr gutes Verhältnis hätten und dieser den Beschwerdeführer sogar habe besuchen wollen (VP S. 9). Warum der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt dann angab, dass sein Bruder ihm die Telefonnummer der Familie nicht habe geben wollen, ist nicht nachvollziehbar (AS 162). Die Angaben des Beschwerdeführers zum fehlenden Kontakt zu seiner Familie sind nicht glaubwürdig.

In der niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt gab er zudem an, dass es seiner Familie laut Angaben seines Bruders gut gehe (AS 162), während er in der Beschwerdeverhandlung erklärte, dass seine Geschwister oft zusammengeschlagen worden seien (VP S. 9). Diese widersprüchlichen Angaben sind nicht in Einklang zu bringen. Die Angaben des Beschwerdeführers zum Aufenthaltsort und dem fehlenden Kontakt mit seiner Familie sind daher nicht glaubhaft.

Es ist zudem kein Grund ersichtlich, aus dem der Kontakt zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Familie in Äthiopien abreißen sollte oder der Beschwerdeführer nicht in der Lage sein sollte diesen zu seiner Familie weiterhin aufrecht zu erhalten. Sogar sein Bruder in Amerika konnte den Kontakt zur Familie in Äthiopien über mehrere Jahre aufrecht erhalten. Der Beschwerdeführer hat daher – ebenso wie sein in Amerika lebender Bruder – auch weiterhin Kontakt zu seiner in Äthiopien lebenden Familie.

2.2.4. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers gründen auf seinen diesbezüglichen glaubhaften Aussagen in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die beim Beschwerdeführer aufgetretene Hepatitis B ist nach seinen eigenen Angaben schon ausgeheilt.

2.3. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

2.3.1. Sofern der Beschwerdeführer angegeben hat, ihm drohe Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die äthiopische Regierung, so kommt seinem Vorbringen aus folgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:

Das Bundesverwaltungsgericht geht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund seines persönlichen Eindrucks über den Beschwerdeführer davon aus, dass ihm hinsichtlich seines Vorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Der Beschwerdeführer wurde zu Beginn der Verhandlung angehalten, sein Vorbringen detailliert, konkret und nachvollziehbar zu gestalten. Diesen Anforderungen ist der Beschwerdeführer jedoch nicht gerecht worden. Das vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Fluchtvorbringen wirkte konstruiert und zeigte zu seinen vorigen Befragungen Widersprüche und Unplausibilitäten, die seine Angaben unglaubhaft scheinen lassen. Darüber hinaus erweckte das Aussageverhalten des Beschwerdeführers betreffend seiner Fluchtgründe in der Beschwerdeverhandlung für das Gericht den Eindruck, dass es sich lediglich um eine auswendig gelernte konstruierte Geschichte handelt.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Erstbefragung noch minderjährig (16 Jahre alt) war und dass die behaupteten Vorfälle schon einige Zeit zurückliegen und deshalb Erinnerungslücken einer vollkommen detaillierten Erzählung entgegenstehen können; dass der Beschwerdeführer die Ereignisse jedoch in einer derart oberflächlichen und widersprüchlichen Weise wie in der Einvernahme vor dem Bundesamt und der mündlichen Verhandlung schildern würde, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätten sie sich tatsächlich zugetragen.

2.3.2. Der Beschwerdeführer gab in der Erstbefragung zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er in Äthiopien Mitglied der OROMO-Partei gewesen sei und an einer Demonstration teilgenommen habe. Da es Ausschreitungen gegeben hätte, hätte die Polizei die Teilnehmer verhaftet und er sei für ein Monat in der Polizeistation in Addis Abeba eingesperrt gewesen (AS 9).

In seiner niederschriftlichen Einvernahme erklärte der Beschwerdeführer jedoch, dass er nie Mitglied einer politischen Partei gewesen sei (AS 162 f). Auch in der Beschwerdeverhandlung gab er an, dass er nie Mitglied in einer Partei gewesen und nicht politisch interessiert sei (VP S. 13 f). Diese Angaben des Beschwerdeführers sind nicht in Einklang zu bringen und daher unglaubhaft.

Zudem erklärte der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt wie auch in der Erstbefragung, dass er etwa einen Monat eingesperrt gewesen wäre (AS 9, 164), während er in völligem zeitlichen Widerspruch dazu in der Beschwerdeverhandlung angab, dass er etwa drei Monate im Gefängnis gewesen wäre (VP S. 13). Selbst unter Beachtung, dass der Beschwerdeführer bei seiner Erstbefragung erst 16 Jahre alt gewesen ist, ist davon auszugehen, dass ihm in Erinnerung bleiben würde, wie lange er inhaftiert gewesen wäre.

In seiner Erstbefragung sprach der Beschwerdeführer davon, dass er ein Monat lang in der Polizeistation eingesperrt gewesen wäre (AS 9), während er vor dem Bundesamt und in der Beschwerdeverhandlung von einem Gefängnisaufenthalt gesprochen hat (AS 162; VP S. 13). Diese Divergenz in den Angaben des Beschwerdeführers ist nicht plausibel und daher nicht nachvollziehbar. Den Namen des Gefängnisses, in dem er sich aufgehalten hätte, konnte der Beschwerdeführer ebenso wenig nennen (AS 163).

Danach befragt, wann der Beschwerdeführer an den Demonstrationen teilgenommen hätte, gab er in der Erstbefragung an, dass dies vor drei Monaten (sohin ein Monat vor seiner Ausreise, also etwa Mai 2016) gewesen wäre (AS 9). In der Beschwerdeverhandlung erklärte er äußerst vage, dass er an der ersten Demonstration zwischen 2006 und 2007 nach dem äthiopischen Kalender (sohin zwischen 2014 und 2015) und zwischen 2007 und 2008 nach dem äthiopischen Kalender (sohin zwischen 2015 und 2016) bei der zweiten Demonstration teilgenommen hätte. Diese Angaben sind zeitlich nicht in Einklang zu bringen und daher unglaubhaft.

In diesem Zusammenhang erklärte der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem Bundesamt, dass er etwa einen Monat nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis aus Äthiopien geflüchtet wäre (AS 164), während er in der Beschwerdeverhandlung angab, dass zwischen seiner Entlassung und seiner Ausreise rund drei Monate gelegen wären (VP S. 14).

Auch nach dem Grund der Inhaftierung befragt macht der Beschwerdeführer unterschiedliche, nicht plausible und widersprüchliche Angaben.

Vor dem Bundesamt erläuterte der Beschwerdeführer, dass er festgenommen worden wäre, weil sie herausfinden hätten wollen, wer die Demonstrationen organisiert hätte (AS 163). In der Beschwerdeverhandlung machte der Beschwerdeführer jedoch gänzlich unterschiedliche Angaben und erklärte, dass man ihn habe bestrafen wollen, weil sein Vater Mitglied der ONEG gewesen wäre (VP S. 14). Die Angaben des Beschwerdeführers passen nicht zusammen. Es ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer in Erinnerung bleiben würde, warum er inhaftiert worden wäre, hätte sich das Geschilderte tatsächlich so zugetragen.

Auch die Angaben zu den Demonstrationen waren lediglich äußerst vage und undetailliert, weshalb nicht davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer tatsächlich an diesen teilgenommen hat. Auch die Anzahl der Demonstrationsbesuche ist widersprüchlich. So gab er in der Beschwerdeverhandlung zunächst an, dass er oft bei Demonstrationen dabei gewesen wäre (VP S. 13), während er einige Fragen später erklärte, an zwei Demonstrationen teilgenommen zu haben (VP S. 13). Die Angaben des Beschwerdeführers sind widersprüchlich und daher nicht glaubhaft.

Auch die Angaben zu dem Grund seiner Freilassung waren widersprüchlich, nicht in Einklang zu bringen und daher unglaubhaft.

So gab der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt an, dass sein Onkel eine Bürgschaft für ihn übernommen hätte (AS 164), während er in der Beschwerdeverhandlung erklärte, dass sein Onkel Kaution habe bezahlen müssen (VP S. 13 f). Auch diese Angaben sind aufgrund ihrer Widersprüchlichkeit nicht glaubhaft.

Insgesamt muss festgehalten werden, dass es sich bei dem Vorgebrachten lediglich um eine grobe Rahmengeschichte ohne lebensnahe Details handelt. Auch wenn die Fluchtgründe schon länger zurückliegen bzw. der Beschwerdeführer damals und bei seiner Ausreise sowie bei der Erstbefragung noch minderjährig (16 Jahre) war, wäre davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mehr lebensnahe Details hätte wiedergeben können.

2.3.3. Dass die Familie des Beschwerdeführers nicht Mitglied bei ONEG, ONLF oder anderen oppositionellen Gruppierungen war, ergibt sich aus folgenden Gründen:

Der Beschwerdeführer gab vor dem Bundesamt danach befragt, ob er mit Privatpersonen gröbere Probleme aufgrund von Blutfehden oder Racheakten habe, an, dass dem nicht so sei und er keine weiteren Gründe habe, warum er Äthiopien verlassen habe (AS 163).

In der Beschwerdeverhandlung gab der Beschwerdeführer jedoch plötzlich an, dass er bei einer Rückkehr nach Äthiopien wegen einer Blutrache umgebracht werden würde (VP S. 15). Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer dieses Vorbringen erst in der Beschwerdeverhandlung zum letztmöglichen Zeitpunkt bekanntgibt und nicht bereits vor dem Bundesamt Angaben dazu gemacht hat. Es liegt daher schon aus diesem Grund eine unglaubhafte Steigerung vor.

Auch dazu konnte der Beschwerdeführer lediglich äußerst vage und undetaillierte Angaben machen:

„R: Wollen Sie noch irgendetwas angeben, dass Sie noch nicht angegeben haben, dass für Ihre Verfahren wichtig sein könnte?

BF: Ich mache mir schon Gedanken, wenn ich zurückkehren würde, würde ich umgebracht werden. Wegen Blutrache. Ich brauche einfach Freiheit um in Frieden zu leben.

R: Was genau meinen Sie mit Blutrache?

BF: Bei uns gibt es das. Wenn irgendwer jemanden von einer anderen Familie umbringt, dann wird auch von der gegnerischen Familie jemand umgebracht.

R: Mit welcher Familie gibt es eine Blutrache oder private Probleme?

BF: Laut meinem Onkel haben schon ein paar Leute behauptet, dass mein Vater jemanden umgebracht hat, während er bei der ONEG war.

R: Wissen Sie dazu etwas Konkretes?

BF: Ja, mein Onkel hat mir gesagt, dass mein Vater jemanden umgebracht hat.

R: Was wissen Sie genau dazu?

BF: Laut meinem Onkel hat die ONEG oft Zivilisten umgebracht. Aus dem Grund wird mein Vater auch verdächtigt. Mein Onkel hat mir auch schon erzählt, dass wir als Mörder bezeichnet wurden“ (VP S. 15).

Die diesbezüglichen Angaben waren äußerst vage und undetailliert. Die Angaben machen nicht den Eindruck als würde es sich um tatsächlich erlebte Ereignisse handeln, zumal ein Verdacht in Äthiopien gegen die Familie „Mörder“ zu sein, jedenfalls einprägsam in Erinnerung bleiben müsste. Dazu kommt zudem, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt nicht von der ONEG, sondern von der ABO gesprochen hat, was die Unglaubhaftigkeit des Vorbringens unterstreicht (AS 164; VP S. 13).

Auch die Angaben zu seinem Vater selbst waren widersprüchlich, nicht in Einklang zu bringen und daher unglaubhaft.

So gab er vor dem Bundesamt zu seinen Familienverhältnissen befragt an, dass sein Vater gelähmt sei und nichts mehr tun könne (AS 162), während er in der Beschwerdeverhandlung erklärte, dass sein Vater verhaftet worden und danach nicht mehr zurückgekehrt wäre (VP S. 13). Der Verbleib des Vaters müsste jedoch auch für einen Jugendlichen jedenfalls besonders einprägsam sein und in Erinnerung bleiben, sodass die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers nicht glaubhaft sind.

Insgesamt war das Vorbringen äußerst vage, undetailliert, widersprüchlich und daher unglaubhaft. Es gibt in Äthiopien daher keine Blutrache gegen die Familie des Beschwerdeführers, diese werden auch nicht verdächtigt andere Personen getötet zu haben oder in deren Tötung verwickelt zu sein. Es droht dem Beschwerdeführer daher bei einer Rückkehr nach Äthiopien auch keine Blutrache oder sonstige Vergeltungsaktionen.

2.4. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

2.5. Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Heimatstadt XXXX ergeben sich aus den o.a. Länderberichten.

Für die Region Oromia wurde ein hohes Sicherheitsrisiko ausgerufen. In den Regionen Oromia und Amhara kann es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Bevölkerung und der Polizei kommen. Zudem kommt es häufiger zu Entführungen an der somalisch-kenianischen Grenze, sowie grenzüberschreitender Stammesauseinandersetzungen.

Der Beschwerdeführer kann sich jedoch in der Stadt Addis Abeba ansiedeln.

Es kommt in Äthiopien zwar immer wieder zu Demonstrationen, Protesten und in diesem Zusammenhang auch zu gewalttätigen Zusammenstößen. Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in Addis Abeba so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die konkrete Gefahr besteht, von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein.

Die sichere Erreichbarkeit der Stadt Addis Abeba ist durch den internationalen Flughafen in Addis Abeba gewährleistet.

Auch wenn die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist, so ist die Versorgung der äthiopischen Bevölkerung in Äthiopien, insbesondere in der Stadt Addis Abeba dennoch zumindest grundlegend gesichert.

Wie festgestellt wurde, ist der Beschwerdeführer jung, gesund, alleinstehend sowie im erwerbsfähigen Alter. Er ist arbeitsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen und sich dadurch selber sein Einkommen erwirtschaften. Er weist zudem einen hohen Bildungsgrad auf, da er eine achtjährige Schulbildung absolviert hat. Besonders im Vergleich zu anderen äthiopischen Staatsangehörigen verfügt der Beschwerdeführer über einen hohen Bildungsabschluss, der ihn in die Lage versetzt sich in Äthiopien wieder leichter am Arbeitsmarkt einzugliedern und sich selber sein Einkommen zu erwirtschaften.

Der Beschwerdeführer ist mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut und anpassungsfähig. Er wurde in Äthiopien sozialisiert und hat dort den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht. Er hat einige Jahre in XXXX gelebt, sodass er mit städtischen Strukturen in Äthiopien vertraut ist. Er kann sich auch innerhalb kurzer Zeit Ortskenntnisse in der Stadt Addis Abeba aneignen.

Der Beschwerdeführer verfügt in Äthiopien über familiäre Anknüpfungspunkte. Er kann auch von seinem Bruder finanziell unterstützt werden. Es ist ihm zudem möglich sich auch ohne familiäre Unterstützung in der Stadt Addis Abeba anzusiedeln. Er kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher auf Grund dieser Umstände davon aus, dass sich der Beschwerdeführer nach anfänglichen Schwierigkeiten in der Stadt Addis Abeba niederlassen und eine Existenz ohne unbillige Härte aufbauen kann.

2.6. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere zur Aufenthaltsdauer und –titel, seinen Deutschkenntnissen, seinen fehlenden familiären und engen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage (vgl. insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem), auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die von ihm im Verfahren vorgelegten Unterlagen.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer über geringe Deutschkenntnisse verfügt, ergibt sich aus dem Eindruck der erkennenden Richterin in der Beschwerdeverhandlung sowie aufgrund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer erst eine Deutschprüfung auf dem Niveau A1 absolviert hat.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer einen Monat als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter erwerbstätig war, ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen seines Arbeitgebers und des AMS.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer weder über einen verbindlichen Arbeitsvorvertrag, noch über eine Einstellungszusage verfügt, ist darauf zurückzuführen, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorkam.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer freundschaftliche Kontakte in Österreich knüpfen habe können, er jedoch über keine engen sozialen Bindungen in Österreich verfügt, ist auf seine Ausführungen in der mündlichen Verhandlung zurückzuführen. Er nannte zwei Freunde namentlich, mit denen er mehr Kontakt habe (VP S. 12).

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister (Beilage ./I.).

3.       Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1.    Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

3.1.1. § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:

„Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1.         dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder
2.         der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

…“

3.1.2. Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines ge

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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