Entscheidungsdatum
20.09.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W142 2228802-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.01.2020, Zl. 830266006-181037195, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF), ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 02.03.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 23.03.2013 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abwies. Weiters wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet gemäß § 10 Abs. 1 AsylG nach Indien ausgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs mit 23.03.2013 in Rechtskraft. Seiner Ausreiseverpflichtung kam der BF nicht nach.
2. In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt Traiskirchen am 07.03.2013 gab der BF an, dass er der Volksgruppe der Lubana angehöre und den Sikh zugehörig sei. Von seiner Geburt an bis zu seiner Ausreise im Jahr 2009 oder 2010 habe er in seinem Elternhaus im Dorf XXXX , Bezirk Kurukshetra, Provinz Haryana gelebt. Er lebe schon seit 2 Jahren in Österreich, einmal da einmal dort. Eigentlich habe er nach Indien zurückwollen, aber weil er bei der Schwarzarbeit erwischt worden sei, habe er einen Asylantrag gestellt. Außerdem gäbe es noch keine Einigung über den Grundstücksstreit in Indien. Seinen Lebensunterhalt habe er in Indien durch Hilfsarbeiten und durch die Verpachtung von Land verdient. Seine Familie wohne noch immer in Indien. In Österreich arbeite er als Zeitungszusteller.
3. In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der Landespolizeidirektion XXXX am 26.06.2013 nannte er als seinen Geburtsort wiederum XXXX und gab er an ledig zu sein. Weiters teilte er mit, dass er bereits im Mai 2010 nach Österreich gereist sei, jedoch habe er den Asylantrag erst am 02.03.2013 eingebracht. Ferner erklärte er, keine Sorgepflichten zu haben. Seine Familie lebe in Indien, in Österreich habe er keine Familienangehörigen.
4. Mit Straferkenntnis des XXXX vom 23.04.2015 wurde die Arbeitgeberin des BF zur Zahlung eines Geldbetrages von 1.232,- Euro verpflichtet, weil der BF illegal als Zusteller beschäftigt wurde.
5. Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion XXXX vom 31.08.2015 wurde der BF zur Zahlung eines Geldbetrages von 650,00 Euro verpflichtet, weil er ohne gültigen Führerschein ein Kraftfahrzeug lenkte.
6 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion XXXX vom 02.02.2016 wurde der BF zur Zahlung eines Betrages von 5.758,96 Euro verpflichtet (Begründung: durch aggressives Verhalten eine Amtshandlung behindert; Polizisten mit Schlägen und Tritten attackiert und mit dem Umbringen bedroht; durch lautes Schreien ordinärer Schimpfwörter den öffentlichen Anstand verletzt; Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf Atemalkoholgehalt; Abstand gegenüber eines vor ihm fahrenden Fahrzeuges nicht eingehalten; keinen Blinker getätigt; Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten; ohne gültigen Führerschein gefahren).
7. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 15.03.2017, XXXX , wurde der BF wegen des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt und des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten mit einer Probezeit von 3 Jahren rechtskräftig verurteilt.
8. In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 31.10.2018 erwiderte er auf die Frage, welche Bemühungen er gezeigt habe, um der Aufforderung nachzukommen an der Beschaffung eines reisefähigen Dokumentes mitzuwirken, dass er nicht gewusst habe, was er machen soll und er daher keine Dokumente habe. In Indien lebe seine Mutter. Starke soziale Bindungen in Österreich habe er nicht. Er habe keine Kinder, sei ledig und habe er in Österreich niemanden. In Indien habe er 10 Jahre lang die Schule besucht und in der Landwirtschaft der Eltern gearbeitet. Allein wegen gesundheitlicher Probleme könne er nicht nach Indien zurück. In diesem Zusammenhang legte er einen Befundbericht vom 18.04.2018 vor, in welchem Asthma diagnostiziert wurde und als Medikation Sultanol Dosaer FCKW-frei, 2 Hübe bei Bedarf, empfohlen wurde. Weiters gab er an, am 19.11.2018 einen neuen Termin beim Lungenarzt zu haben und wurde ihm aufgetragen, den neuen Befund bis spätestens 30.11.2018 der Behörde vorzulegen. Der BF übermittelte jedoch keinen neuen Befund.
9. In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 16.01.2020 erklärte der BF Medikamente wegen Asthma zu nehmen. Seiner Ausreiseverpflichtung sei er nicht nachgekommen, weil sein Leben in Gefahr sei.
10. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 16.01.2020 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG keine Frist gewährt (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Gleichzeitig wurde ein Einreiseverbot für die Dauer von vier Jahren erlassen (Spruchpunkt VI.). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte im Wesentlichen fest, dass der volljährige Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Indien ist und keine gröberen Krankheiten oder Beschwerden namhaft gemacht hat. Weiters wurde festgestellt, dass gegen dem BF seit dem 23.03.2013 eine rechtskräftige Ausweisung besteht und er seiner Ausreiseverpflichtung bislang nicht nachgekommen ist. Weiters wurde er bereits strafrechtlich wegen fahrlässiger Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt rechtskräftig verurteilt. Zum Privat- und Familienleben wurde festgestellt, dass der BF ledig ist und keine Sorgepflichten hat. In Österreich hat er keine Angehörigen und auch sonst keine wesentlichen Bindungen. In Indien lebt seine Mutter. Darüber hinaus geht er keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nach und hat auch sonst keine Mitgliedschaften in Vereinen oder Organisationen, beziehungsweise Fort- oder Weiterbildungen namhaft gemacht.
11. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass der BF sich intensiv um eine Integration bemüht habe. Er sei in der Lage sich auf legaler Weise seinen eigenen Lebensunterhalt zu finanzieren, er habe zahlreiche soziale Kontakte geknüpft. Er wolle noch besser die deutsche Sprache erlernen und ist selbsterhaltungsfähig. Er bedaure sein strafrechtliches Verhalten uns sei von einer günstigen Zukunftsprognose auszugehen. Ein kürzeres Einreiseverbot sei angemessen bzw. überhaupt keines. Es werde um Durchführung einer mündlichen Verhandlung ersucht, damit der BF seine Integration in Österreich, seine Befürchtungen bezüglich einer Rückkehr nach „Nigeria“ sowie seine Situation in Österreich persönlich erläutern zu können.
12. Im Verfahren legte der BF einen indischen Führerschein vor.
13. Laut dem Zentralen Melderegister ist ersichtlich, dass der BF mehrfach über keine aufrechte Meldung in Österreich verfügt hat. Zuletzt war der BF vom 02.01.2019 bis zum 01.10.2020 im Bundesgebiet aufrecht gemeldet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien und der Volksgruppe der Lubana sowie der Glaubensgemeinschaft der Sikh zugehörig. Die Identität des BF steht fest.
Der Beschwerdeführer ist im Dorf XXXX , Bezirk Kurukshetra, Provinz Haryana in Indien geboren und aufgewachsen und absolvierte dort eine Schulbildung im Umfang von zehn Jahren. Der Beschwerdeführer verdiente seinen Unterhalt in Indien durch Hilfsarbeiten und die Verpachtung von Grundstücken. Seine Familie lebt in Indien.
Der Beschwerdeführer verfügt über keine sozialen Bindungen in Österreich. Er ist als Zeitungszusteller illegal erwerbstätig. Derzeit bezieht der Beschwerdeführer keine Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer hat keine Bestätigungen über den Besuch von Deutschkursen und keine Zertifikate über absolvierte Deutschprüfungen vorgelegt. Der BF spricht Punjabi.
Der Beschwerdeführer leidet an keiner schwerwiegenden Erkrankung und ist arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer hat Asthma.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 15.03.2017, XXXX , wurde der BF wegen des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt und des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten mit einer Probezeit von 3 Jahren rechtskräftig verurteilt.
Der Beschwerdeführer läuft nicht konkret Gefahr, in seinem Herkunftsstaat der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe beziehungsweise der Todesstrafe unterworfen zu werden oder in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Notlage zu geraten.
Die aktuell vorherrschende COVID-19-Pandemie stellt kein Rückkehrhindernis dar.
Zur Situation im Herkunftsland wird von den wiedergegebenen zutreffenden Feststellungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid ausgegangen. Die Situation im Herkunftsland hat sich seit dem Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung in den gegenständlich relevanten Punkten nicht entscheidungswesentlich verändert, sodass ein neuerlicher Vorhalt im Beschwerdeverfahren unterbleiben konnte.
1.2. Zur Lage in Indien wird unter Heranziehung der seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl getroffenen Länderfeststellungen nachfolgend festgestellt:
COVID-19
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verhängte die indische Regierung am 25. März 2020 eine Ausgangssperre über das gesamte Land, die nur in Einzelfällen (Herstellung lebensnotwendiger Produkte und Dienstleistungen, Einkaufen für den persönlichen Bedarf, Arztbesuche, usw.) durchbrochen werden durfte. Trotz der Ausgangssperre sanken die Infektionszahlen nicht. Seit der ersten Aufsperrphase, die am 8. Juni 2020 begann, schießt die Zahl der Infektionen noch steiler als bisher nach oben. Größte Herausforderung während der Krise waren die Millionen von Wanderarbeitern, die praktisch über Nacht arbeitslos wurden, jedoch auf Grund der Ausgangssperre nicht in ihre Dörfer zurückkehren konnten (ÖB 9.2020; vgl. HRW 13.1.2021). Viele von ihnen wurden mehrere Wochen in Lagern unter Quarantäne gestellt (also de facto eingesperrt), teilweise mit nur schlechter Versorgung (ÖB 9.2020). Menschen mit Beeinträchtigungen sind von coronabedingten Maßnahme wie Abriegelungen und sozialen Distanzierungen besonders betroffen. Der Zugang zu medizinischer Versorgung und lebenswichtigen Gütern und der Ausübung sozialer Distanzierung, insbesondere für diejenigen, die persönliche Unterstützung für Aufgaben des täglichen Lebens erhalten (HRW 13.1.2021). Während der ersten Wochen der COVID-19 Pandemie, wurden Muslime für die Verbreitung des Coronavirus, auch von Vertretern der Regierungsparteien verantwortlich gemacht (FH 3.3.2021; vgl. HRW 13.1.2021).
Nach Angaben des indischen Gesundheitsministeriums vom 11. Oktober 2020 wurden seit Beginn der Pandemie mehr als sieben Millionen Infektionen mit COVID registriert. Die täglichen offiziellen Fallzahlen stiegen zwar zuletzt weniger schnell als noch im September, die Neuinfektionen nehmen in absoluten Zahlen jedoch schneller zu als in jedem anderen Land der Welt.
Medien berichten in einigen Teilen des Landes von einem Mangel an medizinischem Sauerstoff in Krankenhäusern (BAMF 12.10.2020).
Die Lage in Indien, dass mit Bezug auf das Infektionsgeschehen (neben den USA und Brasilien) zu den am schwersten von der COVID-19-Pandemie betroffenen Ländern weltweit zählt, hat sich sich gegenüber dem Sommer 2020 mit damals fast 100.000 Neuinfektionen pro Tag inzwischen etwas entspannt. Es erkranken offiziellen Angaben zufolge nach wie vor etwa 40.000 Menschen täglich am Virus. In den Ballungszentren kann die medizinische Versorgung weitest gehend aufrechterhalten werden (GTAI 3.12.2020). Indiens Wirtschaft wurde durch die COVID- 19-Pandemie stark beeinträchtigt (DFAT 10.12.2020; vgl. GTAI 3.12.2020). Das Land rutschte im zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2020-21 erstmals in eine wirtschaftliche Rezession (PRC 18.3.2021). Es wird allgemein erwartet, dass das Land ab 2021 zu einem nachhaltigen Wachstum zurückkehren wird (DFAT 10.12.2020; vgl. GTAI 3.12.2020). Nach dem zweimonatigen harten Lockdown im Frühjahr 2020 hat die indische Regierung das öffentliche Leben im Rahmen ihrer Unlock-Strategie schrittweise wieder hochgefahren. Die Bundesstaaten und Unionsterritorien haben dabei weitreichendere Entscheidungsbefugnisse, welche Lockerungen sie umsetzen und welche nicht. Mit den bestehenden Einschränkungen sollen vor allem Superspreader-Events wie religiöse Großveranstaltungen und Hochzeiten eingedämmt werden. Massentests, Kontaktnachverfolgung, Isolierung von Infizierten und die Abschottung von Gebieten mit hohen Fallzahlen (Containment Zones) sollen helfen, das Virus zurückzudrängen (GTAI 3.12.2020; vgl. WKO 13.1.2021). Es kann daher vereinzelt und regional sowie zeitlich begrenzt zu erneuten Lockdowns kommen. Eine Skizzierung in „Red Zone“, „Orange Zone“ und „Green Zone“ wird von der Regierung des Bundesstaates/Unionsterritoriums in Absprache mit dem Gesundheitsministerium und der nationalen Regierung entschieden (WKO 13.1.2021).
Gegen regierungskritische Äußerungen, auch im Zusammenhang mit Maßnahmen der Regierung im Umgang mit der COVID-19 Pandemie wurden mittels aus der Kolonialzeit stammenden Gesetzen zur Staatsverhetzung und dem im Jahr 2000 erlassenen IT-Gesetz vorgegangen (FH 3.3.2021). Medienvertreter sehen sich Drohungen, Verhaftungen, Strafverfahren oder körperlichen Angriffen durch Mobs oder der Polizei wegen der Berichterstattung über die Pandemie ausgesetzt (HRW 13.1.2021). Mehrere von der Regierung zur Eindämmung einer Verbreitung der Pandemie getroffenen Maßnahmen wurden von Menschenrechtsanwälten als invasiv angesehen (FH 3.3.2021).
Im ersten Quartal 2021 wird Indien mit einem Anstieg der Fallzahlen vor einer zweiten COVID-19 Welle erfasst (TOI 21.3.2021; vgl. TFE 20.3.2021) und verzeichnete im Zeitraum ab April/Mai 2021 die höchsten Zahlen an täglichen Todesfällen wegen des Coronavirus seit Beginn der Pandemie (BAMF 3.5.2021). Kritik äußert sich aus dem Umstand heraus, dass Indien, ob seiner Pharmaindustrie, als „Apotheke der Welt“ durch die Lieferung von Covid-19-Impfstoffen an viele Länder der Welt genießt (FE 20.3.2021; vgl. TOI 21.3.2021), gleichzeitig jedoch bei der Durchimpfung der eigenen Bevölkerung landesweit lediglich einen Wert von rund zwei Prozent erreicht (HO 28.4.2021).
Auch der Umstand, dass im Zuge der Regionalwahlen in einigen Bundesstaaten große Kundgebungen mit zum Teil Zehntausender Besucher abgehalten wurden, wie auch die Durchführung des hinduistischen Festes Kumbh-Mela in Haridwar im nördlichen Bundesstaat Uttarakhand, an dem im Zeitraum von Jänner 2021 bis zum 27. April knapp 25 Millionen Hindus vor Ort teilgenommen haben, attestieren der indischen Regierung eine „praktizierte Sorglosigkeit“. Die Aussage der BJP bei einer Wahlveranstaltung im Bundestaat Assam in der verkündet wurde, „Wahlveranstaltungen und religiöse Zusammenkünfte tragen nicht zur Verbreitung von Covid-19 bei“, wird kritisiert (BAMF 3.5.2021; vgl. HO 28.4.2021).
Seit Mai 2021 sind alle Erwachsenen impfberechtigt, davor nur über 45-Jährige. In mehreren Bundesstaaten des Landes ist der Impfstoff ausgegangen, Hilfsgüter aus mehreren Ländern wie Beatmungsgeräte, Anlagen zur Sauerstofferzeugung, Medikamente und Impfstoff werden Indien von der internationalen Staatengemeinschaft zur Verfügung gestellt. Medienberichten zufolge will Indien die eigene Impfstoffproduktion bis Juni 2021 erhöhen, von der staalichen indischen Eisenbahngesellschaft gab bekannt, 4.000 Waggons mit einer Kapazität von 64.000 Betten als provisorische Stationen für Corona-Patienten bereitzustellen (BAMF 3.5.2021).
Alle Experten davon aus, dass kurzfristig die Fallzahlen wie auch die Zahlen der Toten weiter ansteigen werden, da das staatliche Gesundheitssystem in vielen Landesteilen schon jetzt an seine Grenzen gestoßen ist. Eine mittelfristige Prognose ist noch unklar. Eine Hoffnung stellt, bedingt durch den bereits erfolgten sehr breiten Ansteckung der Bevölkerung das Erreichen einer Herdenimmunität dar (HO 25.4.2021).
Quellen:
• BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.5.2021): Briefing Notes, https:
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• BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (12.10.2020): https://www.bamf.d e/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2020/briefingnotes-kw 42-2020.pdf;jsessionid=91E533F0FC7A0F35C0751A9F00F3D711.internet572?
blob=publicatio nFile&v=4 , Zugriff 12.10.2020
• DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (10.12.2020): DFAT Country Information Report India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043026/country-infor mation-report-india.pdf, Zugriff 18.1.2021
• FE – Financial Express (20.3.2021): Coronavirus Lockdown 2021 News Highlights: Only partial relaxation from lockdown in Nagpur from Monday, https://www.financialexpress.com/lifestyle/healt h/coronavirus-lockdown-2021-live-news-coronavirus-india-latest-march-20-updates-narendra-m odi-covid-lockdown-night-curfew-maharashtra-mumbai-pune-nagpur-uttar-pradesh-delhi-bengalu ru-hyderabad-punjab-gu/2216571/, Zugriff 22.3.2021
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/do kument/2046516.html, Zugriff 22.3.2021
• GTAI – German Trade & Invest [Deutschland] (3.12.2020): Indien sieht erste Anzeichen einer Konjunkturbelebung, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/indien/indien-sieht-erste-a nzeichen-einer-konjunkturbelebung-234424, Zugriff 18.1.2021
• HO – Heise Online (25.4.2021): Telepolis: Corona in Indien: Sorglosigkeit, Mutanten und himmel-schreiende Ungleichheit, https://www.heise.de/tp/features/Corona-in-Indien-Sorglosigkeit-Mutant en-und-himmelschreiende-Ungleichheit-6030218.html, Zugriff 7.5.2021
• HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/do kument/2043608.html, Zugriff 18.1.2021
• ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien
• PRC – Pew Research Center (18.3.2021): In the pandemic, India’s middle class shrinks and poverty spreads while China sees smaller changes, https://www.pewresearch.org/fact-tank/2021/03/18/in- the-pandemic-indias-middle-class-shrinks-and-poverty-spreads-while-china-sees-smaller-change s/, Zugriff 22.3.2021
• TOI – Times of India (21.3.2021): Government failed to control Covid spread, must vaccinate all within months: Congress, http://timesofindia.indiatimes.com/articleshow/81618736.cms?utm_source=contentofinterest&utm
_medium=text&utm_campaign=cppst, Zugriff 22.3.2021
WKO – Wirtschaftskammer Österreich [Österreich] (13.1.2021): Coronavirus: Situation in Indien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-indien.html, Zugriff 18.1.2021
Mit Stand vom 19.09.2021 gibt es in Indien 33,5 Mio Coronafälle und 445 000 Todesfälle. Mit Stand vom 18.09.2021 gibt es in Indien 796 Mio verabreichte Impfdosen (siehe Statistik im Internet).
1. Grundversorgung und Wirtschaft
In Indien lebt etwa ein Viertel der Bevölkerung unter dem veranschlagten Existenzminimum der Vereinten Nationen. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine das Überleben sichernde Nahrungsversorgung auch der untersten Schichten der Bevölkerung zum Großteil gewährleistet. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe gibt es nicht, die Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder von Bekannten angewiesen (ÖB 12.2018).
Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2016/2017 bei 7,1 Prozent und in 2017/18 bei 6,75 Prozent mit wieder steigender Tendenz. Indien zählt damit nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt (AA 11.2018a).
2016 lag die Erwerbsquote laut Schätzungen der ILO bei 55,6 Prozent. Der Hauptteil der Menschen arbeitet im Privatsektor. Es gibt immer noch starke Unterschiede bei der geschlechtlichen Verteilung des Arbeitsmarktes. Indien besitzt mit 478,3 Millionen Menschen die zweitgrößte Arbeitnehmerschaft der Welt (2012). Jährlich kommen 12,8 Millionen Arbeitskräfte hinzu. Im Jahr 2015 lag die Arbeitslosenquote bei 3,4 Prozent (nach ILO 2016) (BAMF 3.9.2018).
Schätzungen zufolge stehen nur circa 10 Prozent aller Beschäftigten in einem vertraglich geregelten Arbeitsverhältnis. Die übrigen 90 Prozent werden dem sogenannten „informellen Sektor" zugerechnet — sie sind weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert, noch haben sie Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung (AA 11.2018a). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 16,4 Prozent (2017/18) der Gesamtwirtschaft obgleich fast 50 Prozent der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 11.2018a).
Die Regierung hat überall im Land rund 1.000 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Steile frei ist (BAMF 3,9.2018; vgl. PIB 23.7.2018). Das Nationale Mahatma Gandhi Beschäftigungsgarantieprogramm für die ländliche Bevölkerung (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act, MGNREGA), läuft bis 2019. Das Ziel des laufenden Programms besteht darin, die Infrastruktur zu verbessern, die Land- und Wasserressourcen zu vergrößern und der armen Landbevölkerung eine Lebensgrundlage zu bieten: Jedem Haushalt, dessen erwachsene Mitglieder bereit sind, manuelle Arbeiten zu verrichten, welche keiner besonderen Qualifikation bedarf, wird mindestens 100 Tage Lohnarbeit pro Haushaltsjahr garantiert (SNRD 26.3.2018). Einige Staaten in Indien geben Arbeitssuchenden eine finanzielle Unterstützung für die Dauer von drei Jahren. Für weitere Informationen sollte die jeweilige lokale Vermittlungsagentur kontaktiert werden, Diese bieten auch Beratungen an, bei denen sie Informationen zu Verfügung steilen (BAMF 3.9.2018).
Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung Und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf- Einkommen liegt bei rund 1.970 USD. Auf dem Human Development Index der UND? (Stand: September 2016) steht Indien auf Platz 130 unter 188 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 11,2018a).
Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an, welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 3.9.2018).
Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 3.9.2018).
55,3 Prozent der Bevölkerung (642,4 Mio) lebt in multi*dimensionaler Armut (HDI 2016),
Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempei, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 18.9.2018),
Im September 2018 bestätigte der Oberste Gerichtshof die Verfassungsmäßigkeit des biometrischen Identifikationsprojekts Aadhaar (HRW 17.1.2019). Als Teil einer
Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar-lD Nummer ausgestellt. Ursprünglich wurde das System eingeführt, um Steuerbetrug entgegenzuwirken. En den folgenden Jahren wurde der Umfang jedoch stark ausgeweitet: In einigen indischen Bundesstaaten werden mittels Aadhaar Pensionen, Stipendien und die Essensausgabe für arme Menschen abgewickelt (ORF 27.9.2018), Aadhaar stellt für den Großteil der Bevölkerung den einzigen Zugang zu einem staatlich anerkannten Ausweis dar.
Diejenigen, die sich bei Aadhaar angemeldet haben, erhielten nach der Übermittlung ihrer Fingerabdrücke und Netzhautscans eine eindeutige zwölfstellige Identifikationsnummer (BBC 26.9.2018).
Menschenrechtsgruppen äußern Bedenken, dass die Bedingungen zur Registrierung für Aadhaar, arme und marginalisierte Menschen daran hindern, wesentliche, verfassungsmäßig garantierte Dienstleistungen wie etwa Nahrung und Gesundheitsversorgung zu erhalten (HRW 18.1.2018).
AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- Und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
AA - Auswärtiges Amt (11.2018a): Indien, Wirtschaft, https://www.auswaertigesamtpde/de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/2059761 Zugriff 17.1.2019
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (3.9.2018): Länderinformationsblatt Indien, http:|/files.returningfromgermany.deífiles/CFS_2018 india_DE.pdf, Zugriff 17.12.2018
BBC British Broadcasting Corporation (26.9.2018): Aadhaar: India top court uphotds world's largest biometric schemet https://www.bbc.com/news/wortd-asia-india-44777787r zugriff 20.11.2018
HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - India, ttps://www-ecoi.net/de/dokument/2002249, html, Zugriff 23.12019
EHRW - Human Rights Watch (13.1.2018): India: Identification Project Threatens
Rights, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422175.htmI, Zugriff 19.11.2018
ORF Österreichischer Rundfunk (27.9.2018): indiens Form der digitalen Überwachung, https://orf.at|stories/3035121/, Zugriff 20.11.2018
ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018): Asylländerbericht Indien Arbeitsversion
PIB - Press Enformation Bureau Government of India Ministry of Labour & Employment (23.7.2018): Modernisation of Employment Exchange; http;//pib.nic.in/newsite/PrintReIease.aspx?reEid=180854t Zugriff 20.11.2018
SNRD - Sector Network Natural Resources and Rural Development Asia (26.3.2018): Environmental Benefits ofthe Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act (MGNREGA-EB), https://snrd-asia.org/environmental*benefits-of-the-mahatma-gandhinational-rural+employment w guarantee-act-mgnrega-eb/f Zugriff 2912019
WKO - Außenwirtschaft Austria (26.9.2018): Außen Wirtschaft Update Indien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-update.pdf, Zugriff 20.11.2018
2. Medizinische Versorgung
Eine gesundheitliche (Minimal)-Grundversorgung wird vom Staat im Prinzip kostenfrei gewahrt. Sie ist aber durchweg unzureichend. Von den Patienten wird viel Geduld abverlangt, da der Andrang auf Leistungen des staatlichen Gesundheitssektors sehr groß ist. Die privaten Gesundheitsträger genießen wegen fortschrittlicher Infrastruktur und qualifizierterem Persona\ einen besseren Ruf, ein Großteil der Bevölkerung kann sich diesen aber nicht leisten.
In allen größeren Städten gibt es Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Maßnahmen durchgeführt werden können. Dies gilt mit den genannten Einschränkungen auch für den öffentlichen Bereich. Fast alle gängigen Medikamente sind in Indien (meist als Generika westlicher Produkte) auf dem Markt erhältlich. Für den (relativ geringen) Teil der Bevölkerung, welche sich in einem formellen Arbeitsverhältnis befindet, besteht das Konzept der sozialen Absicherung aus Beitragszahlungen in staatliche Kassen sowie einer Anzahl von vom Arbeitgeber zu entrichtenden — diversen Pauschalbeträgen. Abgedeckt werden dadurch Zahlungen für Renten, Krankenversicherung, Mutter-Karenz sowie Abfindungen für Arbeitslosigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit (ÖB 122018).
Staatliche Krankenhäuser bieten Gesundheitsversorgung kostenfrei oder zu sehr geringen Kosten an (BAMF 3.9.2018), stellt sich jedoch durchweg unzureichend dar (AA 18.9.2018). Zudem gibt es viele weitere Institutionen, die bezahlbare Behandlungen anbieten (BAMF 3.9.2018).
Die staatliche Krankenversicherung erfasst nur indische Staatsbürgerinnen unterhalb der Armutsgrenze. Staatliche Gesundheitszentren bilden die Basis des öffentlichen Gesundheitswesens. Dies sind meist Ein-Mann-Kliniken, die auch kleine Operationen anbieten. Diese Zentren sind grundsätzlich in der Nähe aller Dörfer zu finden. Insgesamt gibt es mehr als 25.500 solcher Kliniken in Indien, von denen 15.700 von nur einem Arzt betrieben werden. Einige Zentren besitzen spezielle Schwerpunkte, darunter Programme zu Kinder-Schutzimpfungen, Seuchenbekämpfung, Verhütung, Schwangerschaft und bestimmte Notfälle (BAMF 3.9.2018).
Ebenfalls gibt es Gemeindegesundheitszentren und spezialisierte Kliniken. Diese sind für alle möglichen generellen Gesundheitsfragen ausgestattet und bilden die Basis des Gesundheitswesens in städtischen Gegenden. Sie werden von der Regierung betrieben und nehmen auf Empfehlung der Ersteinrichtungen Patienten auf. Jede dieser Einrichtungen ist für 120.000 Menschen aus städtischen bzw. 80.000 Patienten aus abgeschiedenen Orten zuständig. Für weitere Behandlungen können Patienten von den Gemeindegesundheitszentren zu Allgemeinkrankenhäusern transferiert werden. Die Zentren besitzen daher auch die Funktion einer Erstüberweisungseinrichtung. Sie sind dazu verpflichtet, durchgängig Neugeborenen- bzw. Kinderfürsorge zu leisten sowie Blutkonservenvorräte zu besitzen. Für den Rest der Bevölkerung ist eine beitragspflichtige Krankenversicherung durch verschiedene private und staatliche Firmen zu unterschiedlichen Konditionen gegeben (BAMF 3.9.2018),
Da der Andrang auf Leistungen des staatlichen Sektors sehr stark ist, weichen viele für eine bessere oder schnellere Behandlung auf private Anbieter aus. Die privaten Gesundheitsträger genießen wegen der fortschrittlicheren Infrastruktur und des qualifizierteren Personals einen besseren Ruf. In allen größeren Städten gibt es medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Behandlungen durchgeführt werden können. Dies gilt mit den genannten Einschränkungen auch für den öffentlichen Bereich (AA 18.9.2018). Einige wenige private Krankenhäuser in den größten Städten gewährleisten einen Standard, der dem westlicher Industriestaaten vergleichbar ist, Im wirtschaftlich starken Punjab und in New Delhi ist die Gesundheitsversorgung im Verhältnis zu anderen Landesteilen gut (AA 18.9.2018).
Die staatliche Krankenversicherung erfasst nur indische Staatsbürger unterhalb der Armutsgrenze. Für den Rest der Bevölkerung ist eine beitragspflichtige Krankenversicherung durch verschiedene private und staatliche Firmen zu unterschiedlichen Konditionen gegeben. Bekannte Versicherer sind General Insurance, Bharti AAA, HDFC ERGO, Bajaj, Religare, Apollo Munich, New India Assurance, Max Bupa etc. (BAMF 3.9.2018).
Eine private Gesundheitsversorgung ist vergleichbar teuer und die Patienten müssen einen Großteil der Kosten selber zahlen. Für den Zugang zu den Leistungen ist grundsätzlich ein gültiger Personenausweis nötig (Adhaar card, Voter ID, PAN) (BAMF 3.9.2018).
In Indien sind fast alle gängigen Medikamente auf dem Markt erhältlich (AA 18.9.2018).
Medikamentenläden sind in Indien zahlreich und auch in entlegenen Städten vorhanden. (BAMF 3.9.2018). Die Einfuhr von Medikamenten aus dem Ausland ist möglich. Indien ist der weltweit größte Hersteller von Generika und Medikamente kosten einen Bruchteil der Preise in Europa (AA 18.9.2018). Die Kosten für die notwendigsten Medikamente staatlich kontrolliert, sodass diese weitreichend erhältlich sind (BAMF 3.9.2018).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien
BAMF Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (3.9.2018): Länderinformationsblatt Indien, http://fi|es.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_Endia_DE.pdf, Zugriff 17.12.2018
ÖB — Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018): Asylländerbericht Indien — Arbeitsversion
3. Rückkehr
Allein die Tatsache, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung. Auch in jüngerer Zeit wurden bei rückgeführten abgelehnten indischen Asybewerbern keine Benachteiligungen nach Rückkehr bekannt. Polizeilich gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Ubergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (AA 18.9.2018).
Quellen F
AA - Auswärtiges Amt (18.9,2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zur Muttersprache des Beschwerdeführers ergeben sich aus den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren. Durch die Vorlage seines indischen Führerscheines steht die Identität des Beschwerdeführers fest.
Die Feststellungen zum Geburtsort des Beschwerdeführers, seiner Schulbildung, seiner Erwerbstätigkeit und seinen in Indien aufhältigen Familienangehörigen beruhen auf den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren, an denen kein Grund zu zweifeln besteht, und wurden im Wesentlichen bereits vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im angefochtenen Bescheid getroffen. Die Behauptungen in der Beschwerde, wonach der BF keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte mehr in Indien habe, wird als reine Schutzbehauptung gewertet, zumal keine näheren Angaben dazu gemacht wurden. Außerdem scheint die Beschwerde eine Art „Musterbeschwerde“ zu sein, in welcher, je nachdem welche Staatsangehörigkeit der BF besitzt, der Namen des Heimatstaates einfach ausgetauscht bzw. eingesetzt wird. Dies zeigt sich beispielsweise auf der Seite 3 der Beschwerdeschrift, wo auf die Rückkehrbefürchtungen nach „Nigeria“ abgestellt wird und nicht nach Indien.
Die Feststellungen zu den fehlenden sozialen Bindungen, der illegalen Erwerbstätigkeit als Zeitungszusteller, dem Nichtbezug von Leistungen aus der Grundversorgung und der Nichtvorlage von Deutschkursen bzw. Deutschprüfungen ergeben sich aus dem Akteninhalt. Dass der BF an Asthma leidet, ergibt sich aus dem Befundbericht von 2018 und seinen Aussagen in den niederschriftlichen Einvernahmen. Vom festgestellten Sachverhalt ging bereits das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im angefochtenen Bescheid aus; ein darüberhinausgehendes integrationsrelevantes Vorbringen wurde in der Beschwerde nicht erstattet.
Dass der Beschwerdeführer arbeitsfähig ist, ergibt sich schon allein aus seiner illegalen Tätigkeit als Zeitungszusteller in Österreich.
Die Feststellung zur Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister.
Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Indien gefährdet wäre, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, von der Todesstrafe bedroht wäre oder in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde, sind im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde nicht dargetan. Im gegenständlich angefochtenen Bescheid führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nachvollziehbar aus, dass es dem Beschwerdeführer als volljährigen Mann, der über Schulbildung und Familienangehörige in Indien verfüge, im Fall der Rückkehr durch eigene Erwerbstätigkeit seine Existenz zu sichern. Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Indien die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht möglich wäre, sind, wie vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aufgezeigt, im Verfahren nicht hervorgekommen. Es ist sohin dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht entgegenzutreten, wenn es – vor dem Hintergrund der getroffenen Länderfeststellungen – zu dem Schluss kommt, dass der Beschwerdeführer nicht Gefahr laufe, in seinem Herkunftsstaat der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe beziehungsweise der Todesstrafe unterworfen zu werden oder in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Notlage zu geraten. Gegenteiliges wurde auch in der Beschwerde nicht vorgebracht.
Die oben wiedergegebenen Feststellungen zur Situation in Indien ergeben sich aus den im angefochtenen Bescheid herangezogenen Länderberichten, die auch dieser Entscheidung zugrunde gelegt wurden. Bei den angeführten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Indien ergeben. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht (wesentlich) geändert haben. Diesen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat wurde in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten. Die Feststellungen zur Covid-19–Pandemie stützen sich auf die in den Feststellungen genannten Quellen, die im Internet zugänglich sind. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln
3. Rechtliche Beurteilung:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zum Spruchteil A)
3.1. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG ist gegen einen Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstücks des FPG fällt und dem kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt wird, eine Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu erlassen.
Der BF fällt nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstücks des FPG.
Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Der BF befindet sich seit spätestens März 2013 im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor.
Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
Dem BF kommt kein Aufenthaltsrecht in Österreich zu. Seiner Ausreiseverpflichtung aufgrund seines mit 23.03.2013 rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens kam der BF nicht nach.
Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.
Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird –insbesondere zu berücksichtigen: 1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, 4. der Grad der Integration, 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit, 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, 8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, 9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. auch VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).
Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Die zeitliche Komponente spielt jedoch eine zentrale Rolle, da – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessensabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua, mwH).
Das erkennende Gericht geht davon aus., dass der BF sich seit spätestens März 2013 im Bundesgebiet aufhält, eine maßgebliche Integration konnte jedoch nicht festgestellt werden. Hervorgehoben wird weiters, dass der BF laut ZMR mehrfach nicht über eine aufrechte Meldeadresse in Österreich verfügte.
Der BF hat keine Verwandten oder sonstigen nahen Angehörigen in Österreich. Seine Familie leben in im Herkunftsstaat Indien. Der BF hält sich illegal in Österreich auf, ist hier einer illegalen Beschäftigung nachgegangen und hat keine Unterlagen betreffend absolvierte Deutschkurse und Deutschprüfungen vorgelegt. Er ist nicht Mitglied in Vereinen oder sonstigen Organisationen und hat auch sonst keine Bemühungen hinsichtlich einer Integration in Österreich aufgezeigt.
Der VwGH hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190). Auch der Verfassungsgerichtshof verweist darauf, dass ein allein durch beharrliche Missachtung der fremden-, und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken könne. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen (VfSlg. 19.086/2010 mwH).
Weiters ist hervorzuheben, dass der BF bereits rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt wurde und auch ohne gültigen Führerschein beim Fahren eines PKWs von der Polizei angehalten wurde. Nach Maßgabe einer Interessenabwägung iSd. § 9 BFA-VG ist das BFA daher zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des BF in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art 8 EMRK dar.
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
Im vorliegenden Fall sind – wie schon in der Beweiswürdigung umfassend dargelegt wurde - keine Abschiebungshindernisse im Sinne des § 50 FPG zu erkennen:
Aus der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat allein ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der BF im Sinne des § 50 FPG bedroht wäre. Es konnte nicht festgestellt werden, dass in Indien derzeit eine "extreme Gefahrenlage" (vgl. etwa VwGH 16.04.2002, 2000/20/0131) im Sinne einer dermaßen schlechten wirtschaftlichen oder allgemeinen (politischen) Situation herrschen würde, die für sich genommen bereits die Zulässigkeit der Abschiebung als unrechtmäßig erscheinen ließe.
Zudem ist unter Berücksichtigung der hier relevanten persönlichen Umstände des BF nicht von einer völligen Perspektivenlosigkeit des BF auszugehen. Folglich ist es dem BF als einem arbeitsfähigen Mann, dessen Familie in Indien lebt und über Grundstücke verfügt, zumutbar, sich in seinem Herkunftsstaat den notwendigen Unterhalt zu sichern. Er verfügt zudem über Schulbildung und Berufserfahrung als Landwirt in Indien, sodass auch vor diesem Hintergrund nicht angenommen werden kann, der BF geriete im Falle einer Rückkehr nach Indien in eine lebensbedrohliche Notlage. Schwierige Lebensumstände genügen für eine Schutzgewährung im Sinne des § 50 FPG nicht.
Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Indien nicht.
Die Abschiebung des BF nach Indien ist daher zulässig.
3.2. Zum Nichtbestehen einer Frist für die freiwillige Ausreise und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkte IV. und V. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn 1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist, 2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder 3. Fluchtgefahr besteht.
Der BF hält sich rechtswidrig in Österreich auf, ist einer unerlaubten Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nachgegangen und hat gesetzliche Bestimmungen missachtet, weshalb die Ansicht des BFA, wonach die sofortige Ausreise des BF im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist, nicht zu beanstanden ist.
Da das BFA die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt hat, war gemäß § 55 Abs. 4 FPG von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen und ist auch Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides nicht zu beanstanden.
3.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides:
§ 53 FPG idgF lautet:
„§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)
(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;
4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;
7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;
8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels